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Seit Colombine 1999: In Florida der 436. „Amoklauf“ – landesweiter Protest an den Schulen am 20. April 2018
436 Einzelfälle in 20 Jahren, 18 tödliche Zwischenfälle an Schulen schon im Jahr 2018, führen denn doch dazu, dass – in der gesellschaftlichen Reaktion auf die Mordserien – die Grenze der Debatte um Waffenbesitz (nicht zuletzt aus bundesdeutscher Produktion) allmählich überschritten wird. Zumal die Verbrechen in jüngster Zeit immer öfter von erklärten Rassisten und Rechtsradikalen ausgehen, so dass über politische und psychologische Bedingungen der Täter nicht mehr spekuliert werden kann oder muss. Und die faktische Bankrotterklärung der offiziellen amerikanischen Politik, im Vorschlag ausgedrückt, Lehrerinnen und Lehrer sollten doch bewaffnet zur Arbeit kommen, bringt nun selbst die US-Gewerkschaften im Bildungsbereich dazu, gegen die Gewalteskalation zu mobilisieren. Zur Debatte um Gewalt an den Schulen in den USA eine aktuelle Materialsammlung – inklusive des Aufrufs der kritischen AktionärInnen gegen die Expansionspläne von Heckler&Koch am US-Waffenmarkt:
„Der Aufschrei der Mitschüler“ von Karl Doemens am 16. Februar 2018 in der Frankfurter Rundschau berichtet über die Reaktionen auf den neuerlichen Mord: „Die politische Diskussion nach dem Schulmassaker von Florida nahm gerade ihren absehbaren, verharmlosenden Lauf, als Carly Novell verärgert zu ihrem Handy griff. „Ich habe mich für zwei Stunden in einem Wandschrank versteckt“, twitterte die 17-jährige Schülerin an die Adresse einer rechten Publizistin, die behauptet hatte, die Linken in den USA missbrauchten die tödlichen Schüsse für ihren Feldzug gegen das Verfassungsrecht auf Waffenbesitz. „Sie waren nicht da“, konterte Novell, die den Amoklauf an der Marjory Stoneman Douglas High School überlebte: „Sie wissen nicht, wie es sich anfühlt. Hier geht es sehr wohl um Waffen und alle die Menschen, die ihr Leben abrupt wegen der Waffen verloren haben.“ Der Aufschrei der Schülerin verbreitete sich im Netz wie ein Lauffeuer. Mehr als 750 000 Twitter-Nutzer stimmten ihm zu“.
„Another School Shooting, and the Political Script Repeats“ von Kelly Hayes am 15. Februar 2018 bei Truthout war der erste von inzwischen vielen Beiträgen in kritischen Medien, in dem unterstrichen wurde, dass die ewige Debatte um Waffenbesitz alleine keine Veränderungen bringen wird, sondern dass es darum gehen müsse, die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen zum Thema zu machen, die zu solchen endlos wiederholten Wahnsinnsaktionen führten. Bis jetzt sei es eben so, dass jeder neuen Tat die ewige alte Debatte folge.
„Der Gewaltausbruch des Nikolas Cruz“ am 15. Februar 2018 bei Spiegel Online ist ein Beitrag in dem neben den in der BRD besonders üblichen Verweisen auf leichten Zugang zu Waffen in den USA auch darauf verwiesen wird: „An der Schule hatte der 19-Jährige an einem Ausbildungsprogramm des US-Militärs teilgenommen, wie ein früherer Mitschüler sagte. Cruz habe immerzu über Schusswaffen, Messer und Jagd gesprochen, sagte ein früherer Klassenkamerad namens Joshua dem „Miami Herald“. „Er wirkte wie die Sorte Jugendlicher, die so etwas tun würde.“ Das passt zu den vielen Berichten anderer Schüler und Angestellter, die Cruz als Einzelgänger mit einem Faible für Schusswaffen und Messer beschrieben. Ein Jugendlicher sagte dem „Miami Herald“, Cruz sei bereits im vergangenen Jahr bestraft worden, weil er mit Munition zur Schule gekommen sei“.
„Todesschütze von Parkland gesteht“ am 17. Februar 2018 in neues deutschland informiert unter anderem darüber, wer so alles von der US-Army trainiert wird: „Cruz soll sich an der Rassistenvereinigung und Miliz »Republic of Florida« (ROF) beteiligt haben. Das sagte ein Sprecher der Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League. Cruz habe an Trainings teilgenommen. Die ROF-Milizen bezeichnen sich als gewalttätige, weiße Bürgerrechtsbewegung. Sie kämpfen für einen rein weißen Staat ohne andere Ethnien, der kein Teil der USA ist. Ob es einen Zusammenhang mit Cruz’ Tat gibt, war zunächst unklar“.
