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Linker Pedro Castillo gewinnt Präsidentschaftswahlen in Peru

Dossier

Peru: „Vacarlos a todos“ - sie sollen alle gehen, samt ihrer Verfassung„Die Stimmen der Präsidentschaftswahl in Peru sind ausgezählt. Der Linkskandidat Pedro Castillo kommt in der Stichwahl auf 60.365 Stimmen mehr als die Rechte Keiko Fujimori. Dennoch wurde er noch nicht zum offiziellen Wahlsieger erklärt: Fujimoris Anwält:innen fechten die Wahl vor Wahlgerichten an. Nichtsdestotrotz gratulierten ausländische Staatsoberhäupter bereits. 802 „Abstimmungsprotokolle“ aus Castillo-treuen Regionen, auf denen die Stimmverteilungen der einzelnen Wahllokale registriert sind, möchte Fujimori annulliert sehen. Damit fordert die Diktatorentochter, die sich im Wahlkampf noch als die „demokratische Option“ gegen den „Kommunismus“ präsentiert hatte, die Ungültigkeit von knapp 200.000 Stimmen. In besagten Wahllokalen war laut der 46-Jährigen systematische Wahlfälschung am Werk. (…) Der Leiter des JNE, Jorge Luis Salas, hatte im Vorfeld der Wahlen stets versichert, dass bei dem jetzigen Wahlsystem ein Wahlbetrug „unmöglich“ sei. Laut internationalen Wahlbeobachter:innen verlief die Wahl erfolgreich und „ohne Unregelmäßigkeiten“. Nichtsdestotrotz hat eine Gruppe peruanischer Unternehmen die besten Anwaltskanzleien des Landes damit betraut, nach Formfehlern Ausschau zu halten, um eventuell doch noch den Wahlsieg Castillos kippen zu können. (…) In Lima kam es im Verlauf der Woche zu mehreren Anti-Castillo-Demonstrationen. In den sozialen Medien wurden Rufe nach einem Militärputsch laut. Dem entgegnete das Verteidigungsministerium mit einem offiziellen Schreiben und verwies darauf, dass die Streitkräfte der Verfassung und der Demokratie verpflichtet sind.“ Bericht aus Lima von Quincy Stemmler vom 12. Juni 2021 bei amerika21 externer Link und dazu:

  • Präsident Castillo will Peru „von unten nach oben“ neu aufbauen: Keine Wirtschaftsprojekte ohne sozialen Nutzen, Gesundheit und Bildung als Grundrechte New
    Antrittsrede setzt Akzente: Keine Wirtschaftsprojekte ohne sozialen Nutzen, Kampf gegen Missbrauch von Monopolen und die Korruption, Gesundheit und Bildung als Grundrechte (…) Im weiteren Verlauf seiner Rede widmete er sich der Gesundheit und dem Kampf gegen die Pandemie, der Wirtschaft und dem Kampf gegen die Korruption, dem Ausbau des Bildungssystems, besonders in ländlichen Regionen, den Themen Landwirtschaft, Bergbau und Klimawandel, dem Schutz von Frauen und Kindern, sowie dem Ausbau der Infrastruktur im Landesinneren. Castillo sprach sich für ein Impfangebot für alle Peruaner:innen in kürzester Zeit aus und möchte weitere Krankenhäuser bauen. „Gesundheit ist ein Grundrecht, das der Staat garantieren muss. Die körperliche und geistige Gesundheit wird die erste Priorität der Regierung sein. Wir werden ein universelles, einheitliches, kostenloses, dezentralisiertes und partizipatives Gesundheitssystem schaffen“. Der Zentralismus habe Millionen Peruaner:innen gezwungen, für eine ärztliche Behandlung nach Lima zu reisen. Das Land brauche „dringend die Wiederherstellung von Arbeitsplätzen und Familieneinkommen“. Die Wirtschaft müsse geordnet und berechenbar bleiben, „was die Grundlage für Investitionsentscheidungen ist“. Das durch Arbeit und legal erworbene Eigentum werde vom Staat garantiert, so der neue Präsident. (…) Dem öffentlichen Bildungssystem erklärte Castillo den „Notstand“. Er werde alles tun, um die Ungleichheiten im Bildungssystem zu beenden und alle Schulen mit einem Internetanschluss auszustatten. Castillo sprach sich für Regeln für die Minen in den peruanischen Anden aus und schloss auch die Einstellung von Berbauprojekten nicht aus. Seine Regierung werde Industrien unter sozialen Gesichtspunkten fördern: „Wenn ein Projekt keinen sozialen Nutzen hat, wird es einfach nicht durchgeführt.