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Nach Marikana
Nach dem Massaker tobt das, was ein Medienkritiker bereits „blame game“ nannte: Schuldzuweisungen aller Art. Jeder gegen jeden, am besten, ohne die Betroffenen zu hören. Welche Bedeutung dieses schändliche Ereignis hat – für die Menschen, vor allem für diejenigen, die in afrikanischen Zechen ihr Leben verdienen müssen, aber auch für die allgemeine gesellschaftliche und politische Entwicklung, ist Gegenstand unserer ausführlichen und kommentierten Materialsammlung „Nach Marikana“ vom 24. August 2012, die neben Dokumenten aus dem Netz auch Auszüge und Zusammenfassungen aus einer Reihe von Telefongesprächen enthält.
Zusammengestellt, telefoniert und kommentiert von Helmut Weiss
Nach Marikana – ein anderes Land?
Als ob es darüber etwas zu diskutieren gäbe: Wer die Verantwortung trägt für die viele Toten, Verletzten und Verfolgten. Die, die geschossen haben; die, die den Befehl dazu gaben; die, die jenen, die die schwerste und gefährlichste Arbeit machen, einen Hungerlohn bezahlen und ihnen noch in Wegelagerer-Manier einen guten Teil für Unterkunft aus der Tasche ziehen; und die, die nichts getan haben, dies System zu ändern. 34 Menschen sind gestorben, 78 zum Teil lebensgefährlich verletzt, über Hundert festgenommen, Belagerungszustand in den umgebenden Siedlungen. Das sind die Taten, die keine Worte ungeschehen machen.
Einiges zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
Das erste, was festgehalten werden soll ist, dass repressive Polizeieinsätze längst zum südafrikanischen Alltag gehören – und militante Protestaktionen auch. Als Beispiel soll hier der Artikel „On the Politics of Protest in Cape Town“ von Jared Sacks am 22. August 2012 in Amandla! dienen: Am Beispiel der jüngeren Proteste in Kapstadt zeigt der Autor, dass militante Proteste erst dann Medienthema werden (und damit erst recht Polizeithema), wenn sie die Armutssiedlungen verlassen und die Mittelklasse „stören“. Genau dies aber passiert in letzter Zeit zunehmend. Und folgende Passage: „Mehr als 25 Menschen wurden seit dem Jahr 2000 von der Polizei während der Proteste getötet. Tebogo Mkhonza in Harrismith, Monica Ngcobo in Umlazi und Andries Tatane in Ficksburg sind nur drei von den Leuten, die in in den Straßen durch die Polizei ermordet wurden. Aktivisten wurden gefoltert und ermordet. Unsere Bewegungen, wie die Landlosen-Bewegung und die Bewegung der Arbeitslosen, wurden während der Nacht von bewaffneten Männern angegriffen, die der herrschenden Partei angehören“ ist aus der (vom LabourNet bereits dokumentierten) Pressemitteilung „Solidarität mit den Minenarbeitern der Platin-Mine von Marikana!“ von Abahlali baseMjondolo vom 17. August 2012.
In diesem Zusammenhang ist folgendes zu lesen: „Over the last few months the platinum bosses have been calling on the state to ‘rescue’ them from the effects of the global economic crisis. Workers in the platinum mines have refused to shoulder the burden of the crisis, and have mounted ongoing battles to defend their living standards. A planned mining lekgotla, signals by the state that it is prepared to lower safety standards on the mines, and signals by the state that it is considering support to the mining bosses are part of the responses by the ANC government. The intervention of the SAPS to break the strike by Marikana workers by force is the latest in these responses to the pleas of the mining bosses. All that was left was to find a pretext to move in and break the strike“ – in der Stellungnahme „From Ficksburg to Marikana: South Africa’s post-apartheid democracy on trial!“ des „Khanya College“ vom 17. August 2012. (Khanya College ist eine Art „Labour-NGO“ deren Motto „Education for Liberation“ ihre Arbeit einigermaßen definiert). Woran insbesondere (neben der, keineswegs allgemein verbreiteten, eindeutig solidarischen und kritischen Haltung) fest zu halten wäre, dass diese Passage eben vor allem die heutige Bedeutung der Platinminen für die südafrikanische Wirtschaft hervorhebt – wie auch die weitgehende Weigerung der allermeisten Belegschaften, für die Krise des Kapitals zu bezahlen. Inklusive der entsprechenden Handlungsaufforderungen der Unternehmen an die Regierung.
