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Breite Protestbewegung in Marokko: Des Königs Richter sollen richten

Proteste nach Fikris Tod in ganz Marokko - hier am 30.10.2016 in RabatIn den letzten Wochen hat das marokkanische Innenministerium über 40 Demonstranten aus der Region Al Hoceima verhaften lassen. Gegen insgesamt 20 Demonstranten wird nun Anklage erhoben. Unter den Angeklagten ist auch Nasser Zefzafi, der als bekanntestes Gesicht der Protestbewegung im Rif gilt. Er wurde in der letzten Woche verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis nach Casablanca überstellt. (…) Die Angeklagten werden heute dem Haftrichter vorgestellt. Die Anklage, die im marokkanischen Fernsehen vorgetragen wurde, legt den Angeklagten, die „Erschütterung des Königreiches und des marokkanischen Volkes“ zur Last. Weitere Anklagepunkte sind „versuchter Mord“, „Gefährdung der Inneren Sicherheit“, „das Werfen von Brandsätzen“, „die Unterstützung von kriminellen Elementen“ und „Beihilfe zur Flucht von Verdächtigen und Gesuchten““ – aus der Meldung „Anklage gegen Rif – Demonstranten erhoben – auch gegen Nasser Zefzafi“ am 05. Juni 2017 in der Maghreb-Post externer Link, eine deutliche Antwort der Monarchie auf die mehr als normalen Forderungen der Proteste im Rif gegen die „Vernachlässigung“ der Region durch die marokkanischen Regierungen (seit ungefähr 50 Jahren) – das ganze zur Abschreckung übers Fernsehen verkündet. Siehe zu  „Protesten und Repression in Marokko“ eine aktuelle Materialsammlung vom 06. Juni 2017:

„RIF : Plusieurs villes en ébullition, Al Hoceima en grève“ von Salah Elayoubi am 02. Juni 2017 bei Solidarité Maroc externer Link ist eine Kurzmeldung über die Proteste am Hauptort der Rif-Region am vergangenen Freitag, dem Tag des zivilen Generalstreiks, an dem nahezu alle Geschäfte geschlossen blieben, auch in den Moscheen protestiert wurde, und sich 600 Anwälte sich  freiwillig und öffentlich zur Verteidigung der Demonstranten bereit erklärten.

„Über Nacht zum Helden“ von Reiner Wandler am 28. Mai 2017 in der taz externer Link über die Gründe der Proteste und die Verfolgung des Sprechers der Koordination der Proteste, Nasser Zafzafi, durch die „Sicherheits“organe Marokkos – der inzwischen, wie auch sein Stellvertreter und seine Stellvertreterin, festgenommen wurde und zu jenen gehört, denen der Prozess gemacht werden soll. In dem Beitrag heißt es zum Haftbefehl und zum Hintergrund der Proteste: „Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vielmehr vor, sich in der Moschee ungehörig aufgeführt zu haben. Sein Vergehen: Zafzafi hat am Freitag in der Moschee von Al Hoceïma die Stimme gegen den Imam erhoben. Lautstark widersprach er dem Vorbeter, als dieser in seiner Predigt den Protestierenden vorwarf, Marokko spalten zu wollen. „Lügner“, rief Zaf­zafi und wollte wissen, wem die Moschee diene, „Gott oder den Mächtigen“. Die Protestierenden sind die Jugendlichen in Marokkos rebellischer Nordregion, dem Rifgebirge. Seit mehr als einem halben Jahr protestieren junge Menschen in der wichtigsten Stadt der Berberregion, Al Hoceïma, für mehr soziale Gerechtigkeit. Sie fordern ein wirtschaftliches Engagement der marokkanischen Regierung in der vernachlässigten Gegend. Diese versprach vor wenigen Tagen Besserung und ließ erst einmal Nasser Zafzafi per Haftbefehl suchen“.

