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Das Abkommen, der Sturz: Ende der Kämpfe, Anfang des Wahlkampfs – oder der Spaltung?
Kommentierte aktuelle Materialsammlung von Helmut Weiss vom 23. Februar 2014
„Einigen Oppositionellen geht die Übereinkunft nicht weit genug, nationalistische Aktivisten auf dem Maidan stellen Präsident Janukowitsch ein Ultimatum: Tritt er nicht bis Samstag, zehn Uhr, zurück, kündigen sie neue Aufmärsche an. Oppositionspolitiker Klitschko wurde von den Demonstranten auf dem Platz ausgebuht“ – in diesem kurzen Absatz aus dem Newsblog Wende im ukrainischen Machtkampf am 21. Februar 2014 in der Süddeutschen Zeitung sind bereits zwei der Probleme benannt, die mit dem Abkommen nicht erledigt waren. Zum einen die Haltung des harten nationalistischen Kerns der Demonstrationen – und zum anderen die keineswegs besonders grosse Popularität des Boxers, der von der Adenauer Stiftung zum Politiker umgeschult wurde. Schnell ging es dann: Janukowitsch flieht, Timoschenko kommt aus dem Gefängnis, womit Klitschko weitgehend überflüssig wird – Timoschenko und die Revolution: Die Rückkehr der Füchsin überschreibt Benjamin Bidder am 22. Februar 2014 im Spiegel Online seinen Bericht von Timoschenkos Kundgebung.
Die anderen Machtzentralen schienen mit dem Deal der drei Aussenminister zumindest einstweilen zufriedenohne deswegen aufzuhören, selbst aktiv zu sein: „Auch die USA begrüßen die Einigung und bieten Kiew für die nächsten Schritte ihre Hilfe an. Washington lobte die „mutigen Führer der Opposition“, die die Notwendigkeit eines Kompromisses erkannt hätten. Das teilte ein Sprecher des Weißen Hauses mit. Nun müssten die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt und die für die Gewalt Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die USA seien weiterhin bereit, notfalls neue Sanktionen zu beschließen“ – aus dem Artikel Reaktion auf Frieden von Kiew: „Wiederaufbau von Vertrauen wird nicht einfach“ am 21. Februar 2014 bei Spiegel Online. Skepsis über die Kraft des so schnell überholten Abkommens wird in dem Beitrag Ukraine Has Deal, but Both Russia and Protesters Appear Wary von Andrew Higgins und Andrew Kramer am 21. Februar 2014 in der New York Times signalisiert.
Die andere Seite: „Das Machtlager des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch wirft der Opposition einen Staatsstreich vor. Im Land habe es eine bewaffnete Machtübernahme gegeben, sagt der Funktionär Oleg Zarjow in Charkow auf einem Kongress der regierenden Partei der Regionen. Er warnte davor, dass die Opposition auch die russischsprachigen Regionen im Osten erobern könne. „Unsere Hauptaufgabe ist nun, uns zu organisieren und kein Chaos zuzulassen“, sagte er. Der Kongress beschloss, die Halbinsel Krim unter seine Kontrolle zu nehmen. Der Abgeordnete Wadim Kolesnitschenko warf den USA und der EU vor, den Staatsstreich organisiert zu haben“ aus dem Minutenprotokoll der Welt Die Welt: Janukowitsch nimmt Krim unter seine Kontrolle vom 22. Februar 2014.
Das war die Lage am Samstag nachmittag und Abend, vielleicht ändert sie sich nochmals im Laufe des Sonntags, viel ist im Fluss – vor allem eben alle denkbaren Anstrengungen, alles im (parlamentarischen, wie auch immer) Rahmen zu halten. Parlament treibt Machtwechsel in der Ukraine voran überschreibt Tomas Pany am 22. Februar 2014 seinen Artikel in telepolis der mit dem zutreffenden Satz beginnt „Die Ereignisse in der Ukrainie überschlagen sich“.
