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Die Debatte um das Verhalten zu Protesten in Nicaragua wird international – und schärfer
„Nach Jahren der Solidarität mit dem sandinistischen Nicaragua, muss man heute feststellen: Dieses System kann man nicht mehr verteidigen. Es ist zu einem Gewaltsystem pervertiert, das Menschenrechte systematisch verletzt. Die Sandinisten haben 1979 Militär und Polizei neu aufgebaut und »zivilisiert«, demokratische Strukturen geschaffen und mit aller Kraft gegen die USA und ihren schmutzigen Contra-Krieg verteidigt. Es war richtig, als Solidaritätsbewegung diesen historischen Prozess international zu fördern. Heute – fast vierzig Jahre später – können wir eine Unterstützung der Regierung nicht mehr verantworten. Aus dem gleichen Grund, warum wir damals solidarisch mit den Sandinisten waren, müssen wir heute auf den Stopp der Gewalt drängen. Ortega muss gehen, denn es gibt keine Verlaufsform mit ihm, die frei von staatlicher Repression ist. Es wird wahrscheinlich keine linke Alternative sein, aber es soll eine zivile geben. Die Sandinsten selbst haben den Grundstein dafür gelegt, dass staatliche Gewaltherrschaft durch gewählte Institutionen ersetzt wird – eine Errungenschaft, hinter die wir nicht zurückfallen dürfen…“ – aus dem Beitrag „Eine zivile Alternative unterstützen“ von Gaby Gottwald am 03. August 2018 in neues deutschland , der sich dadurch auszeichnet, dass linke Alternativen – und damit auch die Teile der Opposition, die sich auf das „sandinistische Erbe“ gegen Ortega berufen – als reale Alternative abgeschrieben werden. Siehe dazu weitere Beiträge mit sehr unterschiedlichen Positionen:
- „Debatte um Nicaragua erfasst deutsche Solibewegung“ von Harald Neuer am 31. Juli 2018 bei amerika21.de hebt – nach einem Überblick über unterschiedliche Positionierungen in der BRD (siehe dazu auch den Verweis am Ende dieses Beitrags) – abschließend hervor: „Parallel zu der Debatte in Deutschland ist es auch unter linken Kräften in Lateinamerika zu einer Kontroverse um die Positionierung gegenüber Nicaragua gekommen. Der ehemalige Guerillero und Präsident (2010-2015) von Uruguay, José Mujica, hatte die Regierung von Ortega vor gut einer Woche als autokratisch kritisiert. und den Präsidenten zum Rücktritt aufgefordert. Obwohl ihn eine lange gemeinsame Geschichte mit vielen Akteuren auf Regierungsebene in Nicaragua verbinde, müsse er konstatieren, dass die Regierung „von Weg abgekommen“ und „in der Autokratie angekommen“ sei, so Mujica. Widerspruch an diesen Äußerungen gab es unter anderem vom amtierenden Präsidenten der verfassunggebenden Versammlung in Venezuela, Diosdado Cabello. Mujica sei „von seinem Ego beherrscht“, entgegnete Cabello in seiner wöchentlichen Fernsehsendung. Mujica müsse einsehen, „dass die Geschehnisse in Nicaragua denen in Venezuela ähneln“. Auch in dem südamerikanischen Land war es mehrfach zu heftigen, gewalttätigen Protesten von Regierungsgegnern gekommen. Die venezolanische Regierung machte dafür ausländische Interessen und Financiers verantwortlich. Trotz zunehmender Kritik von Teilen der lateinamerikanischen Linken an den dortigen Regierungen hatte auch die Abschlusserklärung des Forums von São Paulo sehr deutlich die Solidarität der Mitgliedsparteien und -organisationen mit Venezuela und Nicaragua betont. Die politischen Führungen in beiden Staaten würden derzeit Opfer interner und externer Aggressionen, heißt es in dem Dokument des Zusammenschlusses linker Kräfte Lateinamerikas und der Karibik.“
