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Njet zum Krieg – das sagen in Russland nicht nur klassische Oppositionelle
Dossier
„Mehr als 70 russische Journalisten und ebenso viele Wissenschaftler haben sich in zwei öffentlichen Protestschreiben gegen den aktuellen Militäreinsatz des eigenen Landes in der Ukraine ausgesprochen. Interessant ist, dass sich im Fall der Presseleute die Teilnehmerliste, die im Sozialen Netzwerk Telegram veröffentlicht wurde, nicht nur auf liberale und allgemein regierungskritische Medienschaffende beschränkt (…) Auch die Teilnehmerliste des Forscheraufrufs liest sich wie ein „Who is who“ der russischen Wissenschaftselite. Hier finden sich vor allem zahlreiche Vertreter der Russischen Akademie der Wissenschaften, Raumfahrtexperten, Universitätsdozenten und wissenschaftliche Mitarbeiter von Forschungseinrichtungen. (…) Auch in der russischen Regionalpolitik gibt es ähnliche Stimmen…“ Beitrag von Bernhard Gulka vom 25. Februar 2022 in Telepolis , siehe weitere Informationen zum Antimilitarismus in Russland (speziell zum feministischen gibt es ein extra-Dossier):
- Anti-Kriegs-Aktivist Boris Kagarlitsky zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt
„… Nach dem Beginn des Krieges um die Ukraine vertrat er internationalistische Antikriegspositionen und positionierte sich öffentlich gegen Russlands Krieg. Trotz des rigorosen Vorgehens des Kremls gegen seine Kritiker:innen blieb Kagarlitzki in Russland.
Im Jahr 2022 wurde er vom Justizministerium der Russischen Föderation als „ausländischer Agent“ eingestuft. Unter dem klassischen Vorwurf der „Rechtfertigung von Terrorismus“ führte der russische Inlandsgeheimdienst FSB am 25. Juli 2023 Hausdurchsuchungen bei Kagarlitzky und Mitarbeitern des Medienkanals (Telegram und YouTube) Rabkor durch. Am 26. Juli 2023 wurde er verhaftet. Der russische Staat beschuldigte ihn der „Rechtfertigung des Terrorismus“, ein Begriff, der in Russland häufig verwendet wird, um Kritiker des derzeitigen Regimes zum Schweigen zu bringen. Boris Kagarlitsky hat niemals Terrorismus gerechtfertigt, auch nicht in dem Videoclip und dem Posting in seinem Telegrammkanal, die nach dem Willen der Staatsanwaltschaft die Grundlage des Strafverfahrens bildeten.
Als Reaktion auf seine Verhaftung forderte eine breite internationale Solidaritätskampagne seine Freilassung. Im Dezember schien die Kampagne das Unvorstellbare erreicht zu haben: Kagarlitsky wurde aus dem Gefängnis entlassen und „nur“ zu einer Geldstrafe von 600.000 Rubel, etwa 6.000 Euro, verurteilt. Unmittelbar nach der Verhandlung im Dezember legte die Staatsanwaltschaft jedoch Berufung ein und beantragte fünfeinhalb Jahre Haft mit der Begründung, dass Kagarlitzky sich in einem Konkursverfahren befand und angeblich die Geldstrafe nicht bezahlen konnte. Kagarlitsky gelang es, diese Geldstrafe und eine weitere Geldstrafe in Höhe von 710.000 Rubel für das Unterlassen des Hinweises, dass er ein ausländischer Agent sei, vor dem Berufungsgericht zu zahlen. Das Gericht berücksichtigte diesen Umstand jedoch nicht und verurteilte Boris Kagarlitsky zu einer fünfjährigen Haftstrafe in einer allgemeinen Strafkolonie. Boris kam zum Prozess am 13. Februar bereits mit einer gepackten Tasche. Nicht umsonst, wie sich herausstellte. Er wurde direkt im Gerichtssaal verhaftet und in die Untersuchungshaftanstalt in Zelenograd gebracht…“ Meldung vom 19. Februar 2024 in kommunisten.de - Protest in Russland: »Bringt unsere Männer nach Hause«
„In Russland protestieren immer mehr Frauen von Mobilisierten gegen die lange Abwesenheit ihrer Männer
Von dieser Art der Revolution hielt Gennadi Sjuganow sicherlich nichts. Als er und seine Kommunistische Partei am 7. November im Moskauer Stadtzentrum der Oktoberrevolution gedachten, konfrontierte ihn eine Gruppe Frauen. »Bringt unsere Männer nach Hause!«, »Gerechtigkeit für die Mobilisierten. Es ist Zeit, heimzukehren!«, »Mobilisierte sind keine Roboter. Sie müssen unbedingt ausgetauscht werden« oder »Bringt den Kindern ihre Väter zurück« stand auf den kleinen Plakaten, die sie in den Händen hielten. Vom Kommunistenführer wollten sie wissen, wann die Rotation kommt und ihre Männer endlich nicht mehr kämpfen müssen. Der sichtlich peinlich berührte Sjuganow hielt den Demonstrantinnen einen Kurzvortrag über die Gefahren, die drohen, sollte der ukrainische »Nazismus« über Russland siegen. Danach wurden die Frauen von der Parteikolonnen weggedrängt.
Seit Anfang November macht sich in Russland eine neue Protestbewegung breit, die sich der üblichen Einteilung in »Pro-Putin« und »oppositionell« entzieht. Über ein Jahr nach der Mobilisierung von 300 000 Männern für den Krieg in der Ukraine wollen sie ihre Lebensgefährten wiederhaben. Sie fordern, dass die Männer endlich von der Front nach Hause kommen. Im Internet tauschen sich die Frauen aus und koordinieren ihre Aktionen, etwa das Einreichen von Petitionen bei staatlichen Stellen und Protest mit Plakaten auf der Straße. Aufmerksam wurde die Öffentlichkeit auf den neuen Protest, nachdem der linkspatriotischer Videoblogger Dmitri »Goblin« Putschkow die Frauen als eine vom Geheimdienst gesteuerte Gruppe von »Panikmacherinnen« verunglimpfte und damit viral ging. Seitdem tauchen immer mehr Videos von Aktionen auf. Die aktuellen Proteste sind nicht die ersten seit dem Überfall auf die Ukraine. (…)
Nun, zu Beginn des zweiten Kriegswinters, scheint das Bild des patriotisch mobilisierten Volkes, das fest hinter seinem Präsidenten und seiner »Spezialoperation« steht, erneut Risse zu bekommen. Für einen Bruch zwischen Gesellschaft und Macht reicht es jedoch nicht, auch wenn Oppositionelle wie Maxim Kaz ihre Anhänger dazu aufrufen, die Bewegung zu unterstützen. Denn gegen den Krieg sind die meisten Frauen nicht, sie wollen lediglich erreichen, dass jetzt andere Männer in den Krieg ziehen müssen. Zumal Männer, die sich freiwillig gemeldet haben, nach einem halben Jahr nach Hause konnten, während die Mobilisierten seit über einem Jahr in der Ukraine sind. (…) In Moskau, St. Petersburg, Kemerowo, Tscheljabinsk, Krasnojarsk wurden Veranstaltungen mit dem Verweis auf die Pandemie-Maßnahmen untersagt. Die Plattform »Rabkor«, gegründet vom weiterhin inhaftierten Soziologieprofessor Boris Kagarlitzki, berichtet, dass Behörden in verschiedenen Regionen Infiltration, Bestechung und Drohungen einsetzen, um Proteste einzudämmen. Aus den Gebieten Kemerowo und Krasnojarsk sind Fälle bekannt, in denen Polizisten die Frauen in ihrer Wohnung aufsuchten oder telefonisch bedrängten.
Auch auf der anderen Seite der Front, in der angegriffenen Ukraine, gibt es Widerstand gegen die Mobilisierung. Am 27. Oktober kam es in Kiew, Odessa, Poltawa und zehn weiteren ukrainischen Städten zu Kundgebungen, auf denen unter anderem »Demoblisierung für unsere Verteidiger«, »Soldaten werden auch müde« und »Nennt uns das Datum der Demoblisierung« skandiert wurde.“ Artikel von Ewgeniy Kasakow und Daniel Säwert vom 27.11.2023 in ND online - Samstag, 2. September 2023: Internationaler Tag der Solidarität für die Freilassung von Azat Miftakhov mit Demos u.a. in Berlin und Paris
„Derzeit ist vorgesehen, dass Azat Miftakhov am 4. September 2023 auf Bewährung entlassen wird. Es besteht jedoch nach wie vor die große Gefahr, dass der FSB eine neue fiktive Anklage gegen ihn im sogenannten „Netzwerk“-Fall erhebt. Azat-Unterstützer veranstalten am Samstag, dem 2. September 2023, einen internationalen Tag der Solidarität, um seine Freilassung zu fordern, mit Kundgebungen in vielen Städten auf der ganzen Welt, darunter:
Paris: Samstag, 2. September um 14:00 Uhr vor der russischen Botschaft in Paris, Robert-Schuman-Platz, 41 avenue du Maréchal Fayolle, 75016 Paris (die Bestätigung der Präfektur steht noch aus).
Berlin: Samstag, 2. September um 14:00 Uhr am Pariser Platz, Brandenburger Tor
Weitere Kundgebungen und Aktionen werden in anderen Städten organisiert. Bitte informieren Sie sich auf dem Mediapart-Blog Solidarité FreeAzat über aktuelle Entwicklungen. (…) Diejenigen, die nicht an diesen Kundgebungen teilnehmen können und ihre Solidarität mit Azat zeigen möchten, können ein Foto mit dem FREE AZAT 04.09-Plakat vor einer Universität oder einem anderen erkennbaren Wahrzeichen in ihrer Stadt machen und es an die FreeAzat-Kampagne (libertepourazat@gmail.com) schicken. Die Fotos werden ab dem 3. September veröffentlicht. Weitere Anleitungen finden Sie hier .
Eine Petition vom 23. Juli 2023, in der die Freilassung von Azat gefordert wird (Liberté pour Azat Miftakhov !), kann derzeit unterschrieben werden…“ engl. Aufruf vom 12.8.2023 bei caseazatmiftakhov.org („International Solidarity Day with Azat Miftakhov: Saturday, September 2, 2023“, maschinenübersetzt) – siehe mehr Infos zu Azat Miftakhov hier weiter unten - Unterstützung für russische Anti-Kriegs-Gefangene
„Das „Anarchistische Schwarze Kreuz“ – Anarchist Black Cross (ABC) – in Moskau ist mit 20 Jahren eine der ältesten ABC-Gruppen in Europa. Früher konzentrierte sich die Gruppe auf die Unterstützung anarchistischer und antifaschistischer Gefangener, nach Beginn der Invasion wurde beschlossen, auch Anti-Kriegs-Gefangene zu unterstützen, mit Ausnahme von erklärten Neonazis. Gegenwärtig kümmert sich die Gruppe hauptsächlich um die Verbreitung von Informationen und die Weiterleitung von Geldern an andere Kampagnen für Anti-Kriegs-Gefangene und Anarchist_innen...“ Gastbeitrag von „Anarchist Black Cross Moscow“ am 06.08.2023 in antifainfoblatt.de mit gutem Überblick über die Initiativen - Die Verfolgung des Anarchisten Azat Miftakhov soll die russische Linke zum Schweigen bringen
„Der russische Anarchist Azat Miftakhov verbringt sein fünftes Jahr wegen „Rowdytums“ im Gefängnis – und muss nun damit rechnen, dass ihm falsche Terrorismusvorwürfe angehängt werden. Seine Verfolgung ist Teil der Kampagne des russischen Staates, um die Linke einzuschüchtern und den Widerstand gegen den Krieg zum Schweigen zu bringen.
Am 12. Juli traf die Nachricht ein, dass der russische politische Gefangene Azat Miftakhov, Mathematiker und Anarchist, in eine Strafisolationszelle verlegt worden war. Der Grund dafür war seine Weigerung, eine Erklärung für die Diskrepanz zwischen dem Inhalt seiner persönlichen Gegenstände und dem vorgelegten Inventar zu schreiben. Im Monat zuvor hatte er angeblich ein Deodorant auf seinem Nachttisch aufbewahrt, was ein „Verstoß“ war. In der Isolierzelle musste er den ganzen Tag auf einer Bank ohne Rückenlehne sitzen, bis es Zeit zum Schlafen war. Dies verursachte dem Gefangenen erhebliche Schmerzen, doch dann wurde er wegen Verstoßes gegen das Verbot, sich tagsüber hinzulegen, zu einem Monat Einzelhaft verurteilt. Kirill Medvedev erklärt uns, warum Azat ein fünftes Jahr in Haft gehalten wird – und wie das mit Wladimir Putins anhaltendem Krieg und seiner Diktatur zusammenhängt.
Es scheint, dass ein neuer Fall gegen linke Jugendliche in Russland fabriziert wird – der Fall der so genannten Moskauer Zelle der Organisation „Network“. Fünf Jahre lang war der Fall gegen die angeblichen Zellen des „Netzwerks“ in Penza und St. Petersburg der aufsehenerregendste Fall, der zur Einschüchterung von Antifaschisten in Russland genutzt wurde. Heute ist er Teil einer Kampagne zur Einschüchterung des Antikriegsteils der russischen Gesellschaft. Entgegen den Behauptungen gibt es keine jungen Linken in der besagten Zelle – und eine solche Zelle existiert auch gar nicht. In offiziellen Berichten wird lediglich der Name Azat Miftakhov genannt. Der Fall Miftachow ist eines der vielen aktuellen juristischen Komplotte gegen oppositionelle, linke und antifaschistische Jugendliche in der Russischen Föderation. Junge Antifaschisten aus der Stadt Tjumen wurden gefoltert, um ihre Aussage zu erzwingen: Sie wurden geschlagen, mit einem Sack erdrosselt, mit Stromschlägen traktiert und mit der Vergewaltigung durch einen Mopp bedroht. Ihnen wurde die Gründung einer terroristischen Vereinigung, die Vorbereitung eines terroristischen Akts und die Absicht vorgeworfen, Militär- und Polizeistationen in die Luft zu sprengen und die Eisenbahnlinien zu sabotieren, auf denen Züge mit russischem Militärgerät in die Ukraine fahren. Ihnen drohen fünfzehn bis dreißig Jahre Gefängnis oder lebenslange Haft. Jugendliche aus der Stadt Kansk wurden 2020 festgenommen, weil sie Flugblätter zur Unterstützung von Miftachow verteilt hatten. Sie wurden beschuldigt, terroristische Anschläge vorbereitet zu haben. Der sechzehnjährige Nikita Uvarov wurde zu fünf Jahren in einer „Erziehungskolonie“ verurteilt. Zwei Tscheljabinsker Anarchisten wurden zu einem Jahr und neun Monaten in einer Strafkolonie verurteilt, weil sie am Zaun des FSB-Gebäudes ein Transparent mit der Aufschrift „Der FSB ist der Hauptterrorist“ aufgehängt hatten.
Repressionen wegen angeblichen Terrorismus treffen nicht nur junge Anarchisten und Antifaschisten, sondern auch Kommunisten. Dmitri Tschuwilin, Mitglied der Staatsversammlung von Baschkortostan und ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), wurde zusammen mit seinen Genossen der „terroristischen“ Organisation beschuldigt, nur weil er an einer marxistischen Lesegruppe teilnahm. In Wirklichkeit reagierten die örtlichen Strafverfolgungsbehörden auf ihre aktive Teilnahme an ökologischen, entwicklungsfeindlichen und anderen lokalen Protesten…“ engl. Artikel von Kirill Medvedev vom 02.08.2023 im Jacobin („The Persecution of Azat Miftakhov Is Designed to Silence Russia’s Left“, maschinenübersetzt) - Rentner verüben Brandanschläge auf russische Militärbüros
„… Mysteriöse Anschlagsserie in Russland: In den vergangenen Wochen kam es zu rund 30 Brandanschlägen auf Rekrutierungsbüros und Militärkommissariate im ganzen Land. Das Erstaunliche daran ist nicht nur, wie so etwas möglich ist im diktatorischen Russland, sondern vor allem die Täter. Denn über die Hälfte von ihnen sind offenbar über 50-jährige Russen – darunter viele Frauen. Keiner der Verdächtigen soll dabei eine Antikriegshaltung vertreten. Dafür gibt es wohl einen Grund: Sie sollen Opfer eines Telefonbetrugs geworden sein, wie das russische Exilmedium „Meduza“ berichtet. Demnach sollen die späteren Brandstifter von Fremden kontaktiert und unter verschiedenen Vorwänden dazu gebracht worden sein, Molotow-Cocktails in Militäreinrichtungen zu werfen. Die Anrufer gaben sich dabei unter anderem als Bankangestellte oder Sicherheitsbeamte aus. Sie warnten vor dem Verlust großer Geldsummen oder drohten, Angehörige zu verletzen. In einigen Fällen überzeugten die Betrüger ihre Opfer davon, dass die russischen Militärbüros insgeheim für die Ukraine arbeiten und durch einen Anschlag daran gehindert werden müssten. (…) Dabei ist es nicht das erste Mal, dass es zu dieser Betrugsmasche kommt. Bereits im April teilte der russische Inlandsgeheimdienst FSB mit, dass ihm 16 Fälle von Brandstiftung bekannt seien, die auf Telefonbetrug zurückzuführen seien. Damals behauptete der FSB, dass die Anrufe „in den meisten Fällen“ von ukrainischem Territorium ausgegangen seien. Diese Aussage ließ sich bislang nicht unabhängig überprüfen. Die Brandstifter werden unterdessen strafrechtlich verfolgt. Nach Angaben des unabhängigen russischen Nachrichtenmediums „Mediazone“ werden mindestens sieben Personen wegen „vorsätzlicher Zerstörung oder Beschädigung von Eigentum“ angeklagt. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Zwei weitere Personen werden wegen Rowdytums angeklagt, ihnen drohen bis zu acht Jahre Gefängnis. Gegen zwei weitere Männer wird wegen des Ausführens eines Terrorakts ermittelt, allerdings ist unklar, ob ihre Taten in Verbindung mit den anderen Brandanschlägen stehen.“ Meldung vom 4. August 2023 bei t-online („Stecken Trickbetrüger dahinter?“) – verlinkt wegen der Hoffnung auf Antimilitarismus als Hintergrund… - Aufruf zum Mitzeichnen: Solidarität mit verfolgten Antifaschist*Innen und Kriegsgegner*Innen in Russland
„Seit Beginn des Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine gibt es auch in Deutschland Auseinandersetzungen um die Ursachen. Während in Russland Antifaschist*innen und Kriegsgegner*innen hart unterdrückt werden, hohe Risiken eingehen und teilweise mit langen Freiheitsstrafen belegt werden, sind sich mache hierzulande noch immer nicht zu schade, die Putinsche Politik zu relativieren anstatt sie klar zu verurteilen. Eine große Enttäuschung für verfolgte Antifaschist*innen in Russland! Die Unterschreibenden dieses Aufrufs bringen ihre Solidarität mit der in Russland verfolgten und unterdrückten Antifaschist*innen und progressiven Kräften zum Ausdruck. Unsere russländischen Freund*innen brauchen jetzt unsere Solidarität…“ Petition von Thomas Hacker an Antifaschist*innen und Kriegsgegner*innen in Deutschland bei openPetiton – Mag Wompel gehört zu den Erstunterzeicher*innen- »Die Risiken sind erheblich« Thomas Hacker im Gespräch über den vom ihm initiierten Aufruf zur Solidarität mit russischen Kriegsgegnern und Antifaschistinnen
Lara Schultz sprach in jungle.world 2023/22 vom 1. Juni 2023 mit dem Initiator der Petition, Thomas Hacker : „[Frage j.w.:] Er habe »noch keinen guten Russen getroffen«, hat der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, kürzlich gesagt. Ähnliches hört man oft in der Ukraine, gemeint ist, dass auch die russische Opposition es lang versäumt habe, gegen Wladimir Putin vorzugehen, und es auch heute keine breite Friedensbewegung gebe. Sie haben engen Kontakt zur russischen Linken. Was halten Sie von solchen Aussagen? [Antwort Thomas Hacker:] Solche Pauschalisierungen, die ja, wenn man sie zu Ende denkt, immer nur im Nationalismus enden können, lehne ich ab. Die linke Opposition in Russland ist natürlich eine vielfältige, wie in jedem anderen Land der Welt. Auch in Russland gibt es viele Diskussionen, oft auch Streit und Spaltung, im Moment vor allem über die Ursachen des derzeitigen Annexionskriegs. Doch die putin- und systemkritische Linke gab es immer, auch wenn sie meist schwach war. (…) Die Kampagne ist prinzipiell offen für alle, die sich als antifaschistisch verstehen und den russischen Eroberungskrieg ohne Einschränkung benennen und verurteilen. Wir wollen uns von den unsäglichen Relativierungen der russischen Invasion, die im Umlauf sind, klar distanzieren. Die eigentlichen Adressat:innen aber sind die Antifaschist:innen und Kriegsgegner:innen in Russland. Sie lesen oft mit Entsetzen und großer Verwunderung in der deutschen »linken« Presse, dass man dem Putin-Regime entgegenkommen müsse, dass die Ukraine ja auch schuld sei. Im persönlichen Kontakt habe ich immer wieder mitbekommen, wie enttäuscht manche von ihnen deshalb sind. Sie kämpfen bei sich zu Hause gegen eine extrem reaktionäre Entwicklung und fühlen sich nicht selten ein bisschen verlassen. Ihnen wollen wir zeigen, dass es in Deutschland auch noch Kräfte gibt, die mit ihnen solidarisch sind. (…) Das System wird immer repressiver. Deshalb wird auf unserer Kampagnen-Seite niemand konkret benannt. Angesprochen werden »Gleichgesinnte in Russland«. Wir selbst verschicken den Link an einige wenige Adressen. Die weitere Verteilung wird dann dort über eigene Kanäle der Opposition geschehen…“ – es wird weiter gesammelt!
- »Die Risiken sind erheblich« Thomas Hacker im Gespräch über den vom ihm initiierten Aufruf zur Solidarität mit russischen Kriegsgegnern und Antifaschistinnen
- Michail Lobanow, russischer Gewerkschaftsführer, am 18 Mai erneut in Moskau verhaftet
„Am Morgen des 18. Mai verhaftete die Moskauer Polizei Michail Lobanow, einen Gewerkschaftsaktivisten an der Moskauer Universität, einen linken Aktivisten und einen Doktor der Mathematik. Mikhail Lobanov ist gegen die Invasion in der Ukraine, verteidigt politische Gefangene und kämpft für Arbeits- und Umweltrechte.
Seine Verhaftung ist Teil einer lang anhaltenden Kampagne der Behörden gegen Michail Lobanow. Am 7. Juni 2022 wurde er wegen seines Transparents „Nein zum Krieg“ von der Polizei verhaftet und wegen seiner Antikriegsäußerungen zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt. Russische staatliche Propagandamedien und kriegsbefürwortende Telegram-Kanäle starteten eine Hetzkampagne gegen ihn. Er und seine Frau, Alexandra Zapolskaya, wurden wiederholt schikaniert. Am 29. Dezember 2021 drang die Polizei gewaltsam in ihre Wohnung in Lobanow ein. Er wurde geschlagen und 15 Tage lang unter dem Vorwurf des „Ungehorsams gegenüber der Polizei“ festgehalten. Nach einer weiteren nächtlichen Polizeirazzia in seiner Wohnung wurde er soeben erneut verhaftet.
Der Rechtsvertreter von Mikhail Lobanova erklärte, dass die Razzia von der Polizei aufgrund von zwei formellen Anschuldigungen durchgeführt wurde: „Verbreitung falscher Informationen über die Armee“ und „Rechtfertigung des Terrorismus“. Auf diese Anklagen steht eine Gefängnisstrafe von bis zu 7 Jahren.
