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Die neue spanische Regierung entschärft das Arbeitsgesetz an einem besonders üblen Punkt. Sonst eher nichts…

Dossier

Die zetrale Forderung an die neue spanische Regierung im Februar 2020„… Eigentlich hatten die spanischen Sozialdemokraten (PSOE) in den verschiedenen Wahlkämpfen der vergangenen Jahre immer wieder versprochen, die „extrem aggressive Arbeitsmarktreform“ der rechtskonservativen Vorgänger aus dem Jahr 2012 zu streichen, gegen die die Gewerkschaften sogar mit Generalstreiks Sturm gelaufen sind. (…) Vom Schleifen der PSOE-Reform spricht in dieser Regierungskoalition nun aber niemand mehr. Statt die extreme Reform der Vorgänger zu streichen, doktert die neue Regierung nun sehr zaghaft an Teilbereichen herum. Statt die „schädlichsten“ Auswirkungen zu beseitigen, wurde am Dienstag nur ein Artikel gestrichen. (…) Der 52 d) hatte für Furore gesorgt, da er es bis heute ermöglichte, Beschäftigte zu kündigen, die innerhalb von zwei aufeinander folgenden Monaten an acht Tagen vom Arzt krankgeschrieben wurden...“ – aus dem Beitrag „Spanien: Zaghafter Eingriff in Arbeitsmarktreform, Google- und Börsensteuer“ von Ralf Streck am 20. Februar 2020 bei telepolis externer Link. Siehe dazu Reaktionen auf die „Gegenreform“ (#DerogacionReal de la #ReformaLaboral):

