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Türkische Militärpolizei setzt Abholzung von Akbelen-Forst für Energiefirma durch – Proteste von Dorfbewohnern und Opposition

Dossier

Türkei: Die in Akbelen geschlachteten Bäume werden unter Aufsicht der Gendarmerie aus dem Gebiet entfernt (Foto: İkizköy Direniyor)In der türkischen Mittelmeerprovinz Mugla setzte die Militärpolizei am Wochenende unter Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas gegen Dorfbewohner und Umweltschützer die Rodung Tausender Bäume des Akbelen-Waldes externer Link durch. Das 740 Hektar große Waldgebiet soll einem Braunkohletagebau des Energieunternehmens YK Enerji, eine Tochterfirma der regierungsnahen Limak Holding, weichen. Die Bewohner des Ortes Ikizköy haben sich seit 2021 juristisch – mehrfach ordneten Gerichte die Suspendierung des Tagebaus an – und seit zwei Jahren mit einem Protestcamp gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen gewehrt. (…) Während die Rodungen am Sonnabend das Protestcamp erreichten, blockierten aus anderen Landesteilen angereiste Aktivisten Straßen an der Küste. 40 Demonstranten wurden nach Angaben des Innenministeriums vom Sonntag festgenommen…“ Artikel von Nick Brauns und Süheyla Kaplan in der jungen Welt vom 31.07.2023 externer Link („AKP lässt roden“), siehe mehr dazu:

