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„Ihr Österreich“ soll den Unternehmen gehören – zum Programm der neuen Rechtsregierung
„Die neue Regierung in Österreich steht. ÖVP und die FPÖ haben sich auf ein Regierungsprogramm geeinigt. „Zusammen. Für unser Österreich“ ist der Titel – und macht deutlich, dass dieses „wir“ und „unser“ ein Land der Unternehmen sein soll. In der Berichterstattung hierzulande wird wenig über die Ziele der neuen Regierung beim Arbeitsrecht berichtet. Gerade die FAZ bezeichnet die FPÖ als „Arbeiterpartei, so dass eine Darstellung sinnvoll ist, was den Beschäftigten die neue Regierung den bringen wird“ – so beginnt der Beitrag „ÖVP und FPÖ-Regierung: „Zusammen. Für unser Österreich“ als Frontalangriff aufs Arbeitsrecht“ von Marcus Schwarzbach vom 17. Dezember 2017 – bei dem sich LabourNet Germany für die Bereitstellung bedankt:
ÖVP und FPÖ-Regierung: „Zusammen. Für unser Österreich“ als Frontalangriff aufs Arbeitsrecht
Die neue Regierung in Österreich steht. ÖVP und die FPÖ haben sich auf ein Regierungsprogramm geeinigt. „Zusammen. Für unser Österreich“ ist der Titel – und macht deutlich, dass dieses „wir“ und „unser“ ein Land der Unternehmen sein soll (siehe https://www.oevp.at/Programme-Statuten-Logos ). In der Berichterstattung hierzulande wird wenig über die Ziele der neuen Regierung beim Arbeitsrecht berichtet. Gerade die FAZ bezeichnet die FPÖ als „Arbeiterpartei“ (http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentenwahl-in-oesterreich-fpoe-als-arbeiterpartei-14197986.html ), so dass eine Darstellung sinnvoll ist, was den Beschäftigten die neue Regierung den bringen wird:
„Anhebung der täglichen Höchstgrenze“: 12-Stundenarbeitstag
Zynisch wird einleitend erläutert: Es sei „stets auf eine Ausgewogenheit zwischen Arbeitnehmer-und Arbeitgeberinteressen zu achten. Der internationale Vergleich zeigt: Je fortschrittlicher der Standort, desto flexibler die Arbeitszeit“ (Seite 138). Um dann deutlicher zu werden: Wichtig sei, Arbeitszeiten „besser an die Auftragslage anpassen zu können“.
Die Festlegungen dazu sind deutlich: „Anhebung der täglichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 12 Stunden sowie der wöchentlichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 60 Stunden (Seite 139).
Die in den Tourismus-Gebieten Beschäftigten trifft es noch härter – denn die Regierungsparteien sind sich einig: Es erfolgt eine „Erweiterung der Arbeitszeitspielräume zur Saisonverlängerung in Saisonbranchen, beispielsweise im Tourismus“, was vor allem zur „Verkürzung der täglichen Ruhezeit im Tourismus (z.B. Hotellerie/Gastronomie)“ führen wird (Seite 139).
