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Festnahmen am Gewerkschaftsbüro der DISK in Istanbul, Festnahmen am Taksim-Platz: Am 1. Mai 2020 demonstriert Erdogans Polizeistaat

Der Polizeiüberfall auf das Büro der DISK in Istanbul am 1. Mai 2020„… Der 1. Mai fällt in die wöchentliche Periode der Ausgangssperre. Deshalb gab es schon seit Mittwoch überall in der Türkei dezentrale Aktionen. Viele Gewerkschaften und Berufsorganisationen riefen dazu auf, am 1. Mai “jeden Balkon zu einem Kundgebungsort und die Fenster in öffentliche Räume“ zu verwandeln. Das Thema der Aktionen ist dieses Jahr kurz und griffig: Die Gesundheit der Arbeitenden ist wichtiger als die Profite der Besitzenden. “Die AKP-Regierung zielt mit ihren Corona-Maßnahmen und Hilfspaketen ausschließlich auf das Wohl der Arbeitgeber ab. Gleichzeitig sind wir Arbeitenden diejenigen, die dafür sorgen, dass das Leben überhaupt weitergehen kann trotz Epidemie“, sagt Ali Rıza Küçükosmanoğlu. Daher wollten die Gewerkschaften zum 1. Mai auch symbolische Aktionen mit wenigen Teilnehmenden organisieren, um den öffentlichen Raum nicht ganz aufzugeben. In Istanbul wurde die Führung des Gewerkschaftsdachverbandes DİSK von der Polizei verhaftet, als sie mit Schutzmasken zum Taksim-Platz gehen wollte, um einen Kranz für von der Polizei ermordete Arbeiter*innen abzulegen. Dutzende Funktionär*innen, darunter die DİSK-Vorsitzende Arzu Çerkezoğlu, wurden von den Polizei abgeführt. Der Gouverneur hatte keine politischen Kundgebungen erlaubt. Bauarbeiten sind am Taksim-Platz allerdings heute trotz strengen Lock-Downs erlaubt: Im Neubau des Atatürk-Kulturzentrums, einem Prestigeobjekt der AKP, herrscht auch am 1. Mai gezwungenermaßen reger Betrieb…“ – aus dem Bericht „Vom Recht, die Kasse zu schließen“ von AYLIN KAPLAN VECIH CUZDAN am 01. Mai 2020 in der taz gazete externer Link – der sich eigentlich dem Kampf der ehemaligen Real-Beschäftigten widmeten, die um ihre Abfindung betrogen worden sind und erst einmal die Gewerkschaft wechseln mussten, damit überhaupt etwas passiert, der aber mit den Maikundgebungen und den entsprechenden Polizeistaats-Aktionen endet. Siehe dazu drei weitere Meldungen über Festnahmen in Zusammenhang mit Maiaktionen, Solidaritätsaktionen von Parlamentsabgeordneten mit den vorläufig Festgenommenen (inzwischen wieder frei gelassenen) GewerkschafterInnen und ein Video des Polizeiüberfalls:

  • „Taksim: Angriff auf symbolische 1.-Mai-Kundgebung“ am 01. Mai 2020 bei der ANF externer Link meldet diesen Überfall so: „… Heute sollte der 1. Mai mit einer symbolischen Kleinkundgebung der Arbeiterorganisationen am Taksim begangen werden. Bereits vor der Kundgebung wurde das Gebäude des Gewerkschaftsverbands DISK in Beşiktaş von der Polizei umstellt. DISK wollte am Denkmal am Taksim-Platz einen Kranz niederlegen und eine Erklärung vortragen. Doch die DISK-Vertreter*innen wurden im Gebäude von Sicherheitskräften festgehalten und daran gehindert, zum Taksim zu gehen. Trotz der Blockade verließ eine Gewerkschaftsdelegation mit dem Kranz das Gebäude. Ihnen wurde der Weg abgeschnitten, trotz Verhandlungen wurden sie am Weitergehen gehindert. Als die Gewerkschafter*innen dennoch auf ihrem Recht bestanden, griff die Polizei an. Der Kranz wurde von der Polizei zerstört und eine Reihe von Gewerkschaftsvertreter*innen zusammen mit der DISK-Generalvorsitzenden Arzu Çerkezoğlu festgenommen. Unter den Festgenommen befinden sich der Generalsekretär der DISK, Adnan Serdaroğlu, der Generalsekretär der Baugewerkschaft Dev Yapı-İş, Özgür Karabulut, der Generalsekretär der Gesundheitsgewerkschaft Dev Sağlık-İş, Erdoğan Demir, der Generalsekretär der Lebensmittelgewerkschaft Gıda-İş, Seyit Arslan, und der Generalvorsitzende der Energiegewerkschaft Enerji-Sen, Süleyman Keskin. Çerkezoğlu schrieb via Twitter: „Wir sind festgenommen! Heute arbeiten überall in der Türkei unsere Genoss*innen – das stört nicht die öffentliche Ordnung – aber unsere 1.-Mai-Feier stört sie offensichtlich!“…“
  • „1. Mai: Weitere Festnahmen in Istanbul“ ebenfalls am 01. Mai 2020 bei der ANF externer Link meldet darüber hinaus: „… Nachdem am Vormittag bereits zahlreiche Mitglieder des Gewerkschaftsverbands DISK beim Versuch einer symbolischen Kundgebung zum 1. Mai auf dem zentralen Taksim-Platz in Istanbul festgenommen worden sind, ist auch eine zehnköpfige Gruppe der sozialistischen Partei ESP und weiterer Organisationen von der Polizei angegriffen worden. Die Aktivistinnen und Aktivisten wollten von Mecidiyeköy zum Taksim laufen, um unter den Bedingungen der Corona-Pandemie ihre Forderungen zum Arbeiterkampftag deutlich zu machen. Sie riefen „Es lebe der 1. Mai“ auf Türkisch und Kurdisch und hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Es lebe der 1. Mai, es lebe der Sozialismus“. Als sie von der Polizei angegriffen wurden, mussten sie den vorher gewahrten Abstand voneinander aufgeben und hielten sich gegenseitig fest. Sie wurden von der Polizei geschlagen, auf den Boden geworfen, auf dem Rücken in Handschellen gelegt und über die Straße gezerrt. Journalisten wurden von der Polizei daran gehindert, das Geschehen zu fotografieren. Die Festgenommenen wurden in die Polizeistation Vatan gebracht. Der Taksim-Platz hat seit dem 1. Mai 1977 eine besondere Bedeutung für die linke Bewegung in Istanbul. Damals sind nach offiziellen Angaben bei einer Massenkundgebung 37 Menschen von türkischen Sicherheitskräften getötet worden. Auch in den Istanbuler Vierteln Osmanbey und Kadiköy ist es zu diversen Festnahmen bei Aktionen zum 1. Mai gekommen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=171512
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