Die Mitgliedsorganisationen des Internationalen Netzwerks für Gewerkschaftssolidarität und -kampf fordern die Freilassung von Michail Lobanow, die Einstellung des Drucks auf ihn und Alexandra Zapolskaja sowie die Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland.“ Maschinenübersetzung der engl. Erklärung des International Labour Network of Solidarity and Struggle vom 17. Mai 2023 - »Wir können den Strom der Repression nicht bewältigen«. Chobot und Korica von der russischen Gruppe Zone der Solidarität unterstützen ganz praktisch Menschen, die für ihre Gegnerschaft zum Krieg verfolgt werden
Im Interview von AltLeft (Alternative Linke) und Christoph Wälz bei ak 693 vom 16. Mai 2023 (in der Übersetzung von Christoph Wälz) beschreiben Chobot und Korica ihre Arbeit: „… Chobot: Wir helfen Menschen, die wegen ihrer Aktivitäten gegen den Krieg verhaftet wurden. Denjenigen, die oft von anderen Menschenrechtsorganisationen keine Hilfe erhalten, weil sie militante Kampfmethoden gewählt haben, wie Brandanschläge oder Sabotage. Im Moment kümmere ich mich um die Unterstützung von Oleg Vazhdayev – er hat ein militärisches Rekrutierungszentrum in Krasnodar in Brand gesteckt – und Ilya Baburin – er wurde in Novosibirsk unter dem Vorwurf verhaftet, einen Terrorakt, einen Brandanschlag auf ein militärisches Rekrutierungszentrum, verübt zu haben. Nach Informationen, die ihm die Geheimdienste zustecken, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Korica: Wir verfolgen derzeit aktiv die Fälle von 14 Gefangenen. Jede*r von uns betreut seinen eigenen Fall. Unsere Unterstützung besteht hauptsächlich in der Bereitstellung eines Anwalts, der Herstellung von Kontakten zu den Angehörigen der Gefangenen, dem Verschicken von Paketen, der Korrespondenz mit den Gefangenen selbst und der Ermutigung, Briefe zu schreiben, sowie der Unterstützung über die Medien. Wir leisten natürlich je nach Wunsch des Gefangenen Unterstützung, aber wir stellen immer einen Anwalt für einen ersten Besuch zur Verfügung. (…) Chobot: Oft sind Angehörige und Freund*innen in einem extremen Schockzustand, sie sind durch die Repression traumatisiert und können sich gar nicht an irgendetwas beteiligen. Denn die Repression in Russland ist nicht nur Einschüchterung. Sie bedeutet schreckliche Folter, Entführung und Tod. Verwandte von mir wurden selber gefoltert. Als das passierte, konnte ich nichts anderes tun, als mit der Situation fertig zu werden. Und ich denke, das ist normal. Generell sind die Menschen in Russland, die sich zumindest ein wenig für Politik interessieren, in hohem Maße solidarisch. Bei einem Unterstützungsabend für politische Gefangene können 300 bis 400 Postkarten geschrieben und Tausende von Rubeln gesammelt werden, obwohl wir in Armut leben. Aber der Teil der Bevölkerung, der über 45 Jahre als ist und Fernsehen schaut, ist so sehr von der Propaganda betäubt, dass er Informationen aus anderen Quellen kaum glauben kann. Daher werden sie bei Unterstützungskampagnen praktisch nicht berücksichtigt. (…) Korica: Ich denke, dass das Regime nicht nur bereit ist für Massenrepressionen, sondern dass sie bereits eskalieren. Im Jahr 2012, als das Regime gewaltsam gegen hunderte Demonstrant*innen vorging, war ihm noch nicht ganz klar, wie es sich verhalten soll. Das war meiner Meinung nach eine Zäsur, sowohl für die Aktivist*innen als auch für die Vorbereitung des Regimes auf die sich anschließenden Repressionen. Wenn es eine Welle der Unzufriedenheit gibt, dann müssen sie wissen, wie sie diese bändigen können. Die Repression hat punktuell begonnen. 2017 kam es dann zu einem gewaltigen Einschnitt: grausame Folter, lange Haftstrafen und in der Folge zahlreiche Repressionen. Die Strafrechtsparagrafen für »Terrorismus« oder dessen »Rechtfertigung« wurden zu den wichtigsten politischen Paragrafen. Dabei macht es für den Staat keinen Unterschied, ob es sich um Erwachsene oder Jugendliche handelt. Repressionen wurden auch gegen Jugendliche verhängt. (…) Chobot: Es herrscht eine gewisse Müdigkeit und Untergangsstimmung. Es scheint, dass man als Aktivistin in Russland immer Gefahr läuft, strafrechtlich verfolgt zu werden – und ich ziehe es vor, nicht für einen Kommentar oder Beitrag in den sozialen Medien inhaftiert zu werden, sondern für etwas, für das es nicht zu schade ist, dafür hinter Gitter zu kommen. Natürlich arbeiten wir anonym und halten uns an die Sicherheitsregeln des Aktivismus, aber moralisch versuche ich trotzdem, mich auf das Schlimmste vorzubereiten. Es ist gut zu sehen, dass sich Initiativen organisieren, um Menschen im Notfall aus Russland herauszubringen. Das gibt Hoffnung. Es gibt auch das Problem der Unsichtbarkeit der Arbeit – wenn man anonym arbeitet, erfährt man wenig Unterstützung, und man ist ständig mit ängstlichen Gedanken konfrontiert: Habe ich genug getan, kann ich mehr tun? Es ist sehr hilfreich, eine unterstützende Atmosphäre im Kollektiv zu haben, in der wir Sorgen und glückliche oder traurige Lebensereignisse miteinander teilen und uns gegenseitig unterstützen und miteinander mitfühlen können. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sehr effektiv ist, wenn man sich im Kollektiv umeinander kümmert.“ - Lehrer:innengewerkschaft Uchitel kämpft gegen Bestrafung von Schüler:innen, die den Krieg ablehnen
„Appell der russischen Lehrkräftegewerkschaft Uchitel‘ an alle Kolleg*innen: In den Medien wird das Schicksal der Sechstklässlerin Mascha Moskaljowa aus der Region Tula diskutiert, die im April letzten Jahres im Kunstunterricht eine Zeichnung gegen den Krieg mit den Flaggen der Russischen Föderation und der Ukraine angefertigt hat. Aufgrund des Vorgehens der Lehrkräfte der Schule №9 in der Stadt Efremov und ihrer Direktorin Larisa Trofimova wurden die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet und die Familie (Mascha hatte in den letzten Jahren bei ihrem Vater gelebt) wurde mit einer Präventionsmaßnahme belegt. Im Dezember wurde das Mädchen in einem Waisenhaus untergebracht, die Rechte des Vaters sollen eingeschränkt werden und die Mutter ist nicht in die Erziehung ihrer Tochter involviert. Das bedeutet, dass Mascha für lange Zeit nicht zur Familie zurückkehren wird. Wir sind der Meinung, dass Lehrkräfte immer im Interesse des Kindes handeln müssen. Ansonsten ist es unmöglich, in der Schule zu arbeiten und eine vertrauensvolle Beziehung zu den Schüler*innen und ihren Eltern aufzubauen. Keine Zeichnung eines Kindes kann ein ausreichender Grund sein, die Rechte eines Kindes zu verletzen. Dazu gehört auch das Recht, von den eigenen Eltern erzogen zu werden, solange diese keine physische oder psychische Gewalt gegen das Kind anwenden. Wir erinnern daran, dass der Humanismus die Grundlage der Pädagogik ist, und rufen alle Kolleg*innen auf, als professionelle Pädagog*innen zu handeln, die die Bildung und Erziehung von Kindern bewusst als ihre Lebensaufgabe gewählt haben. Unsere Aufgabe ist es, die schwierigen Situationen, die in den Schulen immer wieder auftreten, im Interesse der Kinder zu lösen, ohne die staatlichen Behörden einzuschalten, die in der Regel repressiv vorgehen. Unsere Schüler*innen müssen die Gewissheit haben, dass wir ihren Äußerungen mit Respekt begegnen, unabhängig davon, ob wir mit ihnen einverstanden sind. Andernfalls kann von Bildung überhaupt keine Rede mehr sein.“ Vorstand der Lehrkräftegewerkschaft Uchitel‘, 5. März 2023“ – ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht von Christoph Wälz auf telegra.ph - Grüner Antimilitarismus in Russland: Umweltaktivist:innen gegen den Krieg werden zunehmend verfolgt
- Nach Beginn des Krieges wurden Umweltauflagen in Russland gelockert – Antikriegs- und Klimaaktive protestierten zusammen
„… Im Sommer 2022 schlug die Russische Union der Industriellen und Unternehmer (RSPP) eilig vor, eine Liste von Umweltauflagen zu lockern. Der Gemeinschaft der Aktivist:innen gelang es, sich gegen diese Änderungen zu wehren (Änderungen werden fast immer durch Änderungsanträge eingeführt, und dieser Prozess ist schwer nachzuvollziehen), und der Ausschuss für Ökologie, natürliche Ressourcen und Umweltschutz der Staatsduma gab sie zur weiteren Überarbeitung zurück. Dieses Beispiel zeigt, dass die ökologische Gemeinschaft selbst unter den Bedingungen nach dem 24. Februar solche gefährlichen Änderungen abwehren kann. Es lohnt sich zu betonen, dass wir nicht nur ständig verprügelt und ins Gefängnis gesteckt werden, sondern dass es uns manchmal gelingt, sowohl Aktivist:innen als auch umweltkritische Gebiete zu schützen. (…)
Seit dem 24. Februar [2022] haben wir damit begonnen, neben der üblichen Überwachung des Drucks auf Aktivist:innen wegen ihrer Umweltaktivitäten auch den Druck auf ihre Antikriegshaltung zu erfassen. Obwohl Krieg das Schlimmste ist, was den Menschen und der Umwelt passieren kann, haben wir beschlossen, diese beiden Listen nicht zu vermischen. Neue Zahlen werden zu den üblichen Daten hinzugefügt. Trotz der Ereignisse schien es im Frühjahr nicht so, als würde die Zahl der Umweltproteste abnehmen: Niemand hörte auf, Bäume zu fällen und Gebiete zu verschmutzen, und die Menschen leisteten weiterhin Widerstand gegen diese Dinge. Dann erlebten wir einen Rückgang des Umweltaktivismus aufgrund des Sommers, der allgemeinen Müdigkeit und der zunehmenden Repression. Der Preis für Proteste steigt, und immer weniger Menschen sind bereit, das Risiko einzugehen. Vor der groß angelegten Invasion gab es mehr Geldstrafen und Ordnungswidrigkeiten; jetzt steigt die Zahl der Strafverfahren. Ich kann nicht genau sagen, wie viele es im Moment sind, weil wir noch zählen, aber aus ersten Beobachtungen kann ich sagen, dass die Zeitspanne zwischen Verhaftung und Verurteilung viel kürzer geworden ist. Früher war es üblich, dass die Behörden die Aktivist:innen erschöpften. Zum Beispiel wird ein Strafverfahren gegen eine Person eingeleitet, sie steht unter Hausarrest und ist gezwungen, jeden einzelnen Schritt und jedes Wort zu beobachten. In diesem Schwebezustand konnte man jahrelang leben. Jetzt werden die Fälle viel schneller bearbeitet. So wurden zum Beispiel mehrere Mitarbeiter von Naturschutzgebieten verurteilt. Vladimir Kazantsev, ein bekannter Umweltanwalt aus Tscheljabinsk, wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt; davor wurde zwei Jahre lang gegen ihn ermittelt…“ Interview mit Aktivist:innen auf Posle vom 16. Februar 2023 („The Unequal Distribution of Resources Could Potentially Mobilize Russians”) - Repressionen gegen Klimaaktivist:innen
„Obwohl Russland der viertgrößte Treibhausgasemittent der Welt ist, sind die bestehenden Klimaschutzmaßnahmen und Emissionsziele nicht ehrgeizig, was darauf hindeutet, dass die Verringerung der Auswirkungen des Landes auf die Umwelt für die Regierung keine Priorität hat. Da die Behörden dieses dringende Problem nicht angehen, ist die Arbeit von Aktivist:innen, die das Bewusstsein für die globale Erwärmung schärfen und den Rest der Gesellschaft zum Handeln ermutigen, entscheidend. Aber da die russische Regierung weiterhin gegen jede Form von Opposition vorgeht, ist Umweltaktivismus gefährlich geworden. Es war schon immer eine Herausforderung, die Umweltschäden der russischen Öl- und Gasindustrie anzusprechen, da der Kreml regelmäßig versucht, Informationen zu verbergen, die ihn in einem negativen Licht erscheinen lassen. Doch das Gesetz über „ausländische Agenten“, das im letzten Jahr erweitert wurde, setzt russische Aktivist:innen in Sachen Klimawandel stärker unter Druck als je zuvor. Das umstrittene Gesetz sieht vor, dass jeder, der sich an Bürgerinitiativen beteiligt oder auch nur seine Meinung über die russische Politik äußert, als ausländischer Agent eingestuft werden kann und damit Gefahr läuft, mit Geldstrafen belegt oder an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert zu werden. Sobald Umweltorganisationen auf der Liste stehen, können sie nicht mehr ‚in beratender oder sachverständiger Funktion an offiziellen oder öffentlichen Umweltverträglichkeitsprüfungen teilnehmen‘, erklärt Human Rights Watch…“ Artikel von Katarzyna Rybarczyk vom 9. Februar 2023 auf Fair Planet („How Russia violently persecutes climate activists”)
- Nach Beginn des Krieges wurden Umweltauflagen in Russland gelockert – Antikriegs- und Klimaaktive protestierten zusammen
- Nicht alle russischen Gewerkschaften unterstützen den Krieg. Es gibt bedeutende Ausnahmen und die Opposition wächst
„… Und auch nicht alle russischen Gewerkschaften haben den Krieg in der Ukraine unterstützt. In Ausgabe 50 unseres Trade Union Bulletin haben wir ein Interview mit einem Aktivist:innen der Unabhängigen Gewerkschaft der Journalisten und Arbeitenden in den Medien veröffentlicht. Im Sommer dieses Jahres wurde die Organisation von den Behörden mit dem Vorwurf verboten, die russische Armee zu diskreditieren. Im Juni dieses Jahres berichteten wir auf ozzip.de über einen Streik von Fahrradkurieren in Moskau, vor allem von Migrant:innen, die zu den ersten gehören, die die Auswirkungen von Sanktionen und Krieg zu spüren bekommen. Einer der Aktivisten der Gewerkschaft, Kirill Ukraintsev, befindet sich seitdem ebenso wie andere Aktivist:innen weiterhin in Haft. Viele Menschen aus der Opposition, darunter Aktivist:innen und Aktivisten der Anti-Putin-Linken, mussten aus Angst vor Verfolgung aus dem Land fliehen. Einige Gewerkschafter/innen wurden in die Armee eingezogen. Heute hat die Parole, dass sich alle Arbeitenden der Welt vereinigen müssen, wieder an Aktualität gewonnen. Gegen die Aufstachelung von Konservativen und Liberal-Nationalisten zu einem brudermörderischen Zermürbungskrieg sollten wir fordern: (1) ein sofortiges Ende des Krieges in der Ukraine und in anderen Regionen der Welt; (2) den Abzug der Kremltruppen von ukrainischem Territorium; (3) die Öffnung der Grenzen für Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge; (4) vollständige nukleare Abrüstung; (5) höhere öffentliche Ausgaben für das Gesundheitswesen, die Lehrkräfte und die Stärkung des Rentensystems statt für Waffen; (6) eine Wirtschaftspolitik einführen, die den Rückgang der Reallöhne stoppt; (7) die Ausgaben für den Umweltschutz und den Kampf gegen die globale Erwärmung erhöhen; (8) eine angemessene Rente für jeden und jede garantieren, wenn sie das 60 Lebensjahr erreicht haben. Die Arbeiterklasse will nicht nur nicht für die Krise des neoliberalen Systems bezahlen, sondern vor allem nicht an ihr sterben – weder an Bomben, noch an Krankheiten oder Unterernährung und Hunger…“ engl. Artikel von Jarosław Urbański vom 5. Dezember 2022 auf AngryWorkers.org („Workers and the labour market in Russia in an era of war and sanctions“) - Anschläge auf Rekrutierungsbüros und Rüstungsfabriken in Russland gehen weiter / Fluchtbericht: Die „Teil“-Mobilisierung hat die Hoffnung auf Veränderung zunichte gemacht
- Anschläge auf Rekrutierungsbüros und Rüstungsfabriken in Russland gehen weiter
„Zusammenfassung der interessanten Brände und Explosionen vom 21. bis 28. Oktober: 1) Ein Brandanschlag auf ein Rekrutierungsbüro in Tyva. 2) Auch ein Angriff auf das Büro für militärische Registrierung und Rekrutierung in Kemerowo. 3) Das Empfangsbüro von „Einiges Russland“ in Moskau wurde in Brand gesetzt. Es heißt, dass es eigentlich Medwedews Büro war. 4) Ebenfalls in Moskau brannte ein großes Lagerhaus des Technoparks ab. (…) 8) Feuer in einer Rüstungsfabrik in Perm, die Granaten für MLRS herstellt. 9) Eine Schießpulverfabrik in Tambow fing auch Feuer, aber nicht schlimm. 10) Etwas anderes ist in Perm explodiert. Es ist von zwei Explosionen die Rede. Es gibt zwei Versionen, wo die Explosionen stattgefunden haben: entweder in einer der beiden Fabriken (oder in beiden) oder in einem Verwaltungsgebäude. Es könnte beides gleichzeitig sein. 11) Das Tscheljabinsker Hüttenwerk fing Feuer. 12) Eine Explosion und ein Feuer in einem Werk in Wolgograd. 13) Ein Feuer in einer Elektrovakuumfabrik in Tomilino (bei Moskau). 14) Tobolsk-Neftekhim brannte stark, mit Funken. 15) Die Wasserentnahmeeinrichtungen in Tjumen brannten. 16) In Nischni Nowgorod stand ein Öltank in Flammen (angeblich war die Anlage bereits außer Betrieb). 17) In Jaroslawl gab es einen Großbrand in der Werft. 18) Sibtechgas soll in Nowosibirsk gebrannt haben. 19) Ein Feuer in einem bestimmten Lagerhaus in Kursk (scheint aber nicht von Bedeutung zu sein). (…) 28-29) Auch in Ufa brannten fünf Relaisschränke und ein Lokomotivreparaturdepot ab, aber das wurde im letzten Bericht auf Eisenbahnzwischenfälle zurückgeführt. Viele Brände in landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben sowie Brände von nicht sehr interessanten Fahrzeugen und Maschinen sind in der Zusammenfassung nicht enthalten…“ Telegram Post von Antikriegs-Stiftung vom 29. Oktober 2022 (russ., Maschinenübersetzung) - Die „Teil“-Mobilisierung hat die Hoffnung auf Veränderung in Russland zunichte gemacht
„Wie wurde aus dem Aufruf zu den Waffen der Aufruf, das Land zu verlassen? Was geschah an der Grenze während des Massenexodus der Russ:innen auf der Flucht vor der „Teilmobilisierung“? Der Aktivist Konstantin Kharitonov erzählt seine Geschichte und Beobachtungen. „Ich hatte nie vor, Russland zu verlassen. In den 20 langen Jahren meines politischen Aktivismus habe ich, egal wie schwierig die Dinge wurden, immer die Hoffnung auf Veränderung – auf Demokratie – aufrecht erhalten. Ich hoffte, dass sich Möglichkeiten ergeben würden, ein gerechteres Russland zu schaffen, ein Land, das aus Menschen besteht und nicht aus Bürokraten, Oligarchen und Silowiki. Trotz all der beunruhigenden Nachrichten, die dem Einmarsch in die Ukraine vorausgingen, konnte ich bis zum letzten Moment am 24. Februar nicht glauben – ich wollte nicht glauben – dass Putin nicht blufft, dass er diesen Krieg wirklich beginnen würde. In diesen ersten Tagen gab es für alle nur einen Gedanken: Wenn Putin keinen schnellen Sieg erringt, werden die Russ:innen sicher „genug“ sagen und das Ende des Krieges fordern. Schließlich hat fast jeder Russe Freunde, Verwandte und Angehörige in der Ukraine. Die ersten Bilder von Raketenabschüssen und Straßenschlachten waren besonders beängstigend, weil alles so vertraut aussah: hier die stalinistische Architektur, dort das Chruschtschowki und in der Ferne die glänzenden Neubauten der Elite. Im Nachhinein wird klar, dass die Passivität der russischen Bevölkerung zunächst eine Frage der Distanz war – der Tatsache, dass der Krieg für die Mehrheit der Russ:innen nur im Fernsehen existierte. Außerdem waren die einzigen, die zu diesem Zeitpunkt kämpften, Vertragskämpfer und Freiwillige, was bedeutete, dass alle, für die der Krieg etwas war, wofür es sich zu töten und zu sterben lohnte, bereits an der Front waren. Angesichts dieser Tatsache und der Tatsache, dass sich die jüngsten Erfolge der russischen Armee auf die Eroberung von ein oder zwei Dörfern pro Monat beschränkten, schien es wiederum, dass Putin bald, sehr bald, gezwungen sein würde, Kompromisse einzugehen und Friedensverhandlungen aufzunehmen. Und ja, in traditionellen militärischen Begriffen wäre dies eine Niederlage, was bedeuten würde, dass eine politische Krise ausbrechen würde, was bedeuten würde, dass es endlich, endlich Möglichkeiten für Veränderungen in diesem Land geben würde. Der 21. September 2022 hat all diese Hoffnungen zunichte gemacht. Die „teilweise“ Mobilisierung der russischen Öffentlichkeit wurde allgemein akzeptiert. Nachbarn, erwachsene Männer, sagten, es sei unwahrscheinlich, dass sie an die Front gerufen würden, aber wenn doch, würden sie gehen. Natürlich würden sie das nicht gerne tun, aber was ist schon dabei? Die dreiste Annexion von vier ukrainischen Oblasten (um die immer noch gekämpft wird) war in den Augen der Öffentlichkeit offenbar nicht das Geringste an Verurteilung wert. Das historische Konstrukt der „Ansammlung russischer Länder“ durch die schrittweise Angliederung von Gebieten, ein Mythos, der die russischen Köpfe seit der Grundschule vergiftet, erwies sich als unerschütterliche Bastion des irrationalen Allgemeinwissens.
Genau in diesem Moment wurde mir unter dem Druck von Verwandten und mit der Unterstützung von Freunden klar, dass es Zeit war, das Land zu verlassen. Es war unmöglich, im Land zu bleiben – vor Angst zu zittern, eine Vorladung zu erhalten (und sich dann im Wald zu verstecken?), Angst zu haben, offen über die Katastrophe zu schreiben, auf die Russland mit jedem Tag im Krieg zusteuert, Angst zu sprechen, Angst vor den Nachbarn zu haben, zu schweigen, sich zu verstecken, Geheimnisse zu haben. Die Würde zu vergessen und weiter zu arbeiten, als ob nichts geschehen würde, Zeit mit Freunden zu verbringen, als ob nichts geschehen würde, Liebe zu machen, als ob nichts geschehen würde.
Von dem Tag an, an dem ich meine Entscheidung traf und ein Flugticket in die südliche Grenzstadt buchte, hatten meine Frau und ich nur noch zwei Tage zusammen. Zwei sehr schwierige Tage. Wir versuchten, alles wie gewohnt zu machen, kochten in Ruhe, aßen aber kaum, spülten ab, putzten, gingen mit dem Hund spazieren und packten meine Koffer. Es war, als ob in diesen zwei Tagen unsere Liebe nach zehn Jahren an der Seite des anderen neu geboren wurde – diesmal nicht aus Freude, sondern aus Kummer, der an Verzweiflung grenzte. Wir überzeugten uns gegenseitig davon, dass wir die richtige Entscheidung getroffen hatten, dass es an der Zeit war, unser altes Leben wegzuwerfen und einen Neuanfang zu wagen.
Ein Freund und ich flogen nachts in die südliche Grenzstadt und machten uns mit einem Taxi auf den Weg zur Grenze von Kasachstan. Wir hatten mit dem Fahrer vereinbart, dass er uns über den Grenzkontrollpunkt bringen würde, aber die Situation hatte sich geändert: Der Verkehr an der Grenze war um 15 Kilometer gewachsen – oder um mehrere Tage Wartezeit. Das Taxi würde uns nur durch die Steppe bis zum Beginn des Staus bringen. Bis zum Kontrollpunkt waren es noch drei Kilometer. Die Stimmung war melancholisch, und eine Zeile von Velimir Khlebnikov schwirrte mir im Kopf herum: „Die Steppe wird einen Lobgesang anstimmen…“ Von dort aus, wo wir standen, war klar, dass es unmöglich sein würde, einen freien oder erschwinglichen Autoplatz zu finden. Die Preise hatten astronomische Ausmaße angenommen: Ein Sitzplatz in einem vorbeifahrenden Auto oder bei einem privaten Transportunternehmen kostete 70.000 Rubel oder mehr pro Person. Es schien, als wären wir alle in der gleichen Lage, alle flohen vor dem Krieg, aber jeder wollte es selbst tun. Private Spediteure spielten dabei eine nicht unbedeutende Rolle. Sie ließen ihre leeren Lastwagen stehen und beschlossen, von dem allgemeinen Unglück zu profitieren, indem sie die höchstmöglichen Preise verlangten, um die Geflüchteten direkt zur Grenze zu fahren. Schließlich gelang es drei von uns Männern, eine mehr oder weniger akzeptable Option zu finden: die Überfahrt mit einer älteren Frau, die ihre Kinder vor dem Krieg in Sicherheit brachte. Sie hatte ihre Söhne vorausgeschickt, damit sie (wiederum gegen Bezahlung) so schnell wie möglich die Grenze überqueren konnten; sie wartete mit ihren Habseligkeiten in der Schlange und war nicht abgeneigt, unvorhergesehene Ausgaben mit unserer Hilfe auszugleichen.
Während des ersten, quälenden Tages, an dem wir auf den Grenzübertritt warteten, kamen wir nur 500 Meter voran. Die Grenze wurde mehrmals für die Einreise geschlossen, weil sich der Konvoi der örtlichen „Mafia“ vorgedrängelt hatte. Das hatte zur Folge, dass sich der Rest der Autos in der Schlange praktisch gar nicht bewegte. Mehrere Male taten sich Gruppen von Männern zusammen, um die Sache zu „klären“, und so kam es zu einer neuen Regelung: Für jeweils zehn Autos aus dem Verkehr wurde ein Auto aus dem „Mafia“-Konvoi hineingelassen. Schließlich erklärte ein riesiger Mann, ein (inzwischen ehemaliger) Anwohner des Kaukasus, dem Vertreter der „Mafia“ ruhig und friedlich: „Ihr habt hier ein Geschäft, und euer Geschäft wird nirgendwo hingehen. Die Menschen hier haben Angst, sie wollen weg. Ich werde hier für immer verschwinden. Du hast dein Geschäft, aber jeder hier hat seine eigenen Probleme. Also musst du jetzt gehen und aufhören, uns zu belästigen.“ Doch der Verkehr wurde nicht schneller, denn es gab immer wieder Leute, die die Gegenfahrbahn nutzten, um die Autoschlange zu überholen und sich vorne einzukeilen. Das passierte vor allem nachts, wenn ein Fahrer einschlief und sich eine Lücke bildete. Am zweiten Tag organisierten die Aktivist:innen ein Komitee von Männern, die entlang der Autobahn standen und darauf achteten, dass kein Platz zwischen den Autos frei blieb. Wie es ein Mann aus dem Nordkaukasus treffend formulierte: „Bruder, wir schaffen hier unsere eigene Jamaat. Inguschen, Tschetschenen, Russ:innen, gemeinsam werden wir alles unter Kontrolle bekommen.“ Danach ging es immer schneller voran, und wir legten die restlichen 2,5 Kilometer an einem einzigen Tag zurück.