„Florida High School Students Stage Walkout To Protest Gun Violence“ von Ryan Grenoble und Sebastian Murdock am 16. Februar 2018 in der Huffington Post ist ein Bericht über einen (ersten) Protest der SchülerInnen einer Nachbarschule für Waffenkontrolle – und gegen die Gewalt an Schulen. Darin wird nicht nur darüber informiert, dass neueste Umfragen zeigen, dass eine wachsende Mehrheit der Menschen in den USA Waffenkontrolle befürwortet – trotz aller Kampagnen der NRA und der Fox-Dreckschleuder – sondern auch, dass selbst in diesen spontanen Protesten der Jugendlichen die Frage nach den gesellschaftlichen Ursachen der Gewaltwelle auftaucht.
„American Carnage“ von Jeffrey St. Clair am 16. Februar 2018 bei Counterpunch ist ein ausführlicher Beitrag, der die Entwicklung dieser Gewaltwelle in den Zusammenhang der politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte stellt. Beginnend mit dem Massaker von My Lai in Vietnam, dessen verantwortlicher Kindermörder nicht einmal vier Jahre in Hausarrest verbringen musste, bewertet er zahlreiche politische Entscheidungen, die allesamt wenn nicht absichtlich, so doch „kollateral“ Gewalttaten auch gegen Kinder hoffähig machten. Und wenn unter diesen Bedingungen ein rassistischer Tierquäler sich für seinen Mindestlohn als Verkäufer problemlos eine AR-15 kaufen kann und über alle möglichen Netzwerke Drohungen ausstößt, die keine Behörde ernst nimmt…Dann, so der Autor, kommen zu den 154 Menschen, die die US-Polizei in den 45 Tagen des Jahres 2018 erschossen hat, eben weitere 17 Opfer des Systems hinzu…
„Statement From DSC, AEJ And J4J On Tragedy At Stoneman Douglas High School“ am 17. Februar 2018 bei Popular Resistance dokumentiert, ist die gemeinsame Stellungnahme von der Alliance for Educational Justice, der Dignity in Schools Campaign und der Journey for Justice Alliance zur Bluttat in Parkland. Die drei Initiativen für eine Demokratisierung der Bildung in den USA unterstreichen darin, dass alle nun abermals vorgetragenen Konzepte, Schulen durch Polizeimaßnahmen sicherer zu machen scheitern müssen, weil sie weder die gesellschaftlichen Ursachen der Verbrechen angehen, noch den Geist der Gemeinsamkeit fördern, der für eine Veränderung nötig sei.
„The Racists Trying to Exploit the Parkland Shooting“ von Charles Bethea am 17. Februar 2018 im New Yorker ist ein Beitrag darüber, wie die amerikanische Rechte auf das neuerliche Schulmassaker reagiert – konkret anhand jener Gruppierung, zu der der Täter gehört haben soll. Die nach dem Massaker neue Mitglieder gewonnen hat.
„A New Idea About How to Stop School Shootings“ von Dahlia Lithwick am 16. Februar 2018 bei Slate ist ein Beitrag über die Initiative für einen Protesttag der LehrerInnen in den USA gegen Waffenbesitz an den Schulen, die von Einzelnen ergriffen wurde und nun von verschiedenen gewerkschaftlichen und gewerkschaftsnahen Organisationen aufgenommen wurde.
„Join us in a Day of Action to Stop Gun Violence in our Schools“ am 16. Februar 2018 beim gewerkschaftlichen Network for Public Education ist der Aufruf für einen landesweiten Protesttag gegen Waffen an den Schulen am 20. April 2018
„Cutting class for communism, school strikes April 20th?“ von Mike Harman am 17. Februar 2018 bei libcom ist ein Beitrag über den in Vorbereitung befindlichen landesweiten Aktionstag am 20. April 2018. Darin werden in einer knappen Skizze Erfahrungen mit bisherigen Schulstreiks zusammen gefasst, etwa die Anti-Irakkriegs-Tage 2003 und daraus die Schlussfolgerung gezogen, die Jugendlichen müssten vor allem darauf achten, dass ihre Proteste – etwa durch offizielles „schulfrei“ – nicht von den etablierten Parteien aufgenommen würden, um sie zu kanalisieren.
„Kritische Heckler & Koch-Aktionär*innen fordern ein sofortiges Ende der Expansionspläne von H&K auf dem US-Waffenmarkt“ am 16. Februar 2018 beim RüstungsInformationsBüro ist die Erklärung der neuen Initiative zum Parkland-Massaker, an deren Ende drei Forderungen an das Unternehmen gestellt werden: „Verzichten Sie zukünftig auf jegliche Form der Waffenwerbung, die Jugendliche wie Erwachsene zum Kauf todbringender Faust- und Handfeuerwaffen animiert. Stoppen Sie den Bau des Pistolenwerkes für Jagd- und Sportwaffen in Georgia/USA. Die USA sind – angesichts der dortigen Sicherheitslage – kein grünes, sondern ein rotes Land, das nach einer an Menschenrechten und Sicherheit orientierten Geschäftspolitik nicht länger beliefert werden darf. Angesagt sind Waffeneinsammel- und –vernichtungsprogramme und massiv verschärfte Waffengesetze. Gründen Sie einen Opferfonds zur Entschädigung der Familien getöteter Menschen und zur medizinischen Betreuung und Therapie von überlebenden Opfern des Einsatzes von H&K-Waffen – in den USA und weltweit“.