- „Das nicaraguanische Drama“ am 31. Juli 2018 bei medico international unterstreicht zur aktuellen Entwicklung, bei der medico Gruppierungen unterstützt, die für eine Veränderung eintreten: „Für medico international gab es als Begleiterin der Sandinistischen Revolution immer wieder Anlässe zur zunächst solidarischen Auseinandersetzung, später zur vehementen Kritik am „Orteguismo“. Spätestens die ungeklärten Vergewaltigungsvorwürfe gegen Ortega, die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen für das Bündnis mit der Kirche, der Pakt mit dem Unternehmerlager zur Garantie von Profit und sozialem Frieden und die Gängelung des legitimen Protests gegen das Projekt eines interozeanischen Kanals und seine Nebenprojekte machen deutlich: Das ist keine linke Regierung und schon lange kein Bezugspunkt mehr für progressive Politik! Das sandinistische Erbe hätte ein besseres Ende und die Gesellschaft in Nicaragua einen demokratischen und sozial gerechten Neuanfang verdient…“
- „Nicaragua: Solidarität mit den Protesten gegen die Regierung“ Ende Juli 2018 bei der SoZ Online ist die Übersetzung einer Erklärung (zumeist) lateinamerikanischer Linksintellektueller (von denen in der Übersetzung nur einige genannt werden) zur Solidarität mit den Protesten in Nicaragua, worin es unter anderem heißt: „Die Empörung, der Schmerz, das Gefühl der historischen Frustration sind umso stärker, als eine solche politische Verirrung das Ergebnis des Handelns von Anführern und einer Regierung ist, die behaupten, links zu sein. Was ist schmerzhafter als die Ironie eines Führers, der behauptet, ein Revolutionär zu sein, wenn er die kriminellen Praktiken des Diktators [Anastasio Somoza] reproduziert, gegen den er sich in der Vergangenheit erhoben hat? Die Empörung ist aufgrund des mitschuldigen Schweigens von prominenten (selbst-)proklamierten politischen Führern und linken Intellektuellen – trotz der staatlichen Gewaltorgie – noch stärker. Das Einverständnis eines bestimmten intellektuellen Establishments – einer „offiziellen Linken „[d.h. Regierungslinke], die daran gewöhnt ist, die alleinige Repräsentantin der Linken zu sein – hat sich in der Hitze der Regierungsmacht in einen ausgesprochenen Ersatz für Zynismus verwandelt. Diese ebenso schmerzhafte wie unannehmbare Situation anzuprangern, unsere Stimme gegen die Verletzung der elementarsten Freiheiten und Rechte durch die gegenwärtige nicaraguanische Regierung zu erheben, ist nicht nur eine Pflicht der humanitären Solidarität. Es ist auch ein Akt und ein kollektiver Appell zur Verteidigung des revolutionären Gedächtnisses; ein Versuch, das tragische Ergebnis der anhaltenden politischen Degeneration zu vermeiden. Es gibt keinen schlimmeren Diebstahl als den der politischen Hoffnung der Menschen…“
- „Nicaragua. Contra el Gobierno de Ortega y la derecha empresarial proimperialista“ von Milton D’León und María Rosas am 01. August 2018 bei kaosenlared dokumentiert, ist ein Beitrag aus dem trotzkistischen Spektrum, worin versucht wird, eine Politik zu entwickeln, die sich gegen das Regime Ortega und den Unternehmerverband – der ja die Allianz mit der Regierung ebenso aufgekündigt hat, wie dies auch in anderen lateinamerikanischen Ländern geschehen ist – richtet, und erst recht gegen die USA, Verbündete des Unternehmerverbandes. Darin werden auch die „Grenzen der Mobilisierung“ thematisiert, die auch von den Gruppierungen der Rechten mitbestimmt werden, die keine „unkontrollierte“ Massenbewegung haben möchten und notfalls eher auf eine neues Arrangement setzen würden.
- „Nicaragua: La evolución del régimen de Daniel Ortega desde 2007“ von Eric Toussaint am 31. Juli 2018 beim CADTM ist der zweite Teil einer Artikelreihe des Autors – der mit dieser Organisation lange Jahre in der Solidaritätsarbeit mit Nicaragua aktiv war – in der eine Generalbilanz der zweiten Regierungszeit Ortegas seit 2007 gezogen wird – und in Kontrast zur ersten sandinistischen Regierung unter seiner Leitung gesetzt. Eine Bilanz, die dementsprechend negativ ausfällt…
- Siehe dazu zuletzt: „Solidarität mit Nicaragua. Mit wem da?“ am 27. Juli 2018 im LabourNet Germany