Inmitten des langwierigen Wartens und der schildkrötenartigen Bewegung stiegen viele Menschen aus ihren Autos, unterhielten sich und inspizierten sich gegenseitig. In unserem Abschnitt der Linie kamen die meisten Kriegsflüchtlinge aus Moskau, Krasnodar, Belgorod, dem Nordkaukasus und der Krim. Es waren viele junge Menschen, aber auch viele Menschen mittleren Alters. Sie flohen als Familien oder allein und ließen alles zurück, was sie nicht mitnehmen oder schnell verkaufen konnten. Überall hörte man den gleichen Dialog.
– Woher kommst du?
– Aus der Ukraine.
– Slava Ukraini!
– Heroyam Slava… Um die Wahrheit zu sagen, wir kommen eigentlich aus Krasnodar…
– Wir kommen von der Krim.- Und hier sind wir, vereint. Eine bittere Ironie, natürlich…
– Ja, niemand hat uns gefragt, ob wir uns Russland anschließen wollen. Wir lebten ein normales Leben in der Ukraine. Niemand hat die Wiedervereinigung wirklich unterstützt. Die Älteren vielleicht, und diese „Kinder der UdSSR“. Das Leben wurde nicht besser – außer, dass sie Straßen gebaut haben. Und die Russ:innen haben sowieso die gesamte touristische Infrastruktur übernommen, sodass für die Einheimischen nichts Besonderes mehr übrig blieb.
– Damals ging in Russland ein seltsames Gerede um: „Die Krim gehört uns“ und so weiter. Aber wem gehört sie eigentlich? Und war es die Mühe wert? Wir hatten nie Probleme, dorthin zu reisen und uns zu entspannen. Als Kind habe ich auf der Krim meinen ersten Hotdog gegessen und ich erinnere mich noch sehr gut daran. Als die „kleinen grünen Männchen“ kamen, gingen wir zu einer Demonstration in St. Petersburg, aber wir waren nur zweitausend Leute, also konnten wir natürlich nicht viel tun. Es tut mir sehr leid, dass ihr fliehen musstet.
– Ja, wir wissen, was es kostet, in Russland zu protestieren. Sondereinsatzkommandos waren sofort hinter jedem her, der in unserer Nähe demonstrierte.
– Wer hätte gedacht, dass es so weit kommen würde. Geflüchtete – ich dachte, so etwas sieht man nur in Filmen.
– Das kannst du laut sagen. Wir haben ganz normal gelebt und uns keine Sorgen gemacht, und plötzlich ist alles so.
– Wie soll ich es sagen… das alles hat lange auf sich warten lassen. Ich habe mich schon seit vielen Jahren gegen das Regime ausgesprochen, aber wir konnten nichts tun, um diesen Wahnsinn aufzuhalten.
– Wir waren auch auf verschiedenen Protesten, aber ändert Protestieren in Russland wirklich etwas? Gibt es irgendwo einen Ort, wo Protestierende etwas verändern?
– In „normalen“ Ländern bewirken Protestierende einiges, aber nicht alles, und nicht sofort. Und es gibt auch andere Möglichkeiten der politischen Beteiligung. Nach den Protesten in Chile wurde ein junger Präsident gewählt, ein 35-Jähriger mit Tattoos, der jetzt für eine progressive Verfassung kämpft.
– Wirklich? Ein Präsident mit Tattoos? Oh, Gott segne die Chilenen, sie sind so cool.“
Junge Leute spielten Gitarren und sangen Lieder, die sie aus ihrer Kindheit in den 90er Jahren kannten. Diese Lieder waren so untypisch, dass ich mich nicht einmal an sie erinnern wollte. Aber angesichts der Herausforderungen, mit denen wir an der Grenze konfrontiert waren, trieben mir Schewtschuks Ausspruch, dass „dieses Leben kein Zucker und der Tod kein Tee ist“, und Chizhs Versprechen, dass „meine Liebe kein Major, sondern ein politischer Gefangener ist“, Tränen in die Augen. In dieser Nacht streiften bewaffnete FSB-Agenten und Polizisten durch den Verkehr. Mehrmals öffneten sie eine Autotür und fragten die Insassen unhöflich: „Was, ihr wollt nicht kämpfen? Wie wäre es, wenn wir dich gleich an die Front schicken? Glaubt ihr, ihr könnt mit der Yedinovertsy fliehen? Glaubt ihr, sie wollen euch helfen? Die da drüben hassen uns schon, weißt du. Was denkst du, wie sie dich begrüßen werden?“ Aber die Grenzbeamten waren ruhig und höflich. Sie haben das Auto nicht einmal gründlich inspiziert. Sie untersuchten jede Person in unserem Auto einzeln. Sie fragten die Fahrerin nach dem Zweck ihrer Reise und ihrer Nationalität. Einer der Männer wurde überhaupt nicht gefragt. Zwei weitere wurden zu einem zweiten Grenzbeamten in einem anderen Raum geschickt. Einer dieser Männer wurde schließlich durchgelassen, während der andere ein Einreiseverbot erhielt („zur Klärung wenden Sie sich an das Einberufungsbüro des Militärs“) und nach draußen eskortiert wurde…“ engl. Fluchtbericht von Konstantin Kharitonov vom 23. Oktober 2022 auf posle („Decision“). Siehe dazu auch:- Krieg in der Ukraine – aktuelle Leseempfehlungen
„Russland führt Krieg gegen die gesamte Ukraine. Hier sammelt dekoder Analysen, Artikel und Hintergründe aus russischen, ukrainischen, belarussischen, deutschen und englischen Medien…“ Nachrichtensammlung auf Dekóder vom 28. Oktober 2022 (Dekoder – Russland und Belarus entschlüsseln) - und den Twitter-Account von @Knut_Knutsson, der wieder regelmäßig berichtet
- Krieg in der Ukraine – aktuelle Leseempfehlungen
- Anschläge auf Rekrutierungsbüros und Rüstungsfabriken in Russland gehen weiter
- Sabotage in Russland: Widerstandsgruppe zerstört Schienennetze
„Russland setzt die Angriffe auf die Ukraine fort. (…) Zuletzt haben sich russische Exilanten lautstark gegen das russische Regime rund um Wladimir Putin aufgelehnt. Engagement zeigt nun auch eine weitere russische Gruppe, die Sabotageakte nutzt, um das Schienennetz und damit Russlands Strategien zu gefährden. Was hinter der Anti-Kriegs-Gruppe „Stop the Wagons“ steckt – und warum das Schienennetz für das russische Kriegstreiben so bedeutsam ist. (…) Die seitens der britischen Regierung öffentlich gemachten Sabotageakte bringen Russland in Erklärungsnot. Bereits seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs informiert das britische Verteidigungsministerium regelmäßig über die aktuellsten Vorfälle. Vorfälle, die in Russland nicht zur Sprache kommen. Das aktuellste Beispiel: die Ausfälle im Schienennetz Russlands. Es handelt sich um eine Infrastruktur, die nicht zuletzt in den vergangenen Monaten an Bedeutung gewonnen hat. Sämtliche Strategien der russischen Regierung, in erster Linie jedoch die Truppenversorgung, verlaufen über die Gleise des russischen Schienenverkehrs. Nicht einmal – zum wiederholten Mal zeigt sich eine Gruppe namens „Ostanowi wagony“ bzw. „Stop the Wagon“ für entsprechende Ausfälle verantwortlich. Anfang dieser Woche war sie zuletzt aktiv. Nun hat sich die Formierung zu den Aktionen bekannt – sechs erfolgreiche Einsätze seit Juni 2022. (…) Auf Telegram findet „Stop the Wagon“ weitere Unterstützerinnen und Unterstützer, die sich gegen das russische Regime auflehnen. Mehr als 9.000 Abonnements zählt mittlerweile der Telegram-Kanal– und der Bekanntheitsgrad rund um die Anti-Kriegs-Gruppe und ihre Aktionen wächst. Den Messenger-Dienst nutzt die Formation, um zum aktiven Widerstand gegen die Regierung des eigenen Landes aufzurufen. Sie wollen weitere Menschen überzeugen, sich ebenfalls zu beteiligen. Besonders das Schienennetz rund um Belarus, aber auch die Strecke zwischen Moskau und St. Petersburg ist für Russland Medienberichten zufolge von großer Bedeutung. Die letzten Wochen haben gezeigt: bereits geringe Eingriffe können dabei große Effekte haben.“ Artikel von Christian Einfeldt vom 27. Oktober 2022 in der Frankfurter Rundschau online - Prioritäten: Gesundheitsministerium kürzt Medikamente für HIV-Patient:innen – Regierung will stattdessen Kinderfilme zur „patriotischen und geistig-moralischen Erziehung“ subventionieren
- „Im Jahr 2022 hatten HIV-Patient:innen in Russland einen Engpass bei einem ihrer wichtigsten Medikamente – dem britischen Tivicay – RTVI. Wie sich herausstellte, ging es nicht um Sanktionen oder die direkten Folgen der „Sonderaktion“ im Allgemeinen, sondern um die Tatsache, dass das Gesundheitsministerium wegen der hohen Kosten weniger davon kaufte. Da der Staat nicht einmal für die Grundbedürfnisse Geld hat und es ein Haushaltsdefizit von mehreren Billionen gibt, kann das oligarchische Regime keine Medikamente für neun Tausend Rubel pro Stück kaufen. Es ist nicht Sache der Oligarchen, es mit Menschen zu teilen, die gefährdet sind. Anstelle von Tivikai wurden die Patient:innen auf einheimische Analoga umgestellt, und die Gewinne einiger kapitalistischer Unternehmen stiegen um einen erheblichen Betrag. Gleichzeitig sind die Patient:innen mit Nebenwirkungen konfrontiert, wenn sie auf andere Therapien umsteigen.“ Telegram-Post von Pravda-Live vom 12. Oktober 2022 (russ. Maschinenübersetzung)
- Propagandafilme für Kinder – staatlich subventioniert: „Putin hat angewiesen, die volle staatliche Finanzierung von Filmen für Kinder einzuführen. Die Gesetzgebung soll auch das Konzept der „geistigen und moralischen Werte“ in allen strategischen Planungsdokumenten vereinheitlichen, heißt es auf der Website des Kremls. Das Regime wird jährlich 3,9 Milliarden Rubel für „gefragte“ Inhalte digitaler und multimedialer Projekte zur patriotischen und geistig-moralischen Erziehung von Kindern bereitstellen. Außerdem hat Putin angewiesen, einen einheitlichen Ansatz für den Unterricht der „Geschichte des Heimatlandes“ in den Schulen zu entwickeln. Alle oben genannten Maßnahmen sollen bis Ende dieses Jahres umgesetzt werden.“ Telegram-Post vom Pravda Live vom 17. Oktober 2022 (russ. Maschinenübersetzung)
- Strategiedebatten in der russischen Antikriegsbewegung / Besetzung von Stadtzentrum in Machatschkala-Dagestan / Pro-Regierungsfeiern gestört
- In den letzten Tagen haben sich die Ereignisse in Russland angesichts der Mobilmachung überschlagen. Antikriegsproteste, aber auch die Gewalt dagegen haben zugenommen. Hierzu gibt es innerhalb der russischen Linken auch eine breite Debatte, wie die Strategie der Proteste am besten aussehen sollte. Christoph Wälz übersetzte und veröffentlichte auf der AK am 23. September 2022 dazu fünf Texte unterschiedlicher linker Organisationen aus der Antikriegsbewegung in Russland in der Stimmen von Vesna, der russländischen sozialistischen Bewegung, der sozialistischen Alternative Russland, dem Studierendenmagazin DOXA und Feminists Against War (Feministischer Widerstand) zu Wort kommen.
- Nach den Massenverhaftungen und der Gewalt an der Demonstration am 24. September 2022 schreibt Sozialistische Alternative auf Telegram (russ. – Maschinenübersetzung): „Proteste am 24 September. Wir brauchen eine andere Taktik! Welche Formen des Kampfes sind jetzt erforderlich? Am 24. September nahmen weniger Demonstrierende an den Kundgebungen teil als am 21. September, obwohl dies ein arbeitsfreier Tag war. Die Ankündigung einer Straßenaktion drei Tage nach der vorangegangenen war ein Fehler von Vesna Organisation und den Gruppen, die sich um sie geschart hatten. Die meisten Menschen suchen immer noch nach individuellen Formen, um der Mobilisierung zu entkommen. Obwohl die Zahl derer, die bereit sind zu protestieren, wächst, sind nur wenige bereit, sich dauerhaft von der Polizei verprügeln zu lassen. Im Moment sollte man sich darauf konzentrieren, die Unzufriedenen am Arbeitsplatz, an den Universitäten, in den Vierteln und in den Gemeinden zu organisieren. Und nicht auf die Überfüllung der Polizeiwachen mit Demonstrierenden. Vesna, wie auch andere liberale Kräfte, denken, dass es ausreicht, Aktionsorte zu benennen, und das wird schon reichen. Aber so funktioniert es nicht: Diese Taktik wurde von Nawalnys Anhängern und von den großen unabhängigen Nachrichtensendern in Belarus angewandt – die Sicherheitskräfte haben sich schnell darauf eingestellt, den Protest über Chatrooms zu „managen“. Wir selbst haben bei der Antikriegskundgebung am 6. März einen ähnlichen Fehler gemacht. Die Schlussfolgerung: In Ermangelung einer Taktik und einer Basisstrategie wurden die spontanen Bewegungen durch Repression zerschlagen. Straßendemonstrationen sind wichtig, um die Stärke und den Rückhalt in der Gesellschaft zu demonstrieren. Aber sie müssen mit anderen Methoden des Kampfes kombiniert werden. Welche Formen helfen, die Menschen zu organisieren? Wir wissen aus der Erfahrung erfolgreicher revolutionärer Bewegungen, dass verrottete bonapartistische Regime fallen, wenn sich die breite Arbeiterklasse und die Studierenden dem Kampf anschließen. Dies ist vor allem der Generalstreik, d.h. die organisierte Arbeits- und Studienverweigerung und das Erheben eigener Forderungen. Solche kollektiven Aktionen führen dazu, dass Unternehmen und Universitäten faktisch übernommen und von den Demonstranten kontrolliert werden. Dies untergräbt die Grundlagen des Regimes, beraubt es seiner wirtschaftlichen Macht und zerschlägt den Repressions- und Staatsapparat. Der Generalstreik sollte zu einem strategischen Ziel werden. Zur Vorbereitung des Generalstreiks sind betriebliche und universitäre Organisationen erforderlich. Sie sollten Propaganda betreiben, den Unzufriedenen helfen, ihre unmittelbaren Forderungen zu entwickeln und taktische Maßnahmen vorschlagen. Bei diesen Aktionen könnte es sich beispielsweise um einstündige Warnstreiks oder organisierte Arbeitsniederlegungen handeln, bei denen die Beschäftigten die Arbeit oder den Unterricht verlassen und zur örtlichen Duma und zur Stadtverwaltung marschieren, um ihre Forderungen vorzutragen. Die einfachsten ersten Schritte, von der Unterschriftensammlung für gemeinsame Forderungen bis zur Organisation von Teamsitzungen zur Erörterung der aktuellen Situation und der Probleme, können genutzt werden, um unzufriedene Menschen um sich zu scharen. Nur solche Basisorganisationen können die Grundlage für eine siegreiche Bewegung sein. Sie sollten auf demokratische Weise allgemeine föderale Maßnahmen beschließen und vorschreiben, wobei sie sich auf das Verständnis der in jedem einzelnen Kollektiv vorhandenen Kräfte stützen und den Schutz vor Polizeigewalt usw. organisieren. Solche Basisorganisationen haben auch konkrete Entwicklungsperspektiven. Indem sie an den Arbeitsplätzen und Universitäten Einfluss gewinnen, können sie Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung aller Teile der Arbeiterklasse und der Unterdrückten abhalten, um eine Arbeiterregierung und ein Arbeiterparlament zu organisieren, die das blutige bonapartistische Regime ersetzen…“
- #Протест #НетВойне #НетМобилизации
- Aus Protest gegen Mobilmachung: Besetzung von Stadtzentrum in Machatschkala/Dagestan steht bevor
„Proteste in Machatschkala von Sicherheitskräften wirksam aufgelöst. Die Polizei setzte Betäubungspistolen und Pfefferspray ein und schoss in die Luft, um die Demonstrant:innen zu vertreiben. Hunderte von Menschen wurden festgenommen. Nur kleine, verstreute Gruppen von Demonstrant:innen befinden sich noch im Stadtzentrum. Doch die Wut der Bevölkerung über die Mobilisierung ist in Dagestan weit verbreitet, und der Kampf wird wahrscheinlich weitergehen. Lokale Fernsehsender berichten, dass Bewohner:innen aus verschiedenen Dörfern nach Machatschkala strömen, um morgen zu protestieren. Nach diesen Berichten zu urteilen, sind die Menschen in der Stimmung, Zelte aufzuschlagen und das Stadtzentrum zu besetzen“ Telegram Post von Sozialistische Alternative vom 25. September 2022 (russ. Maschinenübersetzung). - #Dagestan #KeinKrieg #KeineMobilisierung
- Inszenierte Protestfeiern der Regierung durch Streetart und andere Formen gestört
„… Gestern gab es inszenierte Jubelfeiern während Kriegsgegner zu Protesten heute mobilisierten. Beginnen wir mit einem Graffitti aus Tomsk: „Willst du leben? Bereite dich auf den Aufstand vor“ – Propaganda: Staatlich orchestrierte Feiern und Kundgebungen in mehreren Städten anlässlich der Referenden in der besetzten Ukraine. Es wird berichtet, dass Staatsbedienstete und Studierende unter Androhung von Konsequenzen zur Teilnahme gezwungen wurden. – Antikriegsproteste: Immer wieder gibt es Mahnwachen von Einzelpersonen, wie gestern in Komsomolsk am Amur, wo ein älterer Mann vor einem mobilen Rekrutierungsstand protestierte. (…) Mobilisierung: Gestern hörte man Frauen weinen, heute rufen sie: „Nein zum Krieg“ den abfahrenden Bussen mit ihren Männern in Machatschkala (Dagestan) hinterher. Für morgen ist hier eine „Volksversammlung“ angekündigt. Aber auch woanders läuft die Mobilmachung nicht so glatt. In Ufa prügelten sich betrunkene Einberufene und griffen auch einen herbeieilenden Polizisten und einen Militärkommissar an. Es gibt wohl auch technische Probleme. Zugunglück mit Einberufenen bei Wolgograd, bei Ryasan stürzte ein Militärflugzeug ab und bereits vorgestern stieß hier ein Militärkonvoi mit einem LKW zusammen. Sabotage: Anarchisten haben nach eigenen Angaben Überwachungskameras zerstört. In Russland gibt es die höchste Dichte an Kameras in den Innenstädten, was vor allem bei Demos ein Problem ist…“ Twitter-Thread von Knut Knutson vom 24. September 2022 - Protestierende direkt vom Knast an die Front: Russisches Militär zwingt politische Gefangene Einzugsbrief zu unterschreiben – Finnland weigert sich Grenze zu öffnen
„Eine prominente russische Menschenrechtsgruppe berichtet, dass einige Protestierende, die diese Woche verhaftet wurden, zum russischen Militär eingezogen werden sollen. Mehr als 1.300 Protestierende wurden festgenommen, nachdem Präsident Wladimir Putin eine Teilmobilisierung des Militärs angekündigt hatte, um 300.000 neue Soldaten für den Kampf in der Ukraine einzuberufen. Nach Angaben der Gruppe OVD-Info drohten die Behörden einem Protestierenden mit 10 Jahren Gefängnis, falls er sich weigern sollte, sich zu melden. Unterdessen versuchen tausende russische Männer, aus dem Land zu fliehen, um der Einberufung zu entgehen. Finnland hat am Donnerstag erklärt, dass es nach einer Welle von Grenzübertritten erwägt, den meisten Russ:innen die Einreise ins Land zu verweigern…“ Democracy Now vom 23. September 2022 („Russische Protestierende nach Massenverhaftungen einberufen”). - Siehe dazu auch „Nicht ein einziger Soldat für den Verbrecherkrieg!“ Artikel von Posle Herausgeber:innen-Kollektiv vom 22. September 2022 (engl.).
- Flucht, Sabotagen, Selbstverletzung, Demonstrationen: Auch die Protestformen gegen die „Mobilmachung“ in Russland werden breiter
- Am 21. September 2022 hat die Putin-Regierung angekündigt, dass alle, die bereits einen Militärausweis oder militärisches Grundwissen besitzen, zum Kriegsdienst eingezogen werden können. 300.000 weitere Rekrut:innen sollen für den imperialistischen Regionalkrieg verheizt werden. Die Antwort vieler Menschen in Russland erfolgte prompt: Auf öffentlichen Plätzen verbrannten oder zerrissen Betroffene ihre Militär-Ausweise. Protestierende forderten ein „Russland ohne Putin“. Die Zahl der Verhaftungen von Demonstrierenden in ca. 38 Städten lag bei etwa 1386, wie die Menschenrechtsorganisation OvdInfo ermittelte. Sie schrieben auf Twitter am 22. September 2022 „Unter den 33 inhaftierten Jugendlichen wird mindestens einer geschlagen. Die Sicherheitskräfte schlugen ihm auf den Kopf, drückten ihn gegen die Wand und schlugen ihm in die Rippen. Dann warfen sie ihn aus dem Mannschaftswagen, nahmen ihm seinen Rucksack weg, traten ihn und stießen ihn zurück“ (russ. Maschinenübersetzung). Neun der Verhafteten seien Journalist:innen, die lediglich über die Proteste hatten berichten wollen. Es wird zudem berichtet, dass einige der Verhafteten gezwungen wurden, im Gefängnis ihre Teilnahme am Krieg zu unterschreiben.
In St. Petersburg und Moskau warfen Aktivist:innen Molotow Cocktails in Rekrutierungsbüros. Aber der Protest gegen den Krieg und die Verheizung des eigenen Körpers fand auch andere Wege. Vor der finnisch-russischen Grenze bildete sich ein über 35km langer Stau von fliehenden Menschen aus dem Land, die dem Kriegsdienst entkommen wollen. Sotiri Dimpinoudis schreibt dazu am 21. September auf Twitter (engl.): „… Russische Zivilist:innen teilen in den sozialen Medien vielfach mit, dass sie das Land mit dem Flugzeug, Bus, Auto und anderen Transportmitteln verlassen, sogar zu Fuß an den Grenzen zur EU, nachdem Putin angekündigt hat, dass er 300.000 neue Truppen in die Ukraine schicken wird.“ Menschen, die nicht ohne Weiteres fliehen können, verletzen sich, brechen sich Arme und Beine, um sich dagegen zu wehren zu Kanonenfutter gemacht zu werden. - Ein Überblick über die Städte in denen Proteste stattfanden und weitere Entwicklungen findet sich im Thread von Christoph Wälz vom 21. September 2022 – generell ist der Account sehr zu empfehlen.
