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Eine feste Größe. Kämpfe für gesetzliche Personalbemessung in New Yorks Krankenhäusern
Artikel von Nadja Rakowitz, erschienen in express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Ausgabe 09/2016
Schon mehrfach haben wir über die Kämpfe der Beschäftigten an der Charité für eine verbindliche Personalquote und der Gewerkschaft ver.di für eine gesetzliche Personalbemessung berichtet. Und auch darüber, dass sich der erfolgreiche Kampf der Charité nun verbreitert in der Republik und viele Belegschaften nachziehen wollen. Dass es so weit gekommen ist, muss als Reaktion auf die Ökonomisierung der Krankenhäuser in Deutschland angesehen werden, zu der elementar gehört, dass jegliche verbindliche Personalregelung abgeschafft wurde. Kim Moody[1] hat schon vor ein paar Jahren die These vertreten, dass die Industrialisierung des Krankenhaussektors in den USA dazu geführt hat, dass es – gegenläufig zum Trend in den anderen Branchen – einen Aufschwung gewerkschaftlicher Organisierung bei den Belegschaften von Krankenhäusern gibt.
Ein Beispiel dafür ist die Gewerkschaft der Krankenschwestern im Staat New York (New York State Nurses Association, NYSNA), die größte Krankenschwestern- und -pfleger-Gewerkschaft in New York. Von den ca. 200.000 examinierten KrankenpflegerInnen (registered nurses) in NY sind ca. 40.000 Mitglieder der NYSNA. Im Moment befinden sie sich in einer Kampagne, mit 14 Krankenhäusern zugleich eine Tarifauseinandersetzung zu führen. Zum 1. September hatte die NYSNA zu einem eintägigen Streik in drei Krankenhäusern aufgerufen. Bereits seit 2013 organisiert die Gewerkschaft – zusammen mit PatientInnen – eine Kampagne dafür, Krankenhäuser in öffentlicher Hand zu halten, gegen Privatisierungen und Schließungen und für eine gute Versorgung für alle. Neben den üblichen gewerkschaftlichen Anliegen ist eine verbindliche Personalquote in Krankenhäusern im Moment das zentrale Ziel der NYSNA. Personalbemessungsregelungen werden in den USA auf der Ebene der Bundestaaten getroffen. So hat Kalifornien, ebenfalls ein Bezugspunkt für die Kämpfe in Deutschland, seit 2004 eine solche Regelung, die zu mehr Personal und besseren Behandlungsergebnissen bei den PatientInnen geführt hat – und dennoch den Krankenhäusern die erwarteten Profite ermöglichte.
In New Yorker Krankenhäusern versorgt eine Pflegekraft ca. zehn, manchmal auch mehr PatientInnen; das ist vergleichbar mit den schlechten Zuständen in deutschen Kliniken (in Norwegen sind es z.B. bloß 3,8 PatientInnen). Inzwischen steht NY auf Platz 34 des Rankings zur Krankenhaussicherheit. Dass zehn PatientInnen zu viel ist, meinen nicht nur die Pflegekräfte, sondern 67 Prozent der New Yorker Bevölkerung, so die Gewerkschaft NYSNA; auch sprechen 85 Prozent der New Yorker sich für eine gesetzliche Regelung zu verbindlichen Personalquoten aus, so eine Untersuchung von 2015, auf die sich die NYSNA beruft.
Deshalb setzt sie sich jetzt ein für ein Gesetz für eine verbindliche Pflege-Patienten-Quote: den Safe Staffing for Quality Care Act (Gesetz für eine sichere Personalquote und Qualität der Pflege). Der Text des Gesetzes liegt vor und wird in der New York State Assembly und im Senat diskutiert.
Folgende Punkte legt das Gesetz fest:
Pflegeschlüssel: Das Gesetz soll Pflegeschlüssel pro Abteilung durchsetzen. Keine Pflegekraft kann für auch nur einen Patienten mehr verantwortlich gemacht werden, als es der Schlüssel vorschreibt. Krankenhäuser, die das Gesetz verletzen, müssen mit empfindlichen Strafen rechnen.
Mindestbesetzung: Die Quoten sind eine Mindestzahl, keine Obergrenze. Die Krankenhäuser sind angehalten, ihr Personal so zu planen, dass je nach Bedarf der PatientInnen und Schweregrad genug Pflegekräfte da sind.
Quote gilt für ausgebildete Kräfte, nicht für Hilfskräfte: Hilfskräfte zählen nicht zur vorgeschriebenen Quote. Die Krankenhäuser sind angehalten – zusätzlich – genügend Hilfs- und Assistenzpersonal vorzuhalten.
Öffentliche Rechenschaft: Die Krankenhäuser sind verpflichtet, ihre Personalzahlen zu veröffentlichen.
Keine Durchschnitte: Die Quoten stellen eine maximale Zahl an Patienten pro Pflegekraft während der gesamten Arbeitszeit einer Schicht dar – keinen Durchschnitt.
Qualifikationsanforderungen: Das Gesetz verlangt von den Krankenhäusern, Abteilungen nur mit dem dafür qualifizierten Personal auszustatten und einen Nachweis darüber zu führen, dass dieses für die in den jeweiligen Abteilungen üblichen Aufgaben qualifiziert ist.
Pflegeheime und andere Einrichtungen: Für Pflegeheime legt das Gesetz Minimum-Zeiten fest, die von den verschiedenen Beschäftigtengruppen pro Patient am Tag aufgewendet werden müssen: Die Minimum-Pflegezeiten werden wie folgt festgelegt: Registered Nurses (RNs) müssen 0,75 Stunden (aufgeteilt auf alle Schichten) zur Verfügung stehen, um ein adäquates Level von Pflege 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche zu gewährleisten; Licensed Practical Nurses (LPNs) 1,3 Stunden und die Certified Nursing Assistants (CNAs) 2,8 Stunden.
- Quelle: www.nysna.org/what%E2%80%99s-proposed-law#.V9bMCzVMDCo
- Auf der Homepage finden sich auch konkrete Pflege-Patienten-Quoten für einzelne Stationen und Factsheets und Mythenkritik der US-gesundheitspolitischen Debatte: www.nysna.org/sites/default/files/attach/398/2013/12/SafeStaffingFactsheet.pdf
Anmerkung:
1 Vgl. Kim Moody: »Competition and conflict: Union growth in the US hospital industry«, in: Economic and Industrial Democracy 2014, Vol. 35(1), S. 5-25