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Transitzonen in Ungarn: Schikanen gegen Schutzsuchende
Dossier
„Ungarn hat das Recht auf Asyl fast gänzlich abgeschafft. Kaum ein Schutzsuchender kann in dem Land einen Asylantrag stellen. Zudem werden sie in den sog. Transitzonen von Behörden schikaniert. Zuletzt wurden einige nicht einmal mehr mit Nahrung versorgt. (…) Asyl kann ausschließlich in einer der zwei Transitzonen in Röszke und Tompa ersucht werden. Seit Januar 2018 erlaubt die Asylbehörde die Einreise von lediglich einer Person pro Wochentag und Transitzone. (…) Die Grenzpolizei setzt diese Vorgabe auch mit Gewalt gegen Schutzsuchende durch. In 5.819 Fällen wurden gemäß HHC im Jahr 2018 Menschen davon abgehalten, ungarisches Gebiet zu betreten oder wurden nach Serbien gebracht, ohne einen Asylantrag stellen zu können. Als wäre dies nicht genug lassen sich die ungarischen Behörden immer weitere Schikanen für die wenigen Schutzsuchenden einfallen, die es in eine Transitzone geschafft haben. Im August 2018 wurde der erste Fall bekannt, in dem Asylsuchenden die Nahrungsversorgung verweigert wurde…“ Meldung vom 22. Mai 2019 bei Pro Asyl , siehe weitere Infos zur unmenschlichen Flüchtlingspolitik Ungarns:
- Orban behauptet, EU schulde Ungarn Geld für die Abwehr von Flüchtlingen an den Grenzen – ist es nicht eher umgekehrt?
„Ungarns rechtsnationale Regierung steht seit Jahren wegen ihrer Asylpolitik in der Kritik. Der Europäische Gerichtshof verurteilt das Land deshalb zu einer Strafe in Millionenhöhe. Ministerpräsident Orbán will das Geld nun über einen Umweg verrechnen. Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán will die Europäische Union für die aus seiner Sicht erfolgreiche Abwehr von Flüchtlingen zur Kasse bitten. Das geht aus einer von Orbán unterschriebenen Verordnung hervor, die im Ungarischen Gesetzblatt erschienen ist. Darin heißt es, Ungarn habe seit 2015 für den Schutz der EU-Außen- und Schengen-Grenzen rund zwei Milliarden Euro ausgegeben. Die EU schulde Ungarn dieses Geld. Deswegen seien die „zuständigen Entscheidungsträger“ angewiesen zu prüfen, ob man diese Summe gegen das Zwangsgeld aufrechnen könne, zu dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) Ungarn im Juni dieses Jahres, wegen dessen Asylpolitik verurteilt hat. Wie Ungarn diesen Plan konkret durchsetzen will, blieb zunächst unklar. (…) Der EuGH hatte am 13. Juni entschieden, dass Ungarn 200 Millionen Euro sowie ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro für jeden Tag des Verzugs zahlen müsse, weil das Land höchstrichterliche Entscheidungen zum Asylsystem nicht umgesetzt habe. Ungarn habe EU-Verträge verletzt, weil es die Anwendung einer gemeinsamen Politik der Union bewusst umgehe. Das stelle eine ganz neue und außergewöhnlich schwere Verletzung des EU-Rechts dar, hieß es damals aus Luxemburg. Ein erstes Urteil des EuGH zur ungarischen Flüchtlingspolitik hatte es bereits 2020 gegeben. Dabei ging es unter anderem um Verfahren in den mittlerweile geschlossenen Transitlagern an der Grenze zu Serbien. Später kippte das Gericht die ungarische Regelung, der zufolge Schutzsuchende erst ein Vorverfahren in ungarischen Botschaften durchlaufen müssen, bevor sie gegebenenfalls nach Ungarn einreisen durften, um dort Asyl zu beantragen. Diese Praxis gilt in Ungarn weiterhin.“ Meldung vom 30. August 2024 bei n.tv online („Orban: EU schuldet Ungarn Geld für Abwehr von Flüchtlingen“) - Ein falscher Zug: Ein Geflüchteter besteigt in Wien aus Versehen den Zug nach Budapest – und wird über die EU-Grenze abgeschoben. Ungarns rechtswidrige Flüchtlingspolitik wird von der EU gestützt