- 24. September 2022 – 17 Uhr: Zentrale Proteste in Moskau und St. Petersburg gegen Mobilmachung geplant
„… Große Ziele – ein realistischer Ansatz! Das ultimative Ziel der Aktionen ist nicht, um des Protestes willen zu protestieren, sondern um Putins kriminelles Regime zu besiegen. Dafür gibt es Möglichkeiten – aber auch Grenzen. Gestern haben wir weniger Polizisten gesehen als sonst, und sie sind schlechter organisiert. Außerdem könnte die Mobilmachung sie selbst betreffen – Protest ist also in ihrem Interesse. Es ist auch im Interesse von Millionen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, zu protestieren. Vor allem Frauen, deren Väter, Ehemänner, Söhne und Brüder das Regime als Kanonenfutter benutzen will. Das ganze Land ist unser Verbündeter. Wir müssen sie auf die Straße rufen! Schließlich ist eine Geldstrafe oder ein paar Tage im Gefängnis besser als eine Beerdigung. Aber wir müssen verstehen, dass die Zahl der Demonstranten wachsen muss, damit der Protest mit dem Sturz des Regimes endet. Wir müssen mehr und mehr Menschen auf die Straße bringen und dafür brauchen wir deine Hilfe. Sonst wird es nicht funktionieren. Wann werden die Veranstaltungsorte bekannt gegeben? Wir werden die Städte morgen bekannt geben, die Orte selbst aber erst am Tag der Rallye. Das macht es für die Polizei schwieriger, sich auf sie vorzubereiten. Bitte schalte deine Benachrichtigungen ein, damit du die Ankündigung nicht verpasst!…“ Telegram-Post von Vesna vom 22. September 2022 (russ. Maschinenübersetzung). - „Die Stadt geht schlafen, die Partisanen wachen auf“
Nach dem ersten Tag der Proteste gegen die Mobilmachung schreiben die Aktivist:innen der Antikriegs-Stiftung auf Telegram am 22. September 2022 (russ. Maschinenübersetzung): „Der erste Tag der neuen Phase der Proteste ist vorbei. Ihr seid alle erstaunlich, ihr macht euch alle gut. Ihr seid alle unglaubliche Beispiele für Mut. Falls jemand mehr von heute erwartet hat – nicht traurig sein. Das ist erst der Anfang. Die Handlungen werden immer wieder in verschiedenen Formen stattfinden. Der Widerstand wird nicht aussterben – im Gegenteil, er ist sogar noch aktiver geworden als zu Beginn des Krieges. Immer mehr zögerliche Menschen werden sich uns anschließen – wir haben jetzt die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns. Das kann man mit Sicherheit sagen. Aber das ist noch nicht alles. Der erste Tag ist vorbei, aber jetzt liegt die erste Nacht vor uns. Die Polizei ist in der Minderheit. Wir sind weit in der Unterzahl. Und es geht jetzt nicht darum, sie in einem offenen Konflikt zahlenmäßig zu vernichten. Um eine Aktion bei Tageslicht zu unterdrücken, müssen sie alle Kräfte in Bereitschaft halten. Deshalb müssen sie schlafen. Sie können nachts nicht die gleiche Anzahl von Mitarbeitern im Dienst haben. Entweder müssen sie die Kampfbereitschaft bei Tageslicht reduzieren oder uns die Nacht überlassen. Oder arbeite mit voller Kraft. Sie werden nicht so lange halten. Wir sind in der Unterzahl. Wir können rund um die Uhr arbeiten. Tagsüber werden die Straßen voller Proteste sein und nachts mit Flugblättern, Graffiti und grünen Bändern übersät. Nachts werden die Überwachungskameras abgebaut. Hier und da werden die Rekrutierungsbüros des Militärs brennen. Bei Polizeiautos, die unbeaufsichtigt gelassen werden, fehlt der eine oder andere Reifen, und die Scheiben müssen am Morgen von der Farbe befreit werden. Alle Methoden und Mittel des Protests werden zu einem entschlossenen Widerstand gegen das kriminelle Regime verschmelzen. Erschöpfte Polizisten müssen mit der Glocke aufstehen und durch die nächtlichen Städte huschen. Für sie ist es ein hektischer Zeitplan. Für die Aktivisten ist es ein normaler Job. Die Adressen der militärischen Registrierungs- und Rekrutierungsbüros findest du übrigens auf der Seite des Verteidigungsministeriums. Sie sind auf verschiedenen Karten leicht zu finden. Gute Nacht an alle. Außer für die Henker und Kollaborateure des Regimes – für sie gibt es keine guten Nächte. Die Stadt geht schlafen. Die Partisanen wachen auf.“ - Siehe auch im LabourNet:
- Am 21. September 2022 hat die Putin-Regierung angekündigt, dass alle, die bereits einen Militärausweis oder militärisches Grundwissen besitzen, zum Kriegsdienst eingezogen werden können. 300.000 weitere Rekrut:innen sollen für den imperialistischen Regionalkrieg verheizt werden. Die Antwort vieler Menschen in Russland erfolgte prompt: Auf öffentlichen Plätzen verbrannten oder zerrissen Betroffene ihre Militär-Ausweise. Protestierende forderten ein „Russland ohne Putin“. Die Zahl der Verhaftungen von Demonstrierenden in ca. 38 Städten lag bei etwa 1386, wie die Menschenrechtsorganisation OvdInfo ermittelte. Sie schrieben auf Twitter am 22. September 2022 „Unter den 33 inhaftierten Jugendlichen wird mindestens einer geschlagen. Die Sicherheitskräfte schlugen ihm auf den Kopf, drückten ihn gegen die Wand und schlugen ihm in die Rippen. Dann warfen sie ihn aus dem Mannschaftswagen, nahmen ihm seinen Rucksack weg, traten ihn und stießen ihn zurück“ (russ. Maschinenübersetzung). Neun der Verhafteten seien Journalist:innen, die lediglich über die Proteste hatten berichten wollen. Es wird zudem berichtet, dass einige der Verhafteten gezwungen wurden, im Gefängnis ihre Teilnahme am Krieg zu unterschreiben.
- Nein zur Mobilmachung! 21. September 2022: Landesweite Proteste gegen Putins Verlierer-Regierung – die selbst vom Wehrdienst ausgenommen ist
- „Feministischer Antikriegs-Widerstand unterstützt die Aktion „Gegen Graffiti“ Heute Abend um 19:00 Uhr, Straßen und Plätze im Stadtzentrum: In Russland wurde eine Teilmobilisierung angekündigt – das bedeutet, dass viele Männer und Frauen, die nicht an diesem Krieg teilnehmen wollen, gegen ihren Willen eingezogen werden und für die Ambitionen von Putin und seinen Verlierern sterben. Einer der wichtigsten Antikriegsproteste in der Geschichte ist der Protest der Frauen und Mütter. Gestern haben tschetschenische Mütter bereits angekündigt, dass sie auf ihrer Kundgebung gegen den Krieg auftreten werden. Heute hat die Viasna-Bewegung eine Aktion gegen die Mobilisierung ausgerufen, und wir als feministische Bewegung schließen uns dem Aufruf von Viasna an. Es werden viele Aktionen erwartet, zentral und dezentral, überall im Land. Wir wollen und werden nicht am Rande stehen. Wir übernehmen die Verantwortung, dies von allen Menschen aus allen Regionen Russlands einzufordern, von den nationalen Antikriegsbewegungen, die im Namen der nationalen Republiken der Russischen Föderation, die in diesem Krieg die größten Verluste erlitten haben, gegen Krieg und Diskriminierung kämpfen. In den letzten Monaten haben wir die Taktik zahlreicher dezentraler Parteiaktionen unterstützt, weil wir glauben, dass Massenversammlungen an einem Ort leichte Beute sind. Aber wir wissen auch, dass Protest ein Spektrum ist und dass sich verschiedene Taktiken zu verschiedenen Zeitpunkten als wichtig erweisen. Wir sind überzeugt, dass jetzt alle Proteststrategien zum Einsatz kommen müssen: die radikalen (Partisanen und Guerillas, danke!) und die konventionell-friedlichen. Mache dich mit den Sicherheitsregeln für die Teilnahme an einer Rallye vertraut. Vergiss die Sicherheitsregeln nicht, wenn du nachts auf die Straße gehst, um gegen Sabotage zu protestieren. Putin und seine Blutsauger haben eine Sache nicht bedacht: Krieg ist für viele Russen schlimmer und beängstigender als Gefängnis.“ Telegram Post von Feminists Against War vom 21. September 2022 (russ. Maschinenübersetzung), siehe auch:
- „Putins Abgeordnete und Bürokraten wurden nach dem russischen Gesetz vom Wehrdienst befreit -Auch die Mitglieder der gesetzgebenden (repräsentativen) Organe der Staatsmacht der Gliedstaaten der Russischen Föderation, die Mitglieder der Vertretungsorgane der Gemeinden oder die Gemeindevorsteher erhalten dieses Privileg, so der Radiosender „Gazeta Moskva“.“ Telegram-Post von Protest Russland vom 21. September 2022 (russ. Maschinenübersetzung)
- Siehe dazu auch unser Dossier: Hilfe und Asyl für russische und ukrainische Deserteure!, darin mehr zum Widerstand gegen die Mobilmachung und eine neue Petition zur Unterstützung der Desserteure
- Gegen Wahlbetrug und Kriegspropaganda: Aufbau gewerkschaftlicher Betriebsgruppen an Schulen in Russland
Aus einem Beitrag von Christoph Wälz vom 13. September 2022 („Für den Aufbau gewerkschaftlicher Betriebsgruppen an Schulen in Russland“): „Die Russländische Sozialistische Bewegung (RSD) schreibt am 05.September2022 auf Telegram (1854 Follower): „Lehrkräfte waren schon immer eine der am meisten unterdrückten Beschäftigtengruppen im öffentlichen Dienst. Neben niedrigen Gehältern und schlechten Arbeitsbedingungen erniedrigt der Staat die Beschäftigten im Bildungswesen regelmäßig auf demonstrative Weise, indem er sie zwingt, sich an Wahlbetrügereien zu beteiligen und indem er sie als Verwaltungspersonal einsetzt. Seit dem neuen Schuljahr sind auch die Lehrkräfte gezwungen, aufdringliche Propaganda zu betreiben. Wir sind davon überzeugt, dass es nur gemeinsam möglich ist, für die Rechte der Arbeitnehmer:innen einzutreten. Gemeinsam mit der Gewerkschaft „Utschitel“ haben wir Material dazu erstellt, wie ihr eine gewerkschaftliche Betriebsgruppe einrichten und eure Kolleg:innen in die Gewerkschaftsarbeit einbinden könnt, ohne auf die Tricks der Arbeitgeber:innen hereinzufallen.“ Die unabhängige Lehrkräftegewerkschaft „Utschitel“, die sich für den Frieden mit der Ukraine positioniert, schreibt auf ihrer Website: Wie man eine gewerkschaftliche Betriebsgruppe gründet (…) Nichts stärkt das Vertrauen in eine Gewerkschaft so sehr wie eine erfolgreiche Kampagne oder ein anderes greifbares Ergebnis, das die Situation der Beschäftigten verbessert. Wenn ihr Fragen zur Gründung einer Betriebsgruppe habt, wendet euch an den Gewerkschaftssekretär oder den Sekretär für Organisationsfragen…“ - Russ:innen protestieren trotz Repressionen auf vielfältige Weise gegen den Krieg
- „… Anastasia gehört zu jenen Russinnen und Russen, die trotz des massiven Vorgehens der Regierung gegen jede Form von Protest ihre Stimme gegen den Krieg erheben – und sei es auf einfachste Art und Weise. Einige haben dafür einen hohen Preis bezahlt. In den frühen Wintertagen der Invasion im Februar lösten die Behörden Demonstrationen auf und nahmen Teilnehmer fest, selbst wenn diese nur weiße Schilder hochhielten. Kritische Medien wurden geschlossen und politische Gegner diskreditiert. Das Parlament verbot im Eilverfahren die Verbreitung von ‚falschen Informationen‘ über die Invasion, die der Kreml als ‚militärische Spezialoperation‘ bezeichnet, sowie Verunglimpfungen der Streitkräfte. Diese neuen Mediengesetze werden gegen alle angewandt, die sich gegen den Krieg aussprechen oder über mutmaßliche Gräueltaten russischer Truppen äußern. (…) Während der Unruhen in Belarus vor zwei Jahren nach einer umstrittenen Präsidentschaftswahl druckte Besow Poster mit dem Wort ‚Freiheit‘. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs fing er mit seinem Projekt Partisan Press an, Plakate mit dem Slogan ‚Nein zum Krieg‘ zu produzieren. Ein Video vom Druck verbreitete sich auf Instagram. Die Nachfrage nach Kopien war dann so hoch, dass sie kostenlos ausgegeben wurden.
Doch dann zeigten Demonstranten auf dem Roten Platz die Poster, einige von ihnen wurden festgenommen. In diesem Moment sei ihm klar geworden, dass die Polizei früher oder später nach ihm suchen würde, sagt Besow. Die Beamten kamen tatsächlich, allerdings, als der Künstler nicht da war. Gegen zwei seiner Beschäftigten wurde Anklage erhoben, der Prozess zieht sich schon seit mehr als drei Monaten hin. Besow druckt deshalb inzwischen keine „Nein-zum-Krieg“-Poster mehr, sondern wich auf subtilere Botschaften wie „Angst ist keine Entschuldigung für Untätigkeit“ aus…“ Meldung von RND/AP, erschienen am 10. Juli 2022 in der Landeszeitung („Mutiger Widerstand: Wie Russinnen und Russen gegen den Krieg protestieren“).
- „… Anastasia gehört zu jenen Russinnen und Russen, die trotz des massiven Vorgehens der Regierung gegen jede Form von Protest ihre Stimme gegen den Krieg erheben – und sei es auf einfachste Art und Weise. Einige haben dafür einen hohen Preis bezahlt. In den frühen Wintertagen der Invasion im Februar lösten die Behörden Demonstrationen auf und nahmen Teilnehmer fest, selbst wenn diese nur weiße Schilder hochhielten. Kritische Medien wurden geschlossen und politische Gegner diskreditiert. Das Parlament verbot im Eilverfahren die Verbreitung von ‚falschen Informationen‘ über die Invasion, die der Kreml als ‚militärische Spezialoperation‘ bezeichnet, sowie Verunglimpfungen der Streitkräfte. Diese neuen Mediengesetze werden gegen alle angewandt, die sich gegen den Krieg aussprechen oder über mutmaßliche Gräueltaten russischer Truppen äußern. (…) Während der Unruhen in Belarus vor zwei Jahren nach einer umstrittenen Präsidentschaftswahl druckte Besow Poster mit dem Wort ‚Freiheit‘. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs fing er mit seinem Projekt Partisan Press an, Plakate mit dem Slogan ‚Nein zum Krieg‘ zu produzieren. Ein Video vom Druck verbreitete sich auf Instagram. Die Nachfrage nach Kopien war dann so hoch, dass sie kostenlos ausgegeben wurden.
- Russische Studierende protestieren gegen den Ukraine Krieg – Repressionen gegen Antikriegsaktionen in Russland nehmen absurde Ausmaße an
- „Studierendenproteste sind eine der sichtbarsten Formen des Widerstands gegen die russische Aggression in der Ukraine. Jetzt, wo öffentliche Proteste verboten sind, sind die Aktivisten gezwungen, neue Formen des Widerstands und der Organisation zu entwickeln. Wir veröffentlichen ein Gespräch zwischen Aktivisten über ihre Protestaktivitäten, taktische Herausforderungen und Zukunftspläne…“ Erster Teil des Interviews, erschienen am 14 Juni 2022 bei Posle („Students against the War. Part One“)
- „Wir präsentieren den zweiten Teil der Diskussion, der den studentischen Initiativen gewidmet ist. Die Dezentralisierung des Protestes und die sich verändernde Rolle der Universitäten in Russland stehen im Mittelpunkt dieser Debatte…“ Zweiter Teil des Interviews, erschienen am 17. Juni 2022 bei Posle („Students against the War. Part Two“).
- Repressionen gegen Antikriegsaktionen in Russland nehmen absurde Ausmaße an
- „In Wolgograd wurde ein pensionierter Arbeiter zu einer Geldstrafe von 15.000 Euro verurteilt. Er rief dem Militärkommissar ‚Ruhm für die Ukraine‘ zu. Ein 62-jähriger Fahrer eines KAMAZ-Kipplasters, Aleksandr Semeshchikov, sagte zu einem vorbeifahrenden Militärkommissar ‚Ruhm für die Ukraine‘. Der Militärkommissar rief daraufhin die Polizei zu dem Rentner. Putins Vollstrecker erstellten einen Bericht über SEMYSCHIKOV unter einem Artikel zur ‚Diskreditierung‘ der russischen Streitkräfte. Der Pressedienst des Gerichts berichtete, dass der Rentner ‚aufrichtig bereut, was er getan hat‘. Das Gericht berücksichtigte ‚die Art und die öffentliche Gefährlichkeit der begangenen Ordnungswidrigkeit sowie die Persönlichkeit von A.W. Siamschikow, sein Rentenalter und seine finanzielle Lage‘. Der Mann wurde zu einer Geldstrafe von 15.000 Rubel verurteilt.“ Telegram-Post von Protest Russland, vom 30. Juni 2022 (russ. – Maschinenübersetzung).
- Ein Einwohner von Naltschik wurde vom russischen Regime zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, weil er seine Tochter gebeten hatte, Z aus ihrem Auto zu reißen. Am 21. März wies Zaurbek Zhambekov seine 12-jährige Tochter an, ein schwarz-oranges Band mit dem Buchstaben Z von seinem Auto auf dem Parkplatz abzureißen. Die Polizei entdeckte ihn auf den Aufnahmen der Überwachungskameras. Sie eröffneten ein Strafverfahren gegen Zhambekov wegen ‚Anstiftung eines Minderjährigen zu einer Straftat, um die Armee zu diskreditieren‘. Vor Gericht forderte die Staatsanwaltschaft 2 Jahre Gefängnis für Schambakow und eine Geldstrafe von 100.000 Rubel, da der Mann zwei minderjährige Kinder hat. In seiner letzten Erklärung sagte Zhambekov, dass er eine solche Strafe für das nichtstaatliche Symbol nicht erwartet habe. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 30.000 Euro.“ Telegram-Post von Wahrheit Live, vom 28. Juni 2022 (russ. – Maschinenübersetzung).
- Deutsche Firmen machen russischen Angriffskrieg möglich: Russische Militärfabriken werden von Siemens und Heidenhain ausgestattet: Protest nötig!
„Während das Beste, was der Westen tun kann, um die russischen Kriegsanstrengungen zu untergraben, darin besteht, deutsche Unternehmen, insbesondere Siemens und Heidenhain, unter Druck zu setzen, damit sie ihre Ausrüstung von den russischen Militärfabriken abziehen, ist das Beste, was die Russ:innen tun können, die Sabotage der Eisenbahn. Tägliche Erinnerung daran, dass die deutschen Hersteller den russischen Verbrauchern nicht die volle Kontrolle über ihre Geräte geben, so dass diese Geräte ständig gewartet werden müssen. Den Russen ist es nicht erlaubt, viel in ihre Funktionsweise einzugreifen, Schlüsselparameter zu ändern usw. Die russische Rüstungsindustrie ist völlig abhängig von deutschen Werkzeugmaschinen und insbesondere von CNC-Maschinen. Selbst „russische“/“weißrussische“ Werkzeuge haben deutsche CNC-Maschinen. Und nach den Foren der russischen Technologen zu urteilen, geben die deutschen Hersteller den Russen nicht die volle Kontrolle über diese Maschinen. Es gibt keine Beweise dafür, dass die deutschen Werkzeugmaschinen in den russischen Rüstungsbetrieben nicht mehr funktionieren. In Anbetracht der Tatsache, dass die deutschen Hersteller Berichten zufolge die Kontrolle über diese Werkzeuge haben, muss ihre Rolle bei der Aufrechterhaltung der russischen Kriegsmaschinerie gerade jetzt untersucht werden. Vieles deutet darauf hin, dass die deutschen Werkzeugmaschinenhersteller die russische Rüstungsindustrie über Wasser halten. Es reicht nicht aus, neue Lieferungen zu stoppen. Wenn sie bis 2022 die Wartung der bereits gelieferten Werkzeuge fortsetzen, machen sie sich mitschuldig an Putins Krieg. Wenn Sie Putins Atomwaffen fürchten, sollten Sie bedenken, dass die Produktion ballistischer Raketen von folgenden Faktoren abhängt:
– Deutsche CNCs
– Deutsche Software
– Deutsche Kühlschmierstoffe
Es waren die deutschen Unternehmen, die Putins Aufrüstung möglich gemacht haben. Jetzt kann er ohne ihre tägliche Hilfe keine Raketen mehr herstellen.Die russische Rüstungsindustrie ist voll und ganz auf den Technologieimport aus Deutschland angewiesen. Das kann nicht anders sein. Als Putin die Macht übernahm, war die sowjetische Werkzeugmaschinenindustrie so weit heruntergekommen, dass sie nicht mehr wiederhergestellt werden konnte. Also ging Putins Militärindustrie einfach zum Import über.“ Twitter-Thread von Kamil Galeev, gepostet am 30. Juni 2022 (engl.).
- Streiks und Proteste nehmen weiter zu, unter anderem: Krankenhäuser, Brückenarbeiten und Widerstand gegen Waldrodung
- Kämpfe am Arbeitsplatz: Streikende Arbeiter:innen bei der Reparatur einer Brücke in Kurgan. Ein Kompressorwerk in Jekaterinburg wird bestreikt. Die Mediziner:innen streiken in der Region Smolensk. Spontane Kurierstreiks und Boykott des Delivery Club. Müllwagenfahrer:innen streiken in Nowosibirsk. Die geplante Kundgebung war nicht mit ihnen abgesprochen. Die Arbeiter:innen von Dalmontazhstroy streiken. Ein Streik der Minibusfahrer:innen in Beslan. Keine Neuigkeiten über den Streik der Pfleger:innen in Uljanowsk – wahrscheinlich dauert er noch an. Das Gleiche gilt für die Hausmeister:innen in Dolgoprudny. Teilweiser Streik der Mediziner:innen in Nischnekamsk. Schichtarbeiter:innen in Jakutien, denen kürzlich ihre provisorische Unterkunft mit persönlichen Gegenständen niedergebrannt wurde, streiken möglicherweise.
Autos: In Nischni Nowgorod wurde das Auto des Gründers eines Fonds zur Unterstützung des russischen Militärs angezündet. Die ‚Revolutionäre Zelle der Wolgaregion‘ übernahm die Verantwortung. Ein gepanzerter Mannschaftswagen brannte auf einer Autobahn in der Region Rostow nieder (…)
Der zweite Teil der Kundendatenbank des Delivery Club ist durchgesickert. Böse Menschen werden sehr traurig sein, wenn sie wissen, dass ihre Adressen allen bekannt sind (…)
Die Website des Forschungsinstituts für Produktionsprozessautomatisierung der Moskauer Staatlichen Technischen Universität Bauman wurde gehackt und mit einer Antikriegsbotschaft versehen.
Proteste: Die Einwohner:innen von Troitsk wehren sich schon seit langem aktiv (und repressiv) gegen die Abholzung des Waldes. Die Lehrergewerkschaft Teachers‘ Alliance setzte die Abschaffung der Kriegsunterstützungsgebühren durch.Die Einwohner:innen von Kirovsk haben sich bereit erklärt, gegen eine riesige Mülldeponie zu protestieren. Ein Schüler aus Nowosibirsk, der Ihnen bereits aus verschiedenen Medienberichten bekannt ist, fordert weiterhin, dass die Behörden die Z-Symbole von den Straßen entfernen…“
- Kämpfe am Arbeitsplatz: Streikende Arbeiter:innen bei der Reparatur einer Brücke in Kurgan. Ein Kompressorwerk in Jekaterinburg wird bestreikt. Die Mediziner:innen streiken in der Region Smolensk. Spontane Kurierstreiks und Boykott des Delivery Club. Müllwagenfahrer:innen streiken in Nowosibirsk. Die geplante Kundgebung war nicht mit ihnen abgesprochen. Die Arbeiter:innen von Dalmontazhstroy streiken. Ein Streik der Minibusfahrer:innen in Beslan. Keine Neuigkeiten über den Streik der Pfleger:innen in Uljanowsk – wahrscheinlich dauert er noch an. Das Gleiche gilt für die Hausmeister:innen in Dolgoprudny. Teilweiser Streik der Mediziner:innen in Nischnekamsk. Schichtarbeiter:innen in Jakutien, denen kürzlich ihre provisorische Unterkunft mit persönlichen Gegenständen niedergebrannt wurde, streiken möglicherweise.
- Für die Zeit danach: Linke russische Kriegsgegner schaffen sich im Exil eine Plattform, um ohne Angst vor staatlicher Zensur Kritik an der Regierung zu veröffentlichen
„…Gehen oder bleiben? Die russische Invasion der Ukraine stellte russische Regierungsgegner vor eine schwierige Entscheidung. »Ich liebe Russland. Ich bin Patriot meines Landes, und ich hatte nie vorgehabt, es zu verlassen, sondern wollte immer versuchen, die Situation von innen zu beeinflussen«, schrieb der Politikwissenschaftler Ilya Matveev im Mai auf seinem Twitter-Account. »Doch mein Land hat mich und andere wie mich, die diesen Krieg niemals akzeptieren werden, abgewiesen.« Zu emigrieren sei hart, so Matveev, doch gebe das die Möglichkeit, sich weiter gegen den Krieg auszusprechen. Anfang Juni gründete Matveev gemeinsam mit dem Historiker Ilya Budraitskis und anderen Kriegsgegnern das Medienprojekt Posle (Danach), das aus linker Perspektive die russische Regierung kritisieren soll. (…) Das Ziel ihres Projektes sei es, ohne Angst vor staatlicher Zensur eine klare Kritik an der russischen Regierung zu formulieren, um den »Aufbau einer breiten und demokratischen Antikriegsbewegung« zu unterstützen, wie es im Gründungsaufruf von Posle heißt. Denn trotz aller Repression und Propaganda seien Teile der russischen Bevölkerung gegen den Krieg gestimmt, meint Budraitskis. (…) »Wir können den Krieg nicht unabhängig von der enormen sozialen Ungleichheit und der Machtlosigkeit der arbeitenden Mehrheit betrachten«, heißt es auf der Website. Ebenso wenig sei von der »imperialistischen Ideologie«, die mit Militarismus und Xenophobie den Status quo in der russischen Gesellschaft stütze, abzusehen. »Die Armen werden für diesen Krieg bezahlen«, sagt Budraitskis. »Auch die russische Armee hat einen starken Klassencharakter, es sind die armen Männer aus den Provinzstädten, die in diesen Krieg ziehen müssen, weniger die aus Moskau oder Sankt Petersburg.« (…) Auch ukrainische Sichtweisen und Autoren will das Portal publizieren. Eine der ersten Veröffentlichungen war ein Interview mit der ukrainischen Professorin an der Nationalen Universität in Charkiw, Irina Zherebkina, einer Koryphäe der Gender Studies im postsowjetischen Raum…“ Artikel von Paul Simon vom 9. Juni 2022 aus der Jungle World 2022/23 - Erneute Ausweitung von Antikriegs-Aktionen und Streiks in Russland
- Ein Überblick über interessante Ereignisse am 31. Mai: (…) In der Region Tula wurde das Fenster eines Rekrutierungsbüros eingeschlagen und Benzin ins Innere geschüttet, aber das Feuer konnte rechtzeitig gelöscht werden. Wir sind uns nicht sicher, um welchen Angriff auf das Büro für die Registrierung und Rekrutierung von Soldaten es sich handelt.
Ärger auf den Gleisen:
Auf der Strecke Moskau-St. Petersburg hatte eine Güterzuglokomotive aus irgendeinem Grund eine Panne, was zu einer anderthalbstündigen Verspätung bei den Zügen Sapsan und Lastochka führte.
