Während Frau Kramp-Karrenbauer redet, wird in Chemnitz schon mal gefeiert: Der „rechte Rand“ kommt in die Mitte…
„Die Chemnitzer Fußballwelt verabschiedete den jüngst verstorbenen Thomas Haller mit Ehren. Beim Spiel gegen VSG Altglienicke hielten viele der 4000 Fans eine Schweigeminute ab, es gab Pyro, der Stadionsprecher bekundete sein Beileid. Auch Peggy Schellenberger, Fanbeauftragte und SPD-Stadträtin, berichtete, dass man »fair, straight, unpolitisch und herzlich zueinander« gewesen sei. Was zeigen diese Momente, ungeachtet der späteren Distanzierungen, Relativierungen und Schadensbegrenzungsversuche? Der Chemnitzer Fußballclub hat seit der Wende ein Naziproblem. Und die Nazis sind mittlerweile so stark im Stadion und der Stadtgesellschaft verankert, dass sie kaum noch als Problem wahrgenommen werden. Haller hatte in den 1990er Jahren die Gruppe Hoonara gegründet. Der Name »Hooligans-Nazis-Rassisten« war Programm. Ein Mitglied beteiligte sich 1999 an der Ermordung eines Punk. Bis 2007 konnte dennoch eine Sicherheitsfirma von Haller den Ordnerdienst für den CFC stellen…“ – aus dem Kommentar „Angekommen in der Mitte“ von Sebastian Bähr am 10. März 2019 in neues Deutschland über die aktuelle „Spitze des Eisbergs“ im Prozess des Zusammenwachsens von konservativen und rechtsradikalen Strömungen. Zu verschiedenen Aspekten des Zusammenwachsens von „gutbürgerlich“ und rechtsradikal einige weitere aktuelle Beiträge, die diese Entwicklung deutlich machen:
„Chemnitzer FC hält Schweigeminute für verstorbenen Neonazi ab“ ebenfalls am 10. März 2019 in neues Deutschland zu den Gedenkfeierlichkeiten: „… Einen Tag nach der Schweigeminute verteidigte der sächsische Verein sein Vorgehen in einer Stellungnahme auf der Klubseite. „Entgegen der Berichterstattung des MDR Sachsen vom 9.3.2019 war dies keine offizielle Trauerbekundung“, schrieb der Klub. Die Ermöglichung der gemeinsamen Trauer stelle demnach keine Würdigung des Lebensinhalts Hallers dar. Vielmehr sei es „ein Gebot der Mitmenschlichkeit, den Fans des CFC und Hinterbliebenen, die darum baten, die gemeinsame Trauer zu ermöglichen“. Dies geschah wohl auch in Übereinstimmung mit Abwägungen, die von den Sicherheitsbehörden getroffen worden waren. (…) Politische Brisanz erhielt der Tod Hallers auch durch die öffentliche Beileidsbekundung von Peggy Schellenberger. Nach dem Tod des Rechtsradikalen kondolierte die SPD-Stadträtin und CFC-Fanbeauftragte auf ihrer Facebook-Seite mit den Worten: „Wir lebten in komplett verschiedenen Welten und entschieden uns irgendwann für völlig andere Wege. Es gab grundlegende Dinge, die haben uns strikt getrennt. Aber es gab eben auch die andere, menschliche Seite. Wir waren immer fair, straight, unpolitisch und herzlich zueinander – das hat dich ausgezeichnet. Ruhe in Frieden!“ Kritik erhielt Schellenberger für ihre Worte sogar aus der eigenen Partei…“
„Wut und Leidenschaft in der Tennishalle“ von Stefan Braun am 06. März 2019 in der Süddeutschen Zeitung online über den Aschermittwochsauftritt der neuen CDU-Vorsitzenden, wobei sie nach ihrer Gender-Attacke weitere Positionen deutlich markierte: „… Und weil das auch für sie noch ein bisschen unkonkret klingt, zieht sie zwei politische Linien, die bis in die Berliner Koalition hineinwirken. „Es wird Zeit, dass sich Europa nicht mehr um jede Kleinigkeit kümmert, sondern um die großen Fragen.“ Das gelte zum Beispiel für den Schutz der Außengrenzen. Dazu zählt sie nicht nur den Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex. Sie erinnert noch einmal daran, was sie von denen hält, die als Flüchtlinge kommen und den neuen Schutz hierzulande für schwere Straftaten wie die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung von Freiburg ausnutzen. „Darauf kann es nur eine Antwort geben“, so die CDU-Chefin. Wer das mache, „der muss Deutschland verlassen und darf europäischen Boden nicht mehr betreten“…“
„Meuthen verteidigt Büttenrede von Kramp-Karrenbauer“ am 05. März 2019 im Deutschlandfunk über die Unterstützung aus der passenden Ecke: „AfD-Chef Meuthen hat die Karnevalsrede von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer verteidigt. Den Kritikern warf er Doppelmoral vor. Wenn es auf den Umzügen und Fastnachtssitzungen gegen seine Partei gehe, jubele keiner lauter als diese „hypermoralisierenden Pharisäer“, schrieb er auf Facebook. Kramp-Karrenbauer habe es in einem – Zitat – Anflug von Restkonservatismus gewagt, die „Idiotien“ rund um das sogenannte dritte Geschlecht aufs Korn zu nehmen. Das gehe im linksgrünen „Irrenhaus Deutschland“ natürlich gar nicht. Deshalb habe „die Sprachpolizei der Dauerempörten“ sofort zum Einsatz ausrücken müssen. Namentlich kritisierte Meuthen dabei SPD-Generalsekretär Klingbeil, die Grünen-Vorsitzende Baerbock, den Berliner Kultursenator Lederer (Die Linke) und den FDP-Fraktionsvize Dürr…“
