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Wie Russland unter Putin einschätzen? »In Russland droht ein faschistisches Regime«

Solidaritätsaktion gegen die Prozesswelle gegen Anarchisten in Russland, April 2019Im Interview von David Ernesto García Doell bei analyse & kritik (ak) am 30. März 2022 externer Link äußert sich Moskauer Soziologe Greg Yudin über Putins entfesselten Machtapparat und die politischen Motive hinter dem Angriff auf die Ukraine: „… Ich warne schon seit zwei Jahren vor diesem Krieg, aber ich war nicht der Einzige, der ihn kommen sah. Leute, die zur russischer Politik forschen, warnten ebenfalls schon länger, später läuteten auch Experten für das russische Militär die Alarmglocken. Aber viele andere Experten haben die reale Gefahr eines großen Krieges abgetan oder sich sogar darüber lustig gemacht – nicht, weil sie inkompetent wären, sondern weil sie von falschen Grundannahmen ausgingen. (…) Der Hauptfehler war die Annahme, dass Putin nach dem Einmarsch in die Ukraine definitiv schlechter dastehen würde als vorher und dass das seine Überlegungen beeinflussen müsste…“ Siehe mehr aus dem interessanten Interview:

  • Weiter im Interview von David Ernesto García Doell bei analyse & kritik (ak) am 30. März 2022 externer Link: „… Das heutige Russland ist ein bonapartistisches Regime, das dem von Marx beschriebenen französischen Regime von 1848–1870, aber auch dem Deutschland der Zwischenkriegszeit sehr ähnlich ist. Es stützt sich auf Wahlen, wobei es von der plötzlichen Einführung des allgemeinen Wahlrechts profitiert, und schürt – im Anschluss an eine großen Niederlage (im Falle Russlands nach dem Kalten Krieg) – aggressiv Ressentiments und Revanchismus in der Gesellschaft. Solche Regime, die von einem Führer mit nahezu unbegrenzter Machtfülle regiert werden, neigen dazu, zu Wahlmonarchien zu verkommen, die alle inneren Widersprüche unterdrücken und feindselig gegenüber ihren Nachbarn auftreten. (…) Hinzu kommt, dass Putin im eigenen Land mit sinkender Popularität zu kämpfen hat, insbesondere bei der Jugend, und wahrscheinlich sehr bald mit einer Widerstandsbewegung konfrontiert gewesen wäre. Er musste sicher sein, dass er sie um jeden Preis unterdrücken kann. (…) Ich glaube ehrlich gesagt, dass die Welt in großer Gefahr ist. Wir kennen dieses Ungeheuer von innen, und wir haben wenig Illusionen, dass es von selbst aufhören wird. Die Linke hat den Vorteil, dass sie weiß, wie wichtig internationale Bewegungen während großer Kriege sind. Deshalb sollte sie sich dagegen wehren, diesen Konflikt in nationalstaatliche Kategorien zu fassen, denn das würde nur die Staaten stärken und die Menschen weiter schwächen. Nur durch internationale Solidarität kann dieses Monster gestoppt werden. Und es sollte jetzt gestoppt werden, bevor es zu spät ist. Eine wichtige Maßnahme wäre, das Geld der Superreichen ins Visier zu nehmen. Der Krieg hat deutlich gemacht, dass das Kapital durchdreht, wenn es keiner Kontrolle unterliegt. Putins Erfolg bei der Korrumpierung der politischen und wirtschaftlichen Eliten in der ganzen Welt basiert auf seinem Wissen, dass Gier und Eigennutz die Eckpfeiler des Kapitalismus sind. Er glaubt fest daran, dass man mit Geld alles kaufen kann. Er weiß, dass die liberale Demokratie Heuchelei ist. Putin ist ein Ultraneoliberaler, er hat jegliche Solidarität in Russland zerschlagen und sie durch ungezügelten Zynismus ersetzt. (…) Jetzt gibt es endlich eine Chance, diese riesigen Vermögen unter demokratische Kontrolle zu bringen. Jetzt, wo es dieses Zeitfenster gibt, sollten wir nicht zulassen, dass Putins Leute davonkommen und ihr Geld verstecken. Wir sollten gegen all die Menschen in anderen Ländern vorgehen, die von Putin bestochen wurden. Wir sollten auf die Einrichtung eines transparenten internationalen Registers für die großen Vermögen drängen. Dies ist ein entscheidender Moment, um die Ungleichheit zu bekämpfen, die durch Putins schmutziges Geld erheblich vergrößert wurde. Die Welt erkennt endlich, welche Gefahr vom Kapital ausgeht, und wir sollten diese Gelegenheit nutzen, um die rücksichtslose Weltordnung zu ändern, die zu diesem Krieg geführt hat.“
  • Siehe zum Hintergrund unser Dossier: Keine Waffenlieferungen in die Ukraine! Friedenspolitik statt Krieg! und auch das Dossier: Njet zum Krieg – das sagen in Russland nicht nur klassische Oppositionelle
  • Und zum Thema u.a. unseren Beitrag vom Februar 2021: Es gibt ja Linke, die den Herrn Putin als irgendwie antiimperialistisch bewerten: Russlands junge Kommunisten gehören nicht dazu…  
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=199289
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