„«In dem Raum roch es so scharf, als wäre da Chilis drin gewesen», beschreibt Dschamal Ahmed* [Name geändert] die Zelle, in die ihn die ungarische Polizei gesperrt hat. Ihm und den anderen hätten die Augen getränt, sie mussten unentwegt husten, hatten Durst – typische Folgen eines Pfeffersprayeinsatzes. «Es war wie Folter», sagt Ahmed. Seine Bitte um Wasser beantwortete ein Beamter mit einem Schlag ins Genick mit der Pistole. «Da habe ich gedacht, hier ist es zu Ende.» Wenige Stunden zuvor, am 9. April 2022, hatte Ahmed der ungarischen Polizei wiederholt zu erklären versucht, dass er in Österreich wohne. Erfolglos. Der Mann wurde mit einem Gefangenentransport ans andere Ende des Landes gebracht, wo er mit sieben weiteren Geflüchteten in besagter Zelle eingesperrt wurde. Dabei hatte der 32-jährige Ahmed grosse Pläne. Der gebürtige Syrer wollte nicht nur in Österreich Jura studieren, er wollte auch seine Frau nach Graz holen, in die steirische Hauptstadt, wo er seit kurzem wohnte. Im Winter 2021 war Ahmed nach Österreich gekommen, er stellte einen Asylantrag, sein Verfahren lief. Vier Monate nach seiner Ankunft, an jenem schicksalhaften Apriltag, besuchte er einen Freund in Wien. Auf dem Rückweg in die Steiermark stieg er in den falschen Zug. Nach zwei Stunden, kurz vor der Ankunft in der ungarischen Hauptstadt Budapest, bemerkte er seinen Fehler. «Ich wollte in Budapest schauen, wie ich zurückkomme, wann der nächste Zug nach Graz fährt», erzählt der Mann im Videotelefonat. (…) Stattdessen wird Ahmed am Budapester Bahnhof von der ungarischen Polizei angehalten. (…) Ahmed berichtet, dass nach zwei Stunden in der Transitzone Röszke Fotos von ihm gemacht worden seien. Anschliessend hätten ihn ungarische Beamte unter Prügel über die Grenze nach Serbien gejagt. «Das waren keine Menschen», sagt er, «das waren Barbaren.» Auf der anderen Seite warteten schon serbische Grenzer:innen. Sie seien korrekt und freundlich gewesen, sagt Ahmed, hätten ihm zu trinken und eine Mahlzeit gegeben. Doch seine unfreiwillige Reise war in Serbien nicht zu Ende. Ahmed wurde innerhalb weniger Tage von Grenze zu Grenze weitergeschoben, von Serbien nach Mazedonien, von dort nach Griechenland. «Was ich in Griechenland erlebt habe, werde ich bis zu meinem Tod nicht vergessen», erzählt Ahmed. Er berichtet von Tritten mit schweren Stiefeln; von einem Gefängnis für Geflüchtete, in dem griechische Soldaten die Gefangenen mit Müll bewarfen; wo der einzige Wasserzugang auf einer Toilette war. «Wir hatten einfach nur Angst», sagt Ahmed. Und wieder habe er gedacht: «Das ist unser Ende.» Nach zwei Tagen wurde Dschamal Ahmed mit Wasser aus einem Schlauch geweckt und mit neun weiteren Männern zum türkisch-griechischen Grenzfluss Evros gebracht. Mit Schlägen wurde er gezwungen, nackt auf die andere Seite zu schwimmen, in die Türkei. Später schickt Ahmed noch ein Foto von sich nach der Ankunft in der Türkei: Sein breiter Rücken ist mit tiefen Striemen von den Schlägen übersät. (…) Österreichs Innenminister Karner will künftig derweil noch enger mit Ungarn kooperieren. Demnächst sollen zusätzliche Polizist:innen nach Ungarn entsandt werden.“ Artikel von Christof Mackinger, Wien, in der WOZ Nr. 27 vom 6. Juli 2023 - Europäischer Gerichtshof: Ungarn verstößt mit Asylregel gegen EU-Recht
„Ungarn verlangt von Drittstaatsangehörigen, dass sie vor einem Asylantrag eine ungarische Botschaft im Ausland aufsuchen und eine Erklärung abgeben. Das verstößt gegen EU-Recht, hat jetzt der Europäische Gerichtshof entschieden. (…) Die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, sei übermäßig erschwert worden, entschieden die Richter am Donnerstag in Luxemburg. Wegen seiner rigiden Flüchtlingspolitik wurde Ungarn schon häufiger von der EU-Kommission gerügt. Der EuGH hat in früheren Urteilen bereits wesentliche Teile des ungarischen Asylsystems gekippt.
