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Gezi-Park Prozess: Die türkische Staatsanwaltschaft muss Freisprüche um jeden Preis verhindern

Fotogalerie von Stephanie Tkocz zu den Aktionen rund um den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007„… Im Gezi-Prozess hat ein türkisches Gericht den Bürgerrechtler und Kulturmäzen Osman Kavala sowie 15 Mitangeklagte von allen Vorwürfen freigesprochen. Die Richter am 30. Istanbuler Strafgerichtshof im Gefängniskomplex Silivri ordneten auch Kavalas Freilassung aus der Haft an. Ihnen zufolge liegen keine „ausreichenden Beweise“ für die Schuld der Anklagten vor.Nur wenige Stunden nach der Gerichtsentscheidung hat die Istanbuler Generalsstaatsanwaltschaft die Festnahme Kavalas wegen eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 angeordnet. Eigentlich war für den heutigen Abend seine Freilassung aus dem Gefängnis Silivri erwartet worden. Osman Kavala ist im Oktober 2017 festgenommen worden. Die Vorwürfe gegen ihn waren lange nicht bekannt, da das Verfahren zunächst als Verschlusssache galt. Erst nach mehr als einem Jahr legte die Staatsanwaltschaft eine 657 Seiten umfassende Anklageschrift vor. Dem 62-jährigen Gründer der Kulturstiftung Anadolu Kültür und den anderen Angeklagten wurde unter anderem ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte bereits im Dezember 2019 Kavalas Freilassung gefordert. Die Türkei setzte das Urteil bislang aber nicht um. Zuletzt hatten die Richter am Hochsicherheitsgefängnis Silivri dies damit begründet, dass dringender Tatverdacht und Fluchtgefahr bestünden. In seinem Abschlussplädoyer hatte der Oberstaatsanwalt von Istanbul lebenslange Haftstrafen unter erschwerten Bedingungen für Kavala, die Architektin Mücella Yapıcı und den Aktivisten Yiğit Aksakoğlu gefordert. Für die Angeklagten Çiğdem Mater Utku, Ali Hakan Altınay, Mine Özerden, Şerafettin Can Atalay, Tayfun Kahraman und Yiğit Ali Ekmekçi wurden Gefängnisstrafen zwischen 15 und 20 Jahren gefordert…“ – aus der Meldung „Gezi-Prozess: Gericht spricht alle Angeklagten frei“ am 18. Februar 2020 bei der ANF externer Link, worin auch ein Update zum erneuten Haftbefehl gegen Kavala enthalten ist. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Meldungen und eine Meldung über die Dauer der Erarbeitung einer neuen Konstruktion einer Anklage gegen Kavala – sowie Hintergründe:

  • „Neuer türkischer Haftbefehl für Osman Kavala“ am 18. Februar 2020 bei der Deutschen Welle externer Link zum Thema: „… Nur wenige Stunden nach seinem Freispruch hat die Staatsanwaltschaft in Istanbul die Festnahme des prominenten Kulturmäzens Osman Kavala wegen einer anderen Ermittlung angeordnet. Es gehe dabei um den Putschversuch vom 15. Juli 2016 gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Staatsanwaltschaft kündigte in einer Erklärung an, sie werde gegen das Urteil im Gezi-Prozess Berufung einlegen. Es gebe die Anordnung, Kavala im Gefängnis zu belassen. (…) Angeklagt waren insgesamt 16 Aktivisten, darunter Menschenrechtler, Anwälte, Kulturschaffende und Architekten. Insgesamt neun von ihnen wurden jetzt von allen Vorwürfen freigesprochen. Das Verfahren gegen die übrigen sieben, die sich im Ausland aufhalten, wurde abgetrennt. Die Fahndungsbefehle gegen die Betroffenen, zu denen auch der Journalist Can Dündar gehört, seien aufgehoben worden, teilte Anwalt Fikret Ilkiz mit...“
  • „Überraschung und Erleichterung“ von Jürgen Gottschlich am 18. Februar 2020 in der taz online externer Link fasste die Anklagen – vor dem neuerlichen Haftbefehl – folgendermaßen zusammen: „… Während des gesamten Prozesses war mit einem solchen Ausgang nicht zu rechnen gewesen. Obwohl die Anklage, die den Beschuldigten einen versuchten Umsturz der Regierung vorgeworfen hatte, ganz und gar konstruiert war, hatte das Gericht bis dahin an keinem Prozesstag zu erkennen gegeben, dass es die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft für haltlos hielt. Im Gegenteil, immer wieder wurde die Verteidigung gemaßregelt und immer wieder lehnte das Gericht wegen der „schwere der Vorwürfe“ eine Entlassung Kavalas aus der U-Haft ab. Selbst nachdem der europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg im Dezember die Entlassung Osman Kavalas aus der U-Haft gefordert hatte, lehnte das Gericht es ab, der Forderung nachzukommen. Hintergrund des gesamten Prozesses waren die so genannten Gezi-Proteste im Sommer 2013, als zunächst in Istanbul und dann landesweit hunderttausende Menschen auf die Straßen gingen um gegen den autoritären und repressiven Regierungsstil des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu protestierten. Aus Sicht der Anklage sollen Osman Kavala, die Architektin Mücella Yapıcı und der Menschenrechtsaktivist Yiğit Aksakoğlu die Anstifter, Drahtzieher und Finanziers der Proteste gewesen sein und dabei das Ziel eines Sturzes der Regierung Erdoğan verfolgt haben...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=163169
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