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„Was wir nicht verdienen, zahlen wir nicht“ – eine landesweite Initiative in Spanien organisiert Mietstreik

Dossier

Plakat der Mietstreik-Kampagne Spanien April 2020„… Es ist wahrlich kein Aprilscherz. Am 1. April 2020 treten nun viele Familien, Selbstständige sowie kleine und mittlere Firmen im ganzen spanischen Staat in den Mietenstreik. Mietergewerkschaften, wie sie ausgehend von Katalonien ab 2017 wie das „Sindicat de Llogaters i Llogateres“ gegründet haben, und soziale Organisation rufen zum Streik gegen fehlende Notmaßnahmen der sozialdemokratischen Regierung für die einfache Bevölkerung auf. Die 200 Initiativen schlagen vor, ab April die Miete nicht mehr zu bezahlen. (…) Aufgenommen wird damit in einer Zeit, in der das Demonstrationsrecht komplett ausgehebelt ist und Militärs wieder auf Straßen patrouillieren, nun eine Kampfform, die schon 1931 von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT erfolgreich in Barcelona erprobt wurde. Viele tausend Menschen, die auch damals kaum mehr ihre die Mieten zahlen konnten, schlossen sich dem Kampf schnell an. Eigentlich hatten sich die Mietergewerkschaften wegen explodierender Mieten gegründet. Sie forderten bisher vor allem stärkere Mieterrechte und eine Regulierung der explodierenden Mieten, vor denen spanische Gesetze praktisch nicht schützen. Einige der Aktivisten hatten Hoffnungen in die neue Regierung gesetzt, doch sie wurden massiv enttäuscht…“ – aus dem Beitrag „Mietenstreik wegen Coronavirus in Spanien“ von Ralf Streck am 01. April 2020 bei telepolis externer Link über die landesweite Initiative. Siehe dazu weitere aktuelle Beiträge und Hintergründe:

  • Kampf um würdigen Wohnraum: Ein Netz von autonomen Wohnungs-Gewerkschaften im Baskenland hat am 14.12.2024 zur Großdemonstration in Bilbao aufgerufen New
    „Rund 8.000 Personen haben sich am 14.12.2024 in Bilbao zu einer baskenland-weiten Demonstration versammelt, um “menschenwürdigen, bezahlbaren Wohnraum für alle“ zu fordern. Aufgerufen hatte ein Netz von Autonomen Wohnungs-Gewerkschaften, unterstützt von 200 gesellschaftlichen Initiativen und Gewerkschaften aus dem ganzen Baskenland. Gefordert wurden Maßnahmen, um Kauf- und Mietpreise von Wohnungen zu senken und für benachteiligte Klassen ungenutzte und Tourismus-Wohnungen zur Verfügung zu stellen.
    Eine neue Art von Autonomen Gewerkschaften (parteipolitisch unabhängig) hat sich seit der Pandemie zu einem wichtigen Faktor entwickelt, im Kampf für das Recht auf Wohnen und gegen Spekulation, Tourismus-Wohnungen, Zwangsräumungen und eine völlig verfehlte Wohnbau-Politik. (…)
    Zur baskenland-weiten Mobilisierung aufgerufen hatten das Netz von autonomen Wohnungs-Gewerkschaften (auch Mieter*innen-Initiativen genannt), die es angesichts der gravierenden Wohnungs-Probleme mittlerweile in vielen Städten gibt. Dabei handelt es sich nicht um Gewerkschaften im traditionellen Sinn, sondern um Basis-Initiativen von Personen, die aufgrund von Unbezahlbarkeit, Rassismus, Sexismus oder Zwangsräumungen von der verheerenden Situation auf dem Wohnungsmarkt betroffen sind. Charakteristisch an dieser jungen sozialen Bewegung ist die enge Kooperation von Einheimischen und Migrant*innen.