Hintergrund der aktuellen Entscheidung ist ein Gesetz, das Ungarn 2020 wegen der Corona-Pandemie erließ. Demnach mussten bestimmte Drittstaatsangehörige oder Staatenlose für einen Asylantrag ein Vorverfahren durchlaufen. Die Betroffenen sollten in die ungarischen Botschaften in Belgrad oder Kiew, um dort persönlich eine Absichtserklärung für den Antrag auf Asyl abzugeben. Anschließend konnten die ungarischen Behörden entscheiden, ob sie den Schutzsuchenden die Einreise nach Ungarn genehmigen, um dort einen Antrag auf Asyl zu stellen…“ Meldung vom 22.06.2023 im Migazin - »Patienten berichten, sie würden in Container gesperrt«. EU-Außengrenze: Ärzteorganisation verurteilt Gewalt ungarischer Polizisten gegenüber Flüchtenden
Shahbaz Israr Khan, Koordinator von »Ärzte ohne Grenzen«, schildert im Interview von Gitta Düperthal in der jungen Welt vom 17. August 2022 die Lage der Schutzsuchenden an der ungarischen Grenze: „Immer wieder ist von der Grenzpolizei in Ungarn ausgehende Gewalt gegen Menschen zu beobachten, die in das Land kommen wollen. Davon hat unsere Organisation »Ärzte ohne Grenzen« bereits in einem Report 2017 berichtet. Wir arbeiten in zwei Kliniken unweit der ungarisch-serbischen Grenze nahe Subotica auf serbischem Boden und unterstützen die Geflüchteten. Seit 2021 haben wir 421 Menschen behandelt, die von der Gewalt der Grenzpolizei betroffen waren. Dabei handelt es sich nur um die Fälle, von denen wir erfahren haben. Die Dunkelziffer ist vermutlich höher. Wir sehen Verletzungen, die zeigen, dass die Menschen geschlagen und misshandelt wurden. Patientinnen und Patienten haben schwere Prellungen, tiefe Wunden, Schnitte, Verrenkungen und Brüche. Manche behandeln wir hier mit gebrochenen Beinen oder Rippen. Selbst Kinder und Jugendliche werden zum Opfer solcher Gewaltexzesse. Ziel der sogenannten Pushbacks an dieser Grenze ist es offenbar, die Menschen zu veranlassen, beim Grenzübertritt auf noch gefährlichere Routen auszuweichen. Das sind besorgniserregende Verbrechen gegen das Recht auf Schutz für Menschen auf der Flucht. (…) Die Situation in der EU ist komplett aufgeheizt. Ständig wird in Zäune investiert; in Maßnahmen der Grenzpolizei, diese zu sichern; in Drohnen, um sie zu überwachen. Verantwortlich sind die Mitgliedstaaten, die es so realisieren. Diese Politik muss ein Ende haben. Unter dieser Situation an der Grenze leiden nicht nur Erwachsene, sondern auch Minderjährige. Wir beobachten dieses brutale Vorgehen gegen Geflüchtete derzeit unter anderem bei ungarischen Grenzbeamten an der serbisch-ungarischen Grenze. Es sind keine Entgleisungen einzelner Beamter. (…) Wir fordern die EU auf, die Aufrüstung gegen Geflüchtete zu unterlassen. Diese Menschen haben ein Recht auf Schutz und ein faires Asylverfahren. Ihnen muss mit Respekt begegnet werden.“ - Ungarische Regierung will Grenzzaun zu Serbien ausbauen
„Während Slowenien begonnen hat, seinen Grenzzaun zu Kroatien abzubauen, verstärkt Ungarns rechtsnationale Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban seinen Stacheldrahtzaun an der ungarisch-serbischen Grenze. Laut Amtsblatt von heute soll dieser Zaun mittels eines weiteren Sicherheitselements um einen Meter erhöht werden. Weiters soll ein neuer Zaun am Schnittpunkt der serbisch-kroatischen Grenze, auf dem Gebiet des Donau-Drau-Nationalparks, gebaut werden. (…) Orban hatte im Vorfeld immer wieder den erhöhten Migrationsdruck, die steigende Zahl illegaler Grenzgängerinnen und Grenzgänger an der Südgrenze des Landes, betont. Die Regierung könne die Schwierigkeiten an der Südgrenze nicht mittels des Heeres lösen, weswegen eine Spezialeinheit von „Grenzjägern“ gegründet werde, hatte Orban erklärt.“ Meldung vom 16.7.2022 beim ORF - »Stop Soros«-Gesetz in Ungarn: »Es lohnt sich, den Kampf anzunehmen«
