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Migros: Der genossenschaftlichen Tradition verpflichtet?

Dossier

Schweiz: Die Gewerkschaft unia protestiert vor Migros„… Die Migros beruft sich auf Gottlieb Duttweilers Erbe. Wir erinnern die Migros-Verantwortlichen an folgendes Zitat von Gründer Gottlieb Duttweiler: «Die Löhne wie auch die Arbeitsbedingungen und das Verhältnis zu der Arbeiter- und Angestelltenschaft müssen vorbildlich sein.» Das ist leider nicht immer der Fall: Die Migros gehört mit rund 98’000 Beschäftigten zu den grössten Arbeitgebern im Detailhandel. Davon sind nur knapp 47’000 dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt. In den letzten Jahren waren immer weniger Migros-Angestellte dem GAV unterstellt. Der ganzen Bereich des Onlinehandel, beispielsweise, hat keinen GAV. (…) Mehr als 10 Prozent  des Umsatzes erzielt Migros mittlerweile online – und sie expandiert in diesem Bereich. Dennoch sind die Arbeitsbedingungen weiterhin prekär und der Druck ist enorm…“ unia-Sonderseite zu Migros externer Link und zu den Konflikten:

  • Unia-Aktion „Stopp Kündigungen: Migros, mach mehr fürs Personal!“ – Kund:innen solidarisieren sich New
    Die Unia protestierte mit 60 Aktionen gegen den Stellenabbau bei der Migros. Sie fordert, den Verzicht auf Kündigungen, Unterstützung der Angestellten bei der internen Stellensuche und eine echte Mitwirkung des Personals. Zudem muss die Migros akzeptieren, dass sich Beschäftigte mit der Unia organisieren. Der grösste Abbau in der Geschichte der Migros ist in vollem Gange. Die ersten Kündigungen hat die Migros bereits ausgesprochen.
    Personal verunsichert
    Die Geschäftsleitung verwehrt dem Personal grundlegende Rechte. Nach wie vor melden die Unia-Mitglieder bei der Migros, dass sie nicht angehört werden. Dieses unsoziale und undemokratische Handeln steht im Widerspruch zum sorgfältig gepflegten Image der Migros. Unia-Mitglieder berichten von chaotischen und verspäteten Informationen und von einem Sozialplan, der ohne ihre Beteiligung verhandelt wurde. Zu wenige Entlassene bekommen eine anständige Anschlusslösung angeboten und viele fallen gar ganz aus dem Sozialplan. (…)
    Der heutige Aktionstag zeigt: Auch bei der Kundschaft stösst dieses Verhalten auf Missfallen: Um ihre Solidarität mit den Angestellten zu zeigen, trugen Migros-Kund:innen Buttons mit der Aufschrift «Migros: Keine Kündigungen!».
    Unia-Meldung vom 25.06.24 externer Link
  • Migros: M wie Moneten. Die Migros steckt im grössten Umbau ihrer Geschichte, Hunderte Stellen sind gefährdet. Wie konnte das passieren?
    „… Folgt man den vielen Analysen über den Umbau des Unternehmens, ist es gerade diese schwerfällige Struktur, die mit schuld daran ist, dass die Migros 2023 den tiefsten Gewinn seit fast vierzig Jahren eingefahren hat, trotz ausserordentlicher Beliebtheit bei den Konsument:innen. Profitabilität sei eben nur mit mehr Effizienz zu erreichen, der die Regionalfürsten im Weg stünden, so der Tenor aus den Wirtschaftsredaktionen. (…) Tatsächlich steckt das Unternehmen im grössten Umbau seiner Geschichte. Neben dem einst noch von Duttweiler gegründeten Reiseanbieter Hotelplan sollen der Elektronikmarkt M-Electronics, der Sportartikelverkauf SportX und der Kosmetikhersteller Mibelle verkauft werden. Der Essenslieferdienst Food Now wird eingestellt, weitere «Weichenstellungen» folgen, wie es im «Migros-Magazin» heisst, «alles mit dem Ziel, den Kundinnen und Kunden qualitativ hochstehende Produkte zu attraktiven Preisen anzubieten». Die Frage ist, zu welchem Preis. Nun hat sich die Migros Unternehmensberater:innen von McKinsey ins Haus geholt. Das wenig überraschende Ergebnis: Die Migros wolle Prozesse vereinfachen, schlanke Strukturen und klare Rollen schaffen, wie Peter Diethelm