Zudem entwickeln sich die Dinge uneinheitlich, bzw haben sich jedenfalls bisher uneinheitlich entwickelt, wovon dies einen ersten Eindruck gibt: „Als Nächstes müssen wir die politischen, kulturellen und sozialen Besonderheiten der Ukraine beachten. Die Ukraine war nie ein einheitliches Land. Die West- und Ost-Ukraine unterscheiden sich sehr stark voneinander. Die Unterschiede zwischen östlicher und westlicher Ukraine bestehen in der Sprache, Geschichte und der wirtschaftlichen Lage. Der Osten des Landes hat eine größere Bevölkerungsdichte. Die wichtigsten Industrien und Produktionsstätten sind im östlichenTeil der Ukraine angesiedelt. Die BewohnerInnen des Ostens hassen den Westukrainischen Nationalismus. Die Fußballhooligans und die AuswandererInnen aus der Westukraine sind die Ausnahme der Regel; der Schein trügt, dass es sehr viel von ihnen gibt, aber in Wirklichkeit sind es viel weniger als die BefürworterInnen der Pro-Russland Politik“ – aus Eindrücke eines Anarchisten von den Maidan-Protesten in Charkiw am 17. Februar 2014 bei linksunten.indymedia.
„Der Kiewer Maidan verwandelt sich immer mehr zu einem Pulverfass frustrierter Wutbürger. Er zieht abenteuerlustige Jugendliche genauso an wie idealistische Sektierer. Auch neue Parteien versuchen, die Proteste für ihre Zwecke zu nutzen“ so schrieb es in «Zum Teufel mit den Parteien» Autor Paul Flückiger bereits am 13. Februar 2014 in der NZZ, und auch wenn der Beitragsanfang über die massive Präsenz der Rechten hinweggeht, wird darin schon deutlich, dass das in der westlichen Presse stets als Führung behandelte Oppositionstrio keineswegs unumstritten war – und erst recht nicht ist.
Auf jeden Fall zutreffend die Überschrift Es ist noch nicht vorbei von Bernhard Classen am 22. Februar 2014 in der taz, worin er bemerkt „Viktor Janukowitsch gibt sich kämpferisch. Er erkenne die Entscheidung des Parlamentes zu seiner Absetzung nicht an. Diese, so Janukowitsch, sei ein „Staatsstreich“.
Ähnlich wie die – im Nachhinein im Vergleich zu den jüngsten Blutbädern eher als zurückhaltend zu betrachtende – massive Polizeirepression im November letzten Jahres ganz wesentlich dazu beitrug, dass die Proteste überhaupt erst massenhaft wurden, so sind natürlich erst recht die beiden blutigen Tage der vergangenen Woche ein Einschnitt in die politische Entwicklung in der Ukraine – wobei allerdings bereits einer der Eckpunkte der aktuellen Lösungen deutlich macht, dass es realpolitisch eher um Machtkämpfe innerhalb der regierenden Klassen geht. So ist die jetzt wieder in Kraft gesetzte „Verfassung von 2004“ weniger eine „normale bürgerlich-demokratische Verfassung“ sondern weit eher ein Instrument der Oligarchenherrschaft, beziehungsweise die passende Verbindung von beidem – in einem Land mit zunehmend abhängiger Ökonomie.
Die Verfassung von 2004: Kein wirklicher demokratischer Fortschritt
„The “concessions” that the Opposition is demanding in Parliament right now are pitiful. Even the Constitution of 2004, that they are trying to restore, gives too much power to the President (control over the riot police and special forces is one example), and the proportional electoral system, with closed listings, hands parliament over to the control of a group of dictator-like leaders, who can be counted on the fingers of one hand. Together with the President they will rule without obstructions“ wird etwa in der Stellungnahme Statement about the situation in Ukraine from AWU (Autonomous Workers Union) vom 2014 Februar 2014 unterstrichen. (Die Konzessionen, die die Opposition fordere seien lächerlich. Sogar die Verfassung von 2004 gibt dem Präsidenten die Macht, Spezialkräfte und Anti-Aufruhrpolizei persönlich einzusetzen und das Verhältniswahlrecht mit geschlossenen Listen unterwirft das Parlament dem Willen einiger weniger diktatorenähnlicher Führer, die zusammen mit dem Präsidenten ohne Einschränkungen herrschen können – so eine kurze Zusammenfassung, keine Übersetzung, des Textabschnitts).
