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Antirussismus und antislawischer Rassismus als die dritte Front des Ukraine-Krieges
Dossier
„Nach dem umfassenden Ausschluss russischer Sportler, Künstler und Medien aus der westlichen, teils globalen Öffentlichkeit droht in der Bundesrepublik eine Welle physischer antirussischer Gewalt. Schon jetzt verzeichne die Polizei etwa Sachbeschädigungen an russischen Geschäften, Anfeindungen Russisch sprechender Menschen sowie Drohbriefe in den sozialen Netzwerken, heißt es in einem Bericht. Die Innenministerien diverser Bundesländer rechneten mit weiterer Gewalt. Zuvor war eine Boykottkampagne angeschwollen, die sich gegen die Teilnahme von Russen an internationalen Sportveranstaltungen richtet und den Ausschluss russischer Filme von Filmfestivals und russischer Künstler von Konzerten propagiert; in einem Aufruf aus der Ukraine heißt es, es dürften weltweit keine Bücher russischer Autoren oder russischer Verlage mehr verkauft werden, da diese eine „Infektion“ der Leser mit „russischer Propaganda“ hervorriefen. An der Durchsetzung der Sportboykotts ist auch Berlin beteiligt. Die britische Kulturministerin Nadine Dorries spricht offen von einer „dritten Front im Ukraine-Krieg“ – neben Waffenlieferungen und Wirtschaftssanktionen…“ Beitrag vom 7. März 2022 von German-Foreign-Policy , siehe weitere Beiträge zum Antirussismus im neuen Dossier:
- 200 Fälle von Anfeindungen oder Angriffe beim Staatsschutz: Farbattacken auf sowjetische Ehrenmale
„Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vor acht Wochen hat die Berliner Polizei mehr als ein Dutzend Farbattacken auf Denk- und Ehrenmale festgestellt. Vom 24. Februar bis Mittwoch seien 16 Fälle sogenannter gemeinschädlicher Sachbeschädigung festgestellt worden, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstag auf Anfrage. Zuerst hatte der Berliner „Tagesspiegel“ darüber berichtet. Insgesamt ermittelt der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz den Angaben zufolge wegen 206 Strafanzeigen, die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine stehen, sagte die Sprecherin weiter. Viele seien dabei gegen Russen gerichtet gewesen. Es handelt sich dabei laut Zeitung vor allem um Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, in wenigen Fällen um Gewalttaten. Bis Anfang April seien fünf Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, nachdem das russische Z-Symbol zur Unterstützung für den Angriffskrieg gezeigt wurde. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte dem Zeitungsbericht zufolge verschärfte Schutzmaßnahmen der Polizei für Mahnmale angeordnet, nachdem etwa das sowjetische Ehrenmal im Treptower Park mit Parolen gegen den Angriffskrieg beschmiert worden war. Erst am Osterwochenende war das Eingangsportal des Ehrenmals erneut mit Sprüchen wie „Mörder“ versehen worden. Auch das Ernst-Thälmann-Denkmal in Prenzlauer Berg war beschmiert worden.“ Meldung vom 21. April 2022 im MiGAZIN - Anfeindungen gegen Russen und Ukrainer in Deutschland nehmen zu
„Russen und Ukrainer in Deutschland werden seit Ausbruch des Krieges zunehmend angefeindet. Seit Kriegsbeginn wurden laut Bundesinnenministerin Faeser mehr als 300 anti-russische und mehr als 100 anti-ukrainische Straftaten registriert. (…) Die Bandbreite der Taten reiche von Sachbeschädigungen über Beleidigungen und Bedrohungen bis hin zu Körperverletzungen. Vergleichszahlen gibt es nicht, da diese Straftaten erst in der besonderen Situation seit Kriegsbeginn erfasst werden…“ Meldung vom 04.04.2022 beim Migazin - Auf der Suche nach Feinden: Echte und angebliche Angriffe auf Menschen aus Russland und der Ukraine