Unterlaufen von Tarifverträgen auf betrieblicher Ebene
„Ziele sind ein weniger restriktiver Gesetzesrahmen und die Stärkung der Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene“. So soll ein Unterlaufen von Tarifverträgen auf betrieblicher Ebene möglich werden „Stärkung der Betriebsebene“ heißt aus Sicht der Regierenden „Betriebe sollen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bzw., wenn es einen solchen nicht gibt, direkt mit dem Arbeitnehmer (Einzelvereinbarung) mehr Möglichkeiten zur Gestaltung flexibler Arbeitszeiten erhalten“ (Seite 139)
„Entbürokratisierung“ von Arbeitnehmerschutzvorschriften
Ein wichtiges Ziel der neuen Regierung ist die „Entbürokratisierung“, vor allem von „Arbeitnehmerschutzvorschriften“: „Wir werden generell die Bestimmungen für den Arbeitnehmerschutz durchforsten und auf ihre Sinnhaftigkeit und ihre Wirksamkeit überprüfen“ (Seite 147). Die Unternehmerlobby hat demzufolge starken Einfluss auf die neue Regierung: „Wir wollen unternehmerisches Engagement auf allen Ebenen unterstützen – und daher Verwaltung und Bürokratie reduzieren, aber auch Arbeitszeitregelungen für Betriebe und Beschäftigte praxisgerecht gestalten. Das Betriebsanlagenrecht soll attraktiver und effizienter gestaltet werden, damit Genehmigungsprozesse schneller und einfacher erfolgen können“ (Seite 132)
Gerade bei der Arbeitszeit zeigt sich die Zielsetzung – Kapitalinteressen zuerst, Gesundheitsschutz zweitrangig: Zur Einschränkung von Arbeiter-Rechten nutzt die FPÖ auch EU-Bestimmungen als Argument – in der Opposition hat sie sich noch als EU-kritisch dargestellt: „Die österreichischen Arbeitszeitregelungen sind deutlich restriktiver, als die Europäische Arbeitszeit-Richtlinie vorgibt“ (Seite 138). So wird auch Bezug auf die wahnwitzige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom November 2017 genommen, nach der ein (!) „Ruhetag spätestens nach zwölf Tagen“ der Arbeit zu gewähren ist (siehe www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/eugh-zur-arbeitszeit-ruhetag-spaetestens-nach-zwoelf-tagen_76_430560.html ).
Bezeichnend ist dabei auch der Verweis auf das Nachbarland, „Deutschland hat in der Vergangenheit die Arbeitszeit flexibilisiert, den Arbeitsmarkt reformiert und verzeichnet heute die niedrigste Arbeitslosenrate in der EU“ (Seite 138) – Änderungen in Österreich werden sicher auch hierzulande zu neuen Forderungen von Unternehmenslobbyisten führen.
Beraten statt strafen – nur für Unternehmen
Auffallend auch, gegenüber wem Härte gezeigt werden soll: Bei Auszubildenden gelte für das Arbeitsamt der „Grundsatz »Fördern und Fordern«, wenn nötig Sanktionierung bei Nichtannahme“ des Ausbildungsangebots (Seite 145). Die Kontrolle von Unternehmen soll jedoch nicht so stringent organisiert sein. Das Prinzip „Beraten statt strafen“ soll beim Arbeitsinspektorat gelten, Konsequenzen bei Verstössen der Unternehmen sollen nicht so bedeutsam sein, den die Forderung der neuen Regierung lautet: „Arbeitsinspektorat stärker als Serviceeinrichtung etablieren“ (Seite 147).
Recht behalten hat der österreichische Publizist Johannes Huber, der für die Gegenblende des DGB schrieb: „In Österreich wird zum zweiten Mal eine rechtspopulistische Regierung gebildet. Vor allem die FPÖ will dies nutzen, um die Arbeitnehmervertretungen zu schwächen. In einigen Bereichen dürfte ihr das auch gelingen“ (http://gegenblende.dgb.de/artikel/++co++c841fcae-df3b-11e7-a2ba-52540088cada ).
Und es zeigt sich: Statt zwischen „Innen und Außen“ läuft der Konflikt zwischen oben und unten.
