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Mikrokredite in Mexiko: Schuldenfalle. Ein Leben für die Zinsen

FIAN-Factsheet: „Mikrokredite menschenrechtlich beleuchtet – Zaubermittel oder Armutsfalle?“„Ein abgeschiedenes Dorf im Süden des mexikanischen Bundesstaates Oaxaca. Das ist die Heimat von Antonia [Name geändert]. Die meisten der 3000 Einwohner*innen leben von der Landwirtschaft. Antonia hatte mal einen kleinen Lebensmittelladen – aber vor mehr als einem Jahr musste sie ihn schließen. »Ich konnte die Waren für den Einkauf nicht mehr bezahlen«, erklärt sie. Damit fiel eine wichtige Einkommensquelle für ihre Familie weg. Ihre Misere begann aber schon früher – mit dem ersten Mikrokredit vor mehr als fünf Jahren…“ Artikel von Gerhard Klas vom 18. Dezember 2024 in Neues Deutschland online externer Link und mehr daraus:

  • Weiter aus dem Artikel von Gerhard Klas vom 18. Dezember 2024 in Neues Deutschland online externer Link: „… Die Vergabe von Krediten an Gruppen nach dem Vorbild der Grameen Bank aus Bangladesch, die der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus gegründet hat, ist in Mexiko ein weit verbreitetes Modell: 4,4 Millionen Frauen hat das Branchennetzwerk Pro Desarrollo neben 1,2 Millionen Männern Ende 2023 als Kund*innen von Mikrofinanzinstitutionen erfasst. Die Mehrheit der Frauen bezieht Kleinkredite über gemeinsame Haftungsgruppen. Umgerechnet 640 Euro beträgt die durchschnittliche Kreditsumme. Gerät ein Gruppenmitglied mit seinen wöchentlichen oder monatlichen Ratenzahlungen in Verzug, bekommen auch die anderen Gruppenmitglieder Ärger mit Geldeintreiber*innen, denn sie müssen gemeinsam die Zahlung der Raten sicherstellen. Sie war unter anderem in einer Kreditgruppe des Finanzinstituts Sofipa und litt unter dem Druck der Mehrfachverschuldung sowie den hohen Zinsen: Der effektive Jahreszins von Sofipa liegt bei durchschnittlich 132,7 Prozent. Das ist kein Einzelfall. Mexiko hat die weltweit höchsten effektiven Jahreszinsen für Mikrokredite. (…) Mikrofinanzinstitute rechtfertigen die hohen Zinsen mit der Aussage, dass viele Kleinunternehmen im Globalen Süden mit geringem Kapitaleinsatz hohe Erträge erwirtschaften würden. Bruno Sovilla, Ökonom an der Universidad Autónoma de Chiapas, widerspricht. Das sei »weltfremd«. Wegen der hohen Konkurrenz seien die Gewinnspannen bei Kleinstunternehmen in Mexiko »sehr niedrig«. Die hohen Zinsen führen vielmehr zu einem Vermögensverlust. (…) Sophia Cramer beobachtete in einem Dorf in Oaxaca die Folgen von Über- und Mehrfachverschuldung durch Mikrofinanzinstitute und den Rückgriff auf informelle Verleiher*innen, die das Elend noch vergrößern. So auch bei Ingrid, die Lebensmittel verkauft. Vor zwei Jahren brauchte sie ein Darlehen in Höhe von 1000 Euro und zahlt seitdem monatlich 100 Euro Zinsen. Sie wird kaum eine Möglichkeit haben, den Kredit zu tilgen, wenn es ihr nicht gelingt, ihr soziales Umfeld einzubinden. Mit ihrem Tagesverdienst von umgerechnet fünf Euro versucht sie, Zinsen und den Lebensunterhalt ihrer Familie zu decken, was aber kaum möglich ist. Als sie Mitte des Jahres die Zinsen nicht mehr zahlen konnte, hätten sie der Geldverleiher sowie dessen Bruder besucht und sie geschlagen, berichtete sie der Soziologin. (…) Der aggressive Wettbewerb macht es sehr schwer, verantwortliche Alternativen aufzubauen. »Profitable Investitionen und ethische Grundsätze«, resümiert die Soziologin Cramer, »sind in der mexikanischen Mikrofinanz kaum miteinander zu vereinbaren«.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=225049
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