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Der Schweizer Bundesrat in der Epidemie: Noch weniger Geld für Krankenhäuser. Dafür: Noch mehr Arbeit – überall

Ihre Schweiz unser Graus„… Seit März steht die Stärkung der Kapazitäten der Spitäler zur Bewältigung von Covid-19 im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und scheint einhellig Zustimmung zu finden. Dies hindert den Bundesrat jedoch nicht daran, den Gesundheitsinstitutionen erneut die Luft abzuschneiden, indem man die Schraube der Finanzpolitik enger zieht. / 11.Februar: Die Weltgesundheitsorganisation benennt die durch das neue Corona-Virus verursachte Krankheit offiziell Covid-19. Wuhan und die Region Hubei in China standen in den letzten Wochen unter einer brutalen Quarantäne. Der Ausbruch breitet sich rasch aus, vor allem in Italien, wo der erste Fall am 20. Februar offiziell registriert wird. / 12.Februar: Der Bundesrat führt eine Vernehmlassung zur Revision der Krankenversicherungsverordnung (KVV) durch. Ziel sei es „die Krankenhausplanung zu verbessern“, kündigt er an. Die wichtigste Änderung dieser Revision ist in Artikel 59c Absatz 1b enthalten, der sich mit der Finanzierung der Spitäler befasst: „Bezugsgrösse sind die Kosten pro Fall oder die Tageskosten, die nach dem Schweregrad der*s Leistungserbringers*in [Ärzt*innen, Spitäler; Anm. d. Red.] angepasst werden. Dieser Schweregrad darf höchstens dem 25. Perzentil der Anzahl Leistungserbringer*innen entsprechen.» (…) Die negativen Auswirkungen auf das Personal liegen auf der Hand: Zwischen 2012 und 2017 ist der Anteil der Beschäftigten im sozialen Gesundheitswesen, die sich sehr häufig oder immer gestresst fühlen, von 18% auf 23% gestiegen. Das ist die deutlichste Zunahme unter allen Branchen in der Schweiz, so die Ergebnisse der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (ESS), die vom Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlicht wurde. Direkte Aussagen des Personals bestätigen diese Situation der chronischen Überlastung, des Mangels an Zeit für die vollständige Betreuung der Patienten und der grassierenden Erschöpfung…“ – aus dem Beitrag „Schweiz: Spitäler weiter geschröpft, Pflegende noch stärker unter Druck“ von Benoit Blanc am 15. April 2020 bei den Maulwürfen externer Link über die Maßnahmen der Schweizer Regierung zum Gesundhetswesen im Zeitalter der Epidemie. Zur Situation des Gesundheitswesens in der Schweiz (und ihrer Entwicklung) sowie zur auch hier organisierten Politik des Arbeitszwangs (zur Gesundheit der Profite) und der sich verstärkenden Gegenwehr eine kleine aktuelle Materialsammlung:

„Arbeitsgesetz: Bundesrat stösst Spitalpersonal vor den Kopf“ am 26. März 2020 bei der Gewerkschaft VPOD externer Link zum Protest gegen die Politik der Schweizer Bundesregierung: „… Der Entscheid des Bundesrates vom vergangenen Freitag, die wichtigsten Bestimmungen des Arbeitsgesetzes in den mit COVID-PatientInnen überlasteten Spitälern mit sofortiger Wirkung auszusetzen, hat das Spitalpersonal und die Bevölkerung mobilisiert. Der VPOD (Verband des Personals öffentlicher Dienste) hat Anfang Woche eine Online-Petition lanciert, welche den Bundesrat auffordert, seine Entscheidung rückgängig zu machen. In knapp zwei Tagen unterzeichneten schweizweit über 40’ 000 Menschen diesen Appell und setzten damit ein deutliches Zeichen für den Schutz des Spitalpersonals. Sie alle haben verstanden, dass der Schutz des Personals eine wichtige Voraussetzung ist für den Schutz von uns allen. Bei der heutigen Pressekonferenz gab Bundesrat Parmelin sogar auf konkrete Nachfragen nur ausweichende Antworten zu diesem Thema. Der Appell von 40’000 Personen zum Schutz des Spitalpersonals stiess auf taube Ohren. Der Bundesrat weigert sich, den gesetzlichen Rahmen des Arbeitsgesetzes zum Schutz des Spitalpersonals beizubehalten. Diese Entscheidung hat zur Folge, dass das Spitalpersonal mehr als 60 Stunden pro Woche dem Virus ausgesetzt sein kann: Die Risiken, schwer zu erkranken, sind enorm. Gleichzeitig ist die Situation in Bezug auf die Schutzausrüstung bei weitem nicht für alle Gesundheitsteams zufriedenstellend, sei es in Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen oder in der häuslichen Pflege…“

