»
Libanon »
»

Die reaktionäre Regierung im Libanon mobilisiert gegen Flüchtlinge (sowohl aus Palästina, als auch aus Syrien): Keine Jobs ohne Sondererlaubnis, keine Häuser aus Stein

Die neue Offensive der Armee im Libonen gegen Flüchtinge aus Syrien: Das Baurecht als VorwandVor mehr als 70 Jahren kamen die ersten palästinensischen Flüchtlinge in den Libanon. Inzwischen leben sie hier in dritter oder vierter Generation – und trotzdem gelten sie noch immer als Ausländer. Der Libanon verweigert den Palästinensern die Staatsbürgerschaft, das Wahlrecht und schließt sie von bestimmten Berufen aus – etwa in der Justiz und im Gesundheitswesen. Weil sie außerdem nur in Ausnahmefällen Grundstücke kaufen können, leben die meisten Palästinenser im Libanon bis heute in Flüchtlingslagern, die sich inzwischen zu eigenen Städten beziehungsweise Stadtvierteln entwickelt haben. Nun hat die Regierung in Beirut ihr Vorgehen gegen die Palästinenser im Land noch einmal verschärft: Arbeitsminister Camille Abousleiman startete vor wenigen Wochen eine Kampagne gegen „illegale ausländische Arbeitskräfte“, die sich zum einen gegen die Hunderttausenden syrischen Kriegsflüchtlinge und zum anderen gegen die Palästinenser richtet…“ – so beginnt der Beitrag „Kein Staat, keine Arbeit, keine Perspektive“ von Christoph Sydow am 29. Juli 2019 in Spiegel online externer Link über die „doppelte Offensive“ der libanesischen Reaktion gegen alles, was sie Flüchtling nennen. Siehe dazu auch einen Beitrag über die Verfolgung gegen Flüchtige aus Syrien, zwei Beiträge über Proteste gegen die neuen Maßnahmen und einen Solidaritätsaufruf:

  • „Zum zweiten Mal vertrieben“ von Daniel Hechler am 11. Juli 2019 bei tagesschau.de externer Link über die Verfolgung gegen Flüchtlinge aus Syrien: „… Mutawas Frau Ina’am El Dayekh war fassungslos, als sie von der Abrissanordnung hörte: „Wir sind so niedergeschlagen, dass sie uns rauswerfen wollen. Wir waren sicher hier.“ Der Abriss treffe die Familie so hart „wie damals, als wir unsere Heimat verlassen mussten“, sagt sie. Von den 113 Unterkünften in dem Flüchtlingscamp soll bald keine mehr stehen. So hat es Libanons Regierung beschlossen. Die Steinbauten für Flüchtlinge seien illegal gebaut worden. Jetzt sollen sie so schnell wie möglich weg. Ansonsten würden Bulldozer der Armee anrücken. „Jeden Morgen kommen Soldaten und fordern uns auf, uns zu beeilen“, erzählt Mutawa. Viele Flüchtlinge leiden unter Depressionen, sind krank. Einige haben keine Beine mehr. Offiziell geht es bei der Anordnung nur um die Durchsetzung geltenden Rechts. Die Frage ist nur, warum jetzt und warum so rigoros. Bürgermeister Bassil al Hudschairi wundert sich: „Als die Gebäude auf dem Camp 2012 und 2013 errichtet wurden, ist niemand vom Staat, der Stadtverwaltung, der Polizei oder Armee dagegen eingeschritten.“ Tatsächlich geht es wohl um eine simple Botschaft: Syrische Flüchtlinge sollen sich im Libanon nicht wie zu Hause fühlen, keine Wurzeln schlagen. Viele Libanesen würden sie lieber heute als morgen loswerden. Schätzungsweise 1,7 Millionen Syrer sind wegen des Kriegs ins Nachbarland geflohen. Das instabile Land am Mittelmeer hat selbst nur vier Millionen Einwohner. Der massive Zustrom hat es an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Nachdem in weiten Teilen Syriens kein Krieg mehr herrscht, ist die Zeit für die Flüchtlinge gekommen, zurückzukehren, wie viele glauben. (…)Arsal hat die Flüchtlingskrise besonders schwer getroffen. Die beschauliche Grenzstadt hat 120.000 Syrer aufgenommen. Dreimal mehr als sie Einwohner hat. Zunächst war die Solidarität groß. Irgendwann kippte die Stimmung. Die Strom- und Wasserversorgung steht vor dem Kollaps. Für 12.000 Kinder gibt es nur 3000 Plätze an staatlichen Schulen. „Die Müllentsorgung, Schulen, Kliniken haben schon vor dem Krieg nicht richtig funktioniert. Diese Probleme haben sich mit den Flüchtlingen massiv verschärft“, erzählt Mohamed Ezz el-Den. Viele haben mit der Flüchtlingskrise ihren Job verloren. „Die Syrer haben viele Geschäfte aufgemacht, die unsere in Schwierigkeiten gebracht haben. Ich habe meinen Job dadurch verloren“, sagt Ahmed...“
  • „Palestinian refugees in Lebanon protest discriminatory labor law“ am 31. Juli 2019 bei Peoples Dispatch externer Link ist ein Bericht über Protestaktionen palästinensischer BewohnerInnnen des Libanon, die nach einem Erlass des Arbeitsministeriums nun plötzlich eine Arbeitserlaubnis beantragen müssen. Und auch, wer ein Unternehmen eröffnen möchte – und sei es noch so klein – muss nun eine Zulassung beantragen. Bisher waren die Menschen aus Palästina von entsprechenden, seit 2010 geltenden Gesetz ausgenommen. Die Coalition of Palestinian Refugees Right to Work organisierte mehrere Demonstrationen und Sit-Ins, an denen sich viele Tausend Menschen beteiligten – auch mobilisiert von der KP Libanon und dem libanesischen Gewerkschaftsbund, die in ihrer Stellungnahme unter anderem darauf verwiesen, dass von den über 400.000 im Libanon lebenden und registrierten Menschen aus Palästina über die Hälfte ohnehin bereits erwerbslos sind.
  • „Una llamada de los refugiados palestinos en el Líbano: ¡Estamos bajo un ataque racista!“ am