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Die Streikbewegung an den Schulen mehrerer US-Bundesstaaten: Lehrbeispiel für „social movement unionism“ – unter offener Missachtung der Bestrebungen der Gewerkschaftsvorstände

Beim Lehrerstreik in Westvirginia im Februar 2018 gibt es starke Unterstützung durch SchülerBegonnen hatte es damit, dass in West Virginia die Gewerkschaften der Lehrerinnen und Lehrer einen Muster-Tarifvertrag aushandelten und zur Beendigung der Proteststreiks aufriefen. Und wer schützt den Gewerkschaftsfunktionär vor dem Schmerz, wenn er ruft, und keiner hört’s? Eben. Dort wurde, immerhin, „nachgebessert“ nach weiteren Streiktagen und nicht einmal der rechte Gouverneur erwähnte noch, dass Streiks im öffentlichen Dienst dieses Bundesstaates verboten sind. In Arizona und Kentucky gab es Streiks an den Schulen –und wird es wahrscheinlich weitere geben. Im Bundesstaat Oklahoma rief die Gewerkschaft einen Streiktag aus. Und dann, unfreiwillig: Noch einen. Und noch einen. Zahlreiche Twitter-Kanäle quer durchs Land liefen heiß, Basis-Gruppierungen bildeten sich oder traten an die Öffentlichkeit. Die zweite Gemeinsamkeit all dieser Streikbewegungen: Ihre Unterstützung durch aktive und viele Gruppen von SchülerInnen und Elternvereinigungen. Weil eben auch eine zweite Forderung überall vertreten wurde: Neben der – überall seit Jahren überfälligen – Gehaltserhöhung, stets die Kritik und der Widerstand gegen die ebenfalls jahrelangen Kürzungen in den Bildungshaushalten dieser Bundesstaaten – Kürzungen, die so weit gingen und gehen, dass sie das grundsätzliche Funktionieren der Schulen in Frage stellen. Und so wurde auch rund um die gemeinsam erarbeitete Forderung nach einem Ende der Steuerparadiese für die diversen Investoren in den einzelnen Bundesstaaten auch gemeinsam mobilisiert und organisiert – und das war und ist der Punkt, an dem (in den republikanisch regierten Bundesstaaten) die angebliche Unterstützung durch die Demokratische Partei dann auch aufhörte. Zu Entwicklung, Bedeutung und aktuellem Stand dieser Bewegung unsere aktuelle kleine Materialsammlung „Social movement unionism macht Schule“ vom 10. April 2018:

Social movement unionism macht Schule

„Frühling der Lehrer“ vom Wladek Flakin am 07. April 2018 in neues deutschland externer Link gibt einen Überblick über Gründe, Stand und Entwicklung der Streikbewegung und hebt dabei hervor: „Auch am Freitag legten viele ihre Arbeit nieder. Hunderte Schulen sind geschlossen. Pädagogen aus ganz Oklahoma – einem US-Bundesstaat, der halb so groß ist wie Deutschland – versammeln sich täglich vor dem Kapitol in ihren roten T-Shirts. Mehrmals haben sie das Parlamentsgebäude besetzt. Die republikanische Gouverneurin Mary Fallin und der republikanisch dominierte Kongress hatten vergangene Woche eine Lohnerhöhung um 6100 Dollar pro Jahr beschlossen, um den Streik abzuwenden. Doch die Streikenden fordern 10 000 Dollar, neben zusätzlicher Finanzierung für die Schulen. An den Wänden wächst Schimmel, in den zerfallenden Schulbüchern finden sich teilweise noch Weltkarten mit der Sowjetunion. Eine Lehrerin baute ihr Sofa vor dem Kapitol auf. »Wir gehen nicht wieder, bis sie das System reparieren«, erzählte sie dem Lokalfernsehen“.

„What all the states where teachers are striking have in common“ von Casey Quinlan am 06. April 2018 bei Think Progress externer Link ist ein Beitrag, der zu den Gemeinsamkeiten der Streikbewegung in verschiedenen Bundesstaaten und in jenen Bundesstaaten, in denen es gewerkschaftliche Kräfte gibt, die einen Streik vorbereiten, vor allem fest hält, dass es solche Staaten sind, in denen die sogenannten „Recht auf Arbeit“ Gesetze verabschiedet wurden, eigentlich unter anderem dazu gedacht, die Gewerkschaften zu schwächen, was aber eben, angesichts der Realität dieser Gewerkschaften, manches Mal ins Gegenteil umschlagen könne…