„Es brodelt in der Berberregion“ am 20. November 2016 ebenfalls in der taz externer Link war eine afp Meldung zum Tod des Fischhändlers Mouhcine Fikri Ende Oktober – und faktisch auch der Bericht zum Auftakt der Proteste, die seit über einem halben Jahr nicht mehr abreißen, aber eben in der letzten Woche nochmals massiv an Stärke zugelegt haben. Darin wird abschließend unterstrichen: „Al-Hoceima war eine der Hochburgen der Massenproteste, die es im Zuge des „Arabischen Frühlings“ auch in Marokko gegeben hatte“.

„Rif : affrontements à Imzouren“ am 02. Juni 2017 bei Anthropologie du Présent externer Link ist eine (französische) Materialsammlung über die Repression in Imzouren – auch ein Hinweis darauf, dass die ganze Region an den Protesten teilnimmt und nicht nur die Menschen am Hauptort des Gebiets – und es ist nur die jüngste einer inzwischen bereits ganzen Reihe solcher Dokumentationen aus Marokko (inklusive mehrerer Links zu Videobeiträgen)

„El Rif se levanta para pedir a Marruecos mejoras sociales y libertad para los activistas detenidos“ am 04. Juni 2017 bei kaosenlared externer Link ist ein Bericht über die Rif-Proteste vor allem in Alhucemas (spanische Bezeichnung für Al Hoceima – für das es, wie bei vielen Orten,Benennungen aus verschiedenen Sprachen gibt), worin die Aktivistin Nawal Benaisa im Zentrum steht, die für diese Solidaritätsdemo mit den festgenommenen Aktivisten die Hauptverantwortliche war – und auch dies ein Beispiel für die Proteste überall in der Region, aber auch dafür, dass die Regierungspropaganda von der besonderen Rückständigkeit der Region, gerade auch in bezug auf die Unterdrückung von Frauen, nicht eben zutrifft, da es mehrere Frauen gibt, die in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit eines zentrale Rolle bei den Protesten eingenommen haben.

„Authorities stifle women’s protest in Morocco’s Rif“ am 05. Juni 2017 bei Al Jazeera externer Link ist der Bericht über den Polizeiüberfall auf die Frauendemonstration in Al Hoceima, die im Stadtpark regelrecht eingekesselt wurde, inklusive gezielter Festnahmen.

„Morocco: What is fuelling unrest in the Rif?“ von Hala Saadani am 02. Juni 2017 bei Al Jazeera externer Link ist ein Beitrag, in dem die Geschichte der Proteste in der Region seit 2011, dem Arabischen Frühling“, nachgezeichnet werden – und insbesondere seit Herbst 2016 – was mit einer kurzen Skizze der Situation in der Region, die zwar hauptsächlich, aber keinesfalls ausschließlich von BerberInnen bewohnt werde.

L’Association Marocaine des Droits Humains (AMDH) dénonce l’exploitation des mosquées par l’ETAT pour incitation contre les activistes de la contestation du RIF et impute à l’ETAT l’entière responsabilité dans l’exaspération de la situation dans la région du RIFexterner Link am 05. Juni 2017 bei Solidarité Maroc dokumentiert, ist die Erklärung der marokkanischen Menschenrechtsorganisation gegen die offensichtlich zentral organisierte Verleumdungskampagne gegen die Proteste im Norden des Landes, die in zahlreichen Moscheen im Rest Marokkos massiv betrieben werde.

„Stop au broiement de la population du nord“ am 22. Mai 2017 bei Paris Demospère ist der Aufruf der ATMF externer Link (Vereinigung der maghrebinischen Arbeiter in Frankreich) zur Solidaritätsdemonstration mit den Protesten in Marokko am 7. Juni vor der Pariser Botschaft Marokkos. Der Aufruf wird von zahlreichen Organisationen unterstützt, auch etwa vom alternativen Gewerkschaftsbund SUD Solidaires, und es sind Solidaritätsaktionen auch in anderen Orten Frankreichs geplant (wie auch in Spanien – eben jene beiden Länder, die die größte Migration und Nachkommenschaft aus Marokko haben.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=117095
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