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Polizei-Debatte in den US-Gewerkschaften – und wer mit konkreten Forderungen und Aktionen darüber hinaus geht

How to Talk to Police: Don`t.In den USA entwickelt sich eine Debatte zur regelrechten Auseinandersetzung: Wie sich der Gewerkschaftsbund AFL-CIO zu den Polizei-Bruderschaften verhalten soll, die oft genug auch Gewerkschaft genannt werden. Was daran wichtig ist? Weniger die Feststellung, dies könnte (und sollte) auch in der BRD Thema sein – das ohnehin, aber es geht um Anderes. Während der Internationale Gewerkschaftsbund seine verzweifelten Anstrengungen fortsetzt, die Sachlage so darzustellen, als ob die Gewerkschaften in den USA einheitlich hinter der BLM-Bewegung stünden, wird in Wirklichkeit deutlich, wie tief die Verbindungen der amerikanischen Gewerkschaften zum Polizeisystem sind – und denen, die diese Verbindungen pflegen und praktizieren bleibt nicht viel übrig, als mehr oder minder versteckte Wahlempfehlungen zu verbreiten. Was aber erst recht deutlich wird: Wie sowohl unabhängige Gewerkschaften – die Docker-Gewerkschaft ILWU hat es ja mit ihrem Streiktag am 19. Juni 2020 sehr deutlich gemacht, wie man sich verhalten kann und wer dabei an ihrer Seite stand – wie etwa die Basis-Gewerkschaft UE sich sehr deutlich positionieren, als auch eine wachsende Zahl von Belegschaften sich um diese Haltungen nicht kümmern, sondern von den Unternehmen und Behörden schlicht fordern, ihre Zuarbeit für die Polizei zu beenden. Wie es sowohl Beschäftigte von Google gerade tun, als auch eine Initiative von Mathematikern an den Universitäten… (Die alle auch wissen, dass ihre Unternehmen „spenden“, damit die Polizei jene Waffen kaufen kann, die der jeweilige Stadtrat nicht genehmigt hat…) Siehe dazu unsere aktuelle Materialsammlung vom 29. Juni 2020: Gewerkschaftsvorstände in den USA versuchen, die Debatte um die Verbindungen zur Polizei abzuwehren – während Belegschaften (selbstständig) handeln und Unternehmen illegale Waffenkäufe finanzieren:

Polizei-Debatte in den US-Gewerkschaften – und wer mit konkreten Forderungen und Aktionen darüber hinaus geht
(29. Juni 2020)

„The AFL-CIO’s Police Union Problem Is Bigger Than You Think“ von Matthew Cunningham-Cook am 21. Juni 2020 bei Portside externer Link dokumentiert (ursprünglich in The Intercept), gibt eine Art Gesamtüberblick über die Verbindungen von Polizei und Gewerkschaften in den USA. Dabei ist wichtig hervor zu heben, dass auch und gerade die so genannten progressiven Gewerkschaften, wie etwa United Food and Commercial Workers, American Federation of State, County, and Municipal Employees, American Federation of Government Employees und die Communications Workers of America besonders enge Beziehungen zu Polizeieinheiten haben. Von der SEIU ganz zu schweigen, die ja eine Unterorganisation International Brotherhood of Police Organizations hat. Diese Konstellation – natürlich (Mitgliedsbeiträge) in Verbindung mit der Furcht davor, die bisherigen Polizeimitglieder an die Fraternal Order of Police (Trump-Fans) zu verlieren, hat dazu geführt, dass der AFL-CIO bisher alle Initiativen, die zur Trennung von den Polizeiverbänden aufriefen, abgeschmettert hat, in der regel mit dem Hinweis darauf, die eigenen Verbände hätten „Verhaltens-Kodexe“ entwickelt, die es zu verbreiten gelte.