Eine Kritik übrigens, die keinesfalls auf kleinere linke oder linksradikale Gruppierungen beschränkt ist, sondern relativ breit geteilt wurde – und indirekt auch von konservativer Seite bestätigt. In dem Beitrag Schlüsselspieler im Hintergrund tut dies Autor Rudolf Hermann am 12. Februar 2014 in der NZZ, wenn er beispielsweise schreibt „Anders als in Russland, wo Präsident Putin den Wirtschafts-Oligarchen klargemacht hat, dass in der Politik für sie kein Platz ist, sind in der Ukraine die unternehmerischen Schwergewichte direkt in die Staatsführung involviert. Zwar halten sie sich generell vornehm im Hintergrund, doch verfügen sie über Hebelarme auf höchster politischer Ebene. Dieser Umstand macht sie zu Beteiligten bei der Suche nach einem Ausweg aus dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Konflikt. Über die Zukunft von Präsident Janukowitsch dürften eher die mächtigsten Oligarchen entscheiden als der Staatschef selbst“. Das ist dann durchaus auch in der Zeit zustande gekommen, in der die Verfassung von 2004 galt: Ein Zahnarzt steigt auf zum Club der Allerreichsten des Landes. Oleksandr Janukowitsch, ältester Sohn wessen wohl? Genau.
„Gleichwohl gab es substantielle Defizite im Prozess dieser Reform, und zwar nicht nur was die formelle Prüfung der Änderungen durch das VerfG angeht (an diesem Punkt alleine setzte die aktuelle Verfassungsklage an), sondern auch aufgrund des Mangels an politischen Debatten, Einbeziehung der Öffentlichkeit und Transparenz des Verfahrens. Damit fehlte es dem 2004er Verfassungstext auch an demokratischer Legitimität, was es der Regierung nun ausgesprochen leicht macht, ihr Vorgehen zu legitimieren“ – aus dem Artikel Vorwärts in die Vergangenheit: Die ukrainische Verfassungsreform von 2004 wurde zurückgenommen am 25. Oktober 2010 bei der Boell-Stiftung, die ja nun eben nicht zu den Gegnern der „orangenen Revolution“ von 2004 gehört, die die Gasprinzessin ins politische Amt hievte.
Die Geschichte der bisherigen Wahlen in der unabhängigen Ukraine, also seit 1991, zeigt all diese Kritiken sehr deutlich als zutreffend: Welche Fraktion auch immer gewonnen hat, stets ging es darum, ein Bereicherungsprogramm für Wenige zu realisieren. Und eine Frau Timoschenko als Regierungschefin war da kein bisschen anders. Ukraine Extreme Poverty (Ghettos, Slums, Despair and Misery) ist ein kurzes Video, das am 01. Juni 2013 bei Youtube veröffentlicht wurde und zeigt in harten Bildern, was das Leben der Nichtoligarchen und Nicht-Mittelschicht in dem Land ausmacht – 14 Millionen Menschen unter 2 US Dollar am Tag. Dagegen: „The oligarch Timoshenko is in jail not because of her flagrant robbery of common goods, that’s common business practice, but because she aimed at selling her support to the new power structure at too high a price“ – aus dem langen, trotz Eigenheiten sehr lesenswerten Beitrag Kiev under tripple siege, 2014: reflections and observations for discussion von Martin Kraemer Liehn bereits am 07. Dezember 2013 im britischen indymedia. Die Bereicherung, die – auf Basis jeder Verfassung bisher – dazu führte, dass etwa 30 Familien rund 60% der Kaufkraft des Landes haben sei also weder Frau Timoschenkos Besonderheit, noch der wirkliche Grund führ ihre Haft, sondern ihr Preis für die Unterstützung sei zu hoch gewesen. Und in dem Artikel The Rise and Fall of Yulia Tymoshenko von Matthew Kaminski am 14. Oktober 2011 (Zahlbeitrag, deswegen nur die ersten Zeilen frei verfügbar) wird so begonnen: „She makes billions overnight in a rough industry“ (Über Nacht machte sie Milliarden…). Nicht in einem linksradikalen Blatt, sondern im reichlich unverdächtigen Wall Street Journal…