„Vorwärts in die Vergangenheit“ von René Heilig am 04. März 2019 in neues Deutschland über einen ehemaligen Verfassungsschutz-Chef, der seine Linie – keineswegs alleine – weiter verfolgt: „… Wie gehabt kritisierte Maaßen die aktuelle, also Merkels, Asylpolitik. Er sei der CDU »damals nicht beigetreten, damit Millionen Asylsuchende nach Deutschland kommen und es eine Asylpolitik ohne Obergrenze gibt«. Einmal so im Schwung, macht sich Maaßen generell Luft: »Ich bin ihr auch nicht beigetreten, damit es energiepolitische Ausstiege ohne gesicherte Einstiege gibt. Auch nicht, damit die Wehrpflicht abgeschafft und die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr eingeschränkt wird. Auch nicht der Mindestlohn oder die Genderpolitik waren meine Motivation, in die Partei einzutreten.« Als Demokrat hätte Maaßen sagen können, dass die Mehrheiten im deutschen Rechtsstaat anders waren. Doch er trieb seine Generalabrechnung wider den Gesellschaftskurs der vergangenen Jahre lieber auch in die eigene Partei. Maaßen kritisierte, dass manche Positionen als Preis für den Machterhalt geräumt wurden, doch: »Es gibt rote Linien, die man nicht überschreiten darf, wenn man nicht seine eigene Identität aufgeben will.« Die Warnung an »manche Funktionäre in der CDU«, also jene, die eine eigene Agenda, vielleicht »eine Karriere-Agenda haben, die nicht immer identisch ist mit den Wertvorstellungen und den Überzeugungen vieler Parteimitglieder und Anhänger« war deutlich lesbar: »Die CDU ist nicht das Eigentum der Funktionäre.«…“
„Kramp-Karrenbauer gibt sich näher bei Kurz als bei Macron“ von Peter Mühlbauer am 11. März 2019 bei telepolis zu Aspekten einer Kursänderung in der Debatte zwischen verschiedenen reaktionären Konzepten: „Letzte Woche stellte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der in seinem eigenen Land ausgesprochen umstritten ist, eine Reihe von europapolitischen Forderungen vor. Inhaltlich entsprechen diese Forderungen zusammengefasst in etwa dem, was auf den aktuellen SPD-Europawahlplakaten mit Martin Schulz steht: „[Mehr] Europa ist die Lösung [für alles]“. Auf diese Forderungen Macrons hat nun überraschenderweise nicht die deutsches Bundeskanzlerin Angela Merkel geantwortet, sondern ihre Nachfolgerin als CDU-Vorsitzende, Annegret Kramp-Karrenbauer. In einem Gastbeitrag für die Welt am Sonntag gibt sie Macron zwar bezüglich eines Vorliegens von Handlungsbedarf recht, meint aber, „dem Ziel eines handlungsfähigen Europas“ werde „kein europäischer Superstaat gerecht“. „Europäischer Zentralismus, europäischer Etatismus, die Vergemeinschaftung von Schulden, eine Europäisierung der Sozialsysteme und des Mindestlohns“ wären ihren Worten nach „der falsche Weg“. Stattdessen müsse man „konsequent auf ein System von Subsidiarität, Eigenverantwortung und damit verbundener Haftung setzen“. (…) Damit liegt sie näher beim österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz als beim französischen Staatspräsidenten oder beim scheidenden EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Dass sie nicht nur Kurz, sondern auch andere mittel- und osteuropäische Politiker am Diskussionsprozess über einen EU-Umbau beteiligt sehen will, deutet sie mit dem Hinweis an, „mit Blick auf die[se] Mitgliedstaaten [sei] Respekt vor ihren Herangehensweisen und ihrem spezifischen Beitrag zu unserer gemeinsamen europäischen Geschichte und Kultur geboten“…“
„Autoritäre Pirouetten“ von Rudolf Walther am 04. März 2019 in der taz online zu „passenden“ Entwicklungen – hier in Frankreich, wo die Tendenz dieselbe ist – wenn die konservative und die rechtsradikale Weltsicht weiter zueinander rücken: „… Die andere Seite des Angriffs auf Demokratie und Rechtsstaat kommt aus der politischen Mitte, ist aber ebenso gefährlich wie der von rechts außen. Von bürgerlich-konservativer Seite wird zielstrebig die Verschiebung der Grenze zwischen demokratisch fundierter konservativer und populistisch-rechtsradikaler Politik befördert. Das beginnt in der Bundesrepublik mit der Ventilierung von neuen Koalitionen in der Ost-CDU, die eine Koalition mit der AfD nach den nächsten Landtagswahlen nicht mehr ausschließt. Aus der bürgerlich-konservativen medialen Öffentlichkeit wird zur Grenzverschiebung zwischen Konservatismus und Rechtsradikalismus längst nicht mehr geschwiegen. Éric Zemmour, Starkolumnist beim Figaro, der größten konservativen Zeitung, Animator von Talk-Shows und Autor eines Dutzends von Bestsellern, die regelmäßig Auflagen von über 300.000 Exemplaren erzielen, hat diese Grenzverschiebung zu seinem Markenzeichen gemacht. (…) In seinem aktuellen Buch mit dem Titel „Destin Français“ („Französisches Schicksal“) betreibt er eine Annäherung von Konservatismus und Le Pen bzw. RN mit hemmungsloser Verherrlichung der Nation bis hin zum Nationalismus sans phrase und ebenso schrankenloser Abwertung von Demokratie, Rechtsstaat und europäischer Integration…“