„National Labor Groups Mostly Close Ranks to Defend Police Unions“ von Benjamin Pu und Charlie Gile am 23. Juni 2020 ebenfalls bei Portside externer Link dokumentiert (ursprünglich bei NBC News), gibt wiederum einen Überblick über die „Beschlusslage“ zum Thema Verhalten gegenüber Polizeigewerkschaften. Darin werden einige der bekanntesten Gewerkschaftsfunktionäre knapp zitiert, mit ihren jeweiligen Begründungen, warum sie gegen eine Trennung von den Polizeigewerkschaften sind (in der Regel mit dem Argument, Tarifverhandlungen seien ja nichts Negatives…), so wie etwa der AFL-CIO-Vorsitzende Trumka und die Vorsitzende der LehrerInnen-Gewerkschaft Randi Weingarten…

„Bankroll U.S. Police Foundations“ von Gin Armstrong und Derek Seidman am 22. Juni 2020 bei Portside externer Link dokumentiert (ursprünglich bei Eyes on the Ties), betrachtet die Gegenseite: Konzerne, die bestimmte besondere Einrichtungen der Polizei besonders großzügig fördern – darunter, nahe liegend, auch solche, die gerade öffentlich laut so tun, als ob sie die BLM-Bewegung unterstützen würden. Um wie viel Geld es sich dabei handelt, sei anhand des Fonds der New Yorker Polizei deutlich gemacht: Die NYC Police Foundation hat im Jahr 2019 Spenden in der Höhe von 5,5 Millionen Dollar erhalten. Wozu die Gelder verwendet werden? Unter anderem, um Ausrüstung zu kaufen, die vom jeweiligen Stadtrat nicht genehmigt wurde… In der lange Liste der Unternehmen, die unter anderem solche „graue Aufrüstung“ finanzieren, befinden sich eine ganze Reihe, bei denen man „not surprised“ ist: Coca Cola, Starbucks, Amazon, Google, Goldmann Sachs und, und, und…

„Massives Datenleck #blueleaks“ am 24. Juni 2020 im Twitter-Kanal der Piratenpartei externer Link ist der Hinweis auf einen Hashtag, der in diesen Tagen zu den am meisten gelesenen gehört: Interne Dokumente – massenweise – amerikanischer Polizeibehörden, aber auch Bilddokumentationen bestimmter Einsätze, die bisher nicht veröffentlicht waren…

„Our account was locked by @TwitterSupport for posting about #BlueLeaks“ am 25. Juni 2020 im Twitter-Kanal von It`s Going Down externer Link meldet, dass eben dieser bekannte linksradikale Kanal (86.000 Follower) von Twitter gezwungen wurde, drei Tweets über eben diese Blue Leaks zu löschen (darunter ein Link zu einer öffentlichen Polizeiseite) – die Bruderschaften funktionieren nicht nur in der Polizei, sondern auch mit deren Spender…

„All Workers Must Stand Against Police Violence“ am 23. Juni 2020 bei der Basisgewerkschaft UE externer Link ist eine Erklärung der 60.000-Mitglieder Gewerkschaft, in der der prinzipielle Kampf gegen Polizeigewalt als dringende Notwendigkeit bewertet wird (und damit den AFL-CIO Gewerkschaften deutlich voraus hat, zu zeigen, dass „es geht“) – wobei kurz die Rolle der Polizei nicht nur in der rassistischen Unterdrückung in den USA skizziert wird, sondern auch ihre zahllosen Gewalttaten gegen die Gewerkschaftsbewegung erinnert werden – beziehungsweise, wie geschrieben wird „einige von ihnen“.

„Google employees are demanding the company stop selling software to police“ von Shirin Gaffhary am 22. Juni 2020 bei Vox externer Link berichtet von einer neuen Initiative mehrerer Hundert Google-Mitarbeiter, die in einer Petition vom Unternehmen fordern, damit aufzuhören, Software für die Polizei zu entwickeln und an diese zu verkaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten 1.600 diese interne Petition unterzeichnet.

 „Mathematicians urge colleagues to boycott police work in wake of killings“ von Davide Castelvecchi am 19. Juni 2020 bei Nature externer Link berichtet von einer universitären Initiative, bei der bisher über 1.400 MathematikerInnen alle FachkollegInnen aufrufen, die Entwicklung von Algorithmen im Dienste von Polizei-Software zu verweigern.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=174724
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