„Am 16. November urteilte der EuGH, dass das 2018 von der Orbán-Regierung verabschiedete »Stop Soros«-Gesetz gegen EU-Recht verstößt. Das Gesetz kriminalisiert zahlreiche Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Bereich Asyl und Migration. Die Europäische Kommission hatte 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.“ Im Interview von Pro Asyl vom 19. November 2021 erläutert Anikó Bakonyi, Senior Programme Officer beim Ungarischen Helsinki Komitee, die Hintergründe: „… Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat bestätigt, dass das »Stop Soros«-Gesetz, das potenzielle strafrechtliche Folgen für diejenigen vorsieht, die Asylsuchenden Hilfe leisten, gegen EU-Recht verstößt. Es bestätigte auch den Verstoß gegen EU-Richtlinien von Regelungen zur Beschränkung des Zugangs zu Asyl, die mit demselben Gesetz eingeführt wurden. Und was unsere Reaktion angeht, so waren wir wegen Corona an vielen verschiedenen Orten verteilt. Einige waren online, andere waren im Büro. Aber aufgrund der Schlussanträge des Generalanwalts hatten wir auf ein Urteil wie dieses gehofft und wir sind sehr froh darüber. (…) Es wird auf jeden Fall Verbesserungen bewirken. Allein die Feststellung, dass die Kriminalisierung von Solidarität gegen EU-Recht verstößt, ist für alle gut – nicht nur für uns in Ungarn. (…) Laut der offiziellen Polizeistatistik hat es seit 2016 über 100.000 Pushbacks gegeben. Im Dezember 2020 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) und im Juli 2021 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die ungarische Pushback-Praxis für rechtswidrig erklärt. Frontex beendete im Januar ihre Operation. Doch die Zahl der Pushbacks ist in diesem Jahr sogar noch gestiegen, mehr als 46.000 Pushbacks wurden allein 2021 registriert. (…) Man kann immer noch sehen, dass es sich lohnt, den Kampf anzunehmen. Wir können gewinnen, also machen wir weiter! Ich glaube nicht, dass sich die Situation in Ungarn vom einen auf den anderen Tag ändern wird, dass das Asylsystem wieder funktioniert und dass die NGOs an der Regierungspolitik beteiligt werden. Aber selbst wenn es ein langer rechtlicher Kampf ist, lohnt es sich, das juristische Fachwissen, die Zeit und die Ressourcen zu investieren.“ Zu den Details der Argumentation des EuGH siehe- die EuGH-Pressemitteilung vom 16. November 2021 zum Urteil in der Rechtssache C-821/19
- EuGH verurteilt Ungarn wegen Gesetzes gegen Hilfe für Asylsuchende
„Mehrere ungarische Asyl-Gesetze verstoßen gegen EU-Recht. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die EU-Richter monieren insbesondere Gesetze, wonach Hilfe für Asylsuchende mit Haftstrafen sanktioniert werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ungarn verurteilt, weil es Hilfe für Asylsuchende in bestimmten Fällen mit Haftstrafen bedroht hat. Damit habe Budapest die in EU-Gesetzen gewährten Rechte für Helfende und Asylbewerber unzulässig beschränkt, urteilte der EuGH am Dienstag in Luxemburg. Ungarn wollte mit den Regelungen laut EuGH gegen eine betrügerische Inanspruchnahme des Asylsystems und illegale Einwanderung vorgehen. (AZ: C-821/19) In dem Fall ging es um verschiedene ungarische Regelungen aus dem Jahr 2018. Ungarn hatte zum einen festgelegt, dass Asylanträge als unzulässig abgelehnt werden können, wenn der Antragsteller über ein Land eingereist ist, in dem ihm keine Verfolgung drohte. Das entspricht laut EuGH nicht den EU-Kriterien für die Unzulässigkeit von Asylanträgen. Zum zweiten bedrohte Ungarn Menschen, die organisiert Asylsuchenden bei der Antragsstellung helfen, mit Haftstrafen. Die Strafdrohung galt dann, wenn die Helfenden nachgewiesenermaßen wussten, dass der Antrag nach ungarischem Recht keine Chance auf Erfolg hatte. Das würde aber auch für diejenigen gelten, so der EuGH, die zwar um die Chancenlosigkeit eines Antrags nach ungarischem Recht wüssten, aber zugleich der Auffassung wären, dass das ungarische Recht womöglich gegen EU-Recht verstößt…“ Meldung vom 17.11.2021 beim Migazin
