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Perspektiven: Alternativen zur rechten Sauce?
Materialsammlung „Perspektiven“ von Helmut Weiss vom 27. Februar 2014
„Dennoch war die Bewegung gegen Janukowitsch nicht mehr aufzuhalten. Zuviel musste das Volk erdulden. Zur Bewegung hier zwei kurze Anmerkungen. 1 Die Proteste gegen Janukowitsch und letztendlich sein Sturz waren und sind gerechtfertigt. Die Ukraine ist nach Moldawien und Kosova das dritt ärmste Land in Europa. Dieses Regime zu stürzen war gut und nicht schlecht. Jeder deutsche Pseudolinke, der Janukowitsch mit seinen Oligarchen und die KP der Ukraine schönredet hat nicht verstanden: Die KP unterstützte Armut, Unterdrückung und Ausbeutung, damit ebnete sie den Weg für sehr starke Faschisten in der Protestbewegung. Jeder der auf der Seite Putins steht hat mit linker Politik nichts am Hut. 2. Die Opposition wird momentan geführt von einem neoliberalen bis faschistischen Haufen. Diese Führung der Kämpfe gilt es zurückzudrängen und wahre linke Politik zu betreiben. Diese Politik muss den Massen ein wirklich linkes Politikangebot unterbreiten. Nieder mit sämtlichen Oligarchen Nein zur EU – Nein zu Putin“ – so wird die Ausgangslage grundsätzlich skizziert in dem Artikel Ukraine – Nieder mit allen Oligarchen von Max Brym am 23. Februar 2014 bei scharf links, worin der Autor seine Position ausführlich begründet.
„Therefore, the truly critical stance for people on the left is neither to take sides in this conflict, nor to just simply take a safe distance from it by proclaiming that the two sides are similar. Rather, one should vehemently criticize the Madian and especially its actual, practical political outcomes. Instead of simply fetishizing the mere presence of people in the streets – as conservatives like to do – a critical perspective should question the very social basis and political aims of mass gatherings“ (Sinngemäß: Weder für eine Seite Partei ergreifen, noch lediglich in sicherer Gleichdistanz bleiben, sondern die Maidanbewegung und ihre praktischen Ergebnisse gründlich kritisieren, aus der Präsenz von Menschen auf der Strasse keinen Fetisch machen, wie es die Konservativen tun, sondern die soziale Basis und die politischen Ziele von Massenversammlungen hinterfragen) – diese Herangehensweise vertritt in dem Beitrag To make sense of Ukraine, we need to bring the class back in Florin Poenaru am 24. Februar 2014 in Left East. Eine kritische Antwort darauf ist Bringing the class back in(to what?): A response to F. Poenaru von James Robertson am 27. Februar 2014, ebenfalls bei Left East.
Ein sicherlich provokativer Beitrag, der so endet „Außer einer liberalen Kraft ist auf dem Maidan eine rechtsextreme präsent, das ist längst kein Geheimnis mehr. Doch manchmal wird es lächerlich: in ganz Europa bildet die Arbeiter*innenklasse die elektorale Basis der extremen Rechten. In der Ukraine aber – ganz nach marxistischer Klassik – sind die eigentlichen Schichten, die die Nazis unterstützten, die Intellektuellen und die Kleinbourgeoisie aus der Hauptstadt. Gut möglich, dass die andauernde wirtschaftliche Krise vor dem Hintergrund eines kompletten Verfalls der Infrastruktur und der Hauptfonds der Industrie, die Bourgeoisie zwingt, sich doch noch zu konsolidieren, um irgendeine „Entwicklungsdiktatur“ mit einer Herabsenkung des Lebensstandards der Arbeiter*innenklasse und einer nationalistischen Agenda im „Überbau“ zu installieren. Obwohl die marxistische Klassik wiederum behauptet, dass Faschismus in erster Linie Terror gegen die Arbeiter*innenbewegung sei, und so etwas haben wir nicht; aber das Spezifikum der Ukraine besteht gerade darin, dass hier ein erträgliches Lebensniveau bisher durch den paternalistischen Staat in Abwesenheit einer linken Bewegung aufrechterhalten wurde. Mutatis mutandis, ein Ende des „Populismus“, eine Umleitung von Mitteln in Kapitalinvestitionen, eine Kürzung liberaler Freiheiten, oktroyieren einer nationalistischen Agenda und eine präventive Unterbindung aller Versuche, die eine linke Agenda zulassen. Ist das etwa nicht Faschismus? Aber dieses spannende Kapitel der ukrainischen Geschichte steht uns noch bevor. Wie viel Zeit bleibt uns bis zum Thermidor? – Eine interessante Frage“ ist Bürgerliche Revolution und die Diktatur der Bourgeoisie in der Ukraine von Rosa Wechselberg in deutscher Übersetzung am 25. Februar 2014 bei linksunten indymedia.
Dass es gegenwärtig nicht sehr weit her ist, mit realen Möglichkeiten zu Alternativen legt auch die weitgehende Wirkungslosigkeit etwa des Manifesto: 10 Theses of the Leftist Opposition in Ukraine das im Januar in englischer Übersetzung bei Left East dokumentiert wurde und durchaus eine möglich Plattform sein oder werden könnte – aber nicht wurde.
