Buchmesse als rechter Tummelplatz
„Kultur gegen Rechts“ mag ein sympathisch klingendes Schlagwort sein: Zutreffend ist es keineswegs. Weil es zum einen die unzutreffende Voraussetzung enthält, es gebe keine rechten Kulturschaffenden, zum anderen die Existenz der Grauzonen des Übergangs leugnet, die vom ideologischen Mainstream des Bürgertums zur rechten bis rechtsradikalen Gedankenwelt genauso bestehen, wie eh und je. Und eine Buchmesse, deren Organisatoren und Beteiligten (Verlage) von Sarrazin bis Sloterdijk alle möglichen reaktionären Machwerke auf die gesellschaftliche Bühne gebracht haben, brauchen sich wahrlich nicht zu wundern, wenn solcherart Auffassungen nunmehr radikalisiert werden. (Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei den traditionellen Antisemitismus des Bürgertums im Kaiserreich – und vorher – zum historisch einmaligen Massenmord radikalisierte). Es ist kein Zufall und schon gar keine Normalität, wenn die Frankfurter Buchmesse 2017 rechte Attacken in einem Ausmaß wie nie zuvor an den Tag brachte – und die Buchmessenleitung Protest mit Ausschluss bestrafte…. Siehe dazu fünf aktuelle Beiträge:
- „Ehrenwert, aber überfordert“ von Jonas Fedders am 16. Oktober 2017 in der taz ist ein Kommentar, der folgenden Aspekt der Entwicklung hervor hebt: „In Frankfurt konnte man gut beobachten, was passiert, wenn man den rechten Antidemokraten eine Bühne bietet. Sie nutzen sie, und sie geben sie auch nicht wieder her. Als der Direktor der Buchmesse dem Publikum von Antaios die Auflösung der Veranstaltung bekanntgeben will, drückt der Verleger Götz Kubitschek mehrfach dessen Megaphon weg. Die Menge johlt, unter Gebrüll und Schmährufen verlässt der Chef der Buchmesse die Bühne. Kubitschek setzt die Veranstaltung fort, er spricht abfällig über die Organisatoren der Buchmesse – obwohl diese die Teilnahme des Antaios Verlages bis zum Schluss verteidigt hatten. Man werde darüber diskutieren, ob der Vorfall zwischen Kubitschek und dem Direktor der Buchmesse Konsequenzen für den Antaios Verlag haben werde, sagte eine Sprecherin der Buchmesse. Das bleibt zu hoffen. Sollten die Rechten mit ihrem Auftritt am Samstag durchkommen, wäre das ein fatales Signal: Es käme einer Kapitulation vor dem Mob gleich“.
- „Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit: Rechte Provokationen und Übergriffe auf der Frankfurter Buchmesse“ von Radio Corax Halle am 16. Oktober 2017 im Freie Radios.net dokumentiert, wird folgendermaßen eingeleitet: „Am Wochenende kam es auf der Frankfurter Buchmesse zu mehreren Provokationen und Übergriffe von Rechten gegenüber BesucherInnen und Verlagsstände. Die meiste Aufregung gab es am Samstag am Stand des Antaios-Verlags. Der Verlag von dem rechten Politaktivisten Götz Kubitschek verlegt die Schriften der Autoren der Neuen Rechten. An dem Stand hatten sich neben dem rechtspopulistischen Autor Akif Pirincci, dem AfD-Chef von Thüringen, Björn Höcke auch zahlreiche Mitglieder der Identitären Bewegung versammelt. Sie besuchten die Vorstellung des diffamierenden Buches „Unter Linken leben“, das im Antaios Verlag erschienen ist und an dem eine Idenentitäre aus Wien mitgeschrieben hat. Vor dem Stand kam es zum Protest von einigen BesucherInnen der Buchmesse. Mitglieder der Identitären Bewegung antworteten auf den Protest mit agressiven Sprechchören. Es kam zu einem Tumult, bei dem der Politiker Nico Wehnemann, der sich dem Protest gegen den Verlag angeschlossen hatte, überwältigt wurde. Wehnemann sitzt für „Die Partei“ in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Nach dem Tumult verhängte die Leitung der Buchmesse ein Hausverbot gegen Wehmenamm und die restlichen Demonstrierenden. Die Leitung der Buchmesse beendete die Veranstaltung des Antaios Verlags und entschuldigte sich bei dem Verlag dafür. Dieser Fall von rechter Provokation und rechtem Übergriff blieb auf der Buchmesse nicht singulär. Mehrfach haben Stände und BesucherInnen von rechten Anfeindungen und Gewalt berichtet. Was am Samstag genau geschehen ist, sprachen wir mit Nico Wehnemann selbst. Zunächst fasste er die Geschehnisse von Samstag auf der Buchmesse zusammen“.
