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Ubers Kampagne gegen kalifornische Gesetze vor dem Obersten Landesgericht gescheitert: „Ende der Fahnenstange“ für ein Geschäftsmodell besonders extremer Ausbeutung?
Dossier
„… Ausgerechnet Kalifornien, Heimstatt des Silicon Valley und Geburtsort der App-Economy, stellt jetzt das Geschäftsmodell der beiden größten Taxi-App-Anbieter des Landes, Uber und Lyft, infrage. Vergangene Woche befand das oberste Gericht des Bundesstaates, dass die beiden Unternehmen ihre Fahrer künftig als Angestellte behandeln müssen und nicht länger als unabhängige Subunternehmer. Die Fahrdienstleister, die dagegen Berufung einlegen wollen, müssen demnach künftig Krankentagegeld, Arbeitslosenversicherungsbeiträge und bezahlte Feiertage für ihre Fahrer übernehmen. Die hätten Besseres als eine Festanstellung verdient, argumentierte dagegen Uber-Chef Dara Khosrowshahi in einem Beitrag für die New York Times. Das bestehende System der Festanstellung sei überholt und unfair, behauptete er darin. Denn als Mitarbeiter müssten die Uber-Fahrer ihre flexiblen Arbeitszeiten aufgeben. (…) Das ist ein Argument, das Uber immer wieder bringt: entweder die App-Fahrer bekommen Flexibilität, die sie in Umfragen tatsächlich begrüßen, oder eben Sicherheit. Doch die Gesetze geben diese Entweder-oder-Entscheidung nicht her. Nichts hindert Arbeitgeber juristisch daran, Angestellte ihre Arbeitszeit frei wählen zu lassen. Und die völlige Freiheit, die der Uber-Chef anpreist, hat in der Realität enge Grenzen: Wer für Uber, Lyft oder eine der Liefer-Apps wie DoorDash, Postmates oder Instacart tätig ist, muss sich an die Vorgaben der App halten...“ – aus dem Artikel „Kampf ums Geschäftsmodell“ von Heike Buchter am 17. August 2020 in der Zeit online – wobei der Unterschied dieses Urteils zu ähnlich gerichteten in anderen Ländern ist, dass sich darin auf ein entsprechendes Gesetz Kaliforniens bezogen wird – gegen das Uber eine aufwendige (und sehr teure) Kampagne organisierte. Zur Bedeutung dieser Auseinandersetzung sei auf jene Passage in dem Beitrag hingewiesen, die unterstreicht, dass seit der Finanzkrise vor über 10 Jahren die Zahl jener Menschen, die in der einen oder anderen Form für die „GIG-Economy“ arbeiten, inzwischen etwa 57 Millionen Menschen umfasst – ein Drittel aller Lohnarbeitenden in den USA. Siehe dazu auch zwei weitere Beiträge: Eine Reaktion (drohend) von Uber und einen Beitrag vom Zeitpunkt, als das Gesetz Kaliforniens in Kraft trat – und darüber, wer sich, außer den beiden Uber und Lyft noch so alles (aus guten Gründen) an dieser Kampagne gegen die Gesetzgebung beteiligt:
- Uber: Ausbeutung auf Autopilot [nicht nur in den USA]
„Das Unternehmen hat viel Geld auf eine fahrerlose Zukunft gewettet – die bis dato nicht Wirklichkeit wurde. Die Zeche zahlen: die FahrerInnen. Nach ihrer Drohung, sich komplett aus Kalifornien zurückzuziehen, haben die Fahrten-Vermittlerfirmen Uber und Lyft kürzlich Aufschub erhalten : Sie müssen ihre Fahrer*innen vorerst nicht anstellen, sondern können sie weiter als selbstständige Unternehmer*innen behandeln. Uber und Lyft hatten argumentiert, dass sie nicht in der Lage seien, über Nacht ein entsprechendes Konzept aus der Schublade zu ziehen. Dabei sind mehr als zwei Jahre vergangen, seit Kaliforniens Oberstes Gericht angeordnet hat, dass sie ihr Geschäftsmodell ändern müssen. Das Gericht berief sich auf die kalifornische Arbeitsgesetzgebung. Man könnte annehmen, dass die falsche Klassifizierung der Fahrer*innen als selbständige Unternehmer Uber und ähnlichen Unternehmen extrem hohe Profite einbringt. Die Realität ist viel merkwürdiger. Tatsächlich machen Uber und Lyft überhaupt keinen Gewinn. Im Gegenteil verlieren die Unternehmen seit Jahren in großem Stil Geld , weil sie den Kunden zu wenig Geld berechnen, um ihre Marktanteile auf der ganzen Welt aggressiv auszuweiten. Das Einkommen der Fahrer*innen zu kürzen ist nicht ihre Hauptstrategie, um profitabel zu werden. Es verlangsamt nur das Tempo, mit dem sie Geld verheizen. In Wahrheit existieren Uber und Lyft vor allem als Verkörperung von über die Wall-Street finanzierten Wetten auf eine Automatisierung, die nicht verwirklicht worden ist . Eigentlich versuchen die Unternehmen, rechtliche Schritte gegen die illegale Beschäftigungsweise ihrer Mitarbeiter zu überleben, während sie darauf warten, dass sich die Technologie fahrerloser Autos verbessert . Das selbstfahrende Auto würde es Uber und Lyft ermöglichen, ihre Fahrer*innen zu entlassen…“ Artikel von Aaron Benanav am 28.08.2020 beim Freitag online in der Übersetzung durch Carola Torti aus The Gardian - „Uber CEO Says Its Service Will Probably Shut Down Temporarily in California If It’s Forced to Classify Drivers as Employees“ von Lauren Feiner am 12. August 2020 bei NBC berichtet, dass die beiden Unternehmen eine Woche Zeit haben, gegen das Urteil Einspruch einzulegen – und dass der Oberboss schon mal vorsorgehalber mit der – zumindest zeitweisen – Schließung Ubers droht: Der Betrug an der Sozialversicherung ist für dieses Ausbeutungsmodell einfach zu wichtig, um Gesetze und Urteile in eine andere als die gewünschte Richtung zu respektieren.
- „Uber, Lyft, Postmates Refuse To Comply With California Gig Economy Law“ von Scott Rod am 04. Januar 2020 bei NPR war ein Beitrag, der einerseits deutlich machte, dass diese Unternehmen das Gesetz des Bundesstaates Kalifornien – das zum 01. Januar 2020 in Kraft trat – dezidiert und öffentlich erklärt nicht befolgen wollen – und auch kurz einen Überblick über die Unternehmenskampagne gegen das Gesetz gab. Eine Kampagne im übrigen, die Uber und Lyft stellvertretend für eine ganze Reihe weiterer Unternehmen führten, wie aus einem kurzen Überblick über verschiedene Branchen deutlich wird – beispielsweise, in den USA massiv ausgebreitet – Speditionen und andere Logistik-Bereiche…
- Siehe dazu vom 20. Januar 2020: Uber organisiert eine Kampagne in Kalifornien: Mit Millionen Dollar für die Freiheit. Der Ausbeutung
- Und gegenteilig in Deutschland: Freie Fahrt für Uber: Minister Scheuer plant »Liberalisierung« des Fahrdienstmarktes. Für die Taxibranche ist das existenzbedrohend