    Die gesellschaftliche Verteilung real existierender Wohnungen und Immobilien ist in diesem Jahr zu einem der Hauptgründe für politische und soziale Konflikte im ganzen spanischen Staat geworden. Demonstrationen gegen steigende Preise und mangelndes Angebot wegen der Umfunktionierung in Tourismus-Wohnungen begannen auf den Kanarischen Inseln und Mallorca, wurden in Barcelona und Madrid fortgesetzt und breiten sich immer mehr aus. Am Samstag Mittag, eine Stunde vor Beginn des Marsches in Bilbao, erläuterten zwei Sprecherinnen der organisierenden Gruppen, Ane Salvador vom Netzwerk der baskischen Wohnungs-Gewerkschaften EHESS (Euskal Herriko Etxebizitza Sindikatuen Sarea) und Karla Pisano von der Sozialistischen Wohnungs-Gewerkschaft (SSV), bei einer Pressekonferenz auf der Straße die Gründe für die Mobilisierung. (…) Gemeinsam vertraten die Demonstrant*innen die Forderung, dass die Wohnungswirtschaft, von der heutzutage ausschließlich Bauunternehmen, Spekulanten, Vielfacheigentümer und Banken profitieren, einen völlig neuen Kurs einschlagen müsse. Denn gleichzeitig verarmt die Arbeiterklasse immer weiter. Der Anteil des Familien- oder Individual-Einkommens, der für Miete oder Kaufkredit aufgebracht werden muss, übersteigt häufig 50% (oder mehr), sodass zum Leben kaum etwas übrig bleibt. Das Recht auf ein Dach über dem Kopf bleibt dabei auf der Strecke, immer mehr Mieter*innen werden zahlungsunfähig und zwangsgeräumt oder obdachlos. (…) Nach Angaben der Organisator*innen der Demonstration stehen im Baskenland insgesamt 70.000 Wohnungen leer, weitere 9.000 werden für touristische Zwecke benutzt und damit dem einheimischen Wohnmarkt entzogen. “Es gab schon immer einen Teil der Arbeiterklasse, der aus den Wohnungen vertrieben wurde, was im Moment passiert, ist alles andere als ein aktuelles Problem“, so die Organisator*innen. Bei der Abschluss-Kundgebung wurde von den Mieter*innen-Gewerkschaften betont, dass nicht fehlende Wohnungen das Problem seien, sondern das Profitinteresse in diesem Marktsegment. Obwohl das Recht auf ein Dach als Grundrecht gilt, sind Immobilien für die herrschende Klasse eine Profitquelle. Die angeblichen Versuche der Regierungen, das Problem anzugehen, dienen letztendlich nur den Interessen der Immobilienbranche und der Hausbesitzer. “Es handelt sich nicht um ein vorübergehendes Problem, einen momentanen Fehler im System, der auf die Gier einiger Spekulanten zurückzuführen ist. In einer Gesellschaft, die auf Profit und Privateigentum basiert, wird ein Teil der Bevölkerung immer systematisch ausgegrenzt.“ (…) Im dritten Beitrag der Abschluss-Kundgebung ging es um die Diskriminierung von Frauen und Migrant*innen. Wenn sie “endlich“ im Baskenland ankommen, müssen sich Migrant*innen “mit einem juristischen, polizeilichen und institutionellen System auseinandersetzen, das sie als illegale Personen betrachtet und behandelt. Sie müssen minderwertige Wohnungen akzeptieren und teilweise mit Zimmer-Verträgen in Untermiete leben“, beklagte Fape Fall, ein in Pamplona lebender Senegalese vom Unterstützungs-Netzwerk Haritu bei den Schlussreden vor dem Arriaga-Theater. (…) Der letzte Halt auf der Demo-Route galt dem mit zionistischem Kapital finanzierten Luxus-Hotel am Arriaga-Platz, thematisch wurde dabei der Zusammenhang von Massentourismus und dem israelischen Völkermord in Palästina hergestellt. Das Transparent mit der Aufschrift “Turistifikazioaren kontra borrokatu – Negocio hotelero para financiar un genocidio“ (Kampf gegen Touristifizierung – Hotelgeschäfte zur Finanzierung eines Völkermords) wurde von der vorbeiziehenden Demonstration mit viel Beifall honoriert…“ Bericht vom 15. Dezember 2024 bei baskultur.info externer Link („Kampf um würdigen Wohnraum – Großdemonstration in Bilbao“) mit einigen Fotos, siehe eine weitere Fotoserie des Foto Archiv Txeng auf Flickr externer Link