Generell dazu: „Der Kurs der Ukraine, der auf eine Annäherung an die Europäische Union und die NATO zielt, wurde noch von Präsident Leonid Kutschma während seiner zweiten Amtszeit (1999 bis 2004) proklamiert. Nach der sogenannten „Orangenen Revolution“ 2004, als der prowestliche National-Liberale Viktor Juschtschenko zum Präsidenten wurde, kam es zu einer verstärkt proeuropäischen Orientierung der ukrainischen Politik; die Beziehungen mit Russland verschlechterten sich dagegen. Der 2010 zum Präsidenten gewählte Vertreter der „Partei der Regionen“, Viktor Janukowitsch, versprach eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland, setzte aber in der Praxis den Kurs der Annäherung an die EU fort, und zwar auf eher pragmatische Weise, indem er versuchte, die Interessen der ihm nahestehenden Business-Gruppen zu verteidigen“ – aus Über die Ereignisse in der Ukraine am 20. Februar 2014 in der Graswurzelrevolution (hier bei Linksnet).
Im Unterschied zum Einheitston deutscher Medien immerhin auch so ein Bericht: Nicht nur Begeisterung für Timoschenko am 23. Februar 2014 beim ORF, worin es unter anderem heisst „Laut „Kyiv Post“ waren viele Menschen von der Rede berührt, es habe jedoch auch kritische Stimmen gegeben. Viele Menschen würden sich daran erinnern, dass Timoschenko ihr Vermögen so wie andere während der „gesetzlosen 1990er-Jahre“ angehäuft habe und dass ihre Regierungszeit „alles andere als vorbildlich“ gewesen seien. Laut „Kyiv Post“ halten einige Kritiker Timoschenko für ebenso korrupt wie Janukowitsch, gegen den sie die Präsidentschaftswahl 2010 verlor. „Was sie sagte, war gut, aber wir werden sehen, ob sie ihre Versprechen auch hält“, zitierte die „Kyiv Post“ einen 33-jährigen Oppositionsanhänger“.
Wird also vor allem in europäischen Medien die Rolle der kapitalistischen Klasse ausgeblendet, so gibt es noch weiter verbreitet, auch in manchen alternativen Medien, vor allem bei der Berichterstattung bzw Analyse des Protestlagers eine (real vorhandene) Betonung der Aktivitäten von Nationalisten, Faschisten und sonstigen reaktionären Kräften, die aber leider oft darüber hinweg sieht, dass eben der Nationalismus (und Rassismus) sozusagen eine der treibenden Kräfte der gesellschaftlichen Neukonstituierung der Ukraine war und ist – und dies durchaus von Seiten aller staatstragenden Parteien.
„This is just the ordinary business of opportunism, there is no grand plan of racist restructuring inherent. Every day now, on the streets of Ukraine, people with certain pigmentation (mainly those attributed to the African continent) and a certain accent in pronounciation (mainly those attributed to the Caucasian mountain ridge (the ridge, not the US euphemism)) get outrageous profiling and targeting in stop-an-frisk assaults, easily resulting in racist arrest and the habitual police beating associated with it“ – eine kurze Passage über den Alltagsrassismus der Polizei, der sich keineswegs von hiesigen Zuständen unterscheidet und sich vor allem gegen Menschen aus Afrika und Kaukasien richtet. (Ein Zitat aus dem oben bereits erwähnten Beitrag von Martin Kraemer Liehn).