“ Die Emissionen sollen verringert werden und Peru 2050 klimaneutral sein…“ Artikel von Julia Urbina vom 30.07.2021 bei amerika21 externer Link mit umfangreicher Darstellung seiner Antrittsrede
  • Peru: Linker Pedro Castillo zum Sieger der Präsidentschaftswahl gekürt 
    Sechs Wochen nach der Stichwahl hat ein Wahlgericht entschieden: Der Linkskandidat Pedro Castillo hat sich gegen die Rechtspopulistin Keiko Fujimori durchgesetzt. (…) Der Bewerber der marxistisch-leninistischen Partei Perú Libre kam auf 50,12 Prozent der Stimmen, wie das Wahlgericht mitteilte. Die Rechtspopulistin Keiko Fujimori erhielt in der extrem knappen zweiten Runde der Wahlen demnach 49,87 Prozent. „Liebe Landsleute, ich bringe ein offenes Herz für jeden Einzelnen von euch mit“, sagte Castillo in seiner ersten Rede vom Balkon seiner Parteizentrale in Lima vor Hunderten Anhängern. „Lassen Sie uns keine Hindernisse aufstellen, um dieses Land voranzubringen“, forderte er seine Gegnerin auf. Fujimori teilte mit, dass sie den Sieg Castillos anerkenne…“ Agenturmeldung vom 20. Juli 2021 in der Zeit online externer Link, siehe dazu:

    • Pedro Castillo Hintergrund. Kein „politisch unerfahrener Lehrer“ (taz) und er steht auch nicht für „das Verschwinden der Demokratie und Freiheit in Peru“ Zitat „Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa Castillo“ (taz)
      Verweis der ila auf ihre umfangreichen Hintergründe externer Link als Richtigstellung zu Falschmeldungen
    • Noch vor ein paar Tagen wurde versucht, das Wahlergebnis zu verhindern, wie amerika21 am 17.7. berichtete: Gegen Wahlsieg der Linken in Peru: Ultrarechte stürmen Regierungsviertel externer Link
    • Siehe aber auch: Peru: Extrem homofeindlicher Linkspopulist schlägt homofeindliche Rechtspopulistin
      Aus dem Nichts hat sich der Linkskandidat Pedro Castillo vom Land ins Zentrum der Macht katapultiert. Queere Menschen können sich aber wohl keine Hoffnungen auf Verbesserungen machen. (…) Oft ist der Sieg einer eher linksgerichteten Person bei Wahlen ein eher positives Zeichen für LGBTI-Aktivist*innen, aber in Peru ist das anders: Sowohl der Sieger als auch die Verliererin gelten als äußerst konservativ und LGBTI-feindlich. Beide lehnen etwa neben Abtreibung oder Sterbehilfe auch die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben ab. Fujimori erwies sich als ein wenig offener: Sie wiederholte im Wahlkampf Äußerungen, wonach sie sich eingetragene Partnerschaften mit beschränkten Rechten vorstellen könne. Derzeit werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften im 33 Millionen Einwohner*innen zählenden Land überhaupt nicht anerkannt. Konkret wollte sie so gleichgeschlechtliche Paare beispielsweise im Erb- oder Rentenrecht gleichstellen, aber nicht in anderen Feldern wie dem Adoptionsrecht. Konkret sagte sie, dass Homosexuelle keine Kinder adoptieren sollten, weil diese dann „gemobbt“ werden würden. Politikwissenschaftlerin Alexandra Ames hielt beide Kandidat*innen in der Frage der LGBTI-Rechte für sehr ähnlich: „Sie gehören beide einer extrem konservativen Richtung an und suchen die Nähe zu religiösen Gruppen wie evangelikalen Kirchen oder katholischen Kirche, die den gesellschaftlichen Status quo beibehalten wollen.“…“ Beitrag vom 20. Juli 2021 bei queer.de externer Link