„Wegen des russischen Angriffskriegs werden in Deutschland Menschen attackiert, weil sie vermeintlich oder tatsächlich aus Russland oder der Ukraine stammen. Es kursieren aber auch Fake News über solche Vorfälle….“ Artikel von Elke Wittich in der Jungle World vom 31.03.2022 - Rassismus als Propagandawerkzeug: Da läuft was falsch
„Das Gespräch dauert gut 30 Sekunden, als das Wort zum ersten Mal fällt. „Das ist Rassismus“, sagt eine aufgebrachte Frauenstimme. „Was Sie jetzt machen mit Kindern, das ist Rassismus.“ Die Frau, die das ruft, filmt die Szene unbemerkt mit ihrem Smartphone. Sie steht in einem Jugendklub in einem kleinen Ort in Nordrhein-Westfalen und stellt zwei Mitarbeiterinnen zur Rede. Die Kamera zeigt die meiste Zeit den Fliesenboden. Kurz schwenkt sie zu den Gesichtern der beiden Mitarbeiterinnen und zu dem 13-jährigen Jungen, um den es in dem Streit geht. Lucas, ihr Sohn, sei aus dem Jugendzentrum rausgeworfen worden, behauptet die Sprecherin. Weil er russischstämmig ist? „Deutschland wacht auf! Was haben unsere Kinder damit zu tun? Nur weil die russische Wurzeln haben, werden die diskriminiert“, steht als Texteinblendung über dem Video. Mit Schrei-Emoji. Was in dem Jugendtreff genau passiert ist, bevor die Videoaufnahme beginnt, darüber gibt es verschiedene Versionen. Der Jugendklub sagt: Der Junge habe sich positiv zum Krieg in der Ukraine geäußert. Die Mutter sagt: Ihr Sohn habe nur die Wahrheit über den Krieg gesagt. Fest steht: Die knapp achtminütige Sequenz hat eine enorme Kraft entwickelt. Sie hat sich rasend schnell in sozialen Netzwerken und Messengerdiensten verbreitet. Sie hat Menschen dazu gebracht, Google-Bewertungen, Onlinekommentare und E-Mails zu verfassen, in denen die Mitarbeiterinnen des Jugendklubs „Unmenschen“ genannt werden, die „irgendwann mal dafür böse bezahlen“ werden. Die Jugendorganisation der AfD hat das Video aufgegriffen und die russische Botschaft in Berlin. Harry Lause, der Leiter des Jugendtreffs, sagt: „Der Hass hat uns überrollt.“ Seit Kriegsbeginn wird von Angriffen auf russischsprachige Menschen in Deutschland berichtet. Aber darunter mischen sich Falschmeldungen. (…) Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Krieg um Informationen und Wahrheiten. Soldaten posieren in Tiktok-Videos, in Whatsapp-Gruppen kursieren Aufnahmen von Vandalismus in russischen Supermärkten, aus Telegram-Kanälen von Coronaleugner*innen sind Putin-Fanklubs geworden. Dabei geht es auch immer wieder um „Russophobie“. In den sozialen Netzwerken werden Hunderte Meldungen geteilt, kommentiert und geliked, die zeigen sollen, wie russische Institutionen und russischsprachige Menschen beleidigt oder angegriffen werden. Russische Lkw-Fahrer*innen berichten, dass ihre Lkws auf deutschen Raststätten beschmiert werden; Betreiber*innen von russischen Restaurants, dass sie von Gästen beschimpft wurden. Und es stimmt ja auch: Menschen, die Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion haben, wie Spätaussiedler*innen, jüdische Kontingentflüchtlinge, Russ*innen und russischsprachige Deutsche erfahren Diskriminierung. Seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine gehen bei den Behörden mehr Meldungen über Angriffe ein. Allein die Berliner Polizei zählt seit dem 24. Februar 57 Übergriffe auf russische Institutionen und Personen. Darunter sind vor allem Sachbeschädigung und Graffiti. Das Bundeskriminalamt gehe von rund 500 strafrechtlich relevanten Delikten mit Bezug zum Ukrainekrieg aus, berichtete die „Tagesschau“, darunter seien vor allem Beleidigungen und Drohungen im Internet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt vor Hetze gegenüber russischen Menschen. Doch nicht alle Meldungen, die kursieren, sind tatsächlich wahr…“ Artikel von Anne Fromm, Luise Strohtmann und Sonja Smolenski vom 26. März 2022 in der taz online - Antislawischer Rassismus: Anfeindungen gegen Menschen und Läden mit Bezug zum postsowjetischen Raum – aber auch Angriffe auf Geflüchtete aus der Ukraine