Wozu in dem Artikel „Miner:I Am a slave“ von Sipho Masombuka am 20. August 2012 bei Times live die Erfahrungswelt der Bergarbeiter selbst befragt wird (was in den zahllosen Artikeln zum Thema ausgesprochen selten passiert, wo es eigentlich naheliegend erscheint…) – wie mensch eben mit 4.000 Rand im Monat leben soll…wobei beachtet werden muss, dass der Befragte, Cingisile Makhamba mit über 5.000 Rand sogar noch zu den besser verdienenden Bohrleuten gehört. „Dein Körper ist weiter im Rhytmus des Bohrers – nach 12 Stunden“ – so ungefähr einer der Kernsätze des Bergarbeiters, der sich nur im Zechenhospital behandeln lassen darf – so lange der Gutschein dafür reicht…Und, da es im Wohnheim zu teuer ist, lebt er in einer Squatterhütte.
In der Blogübersicht „South Africa: ‘Apartheid Era‘ Police Brutality at Mine Massacre“ die Abdoulaye Bah am 21. August 2012 bei Global Voices Online zusammengestellt hat wird deutlich, dass zumindest in den da vertretenen Blogs die Empörung gross ist.
Dan Frazer, einst lange Jahre ANC Aktivist aus dem entfernten Port Elizabeth, heute in sozialen Projekten engagiert, sagt auf die Frage, warum die Bergarbeiter selbst so selten in den Berichten auftauchen: „Och, das tun sie schon, wenn man es ausführlich und genau liest. Die Anarchisten, die Chaoten, die Betriebshooligans, alles sind sie, das wird ausführlich so dargestellt. Aber ersatzweise sind sie auch halt primitive Leute aus den Grenzprovinzen oder gar, schlimmer noch, aus Lesotho, also die Wilden mit Speeren sozusagen, die mit Magiern und Hexenmeistern demonstrieren – wobei viele der Bohrleute gerade aus dem Eastern Cape kommen „. Zur Frage, ob dies nicht rassistische Tendenzen bedeute: „Was heisst hier Tendenzen, das ist Rassismus – dem viele Mosambikaner und Lesothianer jeden Tag überall ausgesetzt sind. Wir haben hier bei uns eine kleine Community aus Lesotho und was Du da erlebst – die Sprachregelung der Buren ist dabei eingeschlossen…„. Schliesslich auf die Standardfrage an alle, was die Ereignisse von Marikana seiner Meinung nach für die weitere gesellschaftliche Entwicklung bedeuteten: „Nun ja, kurzfristig wird es Auftrieb für Julius Malema und seine Leute geben. Er geht ja jetzt schon umher und sagt allen, seht, ich war schon immer für die Verstaatlichung der Minen. Ansonsten, ich weiss nicht so recht: Kann sein, dass man später einmal sagen wird, das war ein Wendepunkt, jedenfalls was den ANC anbetrifft und mit ihm seine Juniorpartner COSATU und KP – kann sein. Es kann aber auch sein, dass die meisten Leute sagen, wusste ich sowieso schon, dass die so sind…“
In dem Beitrag „Marikana Shows that we are Living in a Democratic Prison“ von Bandile Mdlalose am 22. August 2012 bei Abahlali baseMjondolo wird unter vielem anderen auch dieser Faden aufgenommen: Wir brauchen keine schwarzen Buren… (Die Autorin ist Generalsekretärin von Abahlali und veröffentlicht am Ende des Beitrags ihre Mobilnummer).