Die politische Rechte in der Ukraine – nicht am Rand. Im Zentrum
Bei all den gängigen Charakterisierungen ist, wie immer, darauf zu achten, dass die analysierten Trennlinien etc keinesfalls ewig oder unabänderlich sind – „Ukraine is polarized along several different lines — political, ethnic, historical, religious, linguistic — but these lines are not clear-cut, and often intersect, intermingle, are in flux. Many look to the West as a model, even a saviour, although the EU deal that Yanukovych turned down, precipitating the uprising, actually offered Ukraine little other than Greek-style financial servitude, while the Kremlin, at least, proffered cash on the barrelhead“ so schreibt es zutreffend in Masking Tragedy in Ukraine Autor Chris Floyd am 20. Februar 2014 in Counterpunch (ein Artikel der sich, naheliegenderweise, vor allem mit der Politik der USA befasst – ohne zu vergessen, dass das „EU-Angebot“ das ist, ein neues Griechenland zu werden). Mit den oftmals verbreiteten Schemata „der Osten ist prorussisch, der Westen prowestlich“ als Analyseansatz kommt man in der Tat nicht besonders weit.
„Das Ritual verlangt von mir zunächst festzustellen, dass ich den dortigen Präsidenten nicht für einen lupenreinen Menschenfreund und Demokraten halte. Aber seine jetzige Macht geht auf Wahlen zurück, vermutlich auch keine besonders demokratischen Wahlen. Sind sie das bei der Wahl von George W. Bush in den USA gewesen? Und in anderen Ländern wie Italien?“ – so leitet in dem Beitrag Vom Abbau der Konfrontation in Europa zum Wiederaufbau der Konfrontation. Die Toten von Kiew sind die Opfer dieses Wahnsinns Autor Albrecht Müller am 19. Februar 2014 auf den nachdenkseiten seine Reihe von Vergleichen ein, die zunächst einmal die politische Krise in der Ukraine verorten, anstatt zu Gauckschen Plattheiten zu greifen („Wir sind die Guten“) oder sie vorauszusetzen…Um dies abzurunden: Bei den berüchtigten neuen Gesetzen vom 16. Januar, die die Demonstrationsrechte massiv einschränken sollten (und deren schnelle Rücknahme im Parlament das erste Zeichen eines Kräftewandels waren) war unter anderem beinhaltet das Verbot, bei Demonstrationen Helme zu tragen. (Was das bedeuten soll? Geh mal in Berlin mit einem Helm demonstrieren, wo schon ein Schal kriminell sein soll…).
Auch in der hier aktuellen Fragestellung sind die Linien vielfältig: „That 10.4% is well above the 6.9% scored by Golden Dawn in Greece, and Svoboda now has 36 MPs. Shortly after the election, it became part of a formal three-way opposition alliance with Tymoshenko’s Fatherland and UDAR“ (die 10,4%, die die Svoboda-Partei bekommen hat – bei der Wahl 2010 – sind deutlich mehr als die der Morgenröte in girechenland und sie hat 36 Abgeordnete: Und ein offizielles Bündnis mit Timoschenkos Vaterlandpartei und Klitschkos Udar – Zusammenfassung des Zitats aus Ukraine: the protest movement and the fascists von Tash Shifrin am 20. Februar 2014 bei linksunten indymedia). Ihre internationalen Allianzen (nachdem sie sich von ihren Milizen zumindest offiziell getrennt hatte) sind mit den Jobbiks in Ungarn, der BNP in England und dem Front National durchaus weiterhin eindeutig, man könnte bei einer ernsthaften Auseinandersetzung damit halt aber nicht an der ukrainischen Grenze halt machen…Angekommen als sozusagen akzeptable Partei ist dieser Verein auch durch einen weiteren Politikwechsel: „Svoboda is explicitly in favour of Ukraine joining the European Union and has a decidedly pro-EU electorate“ (Svoboda ist ausdrücklich für einen EU Beitritt der Ukraine und hat eine Wählerschaft, die entschieden pro EU ist) – aus dem Interview Ukraine’s protest movement: the far-right in focus von James Robertson mit Tetiana Bezryk am 18. Februar 2014 bei Left East.