  • Mehr als nur ein Wald. Seit zwei Jahren wehren sich Aktivist:innen gegen die Rodung des Akbelen-Walds zugunsten eines Kohletagebaus – nun sind Polizei und Bagger angerückt New
    „Die Waldgebiete in der Region Muğla im Süden der Türkei schwinden seit langem: Für den Abbau von Braunkohle sind in den letzten Jahren enorme Flächen abgeholzt und Dutzende Dörfer umgesiedelt worden. 2020 wurden Pläne der Konzerne Limak Holding und İÇ Holding öffentlich: Zum Betrieb ihrer nahe gelegenen Wärmekraftwerke Yeniköy und Kemerköy sollte der 740 Hektaren grosse Akbelen-Wald nahe dem Örtchen Ikizköy einem Tagebau weichen. Auf dem Gelände befinden sich jahrhundertealte Kiefern- und Olivenhaine, die Wälder sind für die Dorfgemeinschaft zudem ein wichtiges Wasserreservoir. Schon kurz nach Bekanntwerden des Vorhabens formierte sich Widerstand: Die Anwohner:innen von Ikizköy reichten beim Verwaltungsgericht Muğla Klage gegen das zuständige Ministerium für Land- und Forstwirtschaft sowie gegen die Generaldirektion für Forstwirtschaft ein. Das Gericht ordnete daraufhin eine Untersuchung von Sachverständigen an: Sie sollten prüfen, ob die Baumfällarbeiten rechtmässig sind. Zwar kam es dennoch zu ersten Abholzungen – weit kamen die Arbeiter:innen aber nicht, weil sie von den Bewohner:innen aufgehalten wurden. Seit rund zwei Jahren steht am Eingang des Waldes ein Zeltlager. «Wir gehen nirgendwohin, wir halten Wache», steht auf grossen Schildern, die das Widerstandscamp säumen. Oder: «Wir verteidigen das Leben, nicht die Kohle.» Immer wieder wurde der Protest seither von Sicherheitskräften angegriffen, immer wieder standen Rodungen kurz bevor. (…) Die Umweltschützer:innen werden das verbliebene Waldstück vorerst nicht aufgeben. Ihr Widerstand indes ist nicht als singulärer Kampf zu sehen. Vielmehr hat sich die türkische Ökologiebewegung dadurch als breit aufgestellte soziale Kraft entwickelt. So haben die Proteste gegen die Rodung sehr unterschiedliche Akteur:innen zusammengebracht: die Bewohner:innen von Ikizköy, Schüler:innen, Gewerkschafter und Akademikerinnen. Die Kämpfe seien wichtig, sagt auch Politikerin Koca. «Auch wenn wir den Kampf in Akbelen wohl nicht gewinnen werden – in den Köpfen schafft er politisches Umdenken.» Rund drei Monate nach den Wahlen, bei denen die AKP und Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Amt bestätigt wurden, werden sozioökologische Kämpfe sichtbar, etwa gegen eine geplante Grossbaustelle in der Hatay-Provinz oder gegen die Waldbrände in den kurdischen Gebieten. Der ökologische Widerstand hat eine Geschichte, die schon durch die Gezi-Proteste vor zehn Jahren eine ungeahnte Schlagkraft entwickelte – und eine Zukunft, die mit Akbelen sicher nicht erschöpft ist.“ Artikel von Johanna Bröse in der WOZ vom 10. August 2023 externer Link
  • Der Widerstand im Akbelen-Wald geht weiter. Bei einem Besuch des CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein
    „In Ikizköy in der Mittelmeerprovinz Muğla wehren sich Anwohner:innen weiter gegen die Abholzung des Akbelen-Waldes für die Braunkohleförderung. Heute hat der CHP-Vorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu das Dorf besucht. Vor dem Besuch wurden außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Polizei und Gendarmerie sperrten das Gebiet ab und zwangen die Dorfbewohner:innen, sich beim Betreten des Gebiets einer Leibesvisitation zu unterziehen. Die Anwohnerin Melahat Çulha lehnte sich gegen diese willkürliche Praxis auf und erklärte: „Sie durchsuchen mich. Habe ich einen Mord begangen? Ich bin hierher gekommen, um Brot zu kaufen. Ich bin seit 60 Jahren hier heimisch, Sie können mir nicht meinen Ausweis wegnehmen! Schande über diesen Staat.“ (…) Der Widerstand in Akbelen erfährt große Solidarität. Aus Istanbul trafen neue Unterstützer:innen ein, darunter der HDP-Politiker Koray Türkay. Auch Mitglieder der Allgemeinen Arbeitergewerkschaft (Genel-İş), die dem Gewerkschaftsverband DISK angeschlossen ist, zeigten sich solidarisch. Als der CHP-Vorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu eintraf, kam es zu einem Handgemenge. Bewohner:innen von Ikizköy meldeten sich einzeln zu Wort und berichteten über die Verfolgung, der sie ausgesetzt waren. Kılıçdaroğlu erklärte, er werde den Fall weiterverfolgen, und stieg nach dem Besuch in sein Dienstfahrzeug, anstatt eine Inspektion im Wald vorzunehmen, was zu heftigen Reaktionen führte. Naturschützer:innen hielten das Fahrzeug an und verlangten, dass der CHP-Vorsitzende das Massaker an der Natur dokumentiert. Auf ihr Drängen hin fuhr Kılıçdaroğlu zu der Stelle, an der die Gendarmerie den Wald absperrte. Die Menschen, die mit ihm den Wald betreten wollten, wurden von den Sicherheitskräften daran gehindert. Die Polizei griff die Aktivist:innen mit Pfefferspray und Wasserwerfern an. Als die Abgeordnete Burcugül Çubuk von der Grünen Linkspartei (YSP) sich vor den Wasserwerfer stellte, um den Einsatz zu stoppen, wurde sie geschlagen und abgedrängt. Die Menschenmenge wich angesichts des Angriffs der Sicherheitskräfte nicht zurück und durchbrach wiederholt die Barrikade. Der CHP-Abgeordnete Mahmut Tanal wurde ausgebuht, als er an die Aktivist:innen gerichtet sagte: „Ihr seid Opfer, aber auch die Polizei und die Gendarmerie sind Opfer.“ Eine Demonstrantin erklärte sichtlich wütend: „Wegen Leuten wie Ihnen haben wir die Wahlen verloren. Sie sind ein Provokateur der AKP.“ Tanal verließ daraufhin das Gebiet. (…) Nachdem der Widerstand der Bevölkerung die Abholzung zwei Jahre lang verhindert hatte, sind am Montag Rodungsteams in Begleitung eines Großaufgebots an polizeilichen und militärischen Kräften angerückt, das Protestcamp wurde geräumt…“ Bericht vom 28. Juli 2023 von und bei AFN News externer Link mit vielen Fotos und Video
  • Die Nahrungskette des Kapitals in Akbelen
    Akbelen ist die Frontlinie, an der die härteste Schlacht des „Bürgerkriegs“ gegen Arbeit und Natur stattfindet. Obwohl es an der Front wütende Kapitalgruppen und rücksichtslose Herrscher gibt, stehen alle Elemente des herrschenden Kapitalakkumulationsregimes als „Verbündete“ im Hintergrund. Folgt man der in den Wäldern etablierten „Nahrungskette“, treten sie alle nacheinander auf…“ türk. Artikel vom 1. August 2023 bei Sendika.org externer Link, siehe ebd. auch Fotos der Räumung externer Link
  • Siehe auch die Widerstandsgruppe Akbelen Yuvamız Vermeyeceğiz mit Homepage externer Link (İkizköy Direniyor) und auf Twitter externer Link sowie #HerYerAkbelenHerYerDireniş
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=214005
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