Die Rolle der Gewalt. Nicht in der Geschichte: Heute
Nachdem die ersten offiziellen Reaktionen auf das Massaker im wesentlichen von zynischen Herrschaftsdiskurs a la Westeuropa geprägt waren – „die Ordnung wiederherstellen“ war ein zentrales Motto, die Polizei habe nur gemacht, wozu sie eben da sei, hat sich dies nach den ersten Protesten aus dem In- und Ausland etwas verändert – jetzt wird sogar Staatstrauer verordnet. Warum der Staat seine eigene Aktion betrauert, blieb bisher unbeantwortet. Aber, es muss verhindert werden, dass „so etwas“ wieder passiert, ist der Tenor. In der Infomail „Mac Maharaj’s line on Marikana“ am 22. August 2012 auf der debate-Liste informiert Patrick Bond (Leiter des Centre for Civil Society an der UZKN in Durban) über eine Radiodiskussion, die er am selben Abend beim Kapstadter Sender 786 mit dem Sprecher des Präsidenten Mac Maharaj hatte. Dieser wiederholt pausenlos, die eingesetzte Untersuchungskomission der Regierung müsse „das alles“ aufklären. Bond plädiert dagegen für die Einrichtung einer unabhängigen Komission, da die Regierung Partei sei. Verschiedene Gruppierungen haben bereits am 19. August 2012 die Initiative gestartet „Civil Society to launch its own independant inquiry into the Marikana Massacre“ – eben einer eigenständigen Untersuchungskomission.
Die Grundargumentation der Regierungskoalition zielt natürlich darauf ab, die Streikenden seien bewaffnet gewesen und es habe ja eine Woche zuvor bereits Tote gegeben, darunter auch zwei Polizisten – weshalb die Polizeichefin Riah Phiyega stets auf Notwehr beharrt. Benjamin Mwadebele, seit langen Jahren in einer Goldmine arbeitend, sagt dazu: „Hatten sie Speere und Macheten? Ja, welche bestimmt. Aber erstens war die Situation eine ganz andere: Ein Mann der Kirche war gerade bei der Geschäftsleitung, um für die Arbeiter zu verhandeln und wurde abgewiesen. Als er den Arbeitern diese Nachricht überbringen wollte, liess ihn die Polizei nicht mehr durch – und begann ihren „bloody job“. Und, grundsätzlich, schau mal – die Platinminen, die sind heute das, was früher unsere Goldbergwerke waren. Sagen alle, ist auch so. Da war eine Chance, denn das ist relativ neu, und im wesentlichen nach der Apartheid passiert. Da gab es mal Zeitungsartikel und Fernsehberichte, die ein Bild malten, Rustenburg würde sozusagen ein Modell werden, für eine neue soziale Entwicklung, eine Region mit prosperierenden kleineren Arbeiterstädten wurde ausgemalt. Hätte passieren können, wenn es gewollt gewesen wäre, den Profit genug wird da gemacht. Und, das kann dir jetzt gefallen oder nicht, die Arbeiter wollen ja in der Regel nur ihren – meist sehr bescheidenen – Anteil, mehr nicht. Und was haben sie gekriegt: Hungerlöhne, Dreckhütten und Fußtritte. Das ist Gewalt, Mijnheer! Das nennt man in die Fresse hauen! Und es geht dabei um Ehre und Würde auch, selbstverständlich, aber es ist auch direkt Gewalt, wenn Leute arm gehalten werden, wenn sie ein kurzes Scheissleben haben„. Die Labour-NGO ILRIG unterstreicht zur Gewaltfrage in ihrer Erklärung „A turning point and two acts of violence“ vom 22. August 2012 dass neben den Todesschüssen auch die Reduzierung der Auseinandersetzung auf Gewerkschaftsrivalitäten etc einen Gewaltakt darstelle, indem die Anliegen der Arbeiter keine Rolle spielen, sondern nur ihre Rolle in den Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungsorganisationen.
Was sollte eigentlich ein Gewerkschaftskrieg sein?