„Russische Restaurants und Lebensmittelläden werden seit Beginn des Kriegs gegen Ukraine mit Drohungen überhäuft. Scheiben wurden eingeschlagen. Menschen, die in der Öffentlichkeit Russisch sprechen, erleben Anfeindungen. Dahinter steckt mehr als falsch verstandene Solidarität mit der Ukraine. Hier geht es auch um mangelndes Wissen und antislawischen Rassismus. (…) Dass Menschen wegen ihrer vermeintlichen Abstammung Opfer von Anfeindungen werden, muss als Rassismus benannt werden und ist grundsätzlich nicht hinnehmbar. (…) In Deutschland lebende Migrant:innen haben keine Schuld an einem Krieg, den Putin und seine Regierung vom Zaun gebrochen haben. Es ist nicht einmal so, dass alle in Deutschland lebenden Menschen aus Russland der Propaganda des Kremls glauben würden. Viele sind fassungslos angesichts des Krieges und der zunehmenden Unterdrückung der innerrussischen Opposition. Sie haben Verwandte in der Ukraine, gehen auf die Straße und engagieren sich in vielfältiger Weise gegen diesen Krieg und das Leid der ukrainischen Bevölkerung. (…) Rassistische Anfeindungen gegen Menschen, die aus Russland oder anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks stammen, sind in Deutschland folglich nichts Neues. Dabei greift auch der Einwand nicht, dass es Rassismus “gegen Weiße” gar nicht geben könne. An dieser Stelle offenbart sich vielmehr ein mangelndes Geschichtsbewusstsein. Denn explizit rassistisch fundierte Ressentiments gegen Russen:Russinnen und andere Osteuropäer:innen haben in Deutschland eine lange Tradition. Eine besonders große Rolle spielte antislawischer Rassismus, also Rassismus gegen Menschen, die als Bestandteil einer vermeintlichen „slawischen Rasse“ wahrgenommen wurden, in der Zeit des wilhelminischen Kaiserreichs und im Nationalsozialismus. Hier fand der antislawische Rassismus den verheerendsten Ausdruck in der nationalsozialistischen Formel von den „slawischen Untermenschen.“ Diese menschenverachtende, rassentheoretische Vorstellung legte den Nährboden für den deutschen Vernichtungskrieg im Osten, dem Abermillionen von Menschen aus Staaten wie Tschechien, der Slowakei, Polen und der ehemaligen Sowjetunion zum Opfer fielen. Auch in der Ukraine löschten die deutschen Besatzer ganze Dörfer und Ortschaften buchstäblich aus…“ Artikel von Anton Livshits vom 15. März 2022 bei Belltower News online siehe aber auch:- Angriffe auf Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland
„In Berlin kam es bisher zu zwei Angriffen auf ukrainische Geflüchtete durch Menschen, die in Deutschland pro-russische Desinformationen verbreiten. In NRW wurde eine Schule mit entsprechenden Parolen beschmiert…“ Dokumentation von Simone Rafael vom 16. März 2022 bei Belltower News online
- Angriffe auf Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland
- Solidarität mit der Ukraine: Bitte jubelt nicht