„Die NZZ will wissen: «Wie senkt man die Kosten pro Leben?»“ von Klaus Klamm am 10. April 2020 im Untergrundblättle externer Link dokumentiert (ursprünglich im ajourmag) zur passenden Medienkampagne unter anderem: „… Einmal mehr spricht aus Roger Köppel die schneidende Kälte der bürgerlichen Gesellschaft. «Wie viel darf ein Menschenleben kosten?», fragt er von seinem Redaktionsstuhl in die Welt hinaus. «Finstere Fragen» hat er sein Editorial übertitelt. Aber man will ihm nicht so recht abkaufen, dass er das wirklich für finster hält. «Die Schweiz muss wieder lernen, mit den finsteren Alternativen zu leben – und umzugehen», heisst es bei Köppel weiter. Ein Schelm, wer sich beim bedeutungsvollen «wieder» an eugenische Praktiken und malthusianische Bevölkerungspolitk erinnert sieht. Schliesslich wird hier gerade vor allem das Leben jener Menschen verhandelt, die lange Jahre gearbeitet haben und denen man nun die unproduktive Ruhe nicht so richtig gönnen mag. Die NZZ am Sonntag fragt in einem Artikel bereits im Titel praktisch wortgleich wie Köppel: «Wie viel Geld darf ein Menschenleben kosten?». Bei der Zeitung ist dies aber keine «finstere», sondern lediglich ein «heikle» Frage. So ähnlich wie wenn jemand fragt, ob man über die Feiertage ein wenig zugenommen hat. Das ehemalige Leitblatt des Wirtschaftsliberalismus löst den Bruch zivilisatorischer Standards ein wenig eleganter als Köppel…“

„Die Profiteure müssen zahlen“von Yves Wegelin am 02. April 2020 in der WoZ externer Link (Ausgabe 14/2020) in Kritik der konzertierten kapitalistischen Aktion: „… Wie viel darf ein Leben kosten?, fragen nun immer mehr Ökonomen und Wirtschaftsvertreterinnen. Hintergrund ist der Lockdown, der eine Überlastung der Spitäler mit Coronainfizierten verhindern und damit Leben retten will: Der Lockdown kostet in der Schweiz laut Schätzungen monatlich 16 Milliarden Franken. Hinter der Frage steht implizit die Forderung, ihn schnellstmöglich aufzuheben – auch wenn dafür ein paar Tausend schwächere Menschen zusätzlich sterben müssen. Abgesehen davon, dass es jene Stimmen sind, die mit ihrer Sparobsession die drohenden Engpässe mitverantworten, und es etwas einfach ist, vom sicheren Homeoffice aus die Schuhverkäuferin zurück an die Coronafront zu schicken – mit dem Kosteneinwand wird den Menschen Sand in die Augen geworfen: Es wird suggeriert, dass alle gleichermassen für die Kosten aufkommen müssten. Also auch jene, die gerade ihre Existenzgrundlage verlieren. Damit soll von der relevanten Frage abgelenkt werden: Wer soll bezahlen? In den letzten Jahrzehnten haben sich Konzerne, deren Aktionärinnen und Spitzenverdiener ein immer grösseres Stück des wirtschaftlichen Kuchens gesichert. Zehn Prozent der Bevölkerung streichen knapp ein Drittel des Volkseinkommens ein. Wird der Kuchen nun kleiner, verlieren sie ihrem Anteil entsprechend fast 5 der 16 Milliarden. Nicht besonders gravierend, sie könnten locker noch mehr schultern: 16 Milliarden sind ein Dreizehntel von dem, was sie jährlich als Lohn und vor allem als Dividenden einkassieren – oder ein Achtundachtzigstel der 1,4 Billionen, die das reichste Zehntel besitzt. Die Kosten des Lockdowns, für die der Bund nun einspringt, wären mit etwas höheren Steuern einfach wieder reinzuholen. Wenn nun also Wirtschaftsvertreterinnen und Professoren, deren Lehrstühle von Grosskonzernen wie der UBS mitfinanziert werden, die Kostenfrage stellen, dann sollten sie sie ehrlich stellen: Wie viel darf ein Leben die Reichen in der Schweiz kosten? So wird auch der menschenverachtende Sozialdarwinismus, der dahintersteckt, ersichtlicher...“