„There are lots of Nationalists here, including Nazis. They came from all over Ukraine, and they make up about 30% of protesters“ – eine Angabe zu politischen Mengenverhältnissen aus An Interview with Mira, Andrei, and Sascha of AntiFascist Action Ukraine am 19. Februar 2014 in Timothy Eastmans Blog.
Prinzipieller wird es so versucht darzustellen: „In Eastern Europe, nationalism is a readily available way to articulate the local pride and dignity destroyed by post-communist transition, with a repertoire strictly connected to and controlled by state aparatuses, and with lines of flight going always to golden mythical pasts. This kind of nationalism is a way of alienating people from their own contemporary culture and history. As soon as its symbols appear in a crowd of heterogeneous protesters, they have the unmistaken effect of stopping the process of bottom-up building. Instead of making way for a community of aspirations, they call into being a ring of masculinist pretenders“ (Grob: Nationalismus als naheliegender Weg, Stolz und Würde zu verteidigen, die von der postkommunistischen Transition zerstört wurden – und stets verbunden mit den und kontrolliert durch die Staatsapparate. Sobald die Symbole des Nationalismus auftauchen, wird der Prozess, von unten etwas aufzubauen beendet und anstelle gemeinschaftlicher Hoffnungen treten die Machomänner). Aus dem Beitrag Blood and Soil or Communal Power? von Ovidiu Tichindeleanu am 21. Februar 2014 bei Left East.
Auf dem Hintergrund der speziellen Lage in der Ukraine und den Protestreaktionen auf Polizeirepression ist dann auch nochmals an die Initialzündung zu erinnern: „For the whole year 2013 they were constantly talking about how Ukraine is going to sign that agreement with the EU. They’ve roused the expectations of the “pro-European” part of the population, and then, when suddenly they made a U-turn, people were extremely frustrated and angry. That was the initial impulse“ – aus dem Beitrag MAIDAN AND ITS CONTRADICTIONS: INTERVIEW WITH A UKRAINIAN REVOLUTIONARY SYNDICALIST am 20. Februar 2014 bei nihilist.il – ein sehr lesenswerter und differenzierter Beitrag. Die Passage soll nochmals eben an den Beginn erinnern – dass die Regierung selbst das ganze Jahr 2013 über davin gesprochen hatte, das Abkommen mit der EU zu unterzeichnen und mit ihrem plötzlichen Kehrt die Proteste eben jener hervorgerufen, die ohnehin nicht (vor allem) ihre WählerInnen waren. Dass die DemonstrantInnen ein reichlich idealisiertes Bild der EU haben, wird auch in der folgenden Stellungnahme deutlich: „We strongly believe that closer ties to the EU will benefit our members. Unfortunately, the IMF demanded economic reforms that would hurt average families in Ukraine, and undercut worker and human rights“ (Wir glauben fest, dass engere Bindungen an die EU unseren Mitgliedern nutzen werden. Unglücklicherweise forderte der IWF ökonomische Reformen, die normale Familien in der Ukraine treffen würden und Arbeiter- und Menschenrechte unterminieren). Eine Stellungnahme von Mikhailo Volynets (Vorsitzender des unabhängigen Gewerkschaftsverbandes KVPU in dem Beitrag Unions bear the brunt of violence in Ukraine von Owen Tudor am 20. Februar 2014 in Stronger Unions – ersetze das peinliche „unglücklicherweise“ durch das zutreffende „logischerweise“ und das Dilemma dieser Erwartungen wird deutlich.