sagt, der CEO der Migros Supermarkt AG, eines erst im vergangenen Sommer gegründeten Konstrukts zur Zentralisierung der Supermärkte. Übersetzt heisst das: 151 Vollzeitstellen in der Zentrale Zürich wurden bereits gestrichen, weitere 100 Personen haben eine Änderungskündigung mit schlechteren Konditionen erhalten. Mehr als 1300 Stellen sollen noch wegfallen. Dabei geht fast vergessen, wem die Migros eben nicht gehört: den 100 000 Menschen, die für das Unternehmen arbeiten – im Verkauf, in der Industrie, in der Bank. Sie kommen in den Erzählungen über die Migros neben dem Gründervater, dem Kund:innenbedürfnis und den Fehlentscheidungen der Manager:innen selten vor. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Das folgt einer historischen Kontinuität. Das Unternehmen hat sich zwar stets soziale Verantwortung auf die Fahne geschrieben. Trotzdem hatten die Angestellten schon immer wenig zu sagen. (…) Die Migros betont, dass die Unia nicht zu ihren Sozialpartnern zähle. Die tatsächlichen Sozialpartner, also KV Schweiz und der Metzgereipersonal-Verband, werfen der Unia in verdächtiger Eintracht vor, «politisches Kapital» aus der Situation der Angestellten zu schlagen. Die Schlichtung sei derzeit immer noch in Gang, sagt die Unia auf Nachfrage dazu. Als beteiligte Partei dürfe sie sich nicht dazu äussern. (…) Zur aktuellen Umstrukturierung äusserst sich Leena Schmitter aber pointiert. Sie ist bei der Unia für die Detailhandelsbranche verantwortlich. Während die Migros ihren vorbildlichen Sozialplan für die gekündigten Mitarbeiter:innen bewirbt, sagt Schmitter: «Vom angeblich so vorbildlichen Sozialplan haben unsere Mitglieder aus den Medien erfahren.» Sie fordert, dass die Migros ganz auf Entlassungen verzichtet und konzernintern neue Stellen für die Beschäftigten findet. Die Migros komme ihrer sozialen Verantwortung nicht nach, und unter der Belegschaft herrsche ein Klima der Angst. (…) Die Entlassungen seien «leider unvermeidlich», heisst es in der entsprechenden Medienmitteilung. Wenn sie auch künftig tiefe Preise für Kund:innen anbieten will, kommt die Migros, so impliziert es die Unternehmenskommunikation, ohne diese Verschlankung nicht aus. Eine Begründung, die die Kritiker:innen zum Schweigen bringen mag: Von einer billigen Migros profitierten schliesslich alle. In ihrem Zeitungsartikel von 1959 schreibt die Migros-Ökonomin Elsa F. Gasser: «Gerade im Essen sollen die Klassenunterschiede immer mehr verschwinden.» Und überall sonst?“ Beitrag von Daria Wild und Lukas Tobler aus der WOZ Nr. 22 vom 30. Mai 2024 externer Link
  • Nach den 1500 Stellen in den Fachmärkten und der Industrie nun auch Abbau von 150 Stellen am Hauptsitz von Migros: Kahlschlag verhindern!
    Die Migros streicht 150 Stellen bei der Migros Supermarkt AG. Die Unia fordert, die Kündigungen zu stoppen und die Betroffenen bei der Stellensuche zu unterstützen. Zudem fordert die Unia die Migros mit Nachdruck auf, den Dialog mit der grössten Gewerkschaft im Detailhandel wieder aufzunehmen.
    Nach den 1500 Stellen in den Fachmärkten und der Industrie stehen jetzt auch 150 Stellen in der Migros-Zentrale in Zürich auf dem Spiel. Ein Ende des Kahlschlages ist nicht absehbar; das führt zu einer grossen Verunsicherung bei den Mitarbeitenden. Nicht zuletzt, weil zu wenige Mitarbeitende ein Jobangebot bekommen. Für die grösste private Arbeitgeberin der Schweiz, die sich selbst als speziell «sozial» rühmt, ist das ist ein Armutszeugnis. Zudem widerspricht die Migros mit diesem Vorgehen ihrer eigenen Leitung. Diese hatte noch im April 2024 versichert, Kündigungen möglichst zu vermeiden. Die Unia fordert von der Migros-Leitung, auf Kündigungen zu verzichten und alle Angestellten bei der Suche nach einer neuen Stelle in- oder ausserhalb der Gruppe unterstützen.