„Die Deregulierer wittern Corona-Morgenluft“ von Christian Egg am 09. April 2020 in der Work externer Link (Zeitschrift der Gewerkschaft Unia) zu den (aktuell zur Erfüllung anstehenden) Unternehmens-Wunschzetteln in verschiedenen Branchen unter anderem: „… Für Chauffeurinnen und Chauffeure hat der Bund per Notrecht die Schutzbestimmungen ausgehebelt: Sie müssen jetzt bis zu 56 Stunden pro Woche am Steuer sitzen statt bisher 45. Auch die vorgeschriebenen Ruhezeiten wurden massiv gekürzt. Das gilt bis am 30. April, verlängerbar bei Bedarf. Roman Künzler, bei der Unia für Transport und Logistik zuständig: «Solche Arbeitszeiten, während die Schulen geschlossen sind, sind gerade für Beschäftigte mit Kindern unzumutbar. Zudem gibt es genügend Chauffeurinnen und Chauffeure, die keine Arbeit haben und die zusätzlich eingestellt werden könnten.» (…) Der Bundesrat müsse jetzt allen Lebensmittelläden erlauben, am Sonntag zu öffnen, forderte der Warenhausverband Swiss Retail Federation kurz nach Ausbruch der Corona-Krise. Damit liesse sich der Ansturm der Kundschaft besser verteilen, so die Begründung. Der Sonntagsverkauf ist ein alter Wunschtraum der Deregulierer. Jetzt wittern die Turbo­lädeler Morgenluft. Dank Corona. Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) rannte der Verband offene Türen ein, die Diskus­sionen waren bereits im Gang. Auch mehrere Kantone lobbyierten für Sonntagsverkäufe. Graubünden gab gegenüber ­den CH-Media-Zeitungen schon mal vorsorglich ­bekannt, solche Gesuche würde man «selbst­verständlich bewilligen». Die Gewerkschaften reagierten prompt. Véronique Polito von der Unia-Geschäftsleitung forderte den Bund auf, von derlei Ideen abzusehen. Die Verkäuferinnen und Verkäufer seien derzeit enorm gefordert: «Wenn sie sich nicht einmal mehr am Sonntag erholen können, steigt ihr Risiko, krank zu werden.» Zudem sei der grosse Ansturm vorbei, es brauche keine längeren Öffnungszeiten. Im Gegenteil. Seit Ende März machen Migros und Coop in diversen Filialen früher zu. Zu wenig Kundschaft – und um die Mitarbeitenden zu entlasten. Auf Anfrage von work sagen beide, es brauche derzeit keine Sonntagsverkäufe...“

„Nur 28 Kontrolleure für Zehntausende Baustellen“ von Jonas Komposch ebenfalls am 09. April 2020 in der Work externer Link zu einem weiteren Aspekt der Beförderung kapitalistischer Interessen: „… Ende März druckte der «Zürcher Oberländer» ein Interview ab, wie es in Schweizer Zeitungen nur noch selten zu finden ist. Denn für einmal hatte nicht ein hohes Tier aus der Politik das Wort, sondern ein Arbeiter – nämlich der Zürcher Maurer Marco Lehnherr  *. Er wurde gefragt, ob er auf seiner Baustelle die Regel «Nie mehr als fünf Personen zusammenstehen» einhalten könne. Antwort: «Nein.» Und die zwei Meter Abstand zwischen diesen Personen? «Unmöglich.» So wie Lehnherr geht es Tausenden Baubüezern. Bei der Unia sind innert zwei Wochen über 4000 detaillierte Meldungen über Regelverstösse eingegangen – allesamt vom Bau. Lehnherr spricht für viele, wenn er sagt: «Baustellen sind die grössten Virenschleudern.» Und: «Die Sicherheit kümmert die Mächtigen nicht, solange es Geld zu scheffeln gibt.»­ Was aber ist mit den Baustellenkon­trollen? Schliesslich hatte der Bundesrat die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) damit beauftragt, den Corona-Schutz auf dem Bau zu untersuchen. Lehnherr: «Bisher war noch kein Mensch da, um unsere Baustelle zu überprüfen.» Auch mit dieser Feststellung ist der Maurer nicht allein. So sagt Arno Russi, Sektionsleiter der Unia ­Rhätia-Linth, über die Suva-Kontrollen: «Da geht viel zu wenig!» Und aus dem Jura meldet Unia-Sekretär François-Xavier Migy sogar: «Suva-Kontrollen gibt es hier praktisch nicht.» Wen wundert’s? Im ganzen Kanton Jura arbeitet nur ein einziger Suva-Kontrolleur. Und der ist auch noch für den Berner Jura und den Kanton Neuenburg zuständig. Wenig besser ist die ­Situation im Wallis. Im Riesenkanton kontrollieren zwei Suva-Mitarbeiten­­de. Wie steht die Suva dazu? Sprecher ­Adrian Vonlanthen sagt, schweizweit seien 28 Kontrolleure im Dienst. Das seien nicht mehr als noch vor der Corona-Krise. Kaum genug also, um den wichtigen Bundesauftrag zu erfüllen. Schliesslich arbeiten im Schweizer Baugewerbe rund 350’000 Personen, davon die Mehrheit auf Baustellen…“

