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Aktionstag am 19.03.2022 gegen die „Modernisierung“ des schwedischen Arbeitsrechts

Aktionstag am 19.03.2022 gegen die "Modernisierung" des schwedischen ArbeitsrechtsDer Kündigungsschutz in Schweden steht unter Beschuss. Die Kampagne „Rädda LASexterner Link (Rettet das Kündigungsschutzgesetz) plant daher einen landesweiten Aktionstag am 19.03.2022. Die 1974 verabschiedeten Gesetze zum Anstellungsschutz externer Link machen einen wichtigen Teil des schwedischen Arbeitsrechts aus. Sie regulieren u.a. Fragen von Einstellung und Kündigung, Kündigungsfristen, Urlaub. Der Anstellungsschutz gilt sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Sektor. Und dieser wird nun „modernisiert“. Diese Modernisierung des Arbeitsrechts soll vor allem betriebsbedingte Kündigungen unabhängig von Betriebsgröße und Seniorität erleichtern und somit die Flexibilität in den Betrieben erhöhen. In Schweden gilt bei betriebsbedingten Kündigungen weitgehend das „last-in-first-out“ Prinzip. Geringfügige Ausnahmen davon gab es schon immer, diese werden mit dem neuen LAS erweitert (ungeachtet der Unternehmensgröße können somit mehr Personen pro Standort unabhängig der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit gekündigt werden). Zudem werden veränderte Regeln zur unbefristeten Festanstellung sowie Ansprüche auf Weiterbildung verankert…“  Siehe Infos und Hintergründe von Lisa Carstensen vom 17.3.2022:

Die Vorschläge zur Gesetzesänderung wurden bereits im Juni 2021 durch die Regierung in Kooperation mit der Centerpartiet vorgestellt. Nachdem das Gesetzesvorhaben zunächst aufgrund des Regierungswechsels zu stocken schien, wurde noch 2021 unter Beteiligung der Gewerkschaften IF Metall och Kommunal ein Abkommen über den Inhalt der Änderungen verfasst, welches den Gesetzgebungsprozess wieder in Gang setzte. (Quelle: Meldung bei SVT Nyheter „Hier sind die neuen Vorschläge für das schwedische Arbeitsrecht“ (Här är det nya förslaget om svenska arbetsrätten), schwedischer Artikel vom 10.11.2021 externer Link).

Am 27. Januar 2022 wurde das Gesetz von der Regierung in Kooperation mit der oppositionellen Centerpartiet verabschiedet; es soll am 30.06.2022 in Kraft treten.

Aus der Pressemitteilung der Regierung vom 27.01.2022 externer Link (Übersetzung aus dem Schwedischen): „Die Reform des Arbeitsrechts dient dazu, Arbeitgebern mehr Flexibilität und verbesserte Möglichkeiten zur Anpassung an betriebliche Bedarfe zu verschaffen. Arbeitnehmer gewinnen an Sicherheit durch Stärkung der Vorhersehbarkeit in verschiedenen Anstellungsverhältnissen, Arbeitszeiterfassung sowie Art der Anstellung. Arbeitgeber bekommen unter anderem die verstärkte Möglichkeit, Ausnahmen von bestehenden Regelungen zur Reihenfolge der Kündigungen zu machen. Bei Kündigungen entstehen somit weniger Kosten, da eine Person mehr ungeachtet der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeitsdauer gekündigt werden kann und die Regelungen zur Mindestbetriebsgröße entfallen. Regeln für Kündigungen aus Sachgründen werden vereinfacht, sodass sie sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer besser vorhersehbar sind. Bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Kündigung trägt der Arbeitgeber die Lohnkosten nicht mehr. Insgesamt erleichtert die Reform kleinen und wachsenden Unternehmen die Einstellung und Festanstellung von Personal. Die Balance zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsbedingungen wird verbessert. Die allgemeine Probezeit wird durch eine bestimmte Probezeit ersetzt, die schneller in eine Festanstellung übergeht als zuvor – der Zeitraum wird halbiert. Bei der Änderung des Beschäftigungsgrads eines Arbeitnehmers [sog. „hyvling“, Arbeitszeitverkürzung aus betrieblichen Gründen, Anm. d. Übers.] muss der Arbeitgeber besondere Regelungen zur Reihenfolge beachten und Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine Umstellungsfrist von bis zu drei Monaten. […]“

Kritik wird vor allem vonseiten des Bündnisses „Rädda LAS“ externer Link (Rettet den Kündigungsschutz) geäußert.

Auf der Seite des Bündnisses heißt es (Übersetzung aus dem Schwedischen): „Wir sind überzeugt, dass die Mehrheit der Angestellten und Arbeiter*innen keine Verschlechterung der Beschäftigungssicherheit sehen will. Den Übereinkommen fehlt es unserer Meinung nach an Legitimität, da diejenigen, die die Arbeiter*innen repräsentieren sollen, in diesem Fall die LO [Schwedischer Gewerkschaftsbund, Anm.d.Übers.] intern gespalten sind und die Verhandlungen mit „Svensk näringsliv“ [dem schwedischen Arbeitgeberverband, Anm.d.Übers.] und der PTK [Verband der Gewerkschaften für Angestellte im Privatsektor, Anm.d.Übers.] durch die Drohung einer faktischen Gesetzgebung sowie den engen Verbindungen zu den Sozialdemokraten geprägt waren. Die sogenannte Modernisierung des Arbeitsrechts soll dazu dienen, Flexibilität zu schaffen. Doch dass die Flexibilität der ‚Arbeitseinkäufer*innen‘ ungeachtet des Kündigungsschutzes erhöht wird führt nur zu mehr Unsicherheit der Arbeiter*innen.“

Auch die schwedische Basisgewerkschaft SAC kritisiert das Gesetz und die Beteiligung der Gewerkschaftsspitzen an dessen Ausformulierung.

In einem Statement von Oktober 2021 externer Link heißt es weiter (Übersetzung aus dem Schwedischen): „Der Verhandlungs- und Gesetzgebungsprozess rund um das LAS ist durch die gegenwärtigen Kräfteverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geprägt. Da die Arbeitgeberseite seit etwa drei Jahrzehnten in der Offensive ist, sehen wir auch in der Frage des LAS-Gesetzes einen gewerkschaftlichen Rückzug. Ein starker Anstellungsschutz erleichtert es aber allen Arbeitnehmer*innen, ihre Rechte einzufordern. Wer wagt es, auf sexuelle Belästigung zu reagieren, wenn er*sie dabei den Job riskiert? Wer wagt es, Fragen von Stress und Verschleißerscheinungen aufzuwerfen, wenn eine Kündigung die eigene und möglicherweise auch familiäre Lebensgrundlage kostet?

Beitrag und Übersetzungen von von Lisa Carstensen vom 17.3.2022

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=198870
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