Auf Sachalin hat ein Mann elektromagnetische Spulen aus Eisenbahnanlagen gestohlen.
Erneut Warnungen in letzter Minute vor Reparaturen an Bahnübergängen. Verdächtig. (…)
Kämpfe am Arbeitsplatz:
Müllwagenfahrer streiken in Nowosibirsk.
Die Pförtner (!) in Dolgoprudny streiken.
In Uljanowsk scheinen die Ärzte zu streiken.
Kurierstreiks und Boykott des Delivery Club.
Der Streik der Goldminenarbeiter endete prompt mit einem Erfolg für sie. Das zeigt einmal mehr, wie effektiv diese Methode in der mineralgewinnenden Industrie ist. Es wäre schön, wenn mehr solcher Arbeitnehmer streiken würden – wenn auch nicht direkt gegen den Krieg, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Diese Streiks schlagen den Behörden gewaltig in die Tasche, so dass sie ohnehin gegen den Krieg sind…“ Telegram-Post der Antikriegs-Stiftung vom 01. Juni 2022 (russ. – Maschinenübersetzung). - „Ein Überblick über die interessanten Ereignisse am 30. Mai: (…) Ein ‚Molotow-Cocktail‘ flog in das militärische Rekrutierungsbüro in Simferopol. Es war nicht möglich, sie richtig in Brand zu setzen. In Anbetracht der Tatsache, dass es in den benachbarten Tagen noch 2 Brandanschläge in Udmurtien gab, ergibt sich folgendes Bild: 16 Molotow-Würfe und 3 Angriffe einer anderen Art. Insgesamt sind 19 Anschläge auf militärische Rekrutierungen bekannt. Bald wird die dritte zehn gehen! (…)
Ein groß angelegter Streik der Goldminenarbeiter in der Region Krasnojarsk hat begonnen. Beeindruckend!
Die Müllwagenfahrer in Nowosibirsk streiken. Heute wurde versucht, ihre Arbeitsbücher zu stehlen.
Es kommt zu spontanen Kurierstreiks und einem Boykott des Delivery Club.
In Uljanowsk streiken die Ärzte.
Berichten zufolge stehen die Beschäftigten der Abwasserentsorgung in Astrachan kurz vor einem Streik…“ Telegram-Post der Antikriegs-Stiftung vom 31. Mai 2022 (russ. – Maschinenübersetzung). - „Ein Überblick über die interessanten Veranstaltungen am 24. Mai: (…) In der zahnärztlichen Poliklinik von Zeya traten die Beschäftigten gestern wegen einer ‚Umstrukturierung‘ in den Hungerstreik. Heute sind ihre Forderungen erfüllt worden.
In Uljanowsk streikten die Mediziner wegen Lohnkürzungen.
Die Müllwagenfahrer in Nowosibirsk streiken.
Die Streiks der Kuriere und der Boykott des Delivery Club gehen weiter.
Berichte über massenhafte Sabotage von Befehlen unter Seeleuten.“ Telegram-Post der Antikriegs-Stiftung vom 25. Mai 2022 (russ. – Maschinenübersetzung).
- Ein Überblick über interessante Ereignisse am 31. Mai: (…) In der Region Tula wurde das Fenster eines Rekrutierungsbüros eingeschlagen und Benzin ins Innere geschüttet, aber das Feuer konnte rechtzeitig gelöscht werden. Wir sind uns nicht sicher, um welchen Angriff auf das Büro für die Registrierung und Rekrutierung von Soldaten es sich handelt.
- Telefonstreiche bei Putin: Aktivist:innen haben 5000 Telefonnummern von russischen Militärs gekapert, die sie wahllos einander anrufen lassen
- „Die Aktivisten haben 5000 Nummern von Militärs, Geheimdienstlern und Politikern erbeutet. Klickt man auf einer Website einen Button, startet eine Telefonkonferenz zwischen zwei zufällig ausgewählten Anschlüssen. Sollten sich die Geländegewinne der russischen Armee seit Mittwochnachmittag noch weiter verlangsamen, dann ist das vielleicht nicht nur neuen Waffenlieferungen an die Ukraine zuzuschreiben, sondern auch dem wohl ambitioniertesten Telefonstreich, den es je gab: ‚Wasterussiantime‘ – verschwende russische Zeit, lautet der Titel. Geht der Plan des Kunstkollektivs ‚The Obfuscated Dreams of Scheherazade (TODS)‘ auf, werden es hochrangige russische Militärs, Geheimdienstleute und Politiker schwer haben, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren: ‚Stell dir vor, du willst ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit organisieren, aber dein Telefon hört einfach nicht auf zu klingeln!‘, heißt es in einer Pressemeldung von TODS. Noch mehr Unruhe wird aber der Umstand verbreiten, dass am anderen Ende der Leitung jeweils ebenfalls ein Mitglied der russischen Führungskaste sein wird. Die Leute von TODS hatten die Idee bereits am zweiten Kriegstag. Alles begann mit 5000 Telefonnummern, unter anderem von Geheimdienstleuten und Duma-Mitarbeitern, die sie aus mehreren Leaks erhalten hatten. Klickt man nun auf der seit Mittwochmittag freigeschalteten Website wasterussiantime.today einen Button, startet ein ‚Dialer‘ eine Art Telefonkonferenz zwischen zwei zufällig ausgewählten Nummern aus dem Leak. Kommt die Verbindung zustande, kann man unbemerkt zuhören, wie die beiden unfreiwilligen Gesprächspartner sich gegenseitig zu erklären versuchen, was gespielt wird. Sie erfahren dabei nichts von der Identität der Person, die den Anruf von der Website gestartet hat. Es gibt auch keine Möglichkeit, zu den Russen zu sprechen. Friedlicher Protest gegen den Krieg: Wer auf diesen Button klickt, verbindet zwei Gesprächspartner der russischen Führungskaste und kann ihnen zuhören…“ Artikel von Jörg Häntzschel in der Süddeutsche vom 18. Mai 2022 („Künstlerkollektiv spielt russischer Staatsführung einen riesigen Telefonstreich“).
- Polizist organisierte sich mit Freunden und stahl Schienen im Bezirk Kirov (…) Eisenbahnarbeiter:innen in der Region Tjumen stahlen 800 kg Schienen. Übrigens schrieb ‚Stop the Waggons‘, dass die regierungsfreundlichen Medien Sabotage oft als Diebstahl tarnen, so wie Brandstiftung als Kabelbrand getarnt wird. (…) In der Region Nowosibirsk wird ein bestimmter Mann ebenfalls des Diebstahls von Schienen beschuldigt. (…)Schulkinder sollen den Zugverkehr in Primorje gestoppt haben, indem sie Steine auf die Schienen legten. (…) Aus irgendeinem Grund wird die Eisenbahn an mehreren Stellen gleichzeitig repariert. Sollte dies nicht schrittweise geschehen, von einem Abschnitt zum anderen während der geplanten Wartungsarbeiten?…“
- Weitere Berichte über Antikriegsaktionen / Gefängnisbriefe an Aktivistin Viktoria Petrova schreiben! / 20. Mai 2022: Internationaler Tag der Solidarität mit Dzhavid Mamedov und allen Kriegsgegner:innen in Russland!
- „In Sachalin (Dolinsk) schnitt ein pensionierter Polizeibeamter mit einem Messer ein Z-Transparent mit der Aufschrift „Wir lassen die Seinen nicht im Stich“ ab und protestierte damit gegen die Sonderoperation. Er wurde in das Polizeirevier gebracht, in dem er vor Jahrzehnten gearbeitet hatte.“ Ein Post vom russischen antimilitaristischen Telegram Kanal „Die Wahrheit sticht“ vom 12. Mai 2022 (russ. – Maschinenübersetzung)
- „Um den Zaun des [regime-kritischen] Journalisten Yevgeniy Malyshev kam es zu einer Konfrontation, bei der offenbar die gute Seite gewann. In den ersten Tagen der ‚Sonderaktion‘ stand auf der Garage des Journalisten: ‚Hier leben die Unterstützer der Ukranazis‘. Sie haben es nicht übermalt. Bald schrieb einer der Einheimischen um: ‚Hier leben Komplizen der Meinungsfreiheit‘. Dann übermalten andere Aktivisten einen Teil des Textes mit leuchtend gelber Farbe; er lautete: ‚Hier leben schöne Menschen‘.“ Telegram Post von „Die Wahrheit Sticht“ vom 12. Mai 2022 (russ. – Maschinenübersetzung).
- 20. Mai: Internationaler Tag der Solidarität mit Dzhavid Mamedov und allen russischen Antikriegs-Aktivist:innen!
„…Von Anfang an haben Zehntausende von Russ:innen Widerstand geleistet und sich mutig gegen den Krieg und das Regime ausgesprochen, wobei sie ernsthaft politische Verfolgung und Verhaftung riskierten. In dieser Zeit wurden mehr als 15.000 Menschen festgenommen, viele von ihnen waren von Polizeigewalt, Folter und langen Haftstrafen bedroht. Bislang ist es der Repression gelungen, eine organisierte Opposition gegen den Krieg zu verhindern, was jedoch nicht bedeutet, dass es sie nicht gibt. (…) Eine Reihe von Rekrutierungsbüros der Armee wurde mit Molotowcocktails angegriffen. Eine Welle von Bränden hat Öl- und Waffenlager in Russland selbst zerstört, nicht nur an der Grenze zur Ukraine. Letzte Woche brannte eine Sprengstofffabrik im Ural, während ein riesiges Lagerhaus mit Schulbüchern in Twer, einer Stadt 100 km nördlich von Moskau, zerstört wurde, kurz nachdem der Verlag angekündigt hatte, jegliche Erwähnung der Ukraine aus den Geschichtsbüchern zu entfernen. (…) Dzhavid ist ein Opfer dieser Willkür geworden. Anfang April wurde er für 30 Tage ins Gefängnis gesteckt, weil er in den sozialen Medien einen Aufruf zum Widerstand gegen den Krieg gepostet hatte. Eine Woche vor Ablauf seiner Strafe begannen seltsame Dinge zu geschehen. Er fand sich mit einem neuen Zellenkameraden wieder. Es stellte sich heraus, dass diese Person am 25. März mit großem Medienrummel verhaftet worden war, weil man ihn beschuldigte, ein ukrainischer Spion zu sein. Sie nannten ihn einen gefährlichen Kriminellen, der, wie die Medien berichteten, gestanden hatte, sowohl für die Ukraine als auch für Polen zu spionieren. Die Tatsache, dass er plötzlich in Dschawids Zelle in einem Gefängnis für nicht kriminelle Straftäter auftauchte, deutete darauf hin, dass er nun mit den Sicherheitsdiensten zusammenarbeitete. Er drohte Dzhavid offen damit, dass er wegen ‚extremistischer Aktivitäten‘ angeklagt würde, wenn er nicht bis zum 2. Mai das Land verlasse. (…) In Absprache mit anderen Unterstützer:innen hatte Dzhavid ohnehin beschlossen, das Land zu verlassen. Als er am Samstag das Gefängnis verließ, wurden Vorkehrungen getroffen, um ihn bis zu seinem Flug in Sicherheit zu bringen. Dennoch gelang es der Polizei, ihn erneut aufzuspüren, sei es durch eine Gesichtserkennungskamera oder durch das Abhören einer vermeintlich sicheren Chat-Nachricht. Zu allem Überfluss wurde er erneut wegen desselben Delikts angeklagt, für das er seine erste Strafe verbüßt hatte – mit dem einzigen Unterschied, dass die Polizei nun behauptete, er sei ein Organisator. Ein Vorwurf, der nicht stichhaltig ist, da er lediglich einen Aufruf veröffentlicht hat. Zusätzlich zu seiner zweiten einmonatigen Haftstrafe wurde er wegen ‚Verunglimpfung der russischen Armee‘ zu einer Geldstrafe von 50000 Rubel – etwa 700 Euro – verurteilt.
Die ISA [International Socialist Alternative] ruft [am 20. Mai 2022] zu einem Tag der internationalen Solidarität mit Dschawid und allen russischen Antikriegsaktivist:innen auf. (…)
Bitte senden Sie Proteste direkt an Ihre Botschaft, mit Kopien und Berichten an intsocaltrussia@gmail.com“ Meldung der International Socialist Alternative vom 13. Mai 2022 (engl.).
- Sabotageaktionen auf Webseiten / Russische Opposition von Deutschland aus / Wie kann Solidarität mit der ukrainischen und russischen Antikriegsbewegung aussehen?
Abgesehen von Stickern, Grabmälern und anderen klandestinen Protestformen weiten sich auch Sabotagen auf die russische Infrastruktur, wie Medien und Schienen aus. So schreibt Marina Ovsyannikova am 9. Mai 2022 im Redaktionsnetzwerk Deutschland („Protestaktion: Redakteure veröffentlichen Putin-Kritik in kremlnahem Medium“): „Diese Protestaktion dürfte Wladimir Putin gar nicht gefallen haben: Am russischen Feiertag ‚Tag des Sieges‘ veröffentlichen zwei Redakteure Kritik am Präsidenten auf einem kremltreuen Medium. Rund 20 kritische Texte waren so im Internet verfügbar. Ausgerechnet am wichtigen russischen Feiertag ‚Tag des Sieges‘ sind in einem eigentlich kremltreuen Medium kurzzeitig kritische Artikel über Präsident Wladimir Putin aufgetaucht – und wenig später wieder gelöscht worden. Zu der Protestaktion bekannten sich später zwei Redakteure der Online-Plattform Lenta.ru. Nun sei er seinen Job bei Lenta wohl los, sagte der bisherige Leiter der Wirtschaftsredaktion, Jegor Poljakow, am Montag dem kritischen Medium Mediazona. Einer der kurzzeitig veröffentlichten Artikel trug etwa den Titel: ‚Putin muss gehen. Er hat einen sinnlosen Krieg losgetreten und führt Russland in den Abgrund.‘ (…) Insgesamt wurden rund 20 solcher Texte kurzzeitig auf Lenta.ru veröffentlicht, sind aber mittlerweile nur noch im Webarchiv einsehbar. Alle Beiträge fingen mit der Vorbemerkung an, dass das Material nicht mit der Führung des Mediums abgestimmt sei. Für ihre Protestaktion hatten Poljakow und seine Kollegin Alexandra Miroschnikowa offenbar Überschrift und Text schon bestehender Artikel auf der Seite ausgetauscht. ‚Wichtigster Grund war das Gewissen‘, begründete Poljakow sein Vorgehen. Da unabhängige Medien ohne alternative Internetzugänge in Russland nicht mehr aufzurufen seien, habe er sich mit seiner Mitarbeiterin dazu entschlossen, deren Materialien für die Leser seines Mediums zugänglich zu machen, sagte Poljakow.“- „Wie die russische Opposition von Deutschland aus agiert“
„Zahlreiche Russen sind aus ihrem Heimatland geflohen, auch nach Deutschland. Geschätzt sind es zwischen 200.000 und 500.000 Regimegegner, Oppositionelle und Andersdenkende. Sie wollen sich nicht gemein machen mit der russischen Führung. Von Deutschland aus versuchen sie, sich für ein „freies Russland“ einzusetzen. (…) Julia Abdullajeva hat ein Tischchen aufgestellt, darauf liegt ein Stapel mit Fahnen: Weiß-Blau-Weiß. Die Farben stehen für ein ‚freies Russland‘: ‚Vor ungefähr zwei Monaten gab es wieder eine große Diskussion unter russischsprachigen Migranten in Europa, dass die Russen, die gegen den Krieg in der Ukraine sind, ein Symbol brauchen. Und so ist die Idee geboren. Die klassische offizielle russische Fahne zu nehmen und die roten Streifen halt weiß zu machen. Also, die neue russische Fahne ist ohne Blut und ohne Gewalt.‘ (…) Unterschiedlichen Schätzungen zufolge sind zwischen 200.000 und 500.000 Russinnen und Russen in den letzten Wochen vor den verschärften Unterdrückungsmaßnahmen aus dem Land geflohen, viele nach Armenien, Georgien, ins Baltikum und auch nach Deutschland. Auch, weil sie es moralisch nicht mehr ausgehalten haben, in einem Land zu leben, das einen Vernichtungskrieg führt – es zugleich unter Strafe stellt, diesen überhaupt „Krieg“ zu nennen…“ Ein Hörbeitrag von Gesine Dornblüth und Thomas Franke vom 11. Mai 2022 auf Deutschlandfunk . - „Wie ihr uns sonst noch helfen könnt“
Am 12. Mai 2022 schrieb das feministische Antikriegskollektiv in einem Telegram-Post (russ. – Maschinenübersetzung): „Viele Menschen, die gezwungen waren, die Russische Föderation zu verlassen, fragen uns oft, wie sie uns und die russische Anti-Kriegs-Bewegung nun finanziell unterstützen können – jene Menschen (unsere entlassenen Kolleg:innen, verletzte Aktivist:innen und andere), die unter dem Joch einer täglich eskalierenden Diktatur stehen, aber trotzdem weiterarbeiten und kämpfen. Unsere Antwort lautet wie folgt:
1) Helfen Sie in erster Linie dem ukrainischen Widerstand gegen den Besatzungskrieg, ukrainischen Organisationen und ukrainischen Flüchtlingen in dem Land, in dem Sie sich befinden.
2) Wenn Sie bereits helfen, aber noch Mittel übrig haben, um die russische Anti-Kriegs-Bewegung zu unterstützen, können Sie uns eine Spende zukommen lassen oder eine kleine Benefizveranstaltung in Ihrer Nähe organisieren.
3) Dies könnte eine Antikriegsauktion, ein Buch- oder Kunstverkauf, eine Wohltätigkeitsbar oder eine Fahrradtour sein – jede Veranstaltung zu unserer Unterstützung, die Sie gerne organisieren würden.
4) Die FAS [Fem against War] wird den gesamten Erlös euer Veranstaltung an den @strikefund spenden – unser gemeinsames Projekt mit @antijob_online und @stranabolna, das Menschen, die aufgrund ihrer Antikriegshaltung am Arbeitsplatz diskriminiert werden, kostenlosen Rechtsbeistand bietet. Ohne den Schutz der Arbeitnehmer:innenrechte ist es unmöglich, einen wirklich starken Protest aufzubauen.
5) Von dem eingenommenen Geld zahlen wir keine Bußgelder für Kundgebungen, um nicht den Krieg und den Staat zu ernähren, sondern wir stellen nur Geld für die Protestierenden am Arbeitsplatz, die Streikenden, die aufgrund ihrer Position ihre Arbeit verloren haben und die, die nichts haben, um ihre Kinder zu ernähren, zur Verfügung. Jedes Hilfegesuch wird überprüft.
Wenn Sie unsere Antikriegsstiftung und uns auf diese Weise unterstützen wollen und können, schicken Sie uns bitte eine Nachricht per Bot oder direkt, welche Veranstaltung Sie offline oder online durchführen möchten, damit wir Ihnen unsere Sammeldaten zusenden können. Wir werden Ihnen die Einzelheiten nur noch persönlich mitteilen, da die Betrüger hinter uns her sind.
Wir werden öffentlich darüber berichten, wie das Geld ausgegeben wird.Wir danken euch.“
- „Wie die russische Opposition von Deutschland aus agiert“
- In Russland steht der 9. Mai (Tag des Sieges) für Aktivist:innen im Zeichen der Trauer und Antikriegsproteste
- Mit unterschiedlichen teilweise klandestinen Aktionen reagieren russische Gegner:innen des Krieges am Feiertag, den 9. Mai auf die Kriegsparade. Unter #День_Беды #женщины_в_чёрном (#Tag des Sieges #Frauen_in_Schwarz) werden im Minutentakt auf Telegram und Twitter Aktionen geteilt. Es werden Flugblätter mit Gedichten zum Krieg öffentlich angebracht, Gedenkstätten für die ermordeten Menschen in der Ukraine errichtet. Es gibt sogar Aktivist:innen, die sich auf pro-Regierungsdemonstrationen filmen lassen, wie sie kurz Antikriegssymbole hochhalten, wie weinende Augen auf den Handflächen oder „Nein zum Krieg“ auf den Hinterseiten ihrer Schilder. Eine Aktivistin von Fem Against War berichtet am 9. Mai 2022 (russ. Maschinenübersetzung) auf dem Telegram Kanal des Kollektivs: „Ich stand etwa fünf Minuten lang, dann kam ein aggressiver Mann auf mich zu, sagte, ich würde die Nazis unterstützen, zerriss das Plakat und warf es weg. Er drohte mir, mich ins Gesicht zu schlagen, ein Mädchen kam zu mir und setzte sich für mich ein, und als er ging, drückte sie ihren Respekt für mich aus. Ich kaufte ein Stück Baumwollstoff und einen Filzstift und zeichnete ein neues Poster. Ich beschloss, dass es für die Aktivist:innen des Regiments zu schmerzhaft war, dies zu lesen, und stellte mich dorthin, wo nur Passanten waren. Ich stand etwa 20 Minuten lang, ein zustimmender Mann kam, dann kam ein anderer aggressiver Mann, nahm das Plakat weg und warf es in den Mülleimer. Ich nahm es heraus und stand wieder auf. Er kam zurück, aber ich war bereit und habe ihm das Poster nicht gegeben, außerdem hatte ich Leute, die mich beschützten. Er ging weg. Dann habe ich etwa zehn Minuten damit verbracht, mit meinen Verteidigern darüber zu streiten, dass Russland im Unrecht ist. Ein Wagen mit Polizist:innen hielt nebenan, und ich ging zum Mittagessen. Ich aß, suchte mir einen neuen Platz, stand drei Minuten, dann kamen die Polizist:innen und forderten mich auf, zu gehen. Ich bin gegangen. Ich hatte es satt, immer wieder versetzt zu werden, also ging ich nach Hause. Sie haben mich nicht wieder verhaftet.“
- „In Nowosibirsk wurde der örtliche Aktivist Wladimir Saltewski bei der Kundgebung des ‚Unsterblichen Regiments‘ festgenommen. Er kam mit Plakaten, auf denen stand: ‚Ich schäme mich für euch, Enkelkinder‘ und ‚Wir haben diesen Faschismus besiegt, wir werden auch diesen besiegen‘.“ Telegram Post vom 9. Mai 2022 im Kanal „Russian Opposition“ (russ. Maschinenübersetzung).
- Projekt Frühlingsbewegung berichten am 9. Mai 2022 auf ihrem Telegram Kanal (russ. Maschinenübersetzung): „Die Antikriegskampagne ist in Nischni Nowgorod aktiv. Die Abonnent:innen schreiben: Wir kamen nach Nischni Nowgorod und waren erstaunt, hier so viel Anti-Kriegs-Propaganda zu sehen. Du gehst nach oben, um deinen Aufkleber anzubringen, und da ist schon etwas!“
- Die Antikriegsbewegung in Russland wird militanter: Von Stickern, Blutbadparaden und Explosionen – viele Aktionen für den 9. Mai geplant
- Auf der Telegramseite des russischen „Projekt Frühlingsbewegung“ werden unzählige Bilder von Stickern, Graffitis, Plakate und Wandmalereien unter dem Thema ‚Picket against War‘ gesammelt, die Aktive in unterschiedlichen Orten Russlands angebracht haben und die sich gegen den Krieg richten. Die Aktivist:innen des Kanals schreiben unter jeden Post von Fotosammlungen (russ- Maschinenübersetzung): „In unserem Leitfaden [Telegra.ph Artikel vom 18. März 2022; russ.] für visuelle Proteste und in unserem öffentlichen Archiv finden Sie alle Formen der Agitation.“
- Neben den Stadtguerilla-Aktionen zur Sichtbarmachung des Anti-Kriegsprotestes sind auch erneut größere Aktionen geplant. Am 9. Mai 2022 dem Tag des Sieges der Roten Armee ruft das feministische Kollektiv FemAgainstWar laut ihrem Telegram-Kanal ab 13 Uhr zu Aktionen auf. Am 5. Mai 2022 schreiben sie dazu in einem Telegrampost (russ. – Maschinenübersetzung): (russ. – Maschinenübersetzung): „9. Mai, ab 13.00 Uhr. (…) In all den Jahren wurde der 9. Mai von Putin nicht als antifaschistischer und antimilitaristischer Feiertag begangen, sondern als ein Feiertag, der zum Krieg ermutigt. Der 9. Mai 2022 wird ein besonders beängstigender Tag sein: Propaganda über ‚ukrainische Nazis‘ und ‚gerettete Russen‘ wird über die Fernsehbildschirme flimmern, ein neuer schändlicher Invasionskrieg wird den Großen Vaterländischen Krieg überlagern, um die beiden Schichten der Geschichte zu einem monströsen Heldentum zu verschmelzen. Im belagerten Mariupol werden die russischen Behörden eine ‚Siegesparade‘ abhalten. Es wird eine Blutbad-Parade sein. Es wird spekuliert, dass Putin am 9. Mai den Russen seine vorgetäuschten militärischen Erfolge verkünden will. Es ist möglich, dass am 9. Mai friedliche Ukrainer:innen, Nachkommen von Menschen, die unter anderem im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben, weiterhin durch russische Raketen sterben werden (…) Seit zwei Monaten führen wir in der Stadt Aktionen durch, die unsere Antikriegsposition deutlich zum Ausdruck bringen. Unsere Position ist ganz einfach: Der Krieg muss sofort beendet werden, die Besatzungstruppen müssen abgezogen werden und die russische Regierung und die Streitkräfte müssen wegen Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine vor Gericht gestellt werden. Wir lassen die regierungsfreundlichen Aktionen der Siegesparade und des Unsterblichen Regiments beiseite und gedenken auch der Veteranen des Zweiten Weltkriegs, unserer Großeltern, die diesen neuen monströsen Krieg nicht mehr erlebt haben. Wir erklären den Tag des Sieges zum Tag des Sieges, das Unsterbliche Regiment zum Unsterblichen Regiment und die Siegesparade zur Blutparade.“
- Aktionen an diesem Tag
Und weiter schreiben sie: „1. (…) Viele Menschen haben geschrieben, dass sie an diesem Tag ihre kollektive Trauer zum Ausdruck bringen möchten. Kommen Sie um 13:00-14:00 Uhr auf die Plätze, Straßen und Alleen des Friedens in Ihrer Stadt und tragen Sie schwarz, anstelle der St.-Georgs-Bänder, nehmen Sie schwarze Bänder und binden Sie sie um die Stadt, ähnlich den grünen Anti-Kriegs-Bändern. Schwarze Bänder werden für Fotos bei Beerdigungen verwendet; für uns ist der 9. Mai ein Tag der Massengräber und Beerdigungen. Es ist wahrscheinlich, dass Sie auf andere Menschen treffen, die schwarz tragen. Bleiben Sie dicht beieinander, um zu kommunizieren und sich gegenseitig vor möglichen Angriffen zu schützen. (…)
2. Das ‚Todesregiment‘ ist eine Variante der Gedenkaktion #Mariupol5000, die Sie bereits kennen. Wir schlagen vor, in den Innenhöfen Ihrer Städte selbstgefertigte Denkmäler für die ermordeten Ukrainer:innen aufzustellen. Es sollte viele dieser Gedenkstätten im ganzen Land geben. Sie können Gedenkstätten in jeder Form errichten: Es können selbstgemachte Kreuze mit Fotos und Gedenktafeln sein, es können Gedenktafeln an Häusern sein, Sie können Straßen nach den Toten benennen. Die Namen vieler toter Ukrainer:innen sind in den Nachrichten und Kanälen (z. B. dieser Gruppe) öffentlich bekannt, unter den Toten sind auch diejenigen, die wir kannten und liebten. Zu den Opfern der russischen Aggression gehören auch unabhängige russische Journalisten, die bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet werden. Denken Sie an diesem Tag an Menschen wie Oksana Baulina. Schreiben Sie auf Plakaten über russische Kriegsverbrechen in Bucha, Mariupol, Irpen, Kramatorsk. Es sind Zehntausende von Toten, die unser Land zurückgelassen hat. (…)
3. Für diejenigen, die an diesem Tag nicht trauern, sondern ihre Wut zeigen wollen, schlagen wir ein anderes Format vor – die Aktion ‚Blutparade‘: Gießen Sie in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai oder während des 9. Mai rote Farbe über Objekte, die es verdienen: die Buchstaben Z, hinterlassen Sie Blutlachen in der Nähe von Militärausrüstung, gießen Sie es auf die Stufen von Militärregistrierungs- und Verwaltungsgebäuden, auf zentrale Straßen und Plätze, auf Straßen, auf denen Staatsmärsche stattfinden werden.