„… Auch wenn das Blut kocht, auch wenn Deutschland gezwungen ist, seine Wehrfähigkeit zu stärken, auch wenn der Geist der Solidarität ein neues Gemeinschaftsgefühl, ein neues Wir entstehen lässt: Bitte jubelt nicht. Jubelt nicht, wenn russische Kulturschaffende aus den Theater- und Konzertbühnen verjagt werden, auch wenn es bei wenigen einzelnen von ihnen gerechtfertigt ist. Ladet den Krieg nicht so gedankenlos in die Kultur, in die Universitäten ein. Jeder, der so wie ich in einer von Krieg geplagten Region aufgewachsen ist, weiß: Der Krieg ist wie ein Geschwür, er metastasiert überall hinein, von den Zeichnungen der Kleinkinder in den Kitas bis hin zur populären Kultur. Wo der Krieg sich einmal eingenistet hat, kann es Jahre, Jahrzehnte dauern, ihn wieder von dort zu vertreiben. Verbarrikadiert also die Konzertsäle, die Schulen, die Vorlesungsräume gegen ihn. Jubelt nicht, dass junge Männer mit neuer Ausrüstung das Töten und Getötetwerden lernen, dass ihre Mütter und Väter eine neue Art von schlaflosen Nächten kennenlernen müssen. Vergesst nicht, es wird der Tag nach dem Krieg kommen, an dem man mit russischen Partnerinnen und Partnern das Gespräch wird finden müssen. Wie soll das gelingen, wenn alles Russische aus Deutschland, aus Europa verbannt wird? Es hieß doch schon mal „Wandel durch Annäherung“, nicht durch Anfeindung, oder? Auf dem Schlachtfeld werden zwar Russen bekämpft, von einer korrupten Führung geleitet. Der eigentliche Feind ist aber der Krieg. Bitte jubelt nicht, denn es ist nicht die Zeit des Jubelns. Lasst uns aus der Vergangenheit lernen: Das Ziel heißt nicht Sieg, sondern die Wiederherstellung des Friedens.“ Kommentar von Ofer Waldman vom 7. März 2022 beim Deutschlandfunk Kultur - Bundestag schließt Studierende aus Russland aus
„Regierungsvertreter warnen vor antirussischer Stimmung. Im Parlament gehen sie aber mit dem Holzhammer vor. Wie es anders geht, zeigt ein Hochschulverband (…) Nach Recherchen von Telepolis haben die Regierungsfraktionen SPD, FDP und Grüne mit Unterstützung der Unionsfraktion am 24. Februar, just am Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine, russischen Studierende pauschal von einem zentralen Parlamentsprogramm ausgeschlossen. (…) Betroffen von der Ad-hoc-Entscheidung sind keine Militärs, Putin-Freunde oder Oligarchen, sondern junge Studierende, aus deren Kreis viele gerade gegen den Feldzug des russischen Präsidenten im Nachbarland auf die Straße gehen. (…) Der Schaden durch den Rauswurf junger Russinnen und Russen aus dem Stipendienprogramm des Bundestags dürfte groß sein. Diesen Eindruck bekommt man jedenfalls im Gespräch mit Alumni: „Durch das IPS-Programm konnte ich eine für mich ganz neue Facette der deutschen Realität kennenlernen und in das politische Leben des Landes eintauchen“, so ein ehemaliger Stipendiat in einer Stellungnahme gegenüber Telepolis: „Die gesammelten Erfahrungen haben mich sehr bereichert und angespornt, mich weiter gesellschaftlich zu engagieren.“ (…) Wie es intelligenter geht, zeigte im Übrigen der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Der Hochschul- und Forschungsverband setzte angesichts des Angriffskrieges des Kremls zwar auch alle Projekte in Russland, zumal mit staatlichen Institutionen, aus. Man habe auch die deutschen Hochschulen gebeten, laufende Kooperationsprojekte von Deutschland nach Russland auf Eis zu legen, hieß es aus der Pressestelle des DAAD. „Wir haben uns aber dazu entschlossen, den Weg von Russland nach Deutschland offenzuhalten“, sagte ein Sprecher auf Telepolis-Nachfrage: „Wer kommen will, kann das weiter tun, wer da ist, der kann ohnehin bleiben.“ Beitrag von Harald Neuber vom 7. März 2022 bei Telepolis - Bei aller Sympathie für Flüchtlinge aus der Ukraine mahnt Migrationsforscherin Schwenken zur Wachsamkeit vor Rassismus gegen Russen