- Entwürdigende Behandlung: Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Ungarn wegen Unterbringung von Asylbewerbern
„… Ungarn ist wegen der Unterbringung einer Flüchtlingsfamilie in der sogenannten Transitzone Röszke vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden. Die Bedingungen für die Kinder, die schwangere Frau und den Vater hätten gegen das Verbot der unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung und weitere Menschenrechte verstoßen, erklärte der EGMR am Dienstag in Straßburg. Das Gericht sprach den drei Kindern je 4.500 Euro und den Eltern je 6.500 Euro Schadenersatz zu. Zudem wurde der Familie insgesamt 5.000 Euro Auslagenerstattung zugesprochen. (AZ: 36037/17) Die iranisch-afghanische Familie, die später in Deutschland Zuflucht fand, hatte 2017 in Ungarn Asyl beantragt und wurde von April bis August des Jahres in Röszke an der Grenze zu Serbien untergebracht. Maßgeblich für das Urteil des EGMR waren unter anderem Hitze und fehlende Belüftung, ein Mangel an Betätigungsmöglichkeiten für die Kinder, ungenügende medizinische Versorgung, mangelhafte Nahrungsversorgung für den Vater sowie die Tatsache, dass männliche Wächter sogar bei gynäkologischen Untersuchungen der Frau zugegen gewesen seien.“ Meldung vom 3. März 2021 beim MiGAZIN - EuGH rügt Ungarns Umgang mit Flüchtlingen: Das ist kein EU-Standard
„Ungarn hat mit seinen Abschottungsmethoden gegen Schutzsuchende mehrfach gegen EU-Recht verstoßen. Selbst ein erhebliches Fluchtaufkommen könne diese Maßnahmen nicht rechtfertigen, so der EuGH. Ungarn hat vieles getan, um sich gegen schutzsuchende Menschen auf der Flucht abzuschotten – und mit diesen Maßnahmen gegen EU-Recht verstoßen. So urteilte jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urt. v. 17.12.2020, Az. C-808/18). So konnten die Menschen dort keine Asylanträge stellen, wurden in Transitzonen auf ungarischem Gebiet inhaftiert und/oder ohne weitere Unterstützung außer Landes an die Grenze verbracht. All das verstößt gegen Regelungen der Europäischen Gemeinschaft zum Schutz von Schutzsuchenden, befanden die Luxemburger Richter. Ungarn hatte bereits 2015 neue Asylregelungen geschaffen, die in Zuge der anhaltenden Fluchtbewegungen weiter verschärft wurden. Danach kann das Land bei einem starken Zustrom von Schutzsuchenden eine Krisensituation feststellen und daraufhin Maßnahmen zur Unterbringung, zu Asylanträgen und zu Rückführungen treffen. Ungarn hatte beispielsweise Lager an der Grenze zu Serbien geschaffen, von denen aus die Menschen Asylanträge stellen sollten. Den Zugang zu diesen Lagern hat das Land dabei stark begrenzt. (…) Die Große Kammer des EuGH hat der Vertragsverletzungsklage der Kommission nun im Wesentlichen stattgegeben. Ungarn habe es den Menschen an der ungarisch-serbischen Grenze quasi unmöglich gemacht, einen Schutzantrag zu stellen, indem es den Zugang zu den Transitzonen drastisch beschränkt hat. Damit habe das Land gegen die Richtline zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes verstoßen. Der erzwungene Verbleib in diesen Zonen bis zur Entscheidung über den Schutzantrag stelle außerdem eine “Haft” im Sinne der Aufnahmerichtline dar. Solche Inhaftierungen können zwar erlaubt sein, in Ungarns Fall aber gingen sie nach Auffassung der Luxemburger Richter über die im Unionsrecht vorgesehenen Fälle hinaus und hätten die erforderlichen rechtsstaatlichen Garantien nicht vorgesehen. (…) Auch