„D’autre part, la tentative d’organiser l’unité de la gauche et des anarchistes dans la garde «d’autodéfense » de Maïdan n’a pas abouti, à cause de la violence des attaques des groupes d’extrême droite“ nachdem die Präsenz und Aktivität der Linken auch auf dem Maidan beschrieben wurde und durchaus nicht als völlig erfolglos, wird hervorgehoben, dass die Versuche, sich an der militanten Aktion zu beteiligen durch die zahlenmäßig überlegenen faschistischen Banden verhindert wurden in dem Gespräch Ukraine: révolte de masse pour la démocratie, radicalisation de l’extrême droite, intervention de la gauche mit Zakhar Popovych das bereits am 14. Februar 2014 bei Europe Solidaire dokumentiert worden war.
„Die Ukraine wird vor diesem Hintergrund zum Treffpunkt der under-cover Agenten aus Ost und West, Europa, Amerika, Russland und Asien. Salopp formuliert, der innere Pluralismus des Landes setzt sich in einem Stelldichein der „global player“ fort, von denen keiner aus seiner jeweiligen imperialen Logik heraus zulassen kann, dass die anderen sich dort festsetzen. Für die Ukraine, wenn ihre Regierung geschickt ist, d.h., wenn sie den Pluralismus des eigenen Landes zur Stärke zu machen versteht, liegt darin eine Chance zu einem Übungsfeld der heranwachsenden multipolaren Ordnung zu werden. Was geschieht, wenn sie nicht geschickt ist, darüber muss jetzt nicht spekuliert werden“ – so schliesst Kai Ehlers in seinem Blog am 24. Februar 2014 seine Abwägungen Ukrainische Alchemie über Perspektiven der Ukraine ab, die sich durch differenzierte Betrachtungen auszeichnen – und auch die politischen Traditionen in der Ukraine behandelt, inklusive der anarchistischen.
„Leider ist in diesem ganzen Stimmengewirr eine linke Stimme kaum zu vernehmen. Wobei ich die Kommunistische Partei der Ukraine eigentlich nicht zum linken Spektrum zähle. Die Kommunisten sind seit vielen Jahren eine sogenannte technische Partei im Parlament, die mit den von Oligarchen gelenkten Parteien kollaboriert. Im gesellschaftlichen Bewusstsein haben die Begriffe »Kommunismus« oder »links« dadurch eine Bedeutungsverschiebung erfahren. Die Herausforderung für neue Linke besteht darin, den Begriff »links« mit neuen Inhalten auszufüllen. Und das gelingt nicht immer“ – aus dem Interview Grundkonflikt der Ukraine ungelöst mit Nelia Vakhovska (Projektkoordinatorin der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kiew) am 26. Februar 2014 in neues deutschland. Wobei sie unter Grundkonflikt folgendes versteht: „Unser politisches Problem ist die Intransparenz. Ohne Zweifel waren die Oligarchen im Spiel und haben irgendwann das Signal gegeben, dass sie Janukowitsch nicht mehr unterstützen. Aber sie bleiben im Schatten, als graue Eminenzen, die man nicht hört und sieht. Sie haben bestimmte Abgeordnete, die Gruppen innerhalb von Fraktionen bilden und ganz offensichtlich die Interessen der Oligarchen repräsentieren, ohne dass die Normalbürger etwas davon mitbekommen. Das Traurige ist, dass dieses alte Spiel, die ganze politische Vertikale der Macht, nach wie vor funktioniert“.
„Jetzt forderte der Maidan-Rat, dass man niemanden in der Regierung dulden werde, der ein Amt in der Vorgänger-Regierung innehatte und auf der Liste der 100 reichsten Ukrainer steht“ – ist ein Kernsatz aus dem Überblick Ukraine: Mitglieder der Interimsregierung sind „Selbstmordkandidaten“ von Florian Rötzer am 26. Februar 2014 bei telepolis, was ein Hinweis darauf ist, dass es durchaus möglich sein könnte, bestimmte grundlegende Forderungen zu popularisieren – was denn auch offensichtlich durchaus verschiedene politische Kräfte tun.
„Die Frage wird sein, ob sich aus den Reihen des Maidan-Protestes Kräfte finden, die bereit und in der Lage sind, die IWF-Politik, die eine Verschlechterung der Lebensverhältnisse für große Teile der Bevölkerung bedeuteten würde, umzusetzen“ – so schliesst die Betrachtung Wie rechts ist die Maidan-Bewegung? von Peter Nowak am 24. Februar 2014 bei telepolis, worin sich der Autor vor allem gegen jene Positionen wendet, die eine „Überbetonung“ der Stärke der Rechten sehen…
Zum heutigen Abschluss – der Abschluss „Die Leute aus dem Rechten Sektor (Prawy Sektor), einem Zusammenschluss mehrerer nationalistischer und rechtsextremer Splittergruppen, stammen zum Teil aus der rechten Fussballhooliganszene, dem Sammelbecken für Männer der verlorenen Generation. Vor allem der Rechte Sektor hatte auf dem Maidan zu Waffen und Molotowcocktails gegriffen. Am Freitag schaltete er auf Youtube ein Video, auf dem er sich präsentierte. Das Video verspricht: «Wir sind im Kampf, es hat erst begonnen!» Timoschenko hat sich am Samstag bei ihrem ersten Auftritt auf dem Maidan explizit beim Rechten Sektor bedankt. Niemand scheint sich zu getrauen, den Rechten Sektor oder Swoboda zu kritisieren, denn jede Kritik wird als russische Propaganda abgetan. Die Feinde des Feinds sind in diesem Fall keine Freunde. Und die EU hat den fatalen Fehler gemacht, sie zu FreiheitsheldInnen zu adeln. Das könnte sich böse rächen“ des Berichts Feinde des Feinds sind keine Freunde von Susan Boos am 27. Februar 2014 in der WoZ.