Russland ist im Blut der Ukrainer ertrunken, dieses Blut soll auf der Oberfläche der Stadt sichtbar werden und auch Teil des Tages des Sieges werden. Lasst das Blut auf die Bilder derjenigen kommen, die diesen Krieg feiern werden, die Farbe wird keine Zeit haben, sich zu schnell abzuwaschen. Denken Sie an Kameras, unauffällige Kleidung und andere Vorsichtsmaßnahmen. Dies ist eine gefährliche Aktion. Die Sicherheitshinweise finden Sie hier in einem separaten Beitrag [russ. auch aus dem Telegramkanal von…“ - Zunahme von Sabotageaktionen und Explosionen
Bereits am 1. Mai 2022 dokumentierte die Gesellschaft der belarussischen Eisenbahn neue Sabotageaktionen in Russland und leitete auf ihrem Telegram Kanal entsprechende Fotos weiter (russ. – Maschienenübersetzung): „Es wurden Fotos vom teilweisen Einsturz einer Brücke auf dem 67. Kilometer der Strecke Sudzha-Sosnovy Bor in der Region Kursk veröffentlicht. Der Einsturz wurde am 1. Mai gegen 11 Uhr vormittags entdeckt. Nach Angaben von Roman Starovoit, dem Gouverneur der Region, wurde die Brücke durch Sabotage beschädigt.“ - Bernhard Clasen schreibt in der TAZ am 3. Mai 2022 im Artikel „Mysteriösen Explosionen“ : „Das kann kein Zufall und kein technisches Versagen mehr sein: Immer häufiger brennen in Russland, insbesondere im Grenzgebiet zur Ukraine, Militäreinrichtungen, oder es kommt zu mysteriösen Zerstörungen der Infrastruktur. Mehrere Explosionen in der südrussischen Metropole Belgorod, 80 Kilometer von der ukrainischen Stadt Charkiw entfernt, schreckten in der Nacht zu Montag die Bewohner aus dem Schlaf. (…) In Belgorod und anderen Orten Russlands häufen sich die Ereignisse, bei denen es sich wohl um Sabotageakte handelt. Ebenfalls am Wochenende hatte Gladkow seine Bevölkerung von einem mysteriösen Feuer unterrichtet, das „auf einer Einrichtung des russischen Verteidigungsministeriums“ in Stadtnähe ausgebrochen war. (…) Auch in anderen russischen Städten häufen sich Sabotageakte. Am Sonntag erklärte der Gouverneur des ebenfalls nahe der ukrainischen Grenze gelegenen russischen Gebietes Kursk, Roman Starowojt, der Einbruch einer Brücke in seinem Gebiet sei auf Sabotage zurückzuführen. Das russischen Anarchisten nahestehende Portal a2day.org berichtet über weitere Sabotageakte gegen den Krieg. Man wisse von mindestens zwei Brandstiftungen bei Rekrutierungszentren. Außerdem seien mehrere Fahrzeuge der Armee an verschiedenen Orten Russlands in Brand gesteckt worden. In der Stadt Kostroma, so das Portal, habe ein Monument der russischen Kriegspropaganda mit dem Buchstaben „Z“ nur drei Wochen gestanden, dann sei es abgerissen worden. Nicht einmal ein Warnschild mit dem Hinweis, das Objekt stehe unter Strom, habe es retten können. Doch die Polizei habe eine Person in Zusammenhang mit dem Vorfall festgenommen…“
- Die Stiftung gegen den Krieg postete am 5. Mai 2022 (russ. – Maschinenübersetzung) folgende Beobachtungen: „Zusammenfassung der mysteriösen Ereignisse vom 5. Mai: 1) Ein Güterzug (7 Panzer und ein Waggon) ist in Baschkirien entgleist. Beschädigung der Bahngleise. (…) 3) In der Region Swerdlowsk kam es zu einem „natürlichen Brand“ auf den Bahngleisen, der dazu führte, dass die Gleise auf natürliche Weise Feuer fingen. Gestern gab es einen ähnlichen Vorfall in Vologda. Zufall!? 4) Und in der Region Perm wurden die Bahngleise durch plötzlich umgestürzte Bäume blockiert. ‚Was sagt der Wind dazu?‘ (…) 8) Ein Verwaltungsgebäude in Smolensk brannte lichterloh. Viele von ihnen brennen in verschiedenen Städten… Wie werden sie uns jetzt verwalten? 11) Die Müllwagenfahrer streiken nicht nur weiter, sondern bereiten sich auch darauf vor, ihren Arbeitgeber zu verklagen, weil dieser beschlossen hat, ihnen den Lohn für ihren Streik vorzuenthalten. Los geht’s! 12) Die Zusteller streiken, es gibt eine umfangreiche Kampagne zu ihrer Unterstützung, und die Kund:innen boykottieren den Delivery Club. Sie fragen sich vielleicht, warum der Lebensmittel-Lieferdienst angegriffen wird? Nicht nur, weil er die Arbeitnehmer abzockt. Delivery Club ist zu 98% im Besitz von VK und Sber :) 13) Auch in Yachtclubs geschehen immer wieder mysteriöse Dinge. In den Vororten Moskaus beschlagnahmte und zertrümmerten [Menschen eine] Jacht für 10 Millionen. Nun, was ist zu erwarten, wenn die Mehrheit der Menschen in Armut versinkt und einige wenige sich Paläste und Yachtclubs bauen? 14) Einige ‚Vandalen‘ haben es irgendwie geschafft, ein neues Gebäude in Rjasan zu zerstören, das für das Militär bestimmt ist. Wahrscheinlich wäre sie ohnehin untätig gewesen – es gibt deutlich weniger Soldaten im Land…“
- Antikriegsbewegung in Russland: Protest auf Ostereiern und im Supermarkt
„Grosse Demonstrationen gegen den Krieg finden nicht mehr statt. Das sagt viel aus über die Repression in Russland – aber wenig über die Haltung der Menschen. Insbesondere Feministinnen lassen den Widerstand weiterleben, wenn auch in subtiler Form. (…) Selbst in oppositionellen Kreisen wird über die Frage debattiert, ob es in Russland eine Antikriegsbewegung gebe. Witali Bowar gehört zu jenen, die davon überzeugt sind, dass es sie gibt. Mehr noch: Sie reiche weit über die klassische Anhänger:innenschaft der Opposition hinaus, sagt er. Dass sich der Protest nicht in Form von Massenkundgebungen äussere, sei kein Indiz für fehlenden Widerstand: «Ich habe nicht das Gefühl, dass sich irgendetwas verändern wird, wenn wir auf die Strasse gehen», so Bowar, «selbst wenn es unglaubliche Massen wären.» Anstatt sichtbare Resultate zu erreichen, würden Aufrufe zu Strassenprotesten fast schon kontraproduktiv wirken, weil sie mit relevanten Sicherheitsrisiken verbunden seien. Seit Kriegsbeginn wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Agora über hundert Strafverfahren wegen kritischer Aussagen oder Aktionen eingeleitet. So drohen der Petersburger Künstlerin Alexandra Skotschilenko wegen angeblicher Diskreditierung der russischen Streitkräfte bis zu zehn Jahre Straflager. Sie hatte in einem Supermarkt die Preisschilder mit Informationen über die Kriegsfolgen ersetzt. Jetzt sitzt sie in Untersuchungshaft. Dank zahlreicher Solidaritätsbekundungen hat ihr Fall viel Aufsehen erregt – anders als unzählige weitere Administrativverfahren, die nur eine kurze Haft oder eine Geldbusse nach sich ziehen. (…) Wo alles einem Verbot zu unterliegen scheint, macht sich unweigerlich Frust breit. Um dem entgegenzuwirken, brauche es konkrete Handlungsperspektiven: Zu diesem Schluss kommt der Feministische Widerstand gegen den Krieg, kurz FAS, und setzt bei kreativen Herangehensweisen an. «Wir schlagen relativ sichere Handlungsformate vor», sagt eine der Initiantinnen und Koordinatorinnen der Bewegung. (…) Zu Ostern rief der FAS Frauen dazu auf, mit blau-gelb gefärbten Eiern die Ostergottesdienste zu besuchen – und auch, sich das überall anzutreffende Kürzel «Ch W» zunutze zu machen. Im religiösen Sinne steht es für die Auferstehung Christi, aber die beiden Buchstaben des kyrillischen Alphabets können genauso als Abkürzung für «Gegen Krieg» interpretiert werden…“ Artikel von Katja Woronina, St. Petersburg, in der WoZ vom 28.04.2022 - [Mit Solidaritätsadresse] 5000 russische Lehrkräfte protestieren mutig gegen den Krieg Russlands in der Ukraine
„Über 5000 Lehrkräfte aus allen Regionen Russlands haben eine Petition der Initiative „Lehrkräfte gegen den Krieg“ unterzeichnet – der größte Protest seit mehr als 30 Jahren unter den Lehrenden. In der Petition hieß es: „Der Krieg gegen die Ukraine …ist nicht unser Krieg. Die Invasion auf das Territorium der Ukraine begann im Namen russischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, aber gegen unseren Willen. Wir sind Lehrkräfte und Gewalt widerspricht dem Wesen unseres Berufes. In der Hitze des Krieges sterben unsere Schülerinnen und Schüler. Krieg führt unvermeidlich zu einer Zuspitzung der sozialen Probleme unseres Landes. Wir unterstützen die Antikriegsproteste und fordern einen sofortigen Waffenstillstand.“ Inzwischen musste die Petition von der Homepage genommen werden, weil das neue russische Mediengesetz Kritik am Krieg unter Strafe stellt. Den Unterzeichnern der Petition drohen Verfolgung und Entlassung. Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern erklärte: „Für euer mutiges Eintreten für den Frieden verdient ihr unseren Respekt, unsere Solidarität und unsere Unterstützung.“ Solidaritätsadressen an die Lehrkräfte in Russland können versendet werden an: teachershelpnow@gmail.com.“ Meldung vom 25.04.2022 in den Rote-Fahne-News – siehe zur Initiative „Lehrkräfte gegen den Krieg“ die erste Meldung weiter unten - Was können wir jetzt tun? Eine kritische Bestandsaufnahme der Aktionen gegen den Krieg in Russland
„… Selbst bei den pessimistischsten Berechnungen unterstützen Millionen von Russ*innen die »Spezialoperation« nicht – oder haben zumindest eine ambivalente Wahrnehmung der Ereignisse. Eine andere Frage ist, wie viele derjenigen, die dagegen sind, auch bereit sind, ihre Ablehnung offen zu äußern. Und was noch interessanter ist – welche politischen Kräfte in der Lage sind, den Protest zu lenken. (…) Die Protestwelle im Januar und Februar 2021 war das letzte Aufblitzen, bevor die Ära der politischen Reaktion begann. Auch die Hoffnungen auf einen neuen Aufschwung im Zusammenhang mit den manipulierten Duma-Wahlen haben sich nicht erfüllt. (…) Die Tagesordnung hat sich geändert. Das Problem der Demokratisierung des Regimes ist jetzt in den Hintergrund getreten, während sich die Fragen der Beendigung der Kampfhandlungen und der Aufhebung der Sanktionen, die Tausende von Russ*innen arbeitslos gemacht haben, in aller Schärfe stellen. Meinungsumfragen zufolge ist der höchste Prozentsatz an Gegner*innen der »Spezialoperation« unter denjenigen zu finden, die nicht einmal genug Geld für Lebensmittel haben. (…) Eine politische Massenbewegung ist jetzt unmöglich. Die wöchentliche Mobilisierung von Menschen für »friedliche Aktionen« führt nur zur Erschöpfung der Aktivist*innen – einige werden ins Gefängnis gehen, einige werden auswandern und einige werden ausbrennen und den Kampf beenden. (…) Russische Soldaten sterben bei einem von der Regierung angeordneten Massaker. Sie hinterlassen Eltern, Verwandte und Freund*innen. Mütter von ermordeten Soldaten, Familien von Soldaten – diese Menschen sind voller Schmerz und Wut, die es in die richtige Richtung zu lenken gilt. Am 20. März blockierten mehreren Medienberichten zufolge Frauen in Karatschai-Tscherkessien die Straße und verlangten Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen in der Ukraine. Mütter und Verwandte von Soldaten können durchaus eine organisierte politische Kraft sein. (…) Die sich verschlechternde Wirtschaftslage und der Rückzug Dutzender großer ausländischer Unternehmen aus Russland führen zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. In naher Zukunft werden Tausende von Menschen ohne Einkommen dastehen. Es ist daher eine wichtige Aufgabe, das immer größer werdende Heer der Arbeitslosen zu organisieren und ihnen zu helfen, sich als soziale Kraft bewusst zu werden. (…) Gleichzeitig müssen wir Beziehungen zu den Belegschaften in den Betrieben aufbauen, sowohl in öffentlichen als auch in privaten Unternehmen. In der Krise werden die Unternehmen die Lohnzahlungen an ihre Beschäftigten einstellen. Massenstreiks wegen unbezahlter Löhne – das ist unsere Zukunft. Wir müssen spontane wirtschaftliche Bewegungen mit einer politischen Bewegung verbinden…“ Beitrag der in Russland aktiven Gruppe Alternative Linke in der Übersetzung von Christoph Wälz vom 12. April 2022 aus ak 681 - Russische Kulturschaffende gegen den Krieg
„Russische Rapstars wie Face und Oxxxymiron erheben ihre Stimme gegen den Krieg. Aber dafür mussten sie, wie zehntausende andere junge Oppositionelle, ihr Land verlassen. Die Artrocker IC3PEAK posten Protestvideos. Auch sie sind kurz vor Veröffentlichung des neuen Videos ausgereist. Wer sich gegen Putin stellt, ist dort nicht mehr sicher. TikTok-Star Nikita Sass postet trotzdem mutig weiter seine Meinung und bleibt. Das trauen sich nur wenige. Es findet ein regelrechter „Kreativ-Exodus“ statt, denn seit dem Angriff auf die Ukraine haben sich auch im Land die Repressalien empfindlich verschärft. Wo formiert sich kultureller Widerstand, und wie sieht er aus? Was machen die Geflüchteten im Exil? „Tracks“ sucht und findet Stimmen und Aktionen junger Kulturschaffender in Russland, der Ukraine, den USA und Deutschland. Ein dichtes Stimmungsbild der widerständigen Geister, die Putin ausspucken möchte „wie eine Mücke“. „Tracks“ verschafft ihnen Gehör, auch und vor allem in ihrer Heimat. Deswegen wird die Sendung auch in einer russischen Sprachfassung angeboten…“ Video der Sendung Tracks vom 1.4.2022 bei arte - Russische Friedensbewegung beweist grossen Mut, doch: Wo bleiben Russlands Gewerkschaften?
„Der postsowjetische Gewerkschaftsbund FNPR ist dem Kremlherrscher treu ergeben. Kleinere Verbände kritisieren Putin dagegen erstmals öffentlich. Und riskieren damit sehr viel. (…) 14’971 inhaftierte Demonstrantinnen und Demonstranten in über 150 Ortschaften hat die russische Nichtregierungsorganisation OVD-Info seit Kriegsbeginn am 24. Februar schon gezählt (Stand Redaktionsschluss am 16. März). Trotzdem komme es immer noch täglich zu Protesten. Auf die Strasse gingen allerdings vorwiegend junge Leute in grossen Städten. Das bestätigt auch Dimitri Petrow* von der unabhängigen Lehrergewerkschaft. Er ist der einzige russische Gewerkschaftsvertreter, der auf eine breit angelegte work-Umfrage reagiert hat. Petrow schreibt, es sei schwer zu sagen, wie verbreitet die Ablehnung des Krieges unter seinen Landsleuten sei: «Während staatliche Meinungsumfragen eine Kriegs-Zustimmung von über 70 Prozent ergeben, kommt eine Analyse der unabhängigen Zeitung ‹Nowaja Gazeta› auf das genaue Gegenteil. Wie auch immer: Der Krieg spaltet die russische Gesellschaft zweifellos.» Auch seine Lehrergewerkschaft habe sich an der Frage entzweit, ob sie den Krieg öffentlich verurteilen solle. Genau das getan haben allerdings die Gewerkschaft des Luftfahrtpersonals des Moskauer Flughafens Scheremetjewo, die russische Seeleutegewerkschaft (die über die Internationale Transportarbeiterföderation mit der Unia verbunden ist) sowie KTR, der 2,5 Millionen Mitglieder starke Dachverband der Alternativgewerkschaften. (…) Der KTR verkündete bereits am zweiten Tag der Invasion: «Mit grosser Bitterkeit halten wir fest, dass es die arbeitende Bevölkerung beider Länder ist, die unter dem Konflikt leidet.» Die «militärischen Aktionen» müssten «sofort» aufhören. Ein vorsichtiges, aber mutiges Statement! Und eines, das völlig neue Dynamiken offenbart. Denn bis anhin hatte sich der KTR kaum je getraut, Putins Politik öffentlich zu kritisieren. Erst recht nicht, seitdem ihr Mitglied, die kämpferische Automobilarbeitergewerkschaft MPRA, 2018 als «ausländische Agentin» angeklagt und faktisch zerschlagen worden war. Keine Probleme mit dem Kremlherrscher hat dagegen der Gewerkschaftsdachverband FNPR – der grosse Konkurrent der KTR. (…) Der FNPR ist der direkte Rechtsnachfolger der sowjetischen Betriebsorganisationen und mit seinen rund 28 Millionen Mitgliedern die grösste zivile Organisation in Russland nach der orthodoxen Kirche. Seit 20 Jahren entwickelt sich der Riesenverband zunehmend zur tragenden Stütze des Regimes. So verurteilten die FNPR-Spitzen sämtliche Oppositionsproteste der letzten Jahre scharf. Und auch jetzt stellen sie sich voll hinter den Kreml: Man unterstütze den Herrn Präsidenten bei seiner «Operation zur Entnazifizierung der Ukraine», schreibt der FNPR in einem Communiqué. Es endet mit dem Schlachtruf «Friede den Nationen! Krieg den Nazis!» Trotz solchem Kriegsgeheul hat Lehrer Petrow die Hoffnung nicht aufgegeben. Die weitere Entwicklung sei zwar schwer vorauszusagen. Eines jedoch sei sicher: «Die Friedensbewegung ist jetzt besser organisiert und viel aktiver als die Kriegsunterstützer, obwohl letztere vom Staat unterstützt werden.»“ Bericht von Jonas Komposch in der Work vom 18. März 2022 (Zeitung der schweizerischen Gewerkschaft Unia)
Siehe die Position der russischen Gewerkschaften im Dossier: Keine Waffenlieferungen in die Ukraine! Friedenspolitik statt Krieg! - Protest gegen Ukraine-Krieg in Russland: Mutiges Eintreten für den Frieden
„In Russland braucht es viel Mut, sich gegen den Krieg in der Ukraine zu positionieren. Tausende Lehrkräfte haben es trotzdem gewagt und setzten damit ein starkes Zeichen für den Frieden. Mehr als 5000 Lehrkräfte aus allen Regionen Russlands, davon einige auch aus dem Ausland, haben eine Petition der Initiative „Lehrkräfte gegen den Krieg“ unterzeichnet. Es ist der größte Protest der Lehrkräfte in Russland seit mehr als 30 Jahren.
Die Initiative „Lehrkräfte gegen den Krieg“ musste den Petitionstext nach dem neuen Mediengesetz in Russland, das die kritische Berichterstattung über den Krieg unter Strafe stellt, mittlerweile von der Homepage nehmen.
Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern hat sich in einem Schreiben mit den Lehrkräften in Russland solidarisiert. (…) In dem Offenen Brief russischer Lehrkräfte gegen den Krieg in der Ukraine heißt es: „Jeder Krieg bedeutet menschliche Opfer und Zerstörungen. Krieg ist eine Katastrophe. Der Krieg gegen die Ukraine, der in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar begonnen wurde, ist nicht unser Krieg. Die Invasion auf das Territorium der Ukraine begann im Namen russischer Staatsbürger*innen, aber gegen unseren Willen. Wir sind Lehrkräfte und Gewalt widerspricht dem Wesen unseres Berufes. In der Hitze des Krieges sterben unsere Schüler*innen. Krieg führt unvermeidlich zu einer Zuspitzung der sozialen Probleme unseres Landes. Wir unterstützen die Antikriegsproteste und fordern einen sofortigen Waffenstillstand.“
Den Unterzeichnern des Briefs und weiteren kritischen Stimmen in den Bildungseinrichtungen drohen aktuell Verfolgung und Entlassungen. Die beiden unabhängige Bildungsgewerkschaften Uchitel‘ und „Universitäre Solidarität“ in Russland setzen sich für die Belange von verfolgten Lehrkräften am Arbeitsplatz ein. In einer Stellungnahme der Hochschulgewerkschaft heißt es: „Die Universitätsleitungen üben Druck auf Hochschulmitarbeiter*innen aus, die sich offen gegen den Krieg aussprechen, und einige Kolleg*innen werden gegen ihren Willen entlassen. Auch Studierende werden unter Druck gesetzt und rechtswidrig mit Verweisen und Exmatrikulation bedroht, wenn sie sich an friedlichen Anti-Kriegs-Protesten beteiligen.“
Solidaritätsadressen an die Lehrkräfte in Russland sind eine Möglichkeit, ein Zeichen der Solidarität zu senden und ihnen den Rücken zu stärken. Das Schreiben der GEW kann als Musterschreiben verwendet werden – etwa auch von GEW-Gliederungen, die sich mit den Lehrkräften solidarisieren wollen. Sie können an diese Adresse versendet werden: teachershelpnow(at)gmail(dot)com.“ Beitrag von Carmen Ludwig, Referentin für Internationales, am 31.03.2022 bei der GEW - Sabotiert diesen Krieg! Gespräch mit einem russischen Anarchosyndikalisten
„Ein Krieg, der in Russland nicht so heißen darf; Propagandageheul auf allen Seiten; Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit außer Kraft – die Lage seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist denkbar unübersichtlich. Unser Gesprächspartner, ein russischer Anarchosyndikalist, bewahrt dennoch klaren Kopf. Sein ausgeprägtes Geschichts- und Klassenbewusstsein und die nach wie vor bestehenden Kontakte zu seinen Genoss*innen in beiden Krieg führenden Ländern helfen ihm, die Geschehnisse zu analysieren und nicht in die Falle des Nationalismus und der Kriegsbegeisterung zu tappen. Seinen Namen möchte er aus Gründen des Selbstschutzes lieber nicht in der Zeitung sehen. (…)
Natürlich unterscheiden sich die Argumente und Slogans der verschiedenen Strömungen. Alle fordern eine Einstellung der Feindseligkeiten und den Abzug russischer Truppen aus der Ukraine. Es wird auch die Bestrafung der für die Organisation des Krieges Verantwortlichen gefordert. Aber während z. B. die Mehrheit der teilnehmenden Anarchist*innen die Position „Kein Krieg, sondern Klassenkampf“ vertritt, ist es für liberal gesinnte Demonstrant-*innen nicht ungewöhnlich, für die Ukraine als Staat zu demonstrieren, ukrainische Flaggen zu hissen oder zu sagen, dass sie sich „schämen, Russ*innen zu sein“ (als ob eine solche Kollektivschuld keine nationalistische Idee wäre!). Und einige bekunden sogar Sympathie für die NATO. Das alles ist jedoch nicht neu: Wir haben 2008 und 2014 die gleichen Effekte beobachtet.