Von Marcus Schwarzbach, Berater für Betriebsräte
17. Dezember 2017
- Zu den Protesten am Tag X siehe Infos und Links im Beitrag: Großdemonstration in Wien gegen rechte Regierung – auch am Tag X in ganz Österreich
__________________
Dokumentation: Auszug aus: Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017 – 2022“
Seite 138-139
„Arbeitszeitregelungen für Betriebe und Beschäftigte praxisgerecht gestalten
Gesetzliche Arbeitsrechtsbestimmungen, insbesondere Arbeitszeitgesetze, sind ein wesentlicher Faktor für Standort und Arbeitsplätze. Im Gefüge der wirtschaftlichen Verflochtenheit benötigen unsere Betriebe flexible Arbeitszeitregelungen, aber auch die Arbeitskräfte selbst fordern variable Arbeitszeitmodelle ein. Dabei ist stets auf eine Ausgewogenheit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen zu achten. Der internationale Vergleich zeigt: Je fortschrittlicher der Standort, desto flexibler die Arbeitszeit. Deutschland hat in der Vergangenheit die Arbeitszeit flexibilisiert, den Arbeitsmarkt reformiert und verzeichnet heute die niedrigste Arbeitslosenrate in der EU. Die österreichischen Arbeitszeitregelungen sind deutlich restriktiver, als die Europäische Arbeitszeit-Richtlinie vorgibt. Hinzu kommt, dass Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemeinsam und partnerschaftlich vielfach viel flexibler agieren wollen, als sie es aufgrund starrer gesetzlicher Regelungen derzeit können.
Wir wollen den Unternehmen und Mitarbeitern eine flexible Arbeitsgestaltung ermöglichen, um dadurch ihr Arbeitszeitvolumen besser an die Auftragslage anpassen zu können, Steh- und Leerzeiten zu reduzieren oder eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit zugewährleisten.
- Flexibilisierung und Entbürokratisierung der Arbeitszeitgesetze (Arbeitszeitgesetz,Arbeitsruhegesetz)
−− Beibehaltung der gesetzlichen täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeit. Kollektivvertragliche Regelungen der Normalarbeitszeit bleiben unberührt
−− Ziele sind ein weniger restriktiver Gesetzesrahmen und die Stärkung der Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene
−− Stärkung der Betriebsebene: Betriebe sollen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bzw., wenn es einen solchen nicht gibt, direkt mit dem Arbeitnehmer (Einzelvereinbarung) mehr Möglichkeiten zur Gestaltung flexibler Arbeitszeiten erhalten
−− Anhebung der täglichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 12 Stunden sowie der wöchentlichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 60 Stunden (§ 9 AZG; bei gleichbleibendem Regelungsregime der Zuschläge); die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf wie bisher 48 Stunden nicht überschreiten (§ 9 Abs 4 AZG)
−− Erleichterter Zugang zu Sonderüberstunden nach § 7 Abs 4 und 4a AZG (bei gleichbleibendem Regelungsregime der Zuschläge):
▪▪ Entfall der Voraussetzung des unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils
▪▪ Klarstellung, dass nicht für jeden Anlassfall eine gesonderte Vereinbarung erforderlich ist
▪▪ Entfall der Voraussetzung der arbeitsmedizinischen Unbedenklichkeitsbescheinigung für Betriebe ohne Betriebsrat
−− Anhebung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei Gleitzeit auf 12 Stunden, fünfmal pro Woche bei gleichbleibendem Regelungsregime. Nicht übertragbare Gleitstunden werden am Ende der Gleitzeitperiode wie bisher mit Zuschlag (Zeit oder Geld je nach Vereinbarung) vergütet
−− Ausnahmemöglichkeit von der Wochenend- und Feiertagsruhe auch auf Betriebsebene maximal vier Mal im Jahr
−− Mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum durch Kollektivvertrag
−− Erweiterung der Arbeitszeitspielräume zur Saisonverlängerung in Saisonbranchen, beispielsweise im Tourismus
−− Verkürzung der täglichen Ruhezeit im Tourismus (z.B. Hotellerie/Gastronomie) von 11 auf maximal 8 Stunden für alle Betriebe mit geteilten Diensten (bei gleichbleibendem Regelungsregime der Zuschläge)
−− Erweiterung der Ausnahme für leitende Angestellte entsprechend dem EU-Recht: Art 17 Abs 1 lit a AZ-RL: „leitende Angestellte oder sonstige Personen mit selbständiger Entscheidungsbefugnis“ sowie gemäß lit b. für „Arbeitskräfte, die Familienangehörige sind“
- Prüfung der Schaffung eines Zeitwertkonto-Modells („Arbeitszeit-Sparbuch“)“