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Wegen der Ölpest: Die größte Demonstration in der Geschichte Mauritius

Logo des AktivistInnen-Newsletter auf Mauritius 2020„… Nach der Ölkatastrophe vor Mauritius haben am Samstag Zehntausende Inselbewohner gegen die Regierung protestiert. 50.000 bis 75.000 Menschen versammelten sich zur größten Demonstration der Landesgeschichte auf dem Platz vor der Kathedrale in der Hauptstadt Port Louis. Die meisten Demonstranten trugen Schwarz, um auf die verheerenden Folgen des Öllecks hinzuweisen. Viele Demonstranten trugen die Landesflagge, um klarzustellen, dass es sich um einen überparteilichen Protest handele. Sie forderten unter anderem den Rücktritt von Premierminister Pravid Jugnauth. Die Protestierenden kritisierten, dass die Regierung zu lange gebraucht habe, um das Abpumpen von Heizöl und Diesel aus dem havarierten japanischen Frachter „Wakashio“ zu organisieren. Das Auslaufen von über 1000 Tonnen Treibstoff aus dem Frachter, nachdem er Ende Juli vor der Südostküste von Mauritius auf ein Riff lief und drei Wochen später auseinanderbrach, hat die mauritischen Küsten verschmutzt und viele Tiere getötet. Die Bevölkerung der Region organisierte die Säuberung und die Abwehr der Ölteppiche größtenteils selbst…“ – aus der Meldung „Größter Protest ever in Mauritius“ vom 30. August 2020 externer Link (hier in der taz) zur nächsten großen Mobilisierung auf Mauritius im Gefolge der Ölpest: Wobei das Wirtschaftsmodell „Alles auf Tourismus“ ebenso in der Kritik ist, wie die Ausflagg-Praktiken globaler Reedereien. Siehe dazu drei weitere aktuelle Meldungen – darunter ein ausführlicher Bericht über den Protest in einem Newsletter von AktivistInnen aus Mauritius und eine gewerkschaftliche Nachricht, sowie zwei ältere Hintergrundbeiträge zur Wirtschaft in Mauritius und zum „Ausflaggen“ – und den Hinweis auf den bisher letzten unserer Beiträge zur Ölpest, ihren Ursachen und Folgen:

„Großes Wrackteil vor Mauritius versenkt“ am 25. August 2020 bei tagesschau.de externer Link hatte bereits gemeldet: „… Einen Monat nach dem Unglück des japanischen Frachters „Wakashio“ vor der Küste Mauritius ist der größere Teil des Wracks versenkt worden. Der zuständige Krisenstab der Behörden von Mauritius teilte mit, dass der längere der zwei Wrackteile erfolgreich sehr tief im Meer versenkt worden sei. Bereits am Donnerstag hatten zwei Schleppschiffe damit begonnen, das Wrackteil aufs offene Meer zu bringen. Nach Angaben der Behörden wurde es zunächst von Öl und Trümmerteilen befreit, bevor es dann mit Meerwasser gefüllt und in 3180 Metern Tiefe im Indischen Ozean versenkt wurde. Die Umweltorganisation Greenpeace hatte vor dem Versenken des Wrackteils gewarnt. Sie befürchtet, dass die Artenvielfalt in dem Meeresgebiet bedroht wird, sollten giftige Schwermetalle aus dem Wrack freigesetzt werden. (…) Für Mauritius bedeutet das Schiffsunglück sowohl ökologisch als auch ökonomisch einen schweren Schlag. Der Inselstaat mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern ist in hohem Maße abhängig von seinen Küstengebieten – nicht nur wegen des Fischfangs, sondern auch wegen der nach Regierungsangaben jährlich 1,4 Millionen Touristen, die von den Korallenriffen, den weißen Stränden und der Artenvielfalt angelockt werden…“

„We march, we protest“ am 01. September 2020 beim Mauritius Oil Spill Newsletter externer Link ist die neuste Ausgabe dieses Newsletter ökologisch-sozialer AktivistInnen auf Mauritius, worin ausführlich über die Großdemonstrationen berichtet wird und auch zahlreiche weitere kleiner Aktionen berichtet werden.

„Mauritius: CMWEU joins mammoth protest against oil spill“ am 31. August 2020 bei der Bauarbeiter Internationale BWI externer Link meldet, dass auch die Bauarbeitergewerkschaft Construction, Metal, Wooden and Related Industries Employees Union (CMWEU) von Mauritius sich massiv an der Großdemonstration beteiligt habe.