    Sozialplan: Undurchsichtige Kommunikation
    Die direkt Betroffenen in den Fachmärkten hatten bereits Unterredungen und Infoveranstaltungen über die Restrukturierung und Stellenabbau mit ihren Vorgesetzten und HR besucht. Sie kritisieren, dass sie nicht über die laufenden sozialpartnerschaftlichen Gespräche informiert wurden. Auch fehlte ihnen die Information, dass offenbar rückwirkend auf 1. Mai ein Sozialplan in Kraft sei – obwohl es schon konkrete Diskussionen in gewissen Genossenschaften gab. Auch den Inhalt des Sozialplans kannten sie nicht.
    Besonders stossend: Nur langjährige und über 50 Jahre alte Angestellte können mit einem Stellenangebot rechnen. Die Unia fordert deshalb bessere und transparente Sozialpläne, welche von den Beschäftigten und ihren Vertreter:innen verhandelt werden
    …“ Unia-Meldung vom 21.05.2024 externer Link („Stellenabbau am Hauptsitz von Migros: Kahlschlag verhindern!“)
  • [Schweiz] Nein zu Entlassungen, ja zu Gewerkschaftsrechten bei der Migros! 
    Die Unia fordert, dass die Migros die Gewerkschaftsrechte ihres Personals garantiert und auf Entlassungen verzichtet.
    Der Migros geht es nach wie vor hervorragend, ihren wichtigsten Handelsaktivitäten ebenfalls. Der Konzern meldet heute einen Rekordumsatz und erwirtschaftet weiterhin Gewinne. Er weist eine sehr gute Investitionsfähigkeit mit einer soliden finanziellen Basis auf, die auf ein hohes Eigenkapital zurückzuführen ist. Dieses gute Ergebnis ist mehrheitlich auf die harte Arbeit und die hohe Flexibilität der Angestellten zurückzuführen. Dennoch plant die Migros 1500 Entlassungen (je nach Quelle gar bis zu 6500) und missachtet die Rechte ihrer Angestellten, wie die Koalitionsfreiheit. (…) Die Migros fährt seit Jahren eine systematische, gewerkschaftsfeindliche Strategie und übt Druck auf ihre Angestellten aus, um sie von den Gewerkschaften fernzuhalten. Obwohl sie das Recht haben, ihre Interessen gemeinsam mit den Organisationen ihrer Wahl zu vertreten. Eine solche Haltung ist für den grössten privaten Arbeitgeber der Schweiz, der sich als sozial und mustergültig darstellt, völlig inakzeptabel. Die Unia verlangt, dass die Migros endlich die Grundrechte ihrer Angestellten respektiert. (…) Das operative Ergebnis der Migros zeigt einmal mehr, dass es der Gruppe sehr gut geht. Sie verfügt über die Mittel, um in den Detailhandel und den Online-Handel zu investieren, ohne dass die Angestellten einen sehr hohen Preis dafür bezahlen müssen. Die Unia verlangt daher, dass die Migros Entlassungen vermeidet, den Angestellten, deren Stellen gestrichen würden, echte und akzeptable Alternativen anbietet und die Rahmensozialpläne gemeinsam mit den betroffenen Angestellten und den von ihnen gewählten Vertreter:innen verbessert…“ Unia-Meldung vom 26. März 2024 externer Link
  • [Schweiz] Der orange Riese: 20 Jahre antigewerkschaftliche Blockade. Wo sie «sozial» ist, bestimmt die Migros selber: 1500 Stellen weg, SportX weg, Melectronics weg
    „… Es ist der grösste Stellenabbau in der Geschichte der Migros: Bis zu 1500 Jobs will der orange Riese streichen. Was nicht zum «Kerngeschäft» gehört, will er gleich reihenweise abstossen. Trotz Rekordumsätzen. Vorerst sucht er Käufer für die Fachmärkte Melectronics und SportX, für das Reiseunternehmen Hotelplan und den Kosmetikhersteller Mibelle. Unsicher ist auch die Zukunft von Do It + Garden, Obi, Micasa und Bike World: sie werden «einer eingehenden Prüfung unterzogen», so die Migros. Klar ist: Auf die 98 000 Mitarbeitenden des Dutti-Konzerns kommen unsichere Zeiten zu. Anne Rubin, Co-Leiterin Detailhandel bei der Unia: «Viele unserer Mitglieder sind schockiert über das Ausmass. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die massgeblich zum Erfolg beitragen, noch einmal die Hauptlast einer undurchsichtigen Strategie tragen sollen!» Die Unia fordert, dass die Migros zumindest keine Kündigungen ausspricht. In der Medienmitteilung schreibt der Konzern nur, er wolle «Kündigungen möglichst vermeiden». Und lobt sich gleich selber: Die Migros sei eine «soziale Arbeitgeberin». Wirklich? Zwar hat die Migros einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Neben den Läden gilt er für einige Tochtergesellschaften, nicht aber für Denner, Digitec Galaxus, Migros Online und viele andere im Migros-Universum. Töchter, die jetzt verkauft werden, fallen nach Ablauf eines Jahres aus dem Migros-GAV. Es scheint wahrscheinlich, dass die neuen Besitzer weitere Stellen abbauen werden. Und eine Zusicherung, dass nach den Verkäufen die Arbeitsbedingungen nicht verschlechtert werden, hat die Migros bisher nicht gegeben. (…) Mehr noch: Dem Migros-GAV fehlt eine unabhängige Gewerkschaft, die Verkäuferinnen und Verkäufer vertritt. Vertragspartner sind neben der Migros nur der Kaufmännische Verband, der Metzgereipersonal-Verband und die hauseigene Migros-Landeskommission. Alles Körperschaften, die nicht gerade mit offensiven Positionen auffallen. Mit der Unia, der grössten Gewerkschaft der Schweiz und stark im Detailhandel, will die Migros dagegen nicht verhandeln. Und zwar seit mehr als 20 Jahren… [Unia-Frau] Anne Rubin weiss: Viele Unia-Mitglieder in der Migros fühlen sich nicht mehr ernst genommen von ihrem Arbeitgeber. «Sie haben die Unia gewählt, um ihre Interessen zu vertreten. Sie verstehen nicht, dass die Migros dieses Recht missachtet.»“ Artikel von Christian Egg vom 15. Februar 2024 in der workzeitung externer Link der unia
  • Migros-Stellenabbau: Die Unia kritisiert unsoziales Vorhaben scharf
    „Die Unia und ihre Mitglieder bei der Migros sind schockiert über das Ausmass des angekündigten Stellenabbaus. Die Migros muss alles unternehmen, um Entlassungen zu verhindern. Im Anbetracht der soliden finanziellen Lage des Unternehmens ist das eine soziale Verantwortung. Bedauerlicherweise verweigert die Migros systematisch den Dialog mit der Gewerkschaft, die viele ihrer Angestellten vertritt. (…) Die Angestellten setzen sich seit Jahren für das Unternehmen ein und stossen dabei an ihre physischen und psychischen Grenzen. Gleichzeitig verschlechtern sich ihre Arbeitsbedingungen kontinuierlich. (…) Trotzdem hat die Migros-Spitze die Aufforderung der Unia zu einem Dialog während Monate ignoriert und letztendlich abgelehnt. Die Unia-Mitglieder sind ob dieser unverständlichen gewerkschaftsfeindlichen Haltung empört: Sie fühlen sich von der Migros nicht ernst genommen. Die Unia fordert die Migros nachdrücklich auf, den Dialog mit der grössten Verkaufs-, Logistik- und Industriegewerkschaft der Schweiz wieder aufzunehmen; nur so können die Interessen der Mitglieder unabhängig vertreten werden. Erst Recht im Kontext, um die grösste der grössten Kündigungswelle in der Geschichte der Migros zu verhindern. (…) Seit Jahren nimmt die Zahl der Migros-Angestellten, die von einem GAV geschützt werden, kontinuierlich ab. Mit dem angekündigten Verkauf von Mibelle, Melectronics und SportX sowie der unabsehbaren Folgen für Bike World, Do it + Garden, Micasa und OBI, werden tausende Angestellte nicht mehr vom L-GAV geschützt. Zudem ist fraglich, ob der GAV die Angestellten von Hotelplan weiterhin über die gesetzlichen Vorgaben hinaus schützen wird. Das ist sehr bedauerlich, da die Angestellten nur mit einem GAV ihre Interessen kollektiv verteidigen können.“ Unia-Pressemitteilung vom 2. Februar 2024 externer Link
  • Die gefrässige Genossenschaft: Wie die Migros von der Angreiferin zur Angreifbaren wurde
    Trilogie über den mächtigsten Detailhandelskonzern der Schweiz von Simon Schmid, Michael Soukup (Text) und Yves Bachmann (Bilder):

Siehe auch Migros in der Türkei in unserem Dossier: Proteste, Entlassungen und Boykottaufruf im türkischen Lager der Supermarktkette Migros Türk

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=218462
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