„Schweizer Regierung schickt Arbeiter trotz Covid-19 zurück an die Arbeit“ von Marianne Arens am 21. April 2020 bei wsws externer Link zu einem weiteren Aspekt des Arbeitszwangs in typisch Schweizer Manier: „… In der Schweiz sind es vor allem die südlichen Grenzkantone Waadt (292 Tote), Tessin (288 Tote) und Genf (193 Tote), die eine traurige Spitzenposition bei den Todesopfern einnehmen. Im Tessin wurden allein am letzten Sonntag wieder sieben Todesfälle gemeldet. Pro 10.000 Einwohner sind dort 86,5 Personen an Covid-19 erkrankt. Als die Pandemiezahlen stiegen, sah die Tessiner Kantonsregierung sich gezwungen, am 23. März den Notstand auszurufen. Von dem Lockdown waren zunächst auch die drei Tessiner Goldraffinerien Argor-Heraeus, Valcambi und PAMP betroffen. Die Arbeiter dieser Raffinerien, die zu den größten der Welt gehören, sind zu zwei Drittel Grenzgänger aus Italien. Allerdings war der Druck aus der Wirtschaft und Finanzwelt enorm. Da Gold als Krisenwährung par excellence gilt, ist seit der Ausbreitung der Pandemie die Nachfrage nach Gold sprunghaft angestiegen, und der Goldpreis hat mit über 1.600 Dollar die Unze ein Sieben-Jahres-Hoch erreicht. So machte der Bundesrat die Entscheidung des Tessiner Kantonsrats rasch wieder rückgängig, und die Grenze wurde für Schweizer Bürger und Italiener mit Arbeitsausweis fast überall wieder geöffnet. Schon in der ersten Aprilwoche nahmen alle drei Goldraffinerien die Arbeit zu 50 Prozent wieder auf. Dass die Herstellung von Goldbarren so rasch als eine „systemrelevante“ Produktion eingestuft wird, während die Herstellung von Schutzmaterialien, Desinfektionsmitteln und Testkits auf der Strecke bleibt, muss zu denken geben. Welchen Preis die Beschäftigten dafür bezahlen, und ob es bereits Arbeiter darunter gibt, die positiv auf Covid-19 getestet wurden, ist bisher unbekannt. In jedem Fall zeigt das Beispiel, dass die „etappenweise Lockerung“ darauf hinausläuft, Tausende Arbeiter und Angestellte zurück an die Arbeit zu schicken, ohne dass ihnen in ausreichendem Maß Masken, Handschuhe, Desinfektion und die Möglichkeit auf Selbstschutz gewährt wird. Angesichts der wenigen Testmöglichkeiten kann sich niemand darauf verlassen, dass die Kollegen nicht unwissentlich das Virus in sich tragen. Bisher hatten kaum 2,5 Prozent der Einwohner die Möglichkeit, sich auf Covid-19 testen zu lassen…“

