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Neue Proteste gegen die reaktionäre Anti-Abtreibungspolitik der polnischen Rechtsregierung (und ihrer Kirche)

Pressekonferez des Frauestreik-Komitees in WarschauNicht nur in Warschau, sondern auch in vielen anderen polnischen Städten liefen und laufen die Proteste gegen das Abtreibungsverbot. Dabei auch die Kirche als direkter Adressat – wie hier gestern vor dem Bischofspalast in Łódźam 30. Januar 2021 im Twitter-Kanal von kapturak externer Link ist eine der zahlreichen Meldungen auf seinem Kanal über die neuerlichen Proteste, von denen dabei sowohl deutlich wird, dass sie einmal mehr im ganzen Land stattfanden, eben auch in anderen großen Städten, aber auch in kleineren Ortschaften – und dass sie eigentlich nie ganz aufgehört hatten, nur eben etwas weniger mobilisiert hatten, was sich nun wieder geändert hat. Siehe dazu zwei weitere Beiträge und den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zu den Protesten in Polen:

  • „Abtreibungsverbot in Polen: Zwischen Resignation und Wut“ am 30. Januar 2021 im Lower Class Magazine externer Link hebt zur aktuellen Entwicklung der Proteste unter anderem hervor: „… Am 27. Januar trat in Polen ein Gesetz in Kraft, das Schwangerschaftabbrüche weitestegehnd illegalisiert. Bisher war es möglich einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund triftiger Gründe durchführen zu lassen.Bereits im Herbst 2020 hatte das Verfassungsgericht ein Urteil gefällt, sich aber mit der Urteilsbegründung ungewöhnlich lange Zeit gelassen. Deswegen tritt das neue Gesetz erst jetzt in Kraft. Es illegalisiert und kriminalisert Abtreibungen von nicht lebensfähigen Föten und bereitet mit seiner Begründung ein totales Abtreibungsverbot vor. Viele Pol*Innen, die unter den sowieso schon schwierigen Umständen einen Termin für einen Schwangerschaftsabbruch bekommen haben, werden diesen nicht durchführen dürfen. Die Termine werden gecancelt. Ärzt*Innen die Beihilfe dazu leisten, wie Medikamente verschreiben oder den Abbruch durchführen, machen sich strafbar. Polen hatte ohnehin schon eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in der EU. Bisher war ein Schwangerschaftsabbruch nur in seltenen Fällen möglich, so etwa nach einer Vergewaltigung oder wenn das Leben der Mutter akut bedroht war.Bereits 2016 lehnte das Parlament eine weitere Verschärfung der Schwangerschaftsabbrüche nach heftigen Protesten ab, wohl auch wegen des prognostizierten Einbruchs der Wählerstimmen für die rechtskonservative Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ PiS. Doch nach den Neuwahlen 2019 initiierte diese das neue Gesetz. Frauenrechtsorganisationen schätzen die Anzahl von illegalen Schwangerschaftsabbrüchen in Polen und von Menschen, die diese im Ausland durchführen, auf bis zu 200.000 jährlich. Dahingegen werden weniger als 2.000 Abbrüche legal vorgenommen. Mit der seit heute geltenden Gesetzeslage drohen Ärtz*innen die trotz des Verbots Schwangerschaftsabbrüche anbieten oder durchführen, mehrere Jahre Haft. Noch am Abend des 27. Januars rief die Bewegung Strajk Kobiet (Frauenstreik), die schon seit 2016 für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts kämpft, zu Demonstrationen auf. Mindestens 2.000 Menschen liefen durch Warschaus Straßen, nach Angaben der Organisator*innen fanden darüber hinaus in insgesamt 46 weiteren Orten in Polen Demonstrationen statt. “Warschau, Tausende. Marschieren zum Sitz allen Übels” twitterte die Initiative abends, als sich der Demozug ausgehend vom Verfassungsgericht in Bewegung setzte. Vor Kirchen versammelten sich spärlich nationalistische Hooligans zusammen mit Polizist*innen, nachdem im letzten Jahr Demonstrant*innen einige Kirchen stürmten. Die Stimmung auf der Demonstration dieses Jahr war gedrückt, sie wirkte trotz Musik und Parolen wie eine Beerdigung...“
  • „Schwarzer Tag für die Frauenrechte in Polen“ von Holger Politt am 29. Januar 2021 bei der Rosa Luxemburg Stiftung externer Link kommentiert: „… Jetzt in den dunklen Wintertagen und in einer Pandemie-Situation, in der große Teile des öffentlichen Lebens noch immer stark eingeschränkt und heruntergefahren sind, rechnete kaum noch jemand mit dem perfiden Anschlag, alles wartete bereits auf das bevorstehende Frühjahr. Diese Chance nutzte Kaczyński, um die Öffentlichkeit ein weiteres Mal zu überrumpeln. Ein zynischer Schritt, darin sind sich die meisten kritischen Beobachter einig, weil jede Öffnung des gesellschaftlichen Lebens, die mit dem zurückkehrenden Licht und kommender Wärme nicht aufzuhalten sein wird, eher den Kaczyński-Gegnern in die Hände spielen und das Regierungslager unter größeren öffentlichen Druck bringen wird. Die aus Regierungssicht beste aller schlechten Möglichkeiten galt es zu nutzen, so fiel der Vorhang noch im Januar, das Urteil wurde von Amts wegen veröffentlicht. In den Novembertagen hatte die Regierungsseite die Proteste überraschend schnell ersticken können, denn massiver Polizeieinsatz und strenge Pandemieauflagen spielten geschickt zusammen. Auch jetzt hofft das Kaczyński-Lager, dass diese repressiven Mittel reichen werden, um den Protest gleich von Anfang an im Keim zu ersticken, bevor – Pandemie hin oder her – ein größerer öffentlicher Raum von den protestierenden Menschen gewonnen werden kann. Im Grunde wird Polens Gesellschaft künftig aber nicht umhinkommen, den irischen Weg einzuschlagen, also über solch grundsätzliche Fragen wie die der gleichgeschlechtlichen Ehe und vor allem die des legalen Schwangerschaftsabbruchs in einem Referendum abzustimmen, so wie 2015 und 2019 in Irland. Doch werfen kenntnisreiche Beobachter bei diesem Vergleich gerne ein, dass die Situation in beiden Ländern nicht zu vergleichen sei, weil die moralische Verwurzelung der katholischen Kirche im heutigen Polen doch noch tiefer greife als in Irland. Anders gesagt, würde erst ein anderer Wahlausgang bei künftigen Parlamentswahlen auch in der Frage solcher Referenden eine tiefere Bresche schlagen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=185787
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