  • „Peru gegen den Putsch“: Streikende fordern Anerkennung von Wahlergebnis 
    „Am Dienstag hat in Peru ein landesweiter Streik in Solidarität mit dem Präsidentschaftskandidaten Pedro Castillo stattgefunden. Unter dem Motto „Peru gegen den Putsch“ kam es landesweit zu Demonstrationen und Kundgebungen. Mehrere Fernstraßen wurden blockiert. Zum dem Streik aufgerufen hatte die Nationale Front für Demokratie und Regierbarkeit, bestehend aus Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Linksparteien. Gemeinsam forderten sie die Anerkennung Castillos als Präsidenten. Der Linkskandidat hatte am 6. Juni die Mehrheit der Stimmen bei der Präsidentschaftswahl erreicht, wurde aber aufgrund juristischer Manöver und offener Putschaufrufe aus dem Lager seiner Kontrahentin Keiko Fujimori immer noch nicht offiziell zum Wahlsieger ernannt. „Wir sind hier, damit der Wille des Volkes respektiert wird. Wir wissen, dass der Wahlsieger Pedro Castillo ist“, erklärte ein Demonstrant gegenüber der Presse im Anden-Departamento de Puno. Ein weiterer Auslöser der Proteste ist die Neubesetzung des Verfassungsgerichts durch das scheidende Parlament. Immer wieder war der dafür zuständige parlamentarische Ausschuss in die Kritik geraten. Beobachter fürchten ein „Durchpeitschen“ der Richterernennungen in den letzten Wochen der alten Legislaturperiode…“ Beitrag von Quincy Stemmler vom 8. Juli 2021 bei amerika21 externer Link
  • Für die Anerkennung des Wahlsiegs von Pedro Castillo in Peru: Bunte Vielfalt bei Protesten für Demokratie 
    Zwei Wochenenden in Folge haben soziale Organisationen aus ganz Peru Protestmärsche mobilisiert. Auch Fujimori-Anhänger:innen demonstrierten. Die vergangenen beiden Samstage werden sich in die peruanische Erinnerung einbrennen. In vielen Teilen des Landes protestierte die Bevölkerung mit einem gemeinsamen Ziel: Sie forderte die Anerkennung des Wahlsiegs von Pedro Castillo bei der Präsidentschaftswahl. Allein in Lima nahmen an den zwei nationalen Märschen „gegen den Staatsstreich“ zahlreiche Bürgervereinigungen, Vertreter:innen von Bauernverbänden, regionale Organisationen, Ronderos (Mitglieder bäuerlicher Selbstorganisationen, Anm. d. Red.) und Jugendgruppen teil und versammelten sich jeweils am Nachmittag auf den Straßen. Begleitet von Tänzen, traditioneller Kleidung, Sprechchören und Gesängen endeten die Proteste mit einer riesigen Kundgebung auf der Plaza San Martín im historischen Zentrum Limas. Dort ergriffen Vertreter:innen von Bauernverbänden und Studierenden, Politiker:innen und andere Akteur:innen der Zivilgesellschaft das Wort. Gegen Abend des ersten Protestmarschs trug Martina Portocarrero das Lied “Flor de Retamaexterner Link vor, das trotz einer Stigmatisierungskampagne zur einer regelrechten Hymne der Forderungen der Bevölkerung geworden ist. Auf vielen Plakaten und Bannern war „Nein zum Staatsstreich“ zu lesen. Zu den Protesten, zu denen das Koordinationskomitee für die Verteidigung von Wahl, Demokratie und Heimat aufgerufen hatte, kamen Teilnehmer:innen aus mehreren Departamentos. Diese stimmten Sprechchöre an wie: „Wir sind keine Terroristen, wir sind Provinzler“. Darüber hinaus waren etwa tausend Ronderos externer Link mit ihren charakteristischen Arbeitswerkzeugen anwesend, um die antidemokratischen Kundgebungen und den befürchteten Staatsstreich abzulehnen…“ Beitrag von Servindi in der Übersetzung durch Poonal am 30.06.2021 bei amerika21 externer Link