  • Mieter gegen Fonds. Großdemo und Mieterstreik in Madrid: Rund 900 Familien weigern sich, unverhältnismäßige Forderungen von Investmentfonds zu bezahlen
    „Das war erst der Anfang. In Madrid demonstrierten am Sonntag nach Angaben der Veranstalter 150.000 Menschen für das Recht auf bezahlbaren Wohnraum. Unter dem Motto »Es reicht, senken wir die Mieten!« wird der Protest in den nächsten drei Wochen an mehreren Tagen an verschiedenen Orten der Stadt fortgesetzt. Ziel ist es, die Mieten im Schnitt um rund 50 Prozent zu senken. Das erscheint viel zu sein, doch die Mieterhöhungen der letzten Jahre lagen in den spanischen Großstädten deutlich darüber, da es bislang kaum Gesetze gibt, die die Steigerungen regulieren könnten. Ein Slogan der Demonstration lautete: »Madrid wird das Grab des Rentierkapitalismus sein.« Rund 40 Organisationen hatten aufgerufen, darunter die den Kommunisten nahestehende Gewerkschaft CCOO, die Plattform der Hypothekenbetroffenen (PAH) sowie Umweltorganisationen wie Ecologistas en Acción. Parallel dazu findet ein sogenannter Mieterstreik in der Hauptstadt statt. Seit Juni sind ihm rund 900 Familien beigetreten, die in 42 Wohnblöcken wohnen, die dem Investmentfonds Nestar-Azora in Madrid gehören. Wie sie in einer Reportage der Tageszeitung El Salto erklärten, weigern sich die Mieter, unverhältnismäßige Konditionen zu zahlen, die der Vermieter von ihnen fordert. Dazu gehören zum Beispiel eine Mietausfallversicherung, Gemeinschaftskosten oder punktuelle Reparaturen des Gebäudes. Mit dem Streik fordert die Mietergewerkschaft Sindicato de Inquilinas die Regierung auf, »Maßnahmen zu ergreifen, die das Recht auf angemessenen und erschwinglichen Wohnraum schützen«. Die Sprecherin der Gewerkschaft, Valeria Racu, erklärte zu Beginn der Demonstration am Sonntag in Madrid: »Wenn ihr die Preise weiter in die Höhe treibt, werden wir sie nicht mehr zahlen, und es wird keine Polizei, keine Gerichte und keine Securities mehr geben, die uns alle zwangsräumen können.« Es solle einen kompletten Mietstreik geben, wenn die Regierung nicht handele. Der Mietstreik hat in Spanien bereits eine lange Tradition: 1931 streikten rund 90.000 Familien aus Barcelona und zahlten zunächst keine Mieten mehr. (…) Die Gewerkschaft fordert außerdem, dass der Bestand an öffentlichen Wohnungen erhöht wird. Der Staat hatte die Banken vor dem Kollaps gerettet, indem er Häuser kaufte, deren Hypothekenschuldner sie nicht mehr bezahlen konnten. Doch bisher hat keine Regierung – auch nicht die von den Sozialdemokraten geführte – ein Interesse daran gezeigt, diese Wohnungen als Bestand für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Statt dessen werden sie weiter an Investmentfonds, die von den Aktivisten »Raubtierfonds« genannt werden, verkauft, die dann hohe Mieten verlangen…“ Artikel von Carmela Negrete in der jungen Welt vom 14. Oktober 2024 externer Link, siehe auch:

    • Madrid: „Es reicht, senken wir die Mieten!“
      Am Sonntag gingen in Spanien Zehntausende auf die Straße für das Recht auf bezahlbaren Wohnraum. In Madrid stand die Demo unter der Losung „Es reicht, senken wir die Mieten!“ Die Demonstranten fordern, dass die Mieten um 50 Prozent gesenkt werden. Der Protest richtet sich auch gegen die zunehmenden Zwangsräumungen. Rund 40 Organisationen hatten aufgerufen, darunter die Gewerkschaft CCOO, die Plattform der Hypothekenbetroffenen (PAH) sowie Umweltorganisationen wie Ecologistas en Acción. Laut den Veranstaltern beteiligten sich bis zu 150.000 Menschen. Die Regierung nannte nur 22.000! Auch in Barcelona wurde protestiert, vor allem gegen Übertourismus und Mietpreiserhöhung.“ Kurzmeldung vom 14.10.2024 in den Rote-Fahne-News externer Link
  • Spanien: »Wohnraum ist ein Recht und kein Geschäft«. Mieterinitiativen planen Großdemo in Madrid gegen explodierende Preise 