„Eineinhalb Wochen nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine sind am Wochenende in Deutschland wieder Zehntausende für ein Ende der Gewalt auf die Straßen gegangen. (…) Bei aller Solidarität für Ukraine und für die Flüchtlinge aus dem Land, warnte die Osnabrücker Migrationsforscherin Helen Schwenken vor möglichen späteren Konflikten, gerade mit Blick auf die seit Jahren in Deutschland lebenden Menschen mit russischen Wurzeln. Es gebe durchaus einen antirussischen Rassismus, der aber wegen der vielen Debatten um Rassismus gegen Schwarze weniger thematisiert werde. „Vor allem die Schulen und andere Bildungseinrichtungen sind jetzt gefragt, früh gegenzusteuern“ sagte die Direktorin des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien dem „Evangelischen Pressedienst“. (…) Schwenken zufolge profitiert die deutsche Gesellschaft derzeit bei der Hilfe für ukrainische Flüchtlinge von den im Jahr 2015 gemachten Erfahrungen. Staat, Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen reagierten heute viel schneller und professioneller. „Damals lief die Hilfe erst an, als die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf den Bahnhöfen ankamen. Diesmal waren Unterkünfte und Hilfsgüter vorbereitet, noch bevor überhaupt ein Ukrainer hier war.“ Die aufgebauten Strukturen und erprobten Abläufe etwa in Erstaufnahmeeinrichtungen müssten jetzt nur reaktiviert werden. Kommunen sammelten zentral Angebote von Privatleuten, die Flüchtlinge unterbringen wollten. Vereine und Initiativen griffen offenbar auf damals eingerichtete Social-Media- und Messenger-Gruppen zurück und organisierten in kurzer Zeit Spendenaktionen und Hilfslieferungen, sagte Schwenken. Dabei kommunizierten sie direkt, welche Waren gebraucht würden.“ Beitrag vom 6. März 2022 im MiGAZIN - Jetzt also „die Russen“. Seit dem Einmarsch der Putin-Truppen in der Ukraine häufen sich Berichte über Diskriminierung und Ausgrenzung von Russen in Deutschland. Was das mit „den Russen“ macht, schildert ein „Türke“ – aus Erfahrung
„Eine WhatsApp-Nachricht in einem Eltern-Chat: Eine Mutter beschwert sich, dass seit dem Einmarsch von Putins-Truppen in die Ukraine Kinder mit russischen Wurzeln ausgegrenzt werden. Kindern werde verboten, sich mit ihren Freunden zu treffen, mit ihnen zu spielen. Die besorgte Mutter appelliert in ihrer Nachricht in die Gruppe an die Vernunft. Niemand dürfe aufgrund dieses Krieges ausgegrenzt werden. Diese Nachricht holte mich aus meiner morgendlichen Frühstücksroutine mit meiner Frau und meinen Kindern. Ich ließ es mir am Tisch nicht anmerken, die Nachricht rief in mir aber ein sehr ungutes Gefühl und Emotionen hervor, eine Mischung aus Sorge um die Betroffenen und Angst. Es erschauderte mich, wie schnell die Gesellschaft offenbar in der Lage war, ganze Gruppen von Menschen in bestimmte Lager zuzuordnen, sie in Sippenhaft zu nehmen, sie so unverblümt und ungeniert auszugrenzen. Mir schossen Meldungen vergangener Tage durch den Kopf: Restaurants, die russische Gäste öffentlich für nicht willkommen erklärten, Boykottaufrufe russischer Schriftsteller, russische Musiker und Künstler, denen gekündigt wurden. Meine Gedanken schweiften immer weiter und ich musste sie zügeln, als sie als sich anschickten, in Richtung deutsche Geschichte zu wandern. Ist das überhaupt vergleichbar? Ist der zivilisatorische Mantel wirklich so dünn? Mit einem inneren Kraftakt holte ich mich zurück ins Heute. Mir schossen persönliche Erfahrungen durch den Kopf, als der türkische Ministerpräsident Erdoğan in den hiesigen Medien eine Zeit lang das Böse verkörperte. Ich erinnerte mich an Gespräche mit Nachbarn, Bekannten und Kollegen, an ihre vorwurfs- und erwartungsvollen Blicke, man müsse sich doch zumindest distanzieren können. Ich wollte immer wissen, warum und wofür, wo doch nie eine Nähe bestanden hatte. Ich merkte aber, die Zeit stand nicht gut für Verstand und Vernunft. (…) Jetzt also „die Russen“.“ Erfahrungsbericht von Birol Kocaman vom 3. März 2022 bei MiGAZIN - Und es gibt ihn auch schon, den Hashtag #Antirussismus