  • Pedro Castillo: »Keine armen Menschen mehr in einem reichen Land.«
    Früher war Pedro Castillo Grundschullehrer in einem Dorf in den Anden. Heute ist der selbsterklärte Sozialist der rechtmäßig gewählte Präsident von Peru. Was ihn in die Politik getrieben hat und welche umfassenden Reformen er plant, erzählt er hier…“ Artikel von Pedro Castillo in der Übersetzung von Thomas Zimmermann am 29.06.2021 in Jacobin.de externer Link
  • „Todas las Sangres“: Pedro Castillo und die Vision einer gerechten Gesellschaft in Peru 
    „… José María Arguedas (1911-1968) war Schriftsteller, Dichter, Pädagoge, Anthropologe, Ethnologe, Übersetzer, Journalist und Musiker. Mit seinen Übersetzungen von Quechua-Gedichten und -Erzählungen ins Spanische leistete er einen immensen Beitrag zur peruanischen Kultur. (…) 1964 veröffentlichte er das Buch, das seinen größten Wunsch und seine Vision für die Zukunft Perus zum Ausdruck brachte: „Todas las sangres“ (sinngemäß: Alle Völker vereint ). Ein erzählerisches Meisterwerk, in dem Arguedas die ganze ethnische Vielfalt der peruanischen Bevölkerung und die internen kulturellen und sozialen Konflikte zeigen wollte und in dem er sein Ideal einer gerechten und integrativen Gesellschaft für unser Land vorstellt, multiethnisch und multikulturell. Der Wert und die Bedeutung dieses Romans liegen darin, dass er nicht nur als künstlerisches Werk wichtig ist, sondern dass sein Titel in Peru als Ausdruck der Notwendigkeit für die Einigkeit aller Peruaner verwendet wird. (…) [Pedro] Castillo stellt in seinem „Plan de Gobierno Perú al Bicentenario – Sin corrupción“ folgendes fest: „Unser Land befindet sich heute in einem entscheidenden Moment in seiner Geschichte. Es wird festgelegt, ob wir einen gesellschaftlichen Wandel in Demokratie, in Frieden schaffen, der die verschiedenen Stimmen unseres Landes berücksichtigt, insbesondere die Stimmen derjenigen, die in all diesen Jahren unsichtbar gemacht und zum Schweigen gebracht wurden. … Unser Vorschlag umfasst die Hoffnung der Völker auf Veränderung und bekräftigt einen Weg des schrittweisen, aber tiefgreifenden Wandels, der wahrhaft demokratisch und von der Suche nach Rechten und Chancen für alle, mit Gerechtigkeit und Frieden, geleitet wird“. (…) Die Verfassung der Diktatur, so Castillo, „hat zudem eine koloniale Matrix und erkennt die politischen und kulturellen Institutionen der indigenen Völker und bäuerlichen Gemeinschaften nicht an. Die Verfassung der Diktatur muss einer neuen demokratischen Verfassung weichen, die von allen Stimmen und allen Völkern ausgearbeitet wurde. … Die neue Verfassung, entstanden aus dem Willen des Volkes, wird die Farbe und den Geschmack des Volkes haben.“…“ Artikel von Alberto Pascal in der Übersetzung von Vilma Guzmán (Poonal) vom 21. Juni 2021 bei amerika21 externer Link
  • Siehe auch zum Hintergrund bei amerika21: Mehr Hoffnung für Perus Indigene mit einem linken Präsidenten Castillo? externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=190841
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