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Das Urteil gegen die Antifaschisten in Russland: Weder Einzelfall noch Zufall

Solidaritätsaktion gegen die Prozesswelle gegen Anarchisten in Russland, April 2019„… Am Montag sind im russischen Prensa sieben Mitglieder der Organisation „Set“ („Netzwerk“) wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, illegalem Waffenbesitz und illegalem Sprengstoffbesitz verurteilt worden. Zudem umfasste der Schuldspruch auch versuchte Brandstiftung oder/und versuchte Drogenproduktion und -vermarktung. Die Haftstrafen liegen zwischen sechs und 18 Jahren. Nach Angaben der Ermittler planten die Mitglieder der Gruppe Terroranschläge während der Weltmeisterschaft 2018 und der russischen Präsidentschaftswahlen 2018.Es ist wichtig zu erwähnen, dass im heutigen Russland die Justiz fast ausschließlich als Strafinstrument eingesetzt wird. So lag der Anteil der Freisprüche an allen Urteilen im Jahr 2019 bei gerade einmal 0,36%, – einschließlich der Entscheidungen, die später revidiert wurden. Trotzdem betrachten die Anwälte der verurteilten „Set“-Mitglieder dieses Verfahren als einzigartig. Vor ihrer Inhaftierung nahmen die Mitglieder der Gruppe an Aktivitäten zur Förderung des Umweltschutzes teil. Sie organisierten zudem eine Reihe von Freiwilligen- und Wohltätigkeitsveranstaltungen. Der inhaftierte Yulyi Boyarshinov betonte, dass das „Set“ nur als Selbstverteidigungsgruppe gegen Neonazi-Bands gegründet worden sei. Die Bedrohungen durch solche Gruppen sind – gelinde gesagt – absolut real. Das anschaulichste Beispiel für die Nazi-Aggression sind die Morde an einer Journalistin namens Baburova und einem Anwalt namens Markelov, die sich antifaschistisch positioniert hatten. Allein im Zeitraum zwischen 2009 und 2010 wurden zehn Menschen Opfer dieser faschistischen Gruppen. In den Prozessen, die diesem Fall gewidmet waren, gaben die Mörder an, Verbindungen zur russischen Präsidentenverwaltung zu haben...“ – aus dem Beitrag „Nach schwerer Folter: sieben russische Antifaschisten zu 6 bis 18 Jahren Gefängnis verurteilt“ am 13. Februar 2020 bei Perspektive online externer Link der neben dem Bericht über das Urteil und sein Zustandekommen eben vor allem auch darauf hinweist, dass es in der Tat genügend Grund für Selbstschutz gibt. Siehe dazu eine Zusammenstellung zweier Erfahrungsberichte von Aktivisten der anarchistischen und der Friedensbewegung über den Kontext dieser Repression, einen älteren Beitrag zur Internationalisierung von Repression, sowie einen Solidaritäts-Aufruf und den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zu den Urteilen:

  • „The Network Case in Context“ am 12. Februar 2020 beim Russian Reader externer Link sind in Wirklichkeit zwei Beiträge: Einer eines anarchistischen Aktivisten und der andere von einer Antikriegs-Aktivistin. Der „Kontext“ des Urteils, wie sie ihn in ihren Erfahrungsberichten herstellen ist der, dass diese Urteile eben so besonders gar nicht seien, sondern eine weitere scharfe Repressionsmaßnahme im Zuge vieler anderer. Dabei wird sowohl die Berechtigung militanter Aktionen verteidigt – und an der Solidarität mit den Verurteilten dezent Kritik geübt, wie sie wohl aussähe, wenn die wirklich etwas Militantes getan hätten – und darauf verwiesen, dass spätestens mit dem Bundesgesetz 54 die demokratischen Rechte auf Demonstration und Protest abgeschafft worden seien.
  • „Warum die Folterungen in Russland von Bedeutung sind“ bereits am 26. März 2018 bei Crimethinc externer Link hebt zur prinzipiellen Bedeutung der Repression unter anderem einleitend hervor: „… Warum sollten wir uns gerade für diese russischen Fälle von Folter interessieren? Zunächst mag es Menschen aus Westeuropa oder den USA wie eine weitere abstrakte Tragödie erscheinen, ein weiterer Ruf nach internationaler Solidarität von glücklosen Menschen in einem fernen Land. Doch hier steht eine Menge auf dem Spiel. Was gerade in Russland passiert, ist ein Alptraum-Szenario, das sich auch bei uns wiederholen könnte, wenn wir es nicht ernst nehmen. Bereits seit Jahrzehnten haben Sicherheitsbehörden vieler verschiedener Länder wiederholt versucht, nationale und internationale »terroristische Verschwörungen« zu erfinden, um dadurch Anarchist*innen fälschlich des Terrorismus zu bezichtigen. Bis heute sind all diese Versuche kläglich gescheitert. Jetzt hat die russische Geheimpolizei eine Neuerung eingeführt: sie haben Anarchist*innen ohne Vorwarnung entführt, Waffen in ihren Autos platziert und sie gefoltert, bis sie gefälschte »Geständnisse« unterschrieben haben. Sie hoffen, dass sie dadurch endlich Anarchist*innen erfolgreich der Teilnahme an einem »terroristischen Netzwerk« bezichtigen können. Wenn sie damit Erfolg haben, können wir davon ausgehen, dass andere Polizeieinheiten auf der ganzen Welt es ihnen gleichtun werden. In der folgenden Analyse werden wir die Geschichte dieses Unterdrückungsmodells darlegen, die Details der russischen Folterfälle untersuchen und vorschlagen, wie wir reagieren können. Der Anhang listet die Einzelheiten der Verhaftungen und Folterungen in chronologischer Reihenfolge auf und liefert damit untermauernde Beweise der hier enthaltenen Berichte…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=162903
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