mit den Abschiebungen hat Ungarn gegen EU-Recht verstoßen, befand der EuGH. Regelmäßig habe die ungarische Polizei Schutzsuchenden hinter einen Zaun wenige Meter vor der Grenze zu Serbien in einen Landstreifen ohne jegliche Infrastruktur verbracht, also ein Niemandsland, wenn man so will. Einmal dort angekommen, hatten sie keine Alternative mehr dazu, als sich weiter nach Serbien zu begeben. Das EU-Recht sieht aber vor Abschiebungen, wie sie diese Praxis faktisch darstellt, ein rechtsstaatliches Verfahren vor, das Ungarn bei diesem Vorgehen nicht eingehalten habe, wie der EuGH monierte. Es ist EU-weite Regelung, dass schutzsuchende Menschen Anträge stellen, das Verfahren durchlaufen und ggf. einen Rechtsbehelf gegen die später getroffene Entscheidung einlegen können. Bis zur Entscheidung über diesen und das Rückführungsverfahren dürfen sie im Mitgliedstaat verbleiben. Dieses Recht gem. Art. 46 Abs. 5 der Verfahrensrichtlinie habe Ungarn missachtet, urteilte der EuGH außerdem…“ Beitrag von Tanja Podolski vom 17. Dezember 2020 bei LTO - [Verlegung in halboffene Einrichtungen nach EuGH-Urteil] Schließung der Transitzone ist entscheidender Schritt
„Die ungarische Regierung hat angekündigt, die so genannten Transitzone an der Südgrenze zu Serbien zu schließen, in denen Asylsuchende während der Bearbeitung ihrer Asylanträge festgehalten werden. Dazu sagt Dávid Vig, Direktor von Amnesty Ungarn: „Wir hoffen, dass die Schließung der Transitzone ein Zeichen dafür ist, dass die ungarische Regierung endlich ihre ungesetzliche und grausame Politik und Praxis ändert. Es bleiben immer noch viele schwerwiegende Bedenken, die eine direkte Bedrohung für die Rechte von Menschen auf der Flucht darstellen“ und sagt weiter: „Obwohl die Schließung der Transitzone ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung ist, sollte die Regierung ihre Grenzen für Asylsuchende nicht schließen oder ihren Zugang zu Schutz behindern. Die ungarischen Behörden müssen sicherstellen, dass Asylsuchende Zugang zum ungarischen Territorium haben und dass ihre Anträge in der Sache selbst geprüft und nicht aufgrund der Durchreise durch ein sogenanntes ’sicheres Drittland‘ abgelehnt werden.“ Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Inhaftierung von Asylbewerber*innen in der Transitzone durch Ungarn rechtswidrig ist. Nach EU-Recht sind die Staaten verpflichtet, Asylsuchenden Zugang zum Hoheitsgebiet zu gewähren. Etwa 300 in den Transitzonen inhaftierte Menschen, darunter Familien mit kleinen Kindern,wurden am 21. Mai in offene und halboffene Einrichtungen verlegt.“ Meldung vom 22. Mai 2020 von und bei Amnesty.at - [Freiheitsentzug im Transitlager Röszke] EuGH weist Ungarns Asylpolitik in die Schranken
„Es war nicht das erste Mal, dass Viktor Orbans Asylpolitik in Luxemburg auf den Prüfstand gestellt wurde. (…) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ungarn wegen des Umgangs mit Asylbewerbern in die Schranken gewiesen. Das Gericht stufte in einem am Donnerstag in Luxemburg gefällten Urteil die Unterbringung von Zufluchtsuchenden im sogenannten Transitlager Röszke als Inhaftierung ein, die womöglich illegal sei. Daneben machte der EuGH klar, dass die Betroffenen Recht auf ein neues Verfahren haben. (AZ: C-924/19 und C-925/19) Es geht um zwei Iraner und zwei Afghanen. Sie kamen 2018 und 2019 über Serbien nach Ungarn, beantragten Asyl und harren seither in dem direkt an der Grenze gelegenen Lager aus. Ungarn wollte die Menschen laut EuGH mit Verweis darauf, dass Serbien ein „sicheres Transitland“ sei, zunächst dorthin abschieben. Als Serbien das verweigerte, änderte Ungarn die Zielorte der Abschiebungen in Iran beziehungsweise Afghanistan. Der EuGH urteilte nun zum einen über die Unterbringung. Diese