- „Der Antaios Verlag als neurechtes Debattenforum?“ von Radio Corax Halle am 17. Oktober 2017 im Freie Radios.net dokumentiert, befasst sich mit dem Wirken jenes Hetzschriften-Verlags, der am meisten Aufmerksamkeit erreichte mit seinen kulturellen Aktivitäten wie Hass verbreiten und drohen: „Der Verleger und rechte Politaktivist Götz Kubitschek gibt im Antaios Schriften von Anhängern der „Neuen Rechten“ heraus. Dazu zählen etwa auch die Bücher des Rechtspopulisten Akif Pirincci, oder auch der umstrittene Bestseller „Finis Germania“ von Rolf Peter Sieferle. Am Samstag waren an dem Stand des Antaios Verlags auf der Buchmesse neben Akif Pirincci und neben dem AfD-Chef von Thüringen, Björn Höcke, auch zahlreiche Mitglieder der Identitären Bewegung zu Gast. Das zeigt das politische Spektrum, dass der Antaios Verlag umfasst. Als gerade ein umstrittenes Buch am Stand vorgestellt wurde, protestierten einige Besucher vor dem Stand dagegen. Es kam zu einem Tumult zwischen Demonstrierenden und den Mitgliedern der Identitären Bewegung. Die neurechten Identitären sollen gegenüber den Demonstrierenden aggressiv und handgreiflich gewesen sein. Am Ende erhielten die Demonstrierenden Hausverbot auf der Buchmesse“.
- „Krawall und Faustschläge Buchmesse in der Kritik: Allein gegen Rechte“ von JÖRN TÜFFERS am 16. Oktober 2017 in der Frankfurter Neuen Presse hält zum Verhalten der Buchmessenleitung fest: „Der Auftritt rechtsgerichteter Verlage hatte bereits vor der Bücherschau Debatten ausgelöst. Der Börsenverein hat die Zulassung der Stände mit der Meinungsfreiheit begründet und zur „aktiven Auseinandersetzung“ aufgerufen. Die Messe sei ein Ort des freien Dialogs, bekräftigten Boos und Skipis nach den Vorfällen. Das sei die „unveränderliche Haltung“ von Buchmesse und Börsenverein. Diese Position stößt in sozialen Netzwerken auf zum Teil scharfe Kritik. Die ehemalige Grünen-Politikerin Jutta Dittfurth wirft den Messe-Verantwortlichen auf Twitter vor, mit der Ausrede der Meinungsfreiheit lasse sie die Enthemmung und Ausbreitung von Nazis zu“.
- „Brüllen ist Blech gilt auch für die Antifa“ von Malte Lehming am 16. Oktober 2017 im Tagesspiegel kann als Muster dafür durchgehen, wie der rechte Aufmarsch schön geredet und Linke stattdessen angeschuldigt werden. Nach einleitender Beschreibung von 7.000 Verlagen, unter denen auch eine Handvoll rechter gewesen seien (und dem später folgenden Eigenlob einer Tagesspiegel Mitarbeiterin als besonders qualifizierter Kraft, die die Linken beschuldigte) hält der gute deutsche Mann fest: „Der Veranstalter, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, hatte die Zulassung dieser Verlage mit der Meinungsfreiheit begründet, die nicht relativierbar sei. Wer nicht gegen geltendes Recht verstoße, würde nicht ausgeschlossen, hieß es. Doch offenbar hatte man die Rechnung ohne die Antifa gemacht. Bereits ab Donnerstag wurden rechte Verlage mit Zahnpasta beschmiert und Buchregale geplündert. Zum Eklat kam es dann am Samstag in Halle 4 bei einer Veranstaltung des „Antaios“-Verlags. Dort wollte die Publizistin Ellen Kositza, Ehefrau des neurechten Vordenkers und Verlegers Götz Kubitschek, mit den Autoren des Buches „Mit Linken leben“ diskutieren, Caroline Sommerfeld und Martin Lichtmesz. Gekommen war außerdem der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke“.