Übrigens beschränkt sich die Opposition gegen den Krieg nicht auf Straßenproteste. Vertreter*innen der Kunstwelt, Schauspieler*innen, Wissenschaftler*innen etc. unterzeichnen kollektive Protestbriefe, bereits in den ersten Tagen wurden mehr als eine Million Unterschriften für eine Petition zur Beendigung des Krieges gesammelt. Sogar einige Politiker*innen einer so „offiziell anerkannten“ Partei wie der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation befürworteten eine Einstellung der Feindseligkeiten – allerdings sind sie innerhalb ihrer Partei nur eine kleine Minderheit. Auch Mitglieder verschiedener kleiner linker und sogar leninistischer Parteien sprachen sich gegen den Krieg aus. (…) Die Anarchist*innen in Russland sind natürlich alle gegen den Krieg. Sie setzen aber unterschiedliche Akzente. Wir Anarcho-Syndikalist*innen vertreten Positionen des prinzipientreuen und vollständigen Internationalismus und Antimilitarismus, stellen uns gegen alle Kriegsparteien, weil sie etatistisch und kapitalistisch sind, und rufen die Einwohner*innen Russlands und der Ukraine auf, diesen Krieg zu sabotieren. Wir glauben nicht an „gerechte“ und „Befreiungskriege“, und wir verurteilen sowohl expansionistische Eroberungen als auch die „Verteidigung des Vaterlandes“. Unsere Solidarität gilt den Zivilist*innen, die unter dem Krieg, den gegenwärtigen barbarischen Bombardierungen und dem Beschuss von Städten leiden. Gleichzeitig gibt es andere Anarchist*innen, die glauben, dass man mit dem „Abwehrkampf des ukrainischen Volkes“ sympathisieren sollte. (…) Die anarchistische Bewegung in Russland ist zahlenmäßig nicht sehr stark und weit verstreut. Daher werden Informationen nicht systematisch erfasst, manchmal erfahren wir nur zufällig von einer Aktion. Aber wir wissen, dass Flugblätter aufgehängt wurden, dass es zahlreiche Graffiti gegen den Krieg gibt, dass Transparente und Plakate aufgehängt wurden … Und natürlich sind Kampagnen im Internet von großer Bedeutung: Manchmal erreichen sie mehr Menschen als herkömmliche Flugblätter. (…)
Jeder Krieg, das lehrt die Geschichte, ist für Anarchist*innen eine Bewährungsprobe: Wie stark ist ihr Internationalismus wirklich? Wird ein*e Anarchist*in genug Überzeugungskraft und Bewusstsein haben, um nicht patriotischen Vorurteilen und Emotionen zu erliegen, um nicht im Hagel fliegender Bomben, Granaten, Raketen und Kugeln den Kopf zu verlieren? Um weiterhin alle Krieg führenden Staaten und ihre herrschenden Klassen zu verurteilen und den hysterischen Aufrufen zur „Verteidigung der Heimat“ nicht zu gehorchen?
Leider haben – genau wie 2014 – nicht alle anarchistischen Gruppen und Aktivist*innen in der Ukraine diese Probe bestanden. Während die Gruppe „Assembly“ in Charkow ein internationalistisches Interview veröffentlichte, rief zum Beispiel die „Revolutionäre Aktion“ in Kiew dazu auf, die Ukraine auf der Seite des bestehenden Staates mit Waffen zu verteidigen. Einige, wie die Gruppe „Schwarze Fahne“ in Lviv und Kiew, haben eine in sich widersprüchliche Position: Einerseits verurteilen sie alle Krieg führenden Regime und sind sich der etatistischen und Klassennatur des Konflikts bewusst, andererseits rufen sie dazu auf, in die Reihen der so genannten Territorialverteidigung vor Ort einzutreten. Die erwähnten Milizen entstehen augenscheinlich aus dieser „Territorialverteidigung“. Sie erhalten Waffen von den Behörden, gehorchen den örtlichen Behörden und folgen der allgemeinen offiziellen Militärlinie. Diese Gruppen sind nicht unabhängig und proklamieren keine von der Regierung getrennten Kriegsziele. Daher betrachten wir die Teilnahme von Anarchist*innen an ihnen als grundlegend falsch, als geradezu gegen die Essenz der anarchistischen Idee gerichtet. Die anarchistischen Befürworter*innen der Milizen verweisen auf das historische Beispiel Nestor Machnos. Aber sie vergessen, dass die Machnowisten nicht „ihre Heimat“ verteidigt haben, sondern die Errungenschaften der sozialen Revolution. Natürlich haben wir nichts gegen eine echte Selbstverteidigung gegen das plündernde und vergewaltigende Militär, aber eine solche Selbstverteidigung muss unabhängig sein und darf nicht den militärischen Zielen eines der Krieg führenden Staaten dienen…“ Interview aus der Graswurzelrevolution 468 vom April 2022 dokumentiert am 30.03.2022 beim Linksnet , siehe auch unser Dossier: Hilfe und Asyl für russische und ukrainische Deserteure! - Die Antikriegsbewegung in Russland: Heimatfront zwischen Folter und Massenarmut
„Die Bewegung gegen den Krieg kämpft in Russland nicht nur für den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Sie kämpft unter hohem Repressionsdruck gleichzeitig um eine Zukunft, in der man noch würdig in Russland leben kann. Am 24.Februar trieb das Entsetzen über den Krieg vor allem junge Menschen sofort auf die Straße, in über 50 russischen Städten wurde protestiert. Die Behörden wurden überrascht und reagierten harsch: Schon am ersten Tag wurden 6835 Menschen verhaftet.
Das Putin-Regime hatte den Aktionsradius der Zivilgesellschaft seit langem immer weiter begrenzt. Die einzig verbliebene legale Möglichkeit des Protests war es zuletzt, einsam mit einem Plakat in der Hand irgendwo in der Öffentlichkeit herumzustehen. Ein großer Teil der Proteste gegen den Krieg entlud sich daher in öffentlichen Erklärungen. An einer Onlinepetition für einen Waffenstillstand und den Abzug der russischen Truppen beteiligten sich binnen einer Woche über eine Million Menschen, Hunderttausende unterzeichneten mit ihrem Klarnamen Offene Briefe ihrer Berufsgruppe an die Regierung. Zu Kriegsbeginn schrieb die Gruppe Sozialistitscheskaja Alternatiwa (SozAlt): «Putin fühlt sich stärker als je zuvor in den vergangenen zwanzig Jahren. Das Land hat 640 Milliarden Dollar an Devisenreserven angehäuft, eine Partnerschaft mit China aufgebaut und Europa von russischem Gas abhängig gemacht, die Opposition im eigenen Land ist unterdrückt und die russische Bevölkerung wird durch immer neue Repressionen eingeschüchtert.» Das war die Ausgangslage für die Antikriegsbewegung. Bereits eine Woche nach dem Einmarsch wurden weitere demokratische Rechte eingeschränkt. (…) Sowohl RSD als auch SozAlt verbanden die Mobilisierung für den 6.März mit der Möglichkeit politischer Streiks. SozAlt betonte die Bedeutung der Offenen Briefe diverser Berufsgruppen. Damit könnten sich Kriegsgegner:innen in Betrieben und Branchen zusammenzufinden und gemeinsam protestieren und Streiks vorbereiten. Die Gruppe verband die Mobilisierung für den 6.März mit einer Aussicht auf einen dreistündigen politischen Warnstreik am 9.März. (…) Dass Streiks möglich sind, zeigte der spontane Ausstand in der ölverarbeitenden Fabrik Gemont in der Großstadt Nishnekamsk am 5.März. Die Fabrik hat einen türkischen Eigentümer, die Löhne sind an den Wechselkurs gebunden, durch den schwachen Rubel sanken auch die Löhne.
Infolge der westlichen Sanktionen ist die russische Wirtschaft mit massenhaften Fabrikschließungen und Entlassungen konfrontiert. Es drohen ausstehende Lohnzahlungen, eine rasante Inflation und die Zahlungsunfähigkeit des Staates. Streiks mit wirtschaftlichen Forderungen könnten schnell zu einem Flächenbrand politischer Streiks werden, die sich gegen den Krieg und die Regierung richten. (…) Am 13.März gingen deutlich weniger Menschen als am 6.März auf die Straße. Zuvor hatte es Verhaftungen, Anklagen nach den neuen Gesetzen, Razzien und Exmatrikulationen Studierender gegeben. (…) Das Beispiel Belarus zeige, dass auch Massenproteste ein diktatorisches Regime nur effektiv in Frage stellen können, wenn es eine organisierte politische Kraft gebe, die den Protest in eine Massenstreikbewegung überführt…“ Artikel von Christoph Wälz in Soz vom April 2022 - ‘Meint Ihr, die Russen wollen Krieg’ oder verklärt die ‘traditionelle Linke’ das Russlandbild der Deutschen?
„Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur die Nato und den Westen zu mächtigen Hilfsaktionen für die ukrainische Armee und zu gewaltigen Sanktionen gegen die Wirtschaft Russlands bewogen, er hat zur gleichen Zeit eine ideologische Offensive gegen die „traditionelle Linke“ ausgelöst, die diese endgültig mundtot und politikunfähig machen soll. Die Vorwürfe kommen dabei nicht nur vom Lager der Mainstream-Medien und -Parteien, sie rühren auch von FreundInnen und GenossInnen im Lager der Friedensbewegung und der gesamten Linken. (…) Wenn die Kritiker uns vorwerfen, wir unterhielten ein sentimentales Verhältnis zu Russland, voll von Sympathie für die sozialistischen Anstrengungen und voller Schuldgefühl angesichts des Nazi-Überfalls auf die Sowjetunion, die 27 Millionen Sowjet-Menschen das Leben kostete, dann muss ich für meinen Teil sagen: Ja, das stimmt. (…) Das Problem heute rührt nicht nur von den unzufriedenen Massen her, sondern auch von den Oligarchen, deren Kapitale durch die Sanktionen des Westens nicht mehr die gewohnten Profite abwerfen und die sich deshalb ihre Haltung zu Putin neu überlegen. Sollte Putin seine Kriegsziele spektakulär verfehlen, müsste er eine „nationale Demütigung“ erleiden, bekäme er kontra von allen bedeutenden politischen Seiten. Bei den Massen würde seine nationalistische Demagogie, da er seine Ziele verfehlt, sich gegen ihn wenden, bei den Oligarchen, den Wirtschaftskapitänen, verlöre er an Unterstützung. (…) Der von vielen herbeigesehnte Sturz Putins von innen, durch den eigenen, nun enttäuschten und besorgten Machtapparat scheint dennoch eher unwahrscheinlich. Begonnen hat die Benennung der Verantwortlichen im Sicherheits- und Militärapparat, einschließlich höchster „Würdenträger“, und ihre öffentliche Demütigung durch Putin bei landesweit ausgestrahlten Fernsehprogrammen. Eine „Säuberungswelle“ steht bevor, die von der großen Mehrheit der neuen Eliten getragen wird, die sich ihrer prekären Lage gegenüber ihren kapitalistischen Konkurrenten im Westen bewusst sind. Sollte das Putin-System stürzen, wird es zu einer Neuverteilung der Reichtümer Russlands kommen – diese Befürchtung hält die Oligarchenclique zusammen und bei Putin, bei aller Kritik an dessen kriminellen, aber auch dilettantischen Vorgehen in der Ukraine. Auch die Jagd des Westens auf Vermögensteile der Oligarchen im Westen treibt sie eher Richtung Putin-Russland. Doch auch wenn es in Moskau nicht zu einem Personen-Wechsel an der Spitze kommt, wird sich Russland schließlich, da die Ukraine militärisch nicht zur Aufgabe gezwungen wird, auf eine Verhandlungslösung einstellen müssen. Und Russland kann froh sein, wenn China dabei eine bestimmende Rolle spielt…“ Erster Teil eines Beitrags von Conrad Schuhler vom 28. März 2022 beim isw und Teil II:- „Wir (die traditionelle Linke), seien nach wie vor im „reaktionären Lagerdenken“ gefangen, stellten uns in der „Systemkonkurrenz lieber auf die Seite einer rotgelackten national-kapitalistischen Einparteienherrschaft“ statt auf die der bürgerlichen Demokratie des Westens. So lauten die Vorwürfe aus dem Lager der Mainstream-Medien und -Parteien, sie rühren aber auch von FreundInnen und GenossInnen im Lager der Friedensbewegung und der gesamten Linken. Frank Deppe, marxistischer Politikprofessor emeritus der Uni Marburg, nennt ein Verständnis der internationalen Konfliktlinien in Begriffen des Kalten Krieges „naiv“. Es ist mehr als das – es ist falsch und kann gegebenenfalls gefährlich sein. Der alte Block des Westens ist zwar immer noch ein von den USA dominierter Block, dessen Einheit aber erst durch eine Bedrohung von außen, wie jetzt im Fall der Ukraine, hergestellt wird. Europa, vor allem Frankreich und Deutschland, betonen eine größere Eigenständigkeit Europas, eine eigene Armee, ein größeres Gewicht in der Nato. Und selbst jetzt drücken sich die Widersprüche aus im Beharren der Deutschen auf ihren Importen von Energierohstoffen aus Russland. Der Versuch der deutschen Regierung, die Energieabhängigkeit von Russland zu beheben durch vermehrte Importe aus den arabischen Despotien demonstriert, wie gehaltlos das Gerede der US-Regierung ist, es ginge weltweit um das Gegenüber von Demokratien gegen Autokratien. Das diese Epoche kennzeichnende Kriterium ist nicht die Haltung zur „Demokratie“, sondern die realpolitische Erwägung der Länder, ihr Interesse lieber beim Stärkepol USA zu suchen oder aber bei der am schnellsten wachsenden Supermacht China. Nach Kaufkraft gemessen produzieren die USA ein gutes Fünftel des gesamten Weltprodukts. US-Kapitalisten besitzen erhebliche Teile des Kapitals in anderen entwickelten Ländern des Kapitalismus, sie besitzen den größeren Teil der weltweiten Lieferketten. Diese stellen die neue Form der internationalen Ausbeutung der Länder des Südens dar. (…) Putin, alles andere als ein Marxist, hat die Worte des alten Bolschewiken in den Wind geschlagen. Und er hat sich völlig verrannt – militärstrategisch, politisch, auch ideologisch. Diese krude These, die Ukraine habe keine nationale Identität, sie sei eine künstliche Schöpfung der frühen Sowjetunion, war noch nie haltbar, und Putins Invasion hat das Nationalbewusstsein noch geschärft. Russland muss, wie schon dargelegt, zu einer Friedensregelung bereit sein, die die nationale Selbstbestimmung der Ukraine festhält und dagegen den von den USA und der Nato bestätigten Verzicht der Ukraine auf Nato-Mitgliedschaft festlegt. Die Bevölkerung der Regionen Krim und Donbass werden in Abstimmungen über ihre staatliche Zugehörigkeit entscheiden. Im Rahmen der KSZE werden Regelungen der Friedenssicherung und der Abrüstung in Europa angestrebt. China, mit dem Russland in vielen Verträgen als ein prinzipieller Partner verbunden ist, sollte auf den westlichen Nachbarn einwirken, zu Positionen des Völkerrechts, wie sie auch von BRICS bekräftigt wurden, zurückzukehren. Mehr noch als die Sanktionen des Westens wird das Gewicht Chinas das Putin-Russland zu einer Position bewegen, die sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer wie auch das Sicherheitsbedürfnis Russlands zur Geltung bringt.“ Zweiter Teil eines Beitrags von Conrad Schuhler vom 31. März 2022 beim isw online
- (Exil)RussInnen demonstrieren gegen Ukraine-Krieg – mit „neuer russische Flagge“ in weiß-blau-weiß
- Russen demonstrieren in Prag gegen Ukraine-Krieg
„In Tschechien lebende Russen haben auf einer Demonstration in Prag gegen den Ukraine-Krieg protestiert. An der Kundgebung nahmen nach Polizeiangaben rund 3.000 Menschen teil. In einem Aufruf der Veranstalter hieß es, nicht alle Russen seien heimliche Unterstützer von Präsident Putin. Nach offiziellen Angaben leben mehr als 45.000 Russen in Tschechien. Zahlreiche russische Geschäfte hängten ukrainische Fahnen aus. Einem Medienbericht zufolge wurde ein Eingang der russischen Botschaft im Diplomatenviertel von Prag mit roter Farbe bemalt – als Symbol für das Blut der Opfer der russischen Aggression in der Ukraine.“ Meldung am 26.03.2022 im Deutschlandfunk , siehe auch: - „Russen gegen Putin verwenden eine „neue russische Flagge“ und drängen darauf, das „Blut“ von der russischen Flagge zu entfernen. So sieht eine echte Bedrohung für Putin aus.“ (engl.) Tweet von Anonymous vom 27.3.2022
- Zuvor auch im Tweet von Rayk Anders am 26.3. : „Im Auge behalten: Bei den Anti-Kriegsdemos (wie zB heute in Prag) werden weiß-blau-weiße Flaggen immer präsenter. Es ist die russische Flagge ohne das Rot (=Blut). Symbol von Russen, die den Krieg ablehnen. Starkes Zeichen!„
- St. Petersburg: „Mein Herz blutet“ [Russland]
„In St. Petersburg fand heute eine Aktion gegen den Krieg in der Ukraine statt. Eine Frau in einem weißen Kleid übergoss sich mit rote Farbe und skandierte „Mein Herz blutet“.
Der Text auf ihr Transpi lautete: „Mein Herz blutet. Jeden Tag sterben in der Ukraine Frauen, Kinder, alte Männer und Frauen durch Bombardierungen, Hunger, die Unmöglichkeit, sich aus den Trümmern zu befreien oder Medikamente zu bekommen. Ihre Gräber mit selbstgebastelten Kreuzen sind auf öffentlichen Plätzen zu finden. Tausende von Verwundeten und Verstümmelten, Millionen von zerstörten Leben. Wenn Sie dafür Ausreden erfinden, bedeutet das, dass Ihr Herz verkommen ist. Finden Sie die Kraft, barmherzig und mitfühlend zu sein. Unterstützen Sie das Blutvergießen nicht.““ Beitrag vom 27.3.2022 von Enough14D mit Foto und Video - Das neue Russland braucht eine Flagge ohne Blut
„Tausende Exilrussen hoffen auf das Ende des autokratischen Russlands. Auf der ganzen Welt verstreut, brauchen sie eine neue Heimat. Ihr Vorbild könnte eine fast vergessene, mittelalterliche Republik sein. Die Russen, die gegen den Krieg in der Ukraine protestieren, haben vor einer Woche damit begonnen, eine neue Heimat für sich zu erfinden. Es ist noch nicht klar, wo, wie und wann sie entstehen wird. Aber ein neues Symbol hat sie schon: eine Flagge mit drei Streifen – weiß, blau und wieder weiß. Schon wenige Tage nach der Invasion schrieben viele Russen in sozialen Medien, dass sich die weiß-blau-rote Trikolore diskreditiert habe und das neue Russland, das irgendwann nach Putin entstehen wird, eine neue Flagge brauche – ohne Blut darauf. Der rote Streifen solle daher durch einen zweiten weißen Streifen ersetzt werden: die Farbe des russischen Schnees und der Reue…“ Ein Essay von Michail Sygar vom 21.03.2022 im Spiegel online
- Russen demonstrieren in Prag gegen Ukraine-Krieg
- RUSSLAND: Manifest der Koalition „Sozialisten gegen den Krieg“
„… Aber schon jetzt sind Millionen von Menschen im ganzen Land entsetzt und angewidert von dem, was Putins Regierung tut. Es sind Menschen mit unterschiedlichen Überzeugungen. Die meisten von ihnen sind keineswegs Liberale, wie die Propagandisten behaupten. Unter ihnen gibt es viele Linke, Sozialisten oder Kommunisten. Und natürlich sind diese Menschen – die Mehrheit unseres Volkes – aufrichtige Patrioten unseres Vaterlandes. Man lügt uns vor, dass die Gegner dieses Krieges Heuchler sind. Dass sie nicht gegen den Krieg sind, sondern nur den Westen unterstützen. Das ist eine Lüge. Wir waren nie Unterstützer der Vereinigten Staaten und ihrer imperialistischen Politik. Als ukrainische Truppen Donezk und Lugansk beschossen, haben wir nicht geschwiegen. Wir werden auch jetzt nicht schweigen, wenn Charkiw, Kiew und Odessa auf Befehl von Putin und seiner Kamarilla bombardiert werden.
Es gibt viele Gründe, gegen den Krieg zu kämpfen. Für uns, die wir für soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit eintreten, sind einige von ihnen besonders wichtig. Es ist ein ungerechter Eroberungskrieg. Es gab und gibt keine solche Bedrohung für den russischen Staat, für die es notwendig war, unsere Soldaten zum Töten und Sterben zu schicken. Heute „befreien“ sie niemanden. Sie helfen keiner Volksbewegung. Es ist nur so, dass die reguläre Armee auf Befehl einer Handvoll Milliardäre, die davon träumen, ihre Macht über Russland für immer zu behalten, friedliche ukrainische Städte zerschlägt.
Dieser Krieg führt zu zahllosen Katastrophen für unsere Völker. Sowohl die Ukrainer als auch die Russen bezahlen ihn teuer mit ihrem Blut. Aber auch weit hinten werden Armut, Inflation und Arbeitslosigkeit alle treffen. Die Rechnungen werden nicht von Oligarchen und Beamten, sondern von armen Lehrern, Arbeitern, Rentnern und Arbeitslosen bezahlt werden. Viele von uns werden nichts haben, um ihre Kinder zu ernähren.
Dieser Krieg wird die Ukraine in Ruinen und Russland in ein großes Gefängnis verwandeln. Die Medien der Opposition sind bereits geschlossen. Menschen werden für Flugblätter, harmlose Mahnwachen und sogar für Beiträge in sozialen Netzwerken hinter Gitter gebracht. Bald werden die Russen nur noch eine Wahl haben: zwischen Gefängnis und dem Melde- und Einberufungsbüro des Militärs. Der Krieg bringt eine Diktatur mit sich, wie sie lebende Generationen noch nicht erlebt haben. (…)
Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Katastrophen zu verhindern. Der Krieg muss von uns selbst gestoppt werden – von den Männern und Frauen Russlands. Dieses Land gehört uns, nicht einer Handvoll verrückter alter Leute mit Palästen und Jachten. Es ist an der Zeit, es zurückzuerobern. Unsere Feinde sitzen nicht in Kiew und Odessa, sondern in Moskau. Es ist an der Zeit, sie von dort zu vertreiben. Krieg ist nicht Russland. Der Krieg ist Putin und sein Regime. Deshalb sind wir, die russischen Sozialisten und Kommunisten, gegen diesen verbrecherischen Krieg. Wir wollen ihn stoppen, um Russland zu retten. Keine Intervention! Keine Diktatur! Keine Armut!“ Maschinenübersetzung aus dem Manifest am 17.3.22 in englischer Übersetzung bei LeftEast (RUSSIA: Manifesto of the Coalition “Socialists Against War”) dort auch im russischen Original - [»Krankschreibung gegen den Krieg«] »Ein horizontaler Protest hat keinen Kopf«. Wer initiiert Antikriegsaktionen in Russland – und wie?
„Seit dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine am 24. Februar haben sich in ganz Russland Dutzende von Antikriegs-Basisinitiativen gebildet. Wir berichten über Aktivist*innen, Designer*innen, Künstler*innen, Musiker*innen und Student*innen, die in einer Zeit, in der der Slogan »Nein zum Krieg« mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden kann, nach neuen Formen des Aktivismus gegen den Krieg suchen. (…) Eine der ersten politischen Vereinigungen, die eine Antikriegserklärung herausgab, war die »Sozialistische Alternative«, die ihre Anhänger*innen dazu aufrief, »eine Basisbewegung gegen den Krieg aufzubauen«, also Mahnwachen durchzuführen, Flugblätter zu verteilen, zu agitieren und Streiks zu organisieren. Die Sozialistische Alternative hat auch die Proteste am 6. März 2022 in 69 russischen Städten mitorganisiert. (Die Bürgerrechtsorganisation) OVD-Info schätzt, dass an diesem Tag in ganz Russland fast 5.000 Demonstrant*innen festgenommen wurden. Die demokratische Jugendbewegung Vesna (Frühling) rief ebenfalls zu Straßenprotesten auf. »Als der Krieg begann, wurde uns klar, dass wir nicht am Rande stehenbleiben können, und wir beschlossen zu handeln. Wir haben schnell einen Kampagnenplan gegen den Krieg entwickelt: von offenen Briefen bis zu Straßenaktionen«, sagt Ivan Smirnov (Name geändert), einer der Organisator*innen der Bewegung.