    „»Spanien ist ein solidarisches Land, und zum größten Teil gehört der Mietwohnungsbestand privaten Eigentümern oder kleinen Besitzern«, sagte kürzlich die Ministerin für Wohnungswesen, Isabel Rodríguez, in einem Appell an die Vermieter angesichts explodierender Mieten. Für alle, die gegen Mietwucher im Land kämpfen, war das die Bankrotterklärung der selbsternannten »progressivsten Regierung« der spanischen Geschichte. Die »Mietergewerkschaft« sprich vom »letzten Tropfen zum Überlaufen des Fasses, von Wut und Frustration«. Die Initiative fordert den Rücktritt der sozialdemokratischen Ministerin, da diese keine wirkungsvolle Regelung zur Begrenzung des Preisanstieges zustande bringe. Wenige bereicherten sich immer stärker auf Kosten der Mehrheit. Das Wohnungsgesetz von Februar 2022 sei ein »Schlag ins Wasser« gewesen. Die »Mietergewerkschaft« ruft zusammen mit weiteren 30 Organisationen, darunter den beiden großen Gewerkschaften, zu einer Demonstration in der Hauptstadt Madrid am 13. Oktober auf. »Die Zeit der Politiker ist vorbei«, erklärt eine Aktivistin in einem Video-Aufruf. »Wohnraum ist ein Recht und kein Geschäft«, ist das Motto der Veranstaltung, das auf die Verfassung verweist, die in Artikel 47 allen eine »würdige Wohnung« garantiert. Bezogen wird sich auch auf andere Großdemonstrationen in Barcelona, Malaga oder Teneriffa, wo gegen die »Touristifizierung« protestiert wurde. An diesem Wochenende gab es Protest in Valencia. Massentourismus spitzt vielerorts die Lage am Mietwohnungsmarkt enorm zu. Zur Demo in Madrid wird gefordert, alle 17 000 offiziellen Touristenwohnungen in der Stadt zu schließen und gegen die zahllosen illegalen Ferienwohnungen vorzugehen. Als nächste Proteststufe steht ein »Mietenstreik« auf dem Programm, wenn sich an der fatalen Lage nichts ändert. In einen begrenzten Streik sind bereits 900 Familien getreten. Seit September zahlen sie »illegal« geforderte Mieterhöhungen nicht mehr, die der Immobilienfonds Nestar-Azora von ihnen fordert. Von Erhöhungen zwischen 150 und 700 Euro pro Monat sind auch Sozialwohnungen betroffen, die von der Regionalregierung an den Fonds verkauft worden waren. Die Lage in Madrid ist besonders prekär, worauf auch der Wirtschaftswissenschaftler Julen Bollain hinweist: »Eine Wohnung in Madrid zu mieten, kostet für 80 Quadratmeter durchschnittlich etwa 1600 Euro im Monat.« Der am häufigsten gezahlte Lohn liege aber bei 1300 Euro, fügt der Professor der Universität Mondragón an. Der Mindestlohn von 1134 Euro reiche nicht einmal für 60 Quadratmeter. Die Studentin María Martínez wiederum berichtet, dass in Madrid selbst für »Abstellkammern«, in die gerade einmal ein Bett passt, schon 500 Euro verlangt würden. In einem Fall sei ihr dafür eine Küchenvorratskammer angeboten worden…“ Artikel von Ralf Streck vom 6. Oktober 2024 in Neues Deutschland online externer Link
  • „Kein Einkommen, keine Rente“ von Martin Ling am 31. März 2020 in neues deutschland online externer Link kommentiert diese Aktion im Verhältnis zum Vorgehen der Regierung: „… Das Coronavirus hat Spanien hart getroffen. Seit dieser Woche darf nur noch zur Arbeit, wer für den lebensnotwendigen Bedarf produziert. Deswegen hat der Mieterstreik ein klares Ziel: In der Not muss der Staat den unverschuldet in Notlage Geratenen zur Seite stehen. Der bisherige Vorschlag der sozialdemokratischen Regierung reicht dafür nicht aus: die kommenden vier Mieten zu stunden. Damit wächst nur die Schuldenlast. Mehr Privatinsolvenzen sind programmiert. Wer Bankschulden übernehmen kann, muss auch Mietschulden übernehmen. So einfach ist das...“
  • „Huelga de alquiler“ externer Link ist die Webseite der Mietstreik-Kampagne, auf der auch zahlreiche Dokumente gesammelt sind, die unter anderem die Lage der MieterInnen im Lande zusammenfassen und weitere Gründe für die Aktion anführen.

Siehe zur Corona-Krise in Spanien:

Siehe zum Wohnen in Spanien und Protesten:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=169096
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