„„Unsere Lebensbedingungen müssen sich grundlegend ändern““ von Rota am 06. April 2020 im revolt:mag externer Link zur Situation von Flüchtlingen in der Schweiz während der Epidemie – inklusive eines Interviews: „… Von allen Asylzentren sind die allgemeinen Lebensverhältnisse in den sogenannten „Rückkehrzentren“ oder „Abschiebegefängnissen“ am prekärsten. Hier warten diejenigen Personen auf ihre Abschiebung, die einen negativen Entscheid auf ihren Asylantrag bekommen haben – die Prozesse dazu laufen teilweise jahrelang. Viele müssen auch in diesen Zentren sehr lange als entrechtete Personen ausharren, weil ihre Abschiebung zum Beispiel aufgrund nicht vorhandener „Rückführungsabkommen“ oder fehlender Identitätsdokumente nicht möglich ist. Dass die „oberste Priorität“, die der Bundesrat hier ausruft, nicht für alle gilt und uns letztlich damit nur noch deutlicher vor Augen führt, worin die „Kernfunktion“ des Asylsystems besteht, lässt sich anhand dieser Abschiebelager zeigen. (…) Seit dem Ausbruch der Pandemie kommt die Polizei nicht mehr ins Lager. Davor sind sie ständig gekommen, meist sehr früh am Morgen, um die Menschen vor den Augen ihrer Kinder festzunehmen und wegzubringen. Mir ist das schon zwei Mal passiert. Meine Frau haben sie auch schon mal mitgenommen. Wir haben drei Kinder, eines davon ist noch ein Säugling, weshalb ich die Polizei darum gebeten habe, dass sie mich statt meiner Frau mitnehmen. Sie haben dann meiner Frau Handschellen angelegt, meine Kinder haben geschrien und geweint. Ich konnte nichts machen. Das passiert hier so gut wie allen Bewohner*innen. Wir werden zwar wieder freigelassen und kommen auch wieder hierher, aber sie brummen uns hohe Geldstrafen auf für illegalen Aufenthalt. Meist mehrere tausend Franken, die natürlich niemand von uns hat. Das wiederholt sich ständig. Sie verfolgen damit das Ziel, uns so lange für unser fehlendes Recht, uns hier aufzuhalten, zu bestrafen, bis wir selber gehen. Unsere Anwälte wissen, dass es sich mit diesen Strafen so verhält. Aber weder können wir gehen noch können sie etwas dagegen tun…“

„Über Kurzarbeit und Solidarität“ von Klaus Klamm am 24. März 2020 im Untergrundblättle externer Link dokumentiert (auch dies ursprünglich im ajour-mag) zu einem Beispiel von Selbstorganisation im Interview mit der Gruppe «Veranstaltungsschaffende United!»: „… Wir sind der Meinung, dass wir ganz klar Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben. Wir finden aber, dass diese Kassen nicht die Lösung für unser Problem sein sollten. Auch die bisherigen Konflikte mit den Ämtern zeigen, dass sie das ähnlich sehen könnten, da schon manche*r sprichwörtlich abgewimmelt wurde, auch mit Sachbearbeiter*innen, welche selber mit einer unklaren Lage konfrontiert sind. Diese Sachlage muss sich klären. Bis zum 20. März soll anscheinend geklärt sein, wer auf welche Weise in den Genuss des 10 Milliarden Franken schweren Stützungsfonds des Bundes kommen soll. Das ist reichlich spät. Bis dahin brauchen viele von uns noch ihre Februarlöhne auf und hoffen auf eine Kurzarbeitsentschädigung. Noch unklarer ist die Lage für die ganzen Selbstständigen, denen ohne Stützung nur der Gang zum Sozialamt bleibt. Auch vielen Firmen droht der Konkurs. Sicherlich werden viele zum Überbrücken der Situation auf finanzielle Hilfen von Freunden und Familie angewiesen sein. Ist dies nicht möglich, wird es wohl schwer sein, mit den fehlenden Sicherheiten einen Kredit zu bekommen…

„Coronakrise: Mietstreik jetzt!“ am 20. April 2020 ebenfalls im Untergrundblättle externer Link zu einem weiteren Widerstandsquell: „… Aufgrund der Coronakrise haben Tausende von Menschen ihre Arbeit verloren oder müssen in Kurzarbeit gehen und stehen vor einer finanziell ungewissen Zukunft. Die Kurzarbeit wird vom Bund, sprich von unseren Steuern bezahlt. Wir erhalten also Steuergelder, um weiter einkaufen zu können, aber auch um unsere Mieten zu bezahlen. Dieses Instrument dient der Profitsicherung der Immobilienbranche. Diese Krise soll nicht auf dem Rücken der Mietenden ausgetragen werden. Wir erwarten in dieser Zeit Solidarität von jenen die es sich leisten können, sprich den Banken, den Hauseigentümer*innen, den Immobilienfirmen. Um die existentielle Bedrohung der Arbeiter*innen abzufedern, verlangen wir somit von den Vermietenden einen Verzicht auf einen Teil ihrer Profite und den Erlass der Mietzinse für Wohnungen und Gewerberäume für mindestens drei Monate (oder so lange die Krise dauert).  Was kannst du tun? Wenn du selbst betroffen bist: Schick diesen anonymisierten Brief mit der Bitte um Mieterlass an deine Hauseigentümer*in. Falls du dich solidarisch mit direkt Betroffenen zeigen möchtest: Schreib an eine der unten stehenden grössten Immobilienbesitzer*in der Schweiz.  Dieser Brief soll den Eigentümer*innen die Gelegenheit geben, von sich aus zu reagieren. Er beinhaltet die Drohung eines Mietstreiks, falls auf diese berechtigte Forderung nicht eingegangen wird...“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=171124
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