„Rebellierende Lehrer“ von Dorothea Hahn am 09. April 2018 in der taz externer Link zu den Bedingungen der Arbeit und des Streiks, wobei zur Rolle der Gewerkschaften nur Andeutungen gemacht werden: „Oklahoma liegt auf dem vorletzten Platz der 50 Bundesstaaten bei den Löhnen für Lehrer und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Dabei ist der Bundesstaat nicht arm. In derselben Zeit, als Oklahoma das Geld für öffentliche Schulen strich, boomte dort das Öl- und Gasgeschäft mit neuen Fracking-Technologien. Anstatt die Mineralölindustrie zu besteuern, folgt die republikanische Mehrheit in Oklahoma dem Dogma, dass Steuern sowie Regierungsausgaben Teufelszeug sind. Die Unternehmenssteuern gehören zu den niedrigsten in den USA. An manchen Orten in Oklahoma sind Schulen nur noch an vier Tagen geöffnet, damit die Lehrer am fünften Tag Geld verdienen können. Lehrer in Oklahoma und in Kentucky dürfen offiziell nicht streiken. Und nur ein kleiner Teil von ihnen ist gewerkschaftlich organisiert. Die Diskussionen über einen Streik liefen vor allem in privaten Facebook-Gruppen von Lehrern ab, die in den zurückliegenden Monaten zigtausendfachen Zulauf bekamen. Nach dem Erfolg des Lehrerstreiks in West Virginia im vergangenen Monat gab schließlich auch die Lehrergewerkschaft in Oklahoma ihr Okay für einen Ausstand. Wie in Oklahoma stehen auch im Hunderte Kilometer weiter nordöstlich gelegenen Kentucky Frauen an der Spitze der Lehrer-Proteste. Und auch in Kentucky fanden die ersten Diskussionen auf dem sozialen Netzwerk Facebook statt. Eine von der Lehrerin Nema Brewer gegründete private Facebook-Gruppe mit dem Hashtag #KY120 hat inzwischen an die 40.000 Mitglieder. In der vergangenen Woche sorgte in Kentucky ein neues Gesetz, das die Republikaner während der Frühlingsferien durchgesetzt haben, für Aufruhr. Es sieht einerseits Senkungen von Unternehmenssteuern in Höhe von 80 Millionen vor, andererseits streicht es die Renten für Lehrer um bis zu 25 Prozent. Die sichere Rente war für Lehrer in Kentucky lange das wichtigste Argument, um ihre niedrigen Löhne zu ertragen. Wie in Oklahoma sind auch in Kentucky Lehrerstreiks illegal. Und bislang haben die Lehrer von Kentucky sich noch nicht auf ein einheitliches Vorgehen geeinigt. Ein Teil von ihnen will sich am Montag, wenn die Schulferien zu Ende sind, krank melden. Andere wollen mit einer kollektiven Arbeitsverweigerung warten, bis die Gesetzgeber des Bundesstaates am Freitag, den 13. April, wieder zusammen kommen“.

 „In Choosing to Strike, Oklahoma Teachers Want More Than a Badly-Needed Salary Boost. They Want Funding for Decent Classrooms“ am 05. April 2018 in Mercedes Schneiders externer Link Erziehungsblog ist ein Beitrag, in dem die Steuerpolitik des Bundesstaates Oklahoma in Form mehrerer längerer Auszüge aus anderen Medien ausführlich dokumentiert wird. Kurz: Mit „Fracking“ ist der Bundesstaat zu mehr Einnahmen aus Steuer gekommen, die die Regierung wieder verschenkt hat, in dem sie die Steuern senkte, was wiederum zu einer Verschärfung der Einsparungen nicht nur im Schulbereich führen musste. Die diversen Autoren und Autorinnen solcher dokumentierter unterstreichen allesamt, dass darin vor allem der Grund dafür liegt, dass diese Streiks so viel Unterstützung – und mehr als das, Beteiligung eben – finden.

„Unterstützung für Ausweitung des Lehrerstreiks wächst, doch Gewerkschaft will Streik beenden“ von der SEP am 10. April 2018 bei wsws externer Link zur Entwicklung des Streiks in Oklahoma und den Reaktionen der Gewerkschaften in anderen Bundesstaaten, in denen die Lehrerinnen und Lehrer bereits Aktionen durchgeführt haben und über weitere Streiks debattieren : „Die Kentucky Education Association gab am Freitag eine Erklärung ab und wiederholte die Lüge der Medien und Politiker, dass jede weitere Aktion der Lehrer den Schülern schade. „Unsere Schüler brauchen uns in den Klassenzimmern und Schulen“, heißt es da. „Wir appellieren an Erzieher im gesamten Bundesstaat, nicht unsere gemeinsamen Anstrengungen durch fortgesetzte Aufrufe zu Aktionen zunichte zu machen, die den Schülern, Eltern und Gemeinden die Bildungsdienstleistungen verwehren, die wir anbieten.“ Tammy Wawro, Vorsitzende der Iowa State Education Association, kündigte „empfindliche“ Strafen an, sollten die Lehrer in Iowa streiken. Die Florida Education Association (FEA) erklärte: „Den Arbeitsplatz zu verlassen oder zu spät zur Arbeit zu erscheinen, ist nicht angemessen und zieht schwere Konsequenzen nach sich. Es ist wichtig, dass alle Mitglieder der FEA dem Gesetz Folge leisten.“

