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Gorillas & Co niet welkom in den Niederlanden: Amsterdam und Rotterdam verbieten Lagerräume von Lieferdiensten
„Immer mehr Lieferdienste richten in Wohnvierteln Verteilzentren ein – die „Dark Stores“ hinter zugeklebten Fenstern. In den Niederlanden wächst der Widerstand. Rotterdam verbietet vorläufig die Einrichtung von Lagerräumen, sogenannten Dark Stores, von Online-Lieferdiensten. Bürger klagten über Lärm, blockierte Gehwege und Gefahren im Verkehr, begründete die Stadt am Donnerstag das Verbot. Auch Amsterdam hatte bereits in der vergangenen Woche ein Verbot der Läden angekündigt. (…) Nach Ansicht der Behörden geht es bei den Dark Stores nicht um offen zugängliche Supermärkte, stattdessen sind es Distributionszentren. Und die dürfe man aus Wohngebieten fernhalten…“ dpa-Meldung bei heise online am 3. Februar 2022 – ein Vorbild? Siehe dazu:
- Niederlage für Getir: Konzern muss eines seiner Zwischenlager in Amsterdam schließen. Stadt sagt Lieferdiensten den Kampf an
„Im vergangenen Jahr ordnete die Gemeinde Amsterdam an, dass der blitzschnelle Lebensmittellieferant Getir eines seiner Zwischenlager in der Innenstadt schließen muss. Weil der Konzern der Anordnung nicht sofort nachkam, kassierten die Behörden Ende 2022 wegen Verstoß gegen den Bebauungsplan eine Geldstrafe von 20.000 Euro. Dagegen legte Getir Beschwerde ein. Vergebens. Die Strafe sei rechtens, stellte am Freitag ein Gericht fest. Getir denkt nun über eine Berufung nach. In dem Rechtsstreit geht es um einen Darkstore in der Eerste Jacob van Campenstraat. In der schmalen Einbahnstraße im Szeneviertel De Pijp gibt es einige Cafés, einen Bioladen und ein Blumengeschäft. Ein buddhistisches Meditationszentrum unterstreicht die angenehme Ruhe. Die hektische Betriebsamkeit, die naturgemäß von den an- und abfahrenden Kurieren eines Lieferservices verbreitet wird, passt nicht recht in diese Gasse, und sie sorgte für Unmut bei den Anwohnerinnen und Anwohnern. Der Stadtrat von Amsterdam entschied deshalb vergangenes Jahr, dass der sogenannte Darkstore von Getir schließen muss, weil in der Straße nur Einzelhandel erlaubt ist. (…) Amsterdam fühlt sich durch das Urteil bestätigt. Im Mai beschloss der Stadtrat, die Darkstores der in der Hauptstadt aktiven Lieferdienste Getir, Flink und Gorillas aus den Wohnvierteln in Gewerbegebiete zu verbannen. Ein harter Schlag für das Geschäftsmodell der »Flitsbezogers«, wie die schnellen Lieferdienste auf Niederländisch heißen. Das Versprechen, die Bestellung in nur höchstens zehn Minuten an die Haustür zu bringen, dürfte bei dem dichten Verkehr in Amsterdam nun utopisch sein.“ Artikel von Gerrit Hoekman in der jungen Welt vom 8. August 2023 - [Boykottaufrufe gegen Fahrrad-Lieferdienste in den Niederlanden] Der große Frust über die Flitsbezorgers
„In Städten wie Rotterdam oder Amsterdam werden Fahrrad-Lieferdienste so ausgebremst wie wohl nirgendwo sonst in Europa. Es gibt sogar Boykottaufrufe – ausgerechnet in den fahrradverliebten Niederlanden. (…) In Wahrheit bekommen die flitsbezorgers (Blitzkuriere), wie sie genannt werden, ausgerechnet in den Niederlanden so viele Steine in den Weg gelegt wie wohl nirgendwo sonst in Europa. Den Anfang machte Amsterdam, das den Unternehmen schon im Januar untersagte, neue Verteilzentren in innerstädtischen Wohngebieten oder Einkaufsstraßen zu eröffnen. Anwohner hatten sich beschwert: über Lastwagen auf dem Trottoir, die ständig neue Ware brächten; über Kuriere, die den Verkehr störten mit ihren Elektro-Rennern oder abends vor dem Lager abhingen und Lärm machten. Manche fühlten sich eingeschüchtert von den schwarz gekleideten Fahrern, es kam zu Streitereien, rohe Eier flogen.
Rotterdam und andere Städte folgten schnell dem Amsterdamer Vorbild. Das gefährdet das Geschäftsmodell der Dienste, die die Lager schließlich dort brauchen, wo viele Menschen leben, nicht am Stadtrand. Nun gibt es allein in Amsterdam schon Dutzende davon, aber die Unternehmen wollen – oder müssen – eben expandieren. Anfang Mai reagierte die Branche mit einem freiwilligen Verhaltenskodex: möglichst keine Lager in Einkaufsstraßen mehr, ein „Minimum“ an Vorratshaltung, nachhaltige Verpackungen, Ruheräume und andere Verbesserungen für die Fahrer – und nur noch Tempo 25 in der Stadt. Die Kommunen ließen sich davon nicht beirren. Amsterdam hat gerade neue Richtlinien erlassen, die einer weiteren Ausbreitung der Dienste definitiv Grenzen setzen und sogar bestehende Standorte bedrohen. Für jedes neue Lager müssen die Unternehmen künftig eine Änderung des Flächennutzungsplans beantragen. (…)
In den Niederlanden geht es weniger als etwa in Deutschland um die schwierigen Arbeitsbedingungen für die Kuriere. Im Mittelpunkt steht eher die Frage, wie sich dieses New-Economy-Phänomen auf das Leben in der Stadt und die Gesellschaft insgesamt auswirkt. Das Land ist dichtbesiedelt, man muss achtgeben aufeinander, den knappen gemeinsamen Platz behüten. Die Zeitungen sind voller kulturpessimistischer Betrachtungen: Was macht das mit uns, fragen sie, wenn jeder Wunsch nach Bier, Chips oder Eiscreme im Nu befriedigt wird? Wenn die Leute nicht mehr einkaufen, einander kaum noch begegnen im öffentlichen Raum?...“ Artikel von Thomas Kirchner vom 29. Mai 2022 in der Süddeutschen Zeitung online