Längst nicht alle Aktivist*innen halten Straßenaktionen für wirksam. Die anonyme Bewegung »Krankschreibung gegen den Krieg« ist der Meinung, dass »neue Wege des Protestes gegen einen Krieg, den niemand will« gesucht werden sollten. Sie fordern die Beschäftigten staatlicher und privater Unternehmen auf, sich krankschreiben zu lassen und der Arbeit fernzubleiben, um die Kriegswirtschaft zu untergraben: »Stellt euch einen Morgen vor, an dem der Straßenbahnfahrer, der die Arbeiter*innen zu den Rüstungsbetrieben fährt, nicht zur Arbeit kommen kann. Die Lehrerin kommt nicht, und das Kind des Fabrikarbeiters bleibt zu Hause. Vielleicht ist aber auch der Mitarbeiter der Rüstungsindustrie selbst abwesend. Die Vertreter*innen der Bewegung geben zu, dass diese Form des Protests nicht so spektakulär ist wie Straßenaktionen. Aber sie sind überzeugt, dass die Kriegsgegner*innen »nicht an den Anschein, sondern an die Tat denken sollten«. Und dann hält uns niemand mehr davon ab, stolze Selfies von zu Hause zu posten, wie im März 2020. »Retten wir die Welt, indem wir zu Hause bleiben!« »Stille Mahnwachen« sind eine weitere Alternative zu Straßenprotesten. (…)
Auch russische Künstler*innen wurden von den Antikriegsprotesten nicht ausgespart. Die anonyme Künstler*innengruppe Nevoina aus Samara veranstaltete eine Aktion mit dem Titel »Ein Wort an die Toten«. Die Aktivist*innen zogen sich schwarze Säcke an und legten auf dem Eis der Wolga eine Linie aus ihren Körpern aus, um die Opfer des Krieges zu symbolisieren. (…)
Feministische Aktivistinnen haben einen eigenen »Feministischen Widerstand gegen den Krieg« ins Leben gerufen. »Antimilitarismus ist ein integraler Bestandteil des Feminismus, denn der Feminismus wendet sich gegen alle Formen von Gewalt, einschließlich militärischer Aggression«, sagt Maria Blinova (Name geändert), eine der Gründerinnen der Bewegung. Die Teilnehmerinnen des Widerstands führen eine Vielzahl von Protestaktionen durch, von »Briefen der Verzweiflung«, die viralen WhatsApp-Nachrichten ähneln, bis hin zum Niederlegen von Blumen an Denkmälern des Zweiten Weltkriegs am Internationalen Frauentag. (…)
Eine eigene Antikriegsbewegung wurde von den Studierenden der russischen Hochschulen ins Leben gerufen. Sie rufen dazu auf, »ein entschiedenes NEIN zum Krieg zu sagen«, da sie der Meinung sind, dass »das Schweigen, geschweige denn die Unterstützung des Geschehens durch die Russische Akademie nicht nur zur Isolierung und Degradierung der russischen Wissenschaft führt, sondern alles zerstört, dem sie, die Studierenden, ihr Leben widmen«. Die Aktivist:innen schlagen vor, mit Antikriegsaufschriften auf Kleidung, Taschen und medizinischen Masken in die Bildungseinrichtungen zu kommen. Eine weitere Form des Aktivismus gegen den Krieg ist die Unterstützung derjenigen, die von der russischen Invasion in der Ukraine betroffen sind.“ Newsletter des oppositionellen Studierendenmagazins DOXA vom 16. März 2022 am 17. März 2022 in der Übersetzung durch Christoph Wälz beim ak online- Siehe auch seinen Tweet vom 16.3. : Aktivist*innen des „Feministischen Widerstands gegen den Krieg“ verbreiten Botschaften auf Banknoten und Münzen: #НЕТВОЙНЕ“ samt Foto
- »Die Repression hat eine neue Stufe erreicht«
Anna von der linken Organisation Sozialistitscheskaja Alternatiwa im Interview von Simon Konstantinow am 15. März 2022 im ak online über die Antikriegsproteste in Russland: „… Vom ersten Tag an hat sich unsere Organisation mit all ihren Kräften auf die Antikriegskampagne konzentriert. Wir arbeiten sowohl digital, indem wir online Materialien veröffentlichen, als auch offline, indem wir Plakate kleben, Flugblätter verteilen und an Protestaktionen teilnehmen. (…) Derzeit haben sich Gruppen aus zwölf Städten der Antikriegskampagne angeschlossen, dazu kommen Einzelpersonen aus weiteren Orten. Unsere Kampagne trifft auf einen unerwarteten Zuspruch. (…) Im Vorfeld der Antikriegsaktionen am 6. März wurden sieben unserer Genoss*innen in Moskau und Sankt-Petersburg festgenommen, die meisten erhielten fünf bis 20 Tage Haft. Auch bei den Aktionen selbst nahm die Polizei dann drei Mitglieder fest. Weitere unserer Genoss*innen werden aktuell observiert. (…) Vor einer neuen Mobilisierungswelle muss sich die Antikriegsbewegung verbreitern. Das bedeutet, dass weitere Schichten der Bevölkerung für die Proteste gewonnen und organisiert werden müssen. Wir hatten ursprünglich zu einem dreistündigen Warnstreik am 9. März aufgerufen, aber aufgrund der geringen Resonanz und der harten Repression bedeutete der Plan lediglich die Gefährdung unserer kleinen Aktivist*innengruppe. (…) Wir schlugen daraufhin vor, den 9. März zum Tag der Antikriegs-Agitation am Arbeits- und Ausbildungsplatz zu machen. Ziel war es, mit Kolleg*innen zu sprechen, ihnen mitzuteilen, wo man wahre Nachrichten über den Kriegsverlauf erhält, ihnen bei der Einrichtung eines verschlüsselten VPN-Internetzugangs zu helfen, und auch über den kommenden ökonomischen Schock in Russland mit ihnen zu sprechen. In vielen Städten entstanden Keimzellen von Antikriegskomitees. Diese sollen nun in den Betrieben und Hochschulen agitieren.“ - KRAS-IAA in Russland über den Krieg in der Ukraine
„Die uns nahestehende „Grupo Moiras“ aus Spanien hat unsere GenossInnen der KRAS-IAA in Russland interviewt. Diesen sehr aufschlußreichen Text, der am 13. März veröffentlicht wurde, haben wir aus dem Spanischen übersetzt. Neben einigen Hintergrundinformationen ist vor Allem der klare Klassenstandpunkt bemerkenswert. In einer von kriegstreiberischem Rausch und Pro-NATO-Propaganda geprägten Zeit erscheint es uns extrem wichtig, dem nationalistischen Geheule wenigstens ein paar Informationen entgegenzusetzen und es tut gut, so eine derart klare Analyse zu lesen.“ Vorwort zum Interview in deutscher Übersetzung am 15. März 2022 beim Wiener Arbeiterinnen-Syndikat : „… KRAS: Wir haben keinen Grund, mit dem Besitzer des Kremls und seiner Verwaltung zu sympathisieren. Seine neoliberale Politik hat zu einem regelrechten Zusammenbruch des Gesundheits- und Bildungssystems, zur Verarmung der RentnerInnen und der Beschäftigten des öffentlichen Sektors in der Provinz geführt. Die Löhne im Land sind ungeheuer niedrig, die ArbeiterInnenbewegung ist wirklich gelähmt … Aber unabhängig davon verstehen wir, dass all dies ein Produkt eines bestimmten Systems ist, das auf dem Staat und dem Kapital basiert. Wir leben nicht im 17. Jahrhundert, nicht in der Ära der absolutistischen Monarchien. (…) 2014 war die ukrainische anarchistische Bewegung gespalten in diejenigen, die den liberal-nationalistischen Protest auf dem Maidan unterstützten und dann der neuen Regierung gegen die Separatisten im Donbass halfen, und diejenigen, die versuchten, eine internationalistischere Position einzunehmen. Letzteres gab es zwar, war aber leider seltener der Fall. Heute ist die Situation ähnlich, aber noch akuter. Im Großen und Ganzen lassen sich drei Positionen unterscheiden. Einige Gruppen (wie die „Nihilisten“ und die „Revolutionäre Aktion“ in Kiew) betrachten das Geschehen als einen Krieg gegen den russischen Imperialismus und die Diktatur Putins. Sie unterstützen den ukrainischen nationalistischen Staat und seine militärischen Anstrengungen in diesem Krieg voll und ganz. (…) Die zweite Position wird zum Beispiel von der Gruppe „Black Flag“ in Kiew und Lemberg vertreten. Vor dem Krieg war sie eine scharfe Kritikerin des ukrainischen Staates, der herrschenden Klasse, ihrer neoliberalen Politik und des Nationalismus. Bei Ausbruch des Krieges erklärte die Gruppe, dass der Kapitalismus und die Machthaber auf beiden Seiten die Schuld am Krieg trügen, rief aber gleichzeitig dazu auf, sich den Kräften der so genannten „territorialen Selbstverteidigung“ anzuschließen – freiwilligen Militäreinheiten der leichten Infanterie, die vor Ort auf territorialer Basis gebildet werden. Die dritte Position wird von der Gruppe „Versammlung“ in Charkiw vertreten. Sie verurteilt auch beide Seiten des Konflikts, obwohl sie den Kremlstaat für die gefährlichere und reaktionärere Kraft hält. Es wird nicht dazu aufgerufen, sich bewaffneten Formationen anzuschließen. Die AktivistInnen der Gruppe organisieren derzeit Hilfe für die Zivilbevölkerung und die Opfer des Beschusses durch die russische Armee. Die Teilnahme von AnarchistInnen an diesem Krieg als Teil der bewaffneten Formationen, die in der Ukraine operieren, betrachten wir als einen Bruch mit der Idee und der Sache des Anarchismus. Diese Formationen sind nicht unabhängig, sie sind der ukrainischen Armee unterstellt und erfüllen die von den Behörden festgelegten Aufgaben. Sie stellen keine sozialen Programme und Forderungen auf. Die Hoffnungen, unter ihnen eine anarchistische Agitation durchführen zu können, sind zweifelhaft. In der Ukraine gibt es keine soziale Revolution, die es zu verteidigen gilt. Mit anderen Worten: Diejenigen, die sich selbst als AnarchistInnen bezeichnen, werden einfach geschickt, um „das Vaterland“ und den Staat zu verteidigen, indem sie die Rolle des Kanonenfutters für das Kapital spielen und nationalistische und militaristische Gefühle in den Massen stärken. (…) In dieser Situation tut die kleine und gespaltene anarchistische Bewegung in Russland, was sie kann. Einige nehmen an Protestdemonstrationen teil. Dann wurden zwei unserer GenossInnen ebenfalls verhaftet und mit einer Geldstrafe belegt. Andere stehen diesen Demonstrationen kritisch gegenüber, da die Aufrufe dazu oft von der rechtsliberalen Opposition kommen und oft nicht so sehr gegen den Krieg als vielmehr für die Ukraine (und manchmal sogar für die NATO) sind. Es bleibt die Möglichkeit, mit ihren Slogans und Plakaten auf Demonstrationen zu gehen (einige AnarchistInnen tun dies) oder kleine, unabhängige und dezentrale Aktionen durchzuführen. AnarchistInnen schreiben Antikriegsslogans an Wände, malen Graffiti, kleben Aufkleber und Flugblätter und hängen Antikriegsfahnen auf. Es ist wichtig, den Menschen unsere besondere und unabhängige, gleichzeitig kriegsgegnerische, antikapitalistische, antiautoritäre und internationalistische Position zu vermitteln.“ - Situation in Russland nach dem Angriff auf die Ukraine: „Hoffnung ist vielleicht nur eine Fata Morgana“ – Proteste, Schweigen und Angst
Ein Gespräch von und bei medico international vom 14. März 2022 mit einem russischen Staatsbürger über die Situation in Russland nach dem Angriff auf die Ukraine: „… Die Situation wird mit jedem Tag schlechter. Ich habe zum ersten Mal von Freunden gehört, dass sie so bald wie möglich ausreisen wollen. Jeden Tag gibt es Neuigkeiten, die Russland Verhältnissen wie in Nordkorea näher bringen. Leute fangen jetzt an, ihre Sachen zu packen und in Länder zu gehen, wo sie noch hin können, wenn sie kein anderes Visum haben, nach Georgien, in die Türkei usw. Seit zehn bis fünfzehn Jahren beobachte ich die Entwicklungen hier, natürlich mit dem Sonderstatus des Eingewanderten, der einen ausländischen Pass besitzt und hoffentlich auch künftig die bald schon geschlossene Festung, in die Russland sich gerade verwandelt, jederzeit verlassen kann. Aber für die Mehrheit der Russ:innen schließen sich die Türen nach außen und im Inneren. Das spüren sie, und das fürchten sie. Regimekritische Menschen haben das Gefühl, dass der Staat und die Teile der Gesellschaft, die Putin unterstützen, sie als fünfte Kolonne betrachten. (…) Zu der Zeit wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Ahndung der wiederholten Teilnahme an Protesten nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern direkt als Straftat ermöglichte, auf die eine Strafe von 500.000 oder 600.000 Rubel stand – das ist für viele, viele Menschen in Russland mehr als ein Jahreseinkommen – und bis zu fünf Jahre Haft. Nur weil man an einer Demonstration teilnahm. Du kannst dir also den Druck vorstellen und die Angst der Menschen, weil sie wirklich wissen, dass sie alles verlieren können, nur weil sie auf die Straße gehen. Nun wollen Leute nur auf die Straße gehen, um „Nein zum Krieg“ zu sagen und nicht mal, um gegen Putin zu protestieren. Aber das „Nein zum Krieg“ wird ihnen als ein „Nein zum Präsidenten“ ausgelegt. Die Menschen verstehen und erwarten, dass sie als erste weggesperrt werden und diejenigen, die in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren zu diesen Demonstrationen gegangen sind, wollen jetzt weg. Angesichts des Krieges in der Ukraine ist es aber nicht mehr nur diese vergleichsweise kleine Gruppe von Putin-Gegner:innen, die in der Emigration den einzigen Ausweg sieht: Ein breiterer Teil der russischen Stadtbevölkerung, der vielleicht nicht so sehr gegen Putin, sondern in erster Linie gegen diesen Krieg ist, könnte sich jetzt ebenfalls für den Exodus entscheiden. Auch wenn unklar ist, ob sich dieser Trend zur Auswanderung überhaupt materialisieren können wird. (…) Im Moment kann die Revolution in diesem Land nur eine Palastrevolte sein, so wie es schon immer war, auch vor der großen Revolution von 1917. Oder wenn sie von unten kommt, dann erst in einigen Jahren, wenn Russland in ein mittelalterliches Stadium zurückgefallen sein wird. (…) Die kleine Hoffnung auf die neue Generation, die ich mit Blick auf Voyna und die Künstler:innen zu bewahren versucht habe, ist vielleicht nur eine Fata Morgana. Um ehrlich zu sein, ich denke zum ersten Mal darüber nach, wann ich meine Sachen packen und gehen sollte und was ich als nächstes tun könnte.“ - Landesweiter Antikriegs-Protesttag in Russland am 13. März – über 800 DemonstrantInnen festgenommen
- Im Thread von Nelli Tügel vom 13.3. sind Berichte, Fotos und Videos gesammelt vom landesweiten Antikriegs-Protesttag in Russland, zu dem die Jugendbewegung „Vesna“ aufgerufen hat. Christoph Wälz hat den Aufruf übersetzt, leider nur auf Fratzebuch verfügbar.
- tagesschau.de berichtet am 13.3.2022 (mit Videos): Viele Festnahmen bei Protesten in Russland. „In Russland sind erneut landesweit zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen, um gegen den Angriffskrieg zu protestieren. Mehr als 800 Demonstranten wurden festgenommen – seit Beginn der Invasion bereits mehr als 14.000. Bei neuen Demonstrationen gegen den Krieg in der Ukraine sind in Russland nach Angaben von Bürgerrechtlern landesweit mehr als 800 Menschen festgenommen worden. Zu den Festnahmen sei es bei Protesten in 37 Städten gekommen, teilte die Organisation Owd-Info mit. Aktionen gab es demnach etwa in Wladiwostok im äußersten Osten Russlands und in Irkutsk am Baikalsee sowie in der sibirischen Stadt Tomsk, in Moskau und St. Petersburg. Unter den Festgenommenen in St. Petersburg waren auch mehrere Journalisten. Bilder und Videos in sozialen Netzwerken zeigten, wie Menschen von Polizisten mit Schutzhelmen und schwerer Ausrüstung weggezerrt wurden…“
- „Werft die Fahnen fort! Die Militärkapellen spielen auf zu euerm Todestanz. Seid ihr hin: ein Kranz von Immortellen – das ist dann der Dank des Vaterlands.“ #Tucholsky vor der #RussischenBotschaft #нетвойны! #Ukrainewar #Ukraine
In Solidarität mit der russischen Antikriegsbewegung! Verteilt es gern. Auf den Netzwerken wo auch die Untertitel Sinn machen. Und die in RU noch erreichbar sind…“ Thread von Paul Geigerzaehler vom 11.3.2022 zum Video des Geigers vor der russischen Botschaft , der „Der Graben“ spielt – mit Text von Tucholsky auf Russisch und Deutsch
- Antikriegsbewegung in Russland: Wie weiter? Diskussionsbeiträge aus der russischen Linken nach dem landesweiten Protesttag am 6. März 2022
„Zwei Tage nachdem der russische Präsident Wladimir Putin ein Paket an Gesetzesverschärfungen unterzeichnet hatte, das etwa die Verbreitung von »Falschinformationen« über die russischen Streitkräfte mit bis zu 15 Jahren Gefängnisstrafe bedroht, gingen im ganzen Land tausende Menschen gegen den Krieg in der Ukraine auf die Straßen. Die Sicherheitskräfte gingen überall mit großer Härte gegen die Demonstrierenden vor. Wir dokumentieren im Folgenden drei Statements russischer linker Gruppen, die sich mit der Frage nach dem »Wie weiter mit den Antikriegsprotesten« befassen. (…) Die Polizei war nicht zimperlich bei der Wahl ihrer Mittel, schlug die Festgenommenen und setzte Elektroschocker ein. In vielen Städten wurden nicht gekennzeichnete Ordnungshüter gesichtet, die die unmenschlichsten Methoden anwenden können, ohne Strafen befürchten zu müssen. Dies zeigt, wie sehr sich die Behörden der prekären Lage bewusst sind, in der sie sich befinden. Die Repression wird den Herrschenden jedoch nicht helfen, die von ihnen verursachte Krise zu lösen. Im Gegenteil, der Wille zum Widerstand wird angesichts des drohenden Zusammenbruchs der Wirtschaft nur noch wachsen. Zehntausende von Menschen sind in 56 Städten auf die Straße gegangen. Sie ließen sich von den Verhaftungen von Aktivist*innen, der Panikmache und der Polizeibrutalität nicht abschrecken. (…) Die Aktionen am 6. März sind auf eine neue Qualität von Unterdrückung durch das Regime gestoßen, das begonnen hat, die Methoden der belarussischen Sicherheitskräfte anzuwenden. In Jekaterinburg halfen schwarzgekleidete Männer ohne jegliche dienstliche Erkennungszeichen dabei, die Leute zu verhaften. In Moskau zwang die Polizei junge Leute dazu, ihr Zugang zu den Messengerdiensten auf ihren Handys zu verschaffen. Die Gewalt, die wir letztes Jahr bei den Protesten nach der Rückkehr Nawalnys erlebt haben, ist uns wieder begegnet. Leute wurden geschlagen, auf den Boden geworfen, es wurden Elektroschocker eingesetzt. Gegen die Inhaftierten wurde auf den Polizeirevieren Gewalt und Folter angewandt. Dabei waren die Polizist*innen sich ihrer Straflosigkeit bewusst, sie waren von der Richtigkeit ihrer Handlungen überzeugt. Auf dem Moskauer Polizeirevier Bratejevo konnte Alexandra Kaluzhskikh aufnehmen, wie sie während eines Verhörs geschlagen wurde. Die schreckliche Aufzeichnung, die von dem »Feministischen Widerstand gegen den Krieg« veröffentlicht wurde, zeigt erneut, dass das Putin-Regime nicht nur gegen die Ukrainer*innen kämpft, sondern auch gegen das eigene Volk. Zu einer Massenmobilisierung, die nicht gewaltsam aufgelöst werden kann, kam es am 6. März nicht, obwohl im ganzen Land mehr Leute auf die Straße gingen als in den Tagen zuvor. Wenn man die Welle von Hausdurchsuchungen und Verhaftungen, die Abschaltung vieler Medien und die neuen repressiven Gesetze, die buchstäblich vor ein paar Tagen erlassen wurden, berücksichtigt, also eine neue Wucht der Einschüchterung und Abschreckung, dann kann man diese Mobilisierung als einen Punkt für die Antikriegsbewegung werten. Doch es stellt sich die Frage: Was sollen wir jetzt tun?
Das Regime wird jetzt Aktivist*innen suchen und bestrafen. Es haben bereits Entlassungen von Kriegsgegner*innen begonnen. Die seit 20 Jahren andauernde Politik der Unterdrückung von Freiheiten hat dazu geführt, dass weder die Arbeiter*innenklasse noch die Studierenden eigene Organisationen haben, die in der Lage wären, für einen solidarischen Kampf gegen den Krieg zu mobilisieren. Die Antikriegsbewegung muss aus dem Nichts aufgebaut werden, ohne jede Unterstützung von Gewerkschaften oder studentischen Organisationen und unter den Bedingungen des politischen Staatsterrors. Auf uns wartet eine harte Arbeit, fast schon im Untergrund. (…) Anstatt eine erneute Mobilisierung anzustrengen, müssen wir die Antikriegsbewegung breiter aufstellen, also breitere Schichten der Gesellschaft heranziehen und organisieren. Die Wirtschaftskrise und die Sanktionen versetzen dem Lebensstandard ungeheuerliche Schläge. Millionen verlieren aufgrund von Kapitalflucht ihre Arbeitsplätze. Zusammen mit der Bestattung getöteter Soldaten und mit Zeugenberichten von Soldaten werden damit vielen die Augen über den Krieg geöffnet werden. Der Propagandaschleier wird fallen, besonders wenn sich der Krieg noch hinziehen wird. Die Bewegung wird wachsen, wenn es dem Regime nicht gelingt, heute ihren aktiven Kern zu erdrücken…“ Aufrufe vom Russischen ins Deutsche übersetzt durch Christoph Wälz am 8. März 2022 im ak online - Gegen den Krieg. In Russland formiert sich mutiger Protest gegen das Blutvergiessen
„… Bereits am Abend des Kriegsbeginns, am 24. Februar, als Tausende versuchten, sich im Zentrum Moskaus zu versammeln, fiel die jugendliche Zusammensetzung der Protestierenden auf. Die Polizei sorgte für die Zerstreuung der Menschenmassen, weshalb sich immer wieder neue Protestzüge auf dem Moskauer Gartenring formierten. Einen davon führte eine Gruppe erfahrener Antifaschist:innen mit einem selbstgemachten Transparent an: «Frieden für die Ukraine – Freiheit für Russland» stand in grossen schwarzen Lettern auf weissem Stoff. Sie wollten den hinter ihnen marschierenden, wesentlich jüngeren Teilnehmer:innen eigentlich zeigen, wie man sich und andere durch die Bildung von Ketten auf friedliche Weise vor einer Festnahme schützen kann. Doch als sich die Polizei von vorn auf die Versammelten stürzte, hatten die demonstrationsunerfahrenen Kriegsgegner:innen hinter ihrem Rücken bereits die Flucht ergriffen. Der russischen Antikriegsbewegung fehlt es an einer koordinierenden Instanz. Eine solche sei aber gar nicht nötig, meint indes der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin. Er legte in einem Videoaufruf am Montag seine Vision von dezentralisiertem Widerstand gegen den «verbrecherischen Krieg» dar: Lokale Antikriegskomitees, die in ihrem Umfeld agierten, seien das Gebot der Stunde. Aber es müssten viele sein. (…) Derweil meldet sich auch Prominenz aus Russlands Kulturbetrieb zu Wort: Der Schauspieler Danila Koslowski outete sich genauso als Kriegsgegner:in wie die Sängerin Semfira oder die Rapper Morgenstern und Oxxxymiron. Hip-Hop-Star Allj verschob wegen des Krieges seine Konzerte in Jekaterinburg und Tscheljabinsk. Elena Kowalskaja, Theaterdirektorin des Moskauer Meyerhold-Zentrums, trat zurück, weil sie unter den gegebenen Umständen eine Vergütung durch den Staat als inakzeptabel ansieht. Aus gleichem Grund kündigte der aus Litauen stammende Regisseur Mindaugas Karbauskis seinen Posten als Indendant beim Majakowski-Theater. Selbst das staatliche Puschkin-Museum schloss sich einer Antikriegserklärung des International Council of Museums an…“ Bericht von Ute Weinmann aus Moskau aus der WOZ vom 3. März 2022 , siehe auch:- Nicht nur Oppositionelle stellen sich gegen Wladimir Putin
„Trotz Repression und Zensur in Russland wächst der Protest gegen einen Krieg, den viele im Land ablehnen: im Internet ebenso wie auf der Straße…“ Artikel von Irina Scherbakowa und Roland Bathon vom 03.03.2022 im Freitag online
- Nicht nur Oppositionelle stellen sich gegen Wladimir Putin
- »Nein zum Krieg!« Linke Stimmen aus Russland und der Ukraine
„In zwischenstaatlichen Eskalationen und Kriegen richten sich alle Blicke auf die Entscheidungen und nächsten Handlungen der Mächtigen. Wir wollen Stimmen von unten stärken und dokumentieren daher übersetzte Auszüge von Statements unterschiedlicher linker Gruppen aus beiden Ländern…“ Doku vom 25. Februar 2022 beim ak online - Siehe das Dossier zum zivilem Widerstand in der Ukraine und Russland gegen den Krieg in der Ukraine beim Bund für soziale Verteidigung
- siehe auch die Berichterstattung von Human Rights Watch (u.a. über Verhaftungen von Anti-Kriegs-Demonstranten in Russland)
- und Berichte bei Crimethinc