Mass turnout at state capitol as Oklahoma teachers’ strike enters second week“ von Jerry White am 10. April 2018 ebenfalls bei wsws externer Link berichtet über die Großdemonstration zu Beginn der zweiten Streikwoche am Tag vorher, dass alles dafür spricht, dass die Entschlossenheit andauert. Wie in West Virginia hatten auch in Oklahoma die beiden Gewerkschaften der Lehrerinnen und Lehrer ein Tarifabkommen mit der Regierung des Bundesstaates abgeschlossen, das die Streikenden ablehnten. In Oklahoma hatten sich die Gewerkschaftsführungen dabei noch mehr angestrengt: Das abgelehnte Abkommen hatten sie zunächst sogar als historisch der Mitgliedschaft nahe bringen wollen. Auch hier werden die Streikenden zwar nicht von der Gewerkschaft, wohl aber von wachsenden Teilen der Bevölkerung unterstützt, wie auch vom sonstigen Personal an den Schulen. Dass auch in Oklahoma seit längeren Jahren die Schulen regelrecht kaputt „gespart“ werden ist eine Tatsache, auch wenn dies in den Medien im Umkreis der Demokratischen Partei nicht in den Vordergrund gerückt wird – schließlich wurde der letzte Gouverneur von den Demokraten gestellt…

„’Our feet are gross‘: Oklahoma teachers on gruelling 110-mile march for better funding“ von Mike Elk am 09. April 2018 im Guardian externer Link ist hier als Beispiel zahlreicher Aktionsberichte vor Ort in Oklahoma. Hier geht es um eine Gruppe von etwa 150 Streikenden, in großer Mehrheit Lehrerinnen, die auf einem selbstorganisierten Fußmarsch von Tulsa in die Hauptstadt Oklahoma Citty sind, rund 150 Kilometer. Wie sie alles selbst organisieren – und wie sie sehr intensiv von großen Teilen der Bevölkerung unterstützt werden, das sind die beiden Schwerpunkte dieses Berichtes.

„How budget cuts and attacks on unions have revived one of labor’s most effective tactics“ von A. P. Joyce am 07. April 2018 im Mic Network externer Link ist ein Beitrag dazu, wie die Wildcat-Streiks der Lehrerinnen und Lehrer dazu führen, dass die Debatten innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften sich verändern – die Aktionen auch. Dies geschehe vor allem aufgrund der jahrelangen antisozialen Kürzungspolitik, die außerdem zumeist mit regelrechten Beleidigungen den Lehrerinnen und Lehrern gegenüber verbunden waren. Versuche, dies in entwürdigende Gesetze zu gießen scheiterten beispielsweise in Ohio durch ein Referendum, was schon damals deutlich gemacht habe, dass die Unterstützung in der Bevölkerung für eine andere Schulpolitik sehr groß sei.

„Oklahoma teacher explains the importance of a free Internet for workers struggles“ am 04. April 2018 bei wsws externer Link (Facebook) ist ein Video eines Gesprächs mit einer Lehrerin über das Thema, wie soziale Medien von den Aktiven dieser Streikbewegung genutzt werden und dass ihr eErfahrung es ist, dass sie es leichter machen, sich selbst zu organisieren.

„Strike To Win: How the West Virginia Teacher Strike Was Won“ am 10. April 2018 bei Enough is Enough externer Link ist eine Mitschrift eines Vortrages eines Lehrers aus West Virginia, der der IWW angehört, bei der Labornotes-Konferenz am 7. April. Darin wird ausführlich dargestellt, wie sich die Basisaktivitäten aus der Unzufriedenheit mit den Gewerkschaften heraus entwickelten und zu Voraussetzungen der Teilerfolge ebenso geworden seien, wie zur Funktion als eine Art Fanal für die Beschäftigten an den Schulen anderer Bundesstaaten. Die regionale AFT-Gewerkschaft sei seit den letzten Gouverneurswahlen in die politische Defensive geraten, wird als einer der Ausgangspunkte unterstrichen: Damals unterstützte sie wie immer treulich die Kandidatur der Demokratischen Partei, die den reichsten Mann des Bundesstaates aufgestellt hatten. Der dann peinlicherweise die Partei wechselte…

„AZ teachers increase protests and rallies; threat of strike looming“ von Jason Barry am 04. April 2018 bei Arizona Family externer Link ist ein Beitrag über die Lehrerinnen und Lehrer im Bundesstaat und ihre Reaktion auf das „Angebot“ des Gouverneurs, ihre Einkommen um 1% anzuheben. Die eindeutig ist und ihre Forderung nach 20% Gehaltserhöhung nochmals bekräftigt – wie auch die Forderung nach mehr Geld für die Schulen im Staatshaushalt, die gemeinsam mit den Initiativen „Save our schools“ entwickelt worden war. Zu ergänzen wäre, dass die üblichen Reaktionen der diversen Regierungen waren auch in Arizona zu sehen: Erst Drohungen und durchaus auch Beschimpfungen, kombiniert mit Angeboten, die man nicht annehmen kann (offensichtlich: Es sei denn, man ist Gewerkschaftsfunktionär) – und dann notgedrungen, erste Zugeständnisse ohne jedoch die höhere Besteuerung von Profiten, die an verschiedenen Orten gefordert wird (oft auch als Ausgleich verstanden für die ganzen Steuererleichterungen der letzten Jahre – für wen wohl?) in betracht ziehen zu wollen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=130396
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