„Wirtschaftsausblick – Mauritius“ von Martin Böll im März 2019 bei GTAI externer Link sah damals, aus „Investorensicht“ noch alles im Butter: „… Die britische Economist Intelligence Unit (EIU) schätzt das mauritische Wirtschaftswachstum 2018 auf 3,7 Prozent. Der kleine, offene und handelsaktive Inselstaat ist in hohem Maße von der Weltwirtschaft und insbesondere von Europa und China abhängig. Verlangsamt sich dort das Wachstum, verlangsamt es sich auch in Mauritius. Der Einfluss der mauritischen Zentralbank, die zuletzt mit einer Lockerung der Geldpolitik versucht hat, die Wirtschaft anzukurbeln, ist gering. Ein positiver Stimulus kommt derweil von Investitionen in die Hafeninfrastruktur und in neue Fischverarbeitungsanlagen, die unter dem Schlagwort „Ocean Economy“ propagiert werden. Die mauritische Textilindustrie, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, profitiert unverändert vom African Growth and Opportunity Act (AGOA) der USA. Befürchtungen, US-Präsidenten Donald Trump könnte diese zollfreie Vergünstigung kippen, haben sich bislang nicht bewahrheitet. Die Bauindustrie ist nach einer längeren Schwächephase dank staatlicher Infrastrukturvorhaben wieder im Aufwind. Auch der Tourismussektor ist weiter auf Erfolgskurs, obwohl die Abhängigkeit von europäischen Gästen nur langsam mithilfe neuer Urlaubergruppen gemindert werden kann. Selbst kleinere Schwankungen des Euro-Kurses haben direkte Auswirkungen auf die Besucherzahlen. Unverändert auf Erfolgskurs sind die Bereiche Finanzdienstleistungen, Informations- und Telekommunikationstechnologien sowie die Sparte „Business Outsourcing“. Die kleine Insel im Indischen Ozean bleibt ein Vorzeigestaat: Wie kein anderes Land in Afrika konnte eine kleine Agrarökonomie, die nicht mehr als Rohrzucker aufzuweisen hatte, in einen modernen Staat mit diversifizierter Wirtschaft umgewandelt werden. Der Schlüssel zum Erfolg waren und sind politisch geschaffene Rahmenbedingungen, die Unternehmern und Investoren den nötigen Freiraum geben. Egal bei welchen Indizes, Mauritius steht sowohl international als auch im afrikanischen Vergleich hervorragend da: Das Land ist die einzige afrikanische Volldemokratie, belegt Spitzenplätze im Economic Freedom Index, im Ease of Doing Business Ranking und beim Korruptionswahrnehmungsindex. Im internationalen Tourismus ist Mauritius eine Topadresse und kann mit Know-how und Qualität punkten wie kein anderes Land in Afrika. In Zukunftssparten wie dem „business process outsourcing“ und IKT kann Mauritius von seiner Zeitzone zwischen Afrika und Asien profitieren und sich als weltoffener, militärloser Multikulti-Staat empfehlen…“

 „Billigflaggen“ bei ITF-Global externer Link ist eine Webseite der Föderation für Seeleute. Da der Protest gegen die „Panama-Flagge“ des japanischen Frachters auf Mauritius eine wesentliche Rolle spielt, tun dies auch die beiden wesentlichen Folgen des Ausflaggens – neben der hier skizzierten sozialen Raubfischerei auch die ökologischen Schäden. Zur Nichtauszahlung von Löhnen etwa: „… Tagtäglich erfährt die ITF von Besatzungen, denen große Geldsummen geschuldet werden. Es gibt Besatzungen, die überhaupt nicht bezahlt werden. Besatzungsmitglieder, die ihre Heuern erhalten haben und das Geld nach Hause überweisen wollen, müssen gelegentlich feststellen, dass das Geld ihre Familien entweder gar nicht oder erst mit Verspätung erreicht, und zwar durch Verschulden der Arbeitgeber. Häufig vergehen Monate, ohne dass die Seeleute auch nur einen Cent der ihnen zugesagten Heuern zu sehen bekommen. Und ohne Bezahlung können sie sich noch nicht einmal davonmachen und auf eigene Faust nach Hause zurückkehren. Einer der wichtigsten Aspekte der Tätigkeit der ITF-Inspektorinnen und -Inspektoren ist die Durchsetzung von Heuernachzahlungen für Seeleute. In der Zeit von 2011 bis 2013 konnte die ITF die Auszahlung von Geldern in Höhe von 103 Mio. US-Dollar an Besatzungsmitglieder bewirken, die auf ihre Heuern warteten – im Durchschnitt 34,4 Mio. US-Dollar im Jahr. Viele Billigflaggenschiffe fahren heute unter ITF-Verträgen, deren Bestimmungen mehr als 250.000 Seeleuten unmittelbaren Schutz bieten…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=177557
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