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Am ersten Tag des Ausnahmezustandes in Südafrika: Zwangsräumungen in Armenvierteln, Polizeiwillkür und illegale Praktiken von Unternehmen

Südafrikanische Community Healthcare Workers - das alternative Gesundheitssystem„… Ein Freund hat ihm eine Maske aus einer Fischfabrik geschenkt. Sie schützt dort in erster Linie vor dem Gestank, gegen Covid-19 kann sie wohl nicht viel ausrichten. Aber das Gerät umschließt das ganze Gesicht, man fühlt sich hinter ihr ein wenig sicherer, und deshalb trägt sie der Busfahrer Chleo Cummings. Jeden Tag während der Arbeit, von 5 Uhr morgens bis 6 Uhr abends. Der 30-Jährige sitzt in seinem Kleinbus am Rande des Imizamo-Yethu-Townships im Kapstadter Vorort Hout Bay und wartet darauf, dass sich das Fahrzeug füllt. Erst wenn die maximale Zahl der 15 Passagiere erreicht ist, fährt er los. „Natürlich habe ich Angst“, sagt Cummings, „wenn mich das Virus erwischt, würde ich vielleicht meine Mutter anstecken und in Gefahr bringen.“ Am Mittwoch wies die nationale Dachorganisation Santaco alle Fahrer des Landes an, ihre Fahrzeuge und Haltestellen täglich zu desinfizieren. Doch es fehlt vielerorts an Reinigungsmitteln. Und die Leute sitzen weiter dicht an dicht gedrängt. Cummings weist jedenfalls niemanden ab. Wer hustet, wird ans offene Fenster gesetzt. Sein Kollege, der den Fahrpreis in bar einsammelt, hat Handschuhe besorgt…“ – so berichtet, im Vorfeld der Ausrufung des „Shutdown“ in Südafrika der Beitrag „In den Slums Südafrikas wächst die Angst vor dem Virus“ von Christian Putsch am 25. März 2020 in der Augsburger Allgemeinen online externer Link über die alltägliche Situation (in diesem Fall eines Sammeltaxi-Fahrers) der Menschen dort – hier vor allem jener, die zur Arbeit müssen. Siehe dazu auch einen Bericht über die bisherigen Gesamtauswirkungen der Ausgangssperre, einen weiteren über illegale repressive Maßnahmen örtlicher Behörden, einen zu gewerkschaftlicher Kritik an Unternehmen, die sich selbst für notwendig erklären und einen kritischen Beitrag der Krankenschwestergewerkschaft – sowie den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zum Notstand in Südafrika:

  • „Verschärfte Ungleichheit“ von Christian Selz am 31. März 2020 in der jungen welt externer Link zu den Maßnahmen der südafrikanischen Regierung: „… Mit einer der weltweit striktesten Ausgangssperren hat Südafrika auf die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 reagiert. Seit Freitag gilt in dem Land ein »Lockdown«, für 21 Tage dürfen die Menschen lediglich zum Einkaufen, für Arztbesuche, für dringende Bankangelegenheiten und zur Abholung von Sozialleistungen die eigene Wohnung verlassen. Sämtliche Betriebe, die nicht der Versorgung mit essentiellen Gütern dienen, mussten schließen. Selbst die noch geöffneten Supermärkte dürfen lediglich Produkte des dringenden täglichen Bedarfs anbieten, der Verkauf von Kleidung, Elektrogeräten und ähnlichem sowie von alkoholischen Getränken und Zigaretten ist untersagt. Auch jegliche Reisen sind verboten, der Flugverkehr wurde komplett eingestellt. Die Umsetzung der mit gut drei Tagen Vorlauf bereits am Montag vergangener Woche angekündigten Ausgangssperre gestaltete sich in den ersten Tagen jedoch schwierig. Während die Straßen in den Mittel- und Oberschichtsvierteln nahezu menschenleer blieben, bildeten sich vor Supermärkten in den Townships lange Schlangen. Grund dafür sind einerseits die wenigen Einkaufsmöglichkeiten in den Armenvierteln. Andererseits war es den Ärmsten auch rein finanziell völlig unmöglich, Vorräte anzulegen. In der Krise verschärft sich so sichtbar die enorme Ungleichheit im Land – Südafrika hat weltweit die höchste Ungleichverteilung von Einkommen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Zahltag für die meisten Beschäftigten bereits in die Zeit der Ausgangssperre fiel. Die Barauszahlung von Kindergeld sowie Invaliden- und Sozialrenten – die große Mehrheit der Empfänger hat keine Bankkonten – findet gar erst seit dem gestrigen Montag über mehrere Tage verteilt statt. Auch deshalb dürfte das Gedränge in den Supermärkten so schnell nicht abebben. Südafrikas Sicherheitskräfte – das Militär wurde zur Unterstützung der Polizei abkommandiert – reagierten bereits am Wochenende teils überfordert. In Johannesburg feuerten Einsatzkräfte mit Gummigeschossen auf eine Menschenmenge vor einem Supermarkt…“
  • „Evictions in Durban on the First Day of the National Shutdown“ am 27. März 2020 bei und von Abahlali baseMjondolo externer Link berichtet aus Durban, wo die Basisorganisation „zu Hause“ ist, dass es am ersten Tag der Ausgangssperre Zwangsräumungen gab. Der private Sicherheitsdienst Calvin Security räumte in der besetzten Ekuphumeleleni Siedlung 8 Hütten und markierte weitere, offensichtlich für kommende Aktionen – für die es keine juristische Grundlage gibt, also ein illegaler, krimineller Gewaltakt. Und zwar im Auftrag der Stadtverwaltung. Die Gruppierung weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Behörden der Zentralregierung mit repressiven Maßnahmen gegen alle vorgeht, die die erlassenen Beschränkungen nicht befolgen – also genau das, was die Stadtverwaltung getan hat, weswegen entsprechende Aktionen gegen sie erwartet werden.
  • „Saftu slams bosses for telling workers they’re ‘essential services’“ von Eric Naki am 26. März 2020 bei The Citizen externer Link berichtet von einer Pressekonferenz des Gewerkschaftsbundes SAFTU, auf der dessen Sprecher berichteten, die Büros der Föderation würden mit Anrufen von Kolleginnen und Kollegen regelrecht überschwemmt, deren jeweiligen Betriebe sich selbst für „lebensnotwendig“ erklärt hätten und dementsprechend die Belegschaften zur Arbeit zwangsverpflichten wollten, was vollkommen unzutreffend sei. Aber auch zahlreiche weitere Verstöße gegen Bestimmungen waren Thema der Pressekonferenz, wie etwa die Verpflichtung von Belegschaften zwangsweise ihren Jahresurlaub nehmen zu müssen. Der Gewerkschaftsbund, der die Maßnahmen der Regierung unterstützt, fordert von ihr, gegen alle Verstöße gleichermaßen vorzugehen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=168588
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