komme in Röszke einem Freiheitsentzug gleich, vor allem weil die Menschen das Lager rechtmäßig weder nach Serbien noch nach Ungarn hinein verlassen könnten. Selbst abgelehnte Asylbewerber dürfen aber nicht ohne guten Grund inhaftiert werden. Die Unterbringung ist damit anfechtbar. (…) Auch die Abschiebebeschlüsse prüfte der EuGH. Die Änderung der Zielländer von Serbien zu den jeweiligen Heimatländern sei eine so wesentliche Änderung, dass sie als neue Entscheidung anzusehen sei. Eine solche dürften die Betroffenen vor einem unabhängigen Gericht anfechten. Wenn Ungarn diese Möglichkeit nicht vorsehe, müsse die nationale Justiz sich darüber hinwegsetzen, erklärte der EuGH. Wegen „des Vorrangs des Unionsrechts und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz“ habe sich das angerufene ungarische Gericht dann „für zuständig zu erklären und innerstaatliche Rechtsvorschriften, die ihm dies verbieten, gegebenenfalls unangewendet zu lassen“…“ Meldung vom 15. Mai 2020 von und bei MiGAZIN - Flüchtlinge in Ungarn: Sorge über „unmenschliche Behandlung“
„Die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatovic, hat den im Zuge der Flüchtlingskrise ausgerufenen Notstand in Ungarn als nicht gerechtfertigt kritisiert. (…) Mijatovic äußerte sich zudem besorgt darüber, dass offenbar Gewalt gegen Migranten angewendet würde. Sie forderte eine Untersuchung aller Vorfälle. Außerdem sei Migranten, die in der Transitzone in Gewahrsam genommen worden waren, Essen vorenthalten worden, kritisierte der Bericht. Das Land erschwere es den Migranten außerdem, einen Asylantrag zu stellen, rügte die Kommissarin. Da Serbien von Ungarn als sicherer Drittstaat anerkannt sei und die Anträge auf Schutz nur in der Transitzone zwischen den beiden Ländern eingereicht werden könnten, sei ein Asylantrag geradezu unmöglich. In zwei Transitzonen an der serbischen Grenze seien Migranten hinter hohen Stacheldrahtzäunen de facto eingesperrt. Die ungarische Regierung müsse diese „unmenschliche Behandlung unverzüglich beenden“. (…) Besonders besorgt äußerte sich Mijatovic über die Lage von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. In Ungarn würden Migranten ab 14 Jahren wie Erwachsene behandelt und ebenfalls in den Transitzonen eingesperrt, kritisierte die Menschenrechtsbeauftrage. Dies verstoße gegen internationale Abkommen wie etwa die UN-Kinderschutzkonvention, die Minderjährige unter besonderen Schutz stelle. Mijatovic hatte sich im Februar vier Tage lang vor Ort über die Menschenrechtslage in Ungarn informiert. Sie traf dort Mitglieder der rechtskonservativen Regierung unter Präsident Orban, Parlamentarier sowie Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen. (…) Die restriktive ungarische Asylpolitik war wiederholt auch von der EU, dem UNHCR und von Menschenrechtsorganisationen als Verstoß gegen das Völkerrecht kritisiert worden. Die EU leitete im vergangenen September ein Strafverfahren gegen die rechtskonservative Regierung in Budapest ein, das bis zum Entzug von Stimmrechten im Ministerrat führen kann. Ein solches Verfahren ist laut EU-Vertrag möglich, wenn ein Land systematisch die demokratischen Grundwerte der Europäischen Union verletzt.“ Meldung vom 21. Mai 2019 bei tagesschau.de
Siehe auch im LabourNet Germany:
- unser Dossier auch zu Ungarn: Die Migrations-Karawane auf dem Balkan: Niemand droht mit der Armee. Die Polizei ist schon da…
- von 2017: Der EU-Gerichtshof weist die Klagen der Slowakei und Ungarns gegen die vorläufige obligatorische Regelung zur Umsiedlung von Asylbewerbern ab
- Siehe auch unser Dossier: [Röszke 11] Ungarn gegen Flüchtlinge: Schauprozess mit Fortsetzung
- Siehe 2016: Flüchtlinge gänzlich unerwünscht: Neuer Bericht zur Situation in Ungarn