Während NUM und COSATU ihren Kurs fortsetzen, so zu tun, als sei bei ihnen alles normal und nur die ACMU an allem Schuld, klingen die Töne von ehemaligen zumindest nachdenklicher, und an der vielberufenen Gewerkschaftsbasis scheint sich einiges zusammenzubrauen. Der frühere Generalsekretär der COSATU Jay Naidoo stellt in seinem Artikel „Can’t you hear the thunder?„, am 22. August 2012 im Daily Maverick (am 23.8 in verschiedenen Zeitungen nachgedruckt) immerhin die Frage „The leadership of NUM and Cosatu need to address why so many mineworkers chose a different union and why they lost confidence in a Cosatu affiliate“ – also, dass die jeweiligen Vorstände sich fragen müssen, weshalb viele den Verband wechseln und woher dieser Vertrauensverlust komme. Und kritisiert statt ACMU das Unternehmen, das einerseits ACMU als Gewerkschaft anerkenne, andrerseits nicht mit ihr verhandeln wolle. Und in dem Artikel „Marikana: who will be the political winners and losers?“ stellt Autor Stephen Grootes die Frage, wie sich im Schatten Marikanas wohl der kommende COSATU-Kongress entwickeln wird, der im September 2012 stattfinden wird. Wobei die Fragestellung darauf begrenzt ist, welche Kräfte für eine neue Führung des ANC aktiv sind, und welche eher für die Fortsetzung des status quo. Der NUM-Vorsitzende Senzeni Zokwana – der auch Vorsitzender der KP Südafrikas ist – so wird in diesem Artikel berichtet, setzt allerdings seinen Kreuzzug fort: Er fordert eine Untersuchung der AMCU, die die KP in einer früheren regionalen Stellungnahme (LabourNet berichtete) als unternehmergefördert bezeichnete. Eine Untersuchung der Zusammenarbeit im Rahmen des Mining Board (dem auch der frühere NUM Funktionär Cyril Ramaphosa angehört) ist dagegen kein Thema…
Der langjährige NUM Aktivist Sammy Kodebele sagt auf die Frage, ob er noch in der NUM sei: „Ich schon, die Frage ist doch, ob Baleni da hergehört, nicht ich. Aber alte Bäume verpflanzt man eben nicht, auch wenn ich es oft schon überlegt habe – schliesslich war die letzte gute Aktion der NUM schon 2007 der Sicherheitsstreik und der kam ja nun ganz klassisch, wie man es sich oft vorstellt und es selten passiert, auf Druck der Basis zustande„. Auf die Frage nach der ACMU: „Ich muss zugeben, ich kenne die nicht, aber zum einen ist es ja nicht die einzige Organisation, zu der NUM Mitglieder weggehen, sondern es wächst auch die Solidarity. Zum anderen: Bevor ich über die alles mögliche sage muss ich doch zwei Dinge tun, nämlich einerseits anerkennen, dass die Bergleute vielleicht gute Gründe für einen Wechsel sehen und das hat erstmal nichts mit den offenen oder von mir aus auch geheimen Absichten von irgendjemand anderem zu tun, und andrerseits folgerichtig mich fragen, ob ich vielleicht doch nicht so toll bin, wie ich vorgeben oder auch wirklich meine, nicht wahr?“
Perspektiven?
Zur Frage der Perspektiven nach dem Massaker, sagt Sammy Kodebele: „Nun, erstmal unmittelbar: Der Streik bei Lonmin geht weiter, das Unternehmen musste das unverschämte Ultimatum zurücknehmen, und die Manager klagen – natürlich nicht über die Verluste an Menschenleben, die sind ihnen ja egal, solange es nicht ihre eigenen sind, sondern über die Verluste an produzierten Unzen. Und: Auch in anderen Minen gibt es neue Streiks und Debatten in den Belegschaften, ob sie auch sollen. Dann längerfristig, ich weiss nicht: Es hiess einmal „an injury to one is an injury to all“ – und das ist, glaube ich, gerade sehr umkämpft als ob es irgendwie wichtig wäre, welcher Organisation erschossene Bergleute angehört haben, und wenn wir das aufgeben, dann haben wir die Gewerkschaftsbewegung aufgegeben, das ist die Gefahr, die ich sehe„. Benjamin Mwadebele zur selben Frage: „Es könnte passieren, dass es eine breitere Streikbewegung bei den Platinminen gibt, bei den Goldminen glaube ich das nicht, auch wenn es an mir nicht liegen soll. Ansonsten glaube ich, dass Malema weiterhin politisch davon profitieren wird, was ich keine Alternative finde. Aber sieh Dir die Berichte über die Besuche an, dann findest Du etwas über die Reaktionen wieder – ich habe mit mehreren Leuten telefoniert, die alle sagen, Begeisterung war nur bei Malema da„. Dan Frazer schliesslich meint: „Tja, es gibt ja kleinere linke Gruppen die überlegen – oder es auch tun – irgendwie für das Zustandekommen eines Generalstreiks zu arbeiten – fände ich gut, glaube ich aber nicht entfernt. Malema versucht alles, um Einfluss zu gewinnen, es scheint zu gelingen, es gibt schon viele, die auch sagen na ja, er mag auch eine „fette Katze“ sein, aber er hat sich nun mal die Verstaatlichung der Bergwerke vorgenommen, das immerhin unterscheidet ihn von den anderen…Ob „die Linke“ davon profitieren kann, wage ich sehr zu bezweifeln, schliesslich gilt für viele immer noch die KP als der Repräsentant der Linken und die ist ja nun entschieden am Konflikt beteiligt und das in einer Weise die ich jedenfalls nicht eben arbeiternah nennen würde…“
Zu den in diesen Ausschnitten ausführlicherer Telefongespräche genannten weiteren Streiks gibt es als ein Beispiel den Blogeintrag von Josephine Moulds beim britischen Guardian „Mining strikes drive platinum higher“ am 22. August 2012 – ein Beitrag eher für Spekulanten, der aber von einer offiziellen Streikankündigung bei Anglo American Platinum berichtet. Bereits seit Dienstag gestreikt wird an der Royal Bafokeng Platinum mine, wie die Meldung „Strike hits another mine“ am 22. August 2012 bei iafrica zeigt.
Zur Rolle des früheren ANC-Jugendliga Vorsitzenden Julius Malema, der mit seiner Verstaatlichungskampagne bereits im letzten Jahr gewaltiges Echo aller Art in der ganzen Gesellschaft Südafrikas auslöste (inbegriffen seinen ANC-Ausschluss, auch wegen seines Lebenswandels) ist der Bericht „Malema, Marikana residents lay murder charges against police“ von Nickolaus Bauer im Mail and Guardian vom 21. August 2012 interessant: Dass er Anzeige wegen Polizeimord stellt, ist eine Herausforderung an den ANC – das er diese zusammen mit den Betroffenen tut zeigt, dass er Alternativen zumindest demonstrieren will.
Einen, wenn auch naheliegenderweise speziellen, aber dennoch lesenswerten Einblick in die entwicklungen, Debatten und Reaktionen in Südafrika gibt der „Lonmin shootings: liveblog“ der seit 16. August 2012 beim Mail and Guardian eingerichtet ist.
Einen Versuch, diese Ereignisse als Wendepunkt zu analysieren, stellt der Beitrag „The Massacre of Our Illusions …And the Seeds of Something New“ von Leonard Gentle am 23. August 2012 im kanadischen Bullet veröffentlicht, dar. Dass die Auseinandersetzung sich so entwickelte, analysiert er auch als Ergebnis der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse.
In dem Artikel „The Marikana Massacre: a Premeditated Killing?“ von Benjamin Fogel, einem Aktivisten aus Grahamstown, der am 23. August 2012 bei counterpunch erschien, ordnet der Autor die Auseinandersetzung den inneren Auseinandersetzungen im ANC zu, die im Vorfeld des Wahlkongresses im November stattfinden.