  • »Kein ausreichender Schutz bei Entlassungen«. Europarat: Arbeitsmarktpolitik Spaniens verstößt gegen die Europäische Sozialcharta New
    „»Grundlos und willkürlich zu kündigen, ist zu einfach«, meint Fernando Luján, Sprecher der spanischen Gewerkschaft UGT. Vor wenigen Tagen hatte ein wichtiges Gremium des Europarates einer Beschwerde der UGT Recht gegeben. Der Ausschuss für soziale Rechte, der über die Einhaltung der Europäischen Sozialcharta wacht, erklärte, »dass die spanische Gesetzgebung Arbeitnehmern keinen ausreichenden Schutz bei Entlassungen ohne triftigen Grund bietet und daher nicht mit der Revidierten Europäischen Sozialcharta vereinbar ist«. Auch nach der Arbeitsmarktreform von Arbeitsministerin Yolanda Díaz aus dem Jahr 2022 wird demnach Artikel 24 des völkerrechtlich verbindlichen Abkommens weiter verletzt. Der Entschädigungsmechanismus und die Auslegung durch Gerichte ermöglichen es den Opfern nicht, »eine ausreichende Entschädigung zu erhalten, die den erlittenen Schaden deckt und eine abschreckende Wirkung auf die Arbeitgeber hat«, erklärt der Ausschuss. Arbeitnehmer haben aber ein Recht auf eine angemessene Entschädigung, die im Bezug zum tatsächlich erlittenen Schaden steht. Vordergründig geht es nur um Abfindungen, real steht aber der unzureichende Kündigungsschutz dahinter, worauf die UGT hinweist, die der sozialdemokratischen Regierung nahesteht. Vor einer Arbeitsmarktreform der Vorgängerregierung der konservativen Volkspartei (PP) im Jahr 2013, gegen die es massive Proteste und auch einen Generalstreik gab, waren Abfindungen noch zentraler Teil des Kündigungsschutzes. Die Sozialdemokraten (PSOE) hatten versprochen, diese Neuregelung wieder zu streichen. In Sozialpaktgesprächen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften wurde indes nur ein Reförmchen ausgehandelt, das Unternehmerverbände beklatschten. »95 Prozent« der PP-Reform seien nun bestätigt, hieß es aus ihren Reihen. Scharfe Kritik kam indes von linken Parteien, die die Regierung ansonsten stützten, und von den Gewerkschaften. Mit ihrer Beschwerde beim Europarat machte die UGT klar, wie mangelhaft auch sie die mit knapper Mehrheit im Parlament angenommene Reform sieht. Es sei »nicht akzeptabel«, dass Abfindungen im Durchschnitt um mehr als 50 Prozent auf etwa 9000 Euro gekürzt wurden, wie Sprecher Luján vorrechnet. Da unbegründete Kündigungen billig sind, wird das genutzt, um sich älterer Beschäftigter zu entledigen, die gemäß den Lohngruppen-Anpassungen bei langer Betriebszugehörigkeit relativ hohe Gehälter erhalten. Neuangestellte Arbeiter erhalten hingegen oft nur den Mindestlohn. Hinzu kommt, dass das »Übergangsgehalt« für die Zeit zwischen Kündigung und einem Urteil des Arbeitsgerichts nicht gezahlt werden muss. (…) Statt nach dem Spruch des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte nun Druck zu machen, setzt UGT-Chef Pepe Álvarez auf neue Sozialpaktgespräche nach dem Sommer. Dort solle darüber verhandelt werden, »wie die Entscheidung ins spanische Recht überführt werden kann«. Álvarez hofft auch darauf, dass Gerichte nun Abfindungen hochsetzen…“ Artikel von Ralf Streck vom 4. August 2024 in Neues Deutschland online externer Link
  • Arbeitsmarktreform: Spanische Regierung am Abgrund. Abstimmungsfehler verhindert Absturz der Reform; Sozialdemokraten brechen mit linken Unterstützern und vollziehen einen Rechtsschwenk
    „Jetzt ist der Bruch mit den Parteien vollzogen, die die sozialdemokratische Minderheitsregierung in Spanien unter Pedro Sánchez vor zwei Jahren an die Macht gebracht haben. Um sein Dekret zur Arbeitsmarktreform im Parlament bestätigen zu können, mussten die Sozialdemokraten (PSOE) von Ministerpräsident Sánchez und die Linkskoalition „Unidas Podemos“ (UP) um Stimmen bis tief ins rechte Lager buhlen. Denn die bisherigen linken Unterstützer aus dem Baskenland, Katalonien und Galicien hatten ein klares Nein angekündigt. Das sagt schon viel aus über eine Reform, die mit Arbeitgebern ausgehandelt wurde und die nach der Abstimmung von ihnen beklatscht wurde, da die vorhergehende Reform im Wesen unangetastet blieb, wie sie unumwunden zugeben. 95 Prozent der vorigen Reform bleiben ihrer Ansicht nach erhalten externer Link. Versprochen hatten PSOE und UP den Wählern aber kein „Reförmchen“ der vorausgegangenen ultra-neoliberalen Reform, vielmehr wollten sie diese Reform streichen. Das hatten beide Parteien in den letzten beiden Jahren auch Unterstützern immer wieder schriftlich zugesichert, um ihre Stimmen für andere Vorhaben zu bekommen. Es handelt sich nun also ganz klar um einen Wortbruch. Der beschädigt die Glaubwürdigkeit der Linkskoalition UP erheblich, zumal das Reförmchen, das die UP-Arbeitsministerin Yolanda Díaz ausgehandelt hatte, die ihr Ergebnis auch noch als „historisch“ bezeichnet externer Link, recht ärmlich ausfiel. (…) Die rechte PP, deren ehemaliger Parteichef die Arbeitsmarktreform über seine Faes-Stiftung ebenso beklatscht wie die Großbanken, nimmt die „Linksregierung“ immer stärker in die Zange und nutzt dafür auch die Arbeitsmarktreform. Dabei hätte die PP eigentlich mit Ja stimmen müssen. Dass der Kündigungsschutz 2011 praktisch abgeschafft wurde, blieb genauso unangetastet, wie die stark gesenkten Abfindungen, die weiter auch kein Kündigungshindernis darstellen. Auch regional bessere Tarifverträge werden weiter über national schlechtere ausgehebelt…“ Beitrag von Ralf Streck vom 7. Februar 2022 bei Telepolis externer Link
  • EU-Geld für Spanien ist – im Gegensatz zu Ungarn etwa – an Bedingungen geknüpft: Keine Aufhebung der Arbeitsgesetzgebung von 2012
    Der EU-Gipfel mag darauf verzichtet haben, den Rechtsregierungen in Ungarn und Polen irgendwelche (demokratischen) Bedingungen zu stellen, für die Hilfsgelder, die sie erhalten sollen. Dies gilt aber weder für Italien (von dessen Regierung allgemein neoliberale Reformen gefordert werden), noch für Spanien (von dessen Regierung noch zusätzlich konkret gefordert wird, ihre – einst bekundete – Absicht aufzugeben, die Gegenreform der Arbeitsgesetze von 2012 rückgängig zu machen). Und wenn jetzt auch verschiedenste politische Kräfte in Spanien über die finanziellen Zusagen jubeln, bleibt dieser Bedingungskatalog in der EU-Tradition gegen alle papierenen Deklarationen einer „sozialen EU“. In dem Beitrag „¿Acuerdo histórico? A cambio de los fondos europeos el gobierno deberá renunciar a derogar la reforma laboral y aplicar nuevos recortes en las pensiones públicas“ am 21. Juli 2020 bei kaosenlared externer Link wird der Jubel in Spanien kontrastiert mit den konkreten Bedingungen, die gestellt sind. Die “Flexibilität” genannten Angriffe auf gewerkschaftliche Rechte in der Gegenreform von 2012 sollen nicht nur bestehen bleiben, sondern weiter verfolgt werden – und die (in ganz Spanien seit langer Zeit von einer wachsenden Massenprotest-Bewegung kritisierte) Rentenreform fortgesetzt werden. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag über gewerkschaftlichen Jubel – zumindest bei 2 Verbänden…

  • Siehe vom Juli 2020: Regionalwahlen in Spanien: Quittungen an Linksregierung ausgestellt. Für: Keine Aufhebung der „Arbeitsreform“ von 2012, keine Unterzeichnung der Migranten-Charta, keine…
  • „Estos son los “aspectos más lesivos” de una reforma laboral que lleva ocho años precarizando el empleo“ von Eduardo Bayona am 01. Juli 2020 bei Publico externer Link war eine Gesamtbilanz nach 8 Jahren Gegenreform in der Arbeitsgesetzgebung (damals der rechten Regierung) – deren Aufhebung ursprünglich versprochen worden war, aber ein weiteres gebrochenes Versprechen darstellt. Dabei werden die verschiedenen Aspekte dieser Gegenreform dargestellt und ihre Auswirkung im Sinne weiterer Prekarisierung der Arbeits- und Lebensbedingungen konkret nachgezeichnet. Einen Schwerpunkt stellt dabei vor allem die Maßnahmen zur wesentlichen Erleichterung von Entlassungen durch die damalige Gegenreform im Sinne der Unternehmen dar, die auch bei den ursprünglichen Versprechungen der heutigen Regierung eine zentrale Rolle gespielt hatten und nun weiterhin gelten.
  • „El PSOE vota en el Congreso con PP, Ciudadanos y JxCat contra la derogación de la reforma laboral de 2012 am 02. Juli 2020 bei kaosenlared externer Link zeichnet die konkrete Parlamentsabstimmung nach, in der die spanische Sozialdemokratie – nach einigem Hin- und Her – zusammen mit den Parteien der rechten und neoliberalen Opposition gegen die Rücknahme der Reformgesetze der „Reforma laboral“ stimmte – ohne Konsequenzen von Seiten des düpierten Koalitionspartners…
  • „¿Por qué no es cierto que se haya prohibido el despido por baja médica?“ von Santiago Lupe am 20. Februar 2020 bei La Haine externer Link ist ein Beitrag, in dem darauf hingewiesen wird, dass noch nicht einmal diese Beseitigung der „Spitze des reaktionären Eisbergs“ sicher ist, denn es kann nachwievor unter bestimmten Bedingungen wegen Krankheit gekündigt werden – lediglich die Abfindungen, die dann bezahlt werden müssen, werden teurer – was sich allerdings nur für jene lohne, die lange Jahre in einem Betrieb gearbeitet haben. Im übrigen wird – wie bei allen linken Annäherungen an das Thema – darauf verwiesen, dass es ja nicht nur die „Reform“ der Arbeitsgesetze des Jahres 2012 durch die Regierung der rechten PP gegeben habe, sondern auch die der Regierung Zapatero wenige Jahre zuvor, die dieselbe Richtung eingeschlagen hatte – aber eben von den jetzt wieder regierenden Sozialdemokraten verabschiedet. Und von daher für die neue Regierung kein Thema…

Zur Rücknahme der Reformen im Arbeitsgesetz zuletzt: „Die spanische Regierung unter Druck: Mieterproteste explodieren und die versprochene Rücknahme der Gegenreform der Arbeitsgesetze wird eingefordert“ am 17. Februar 2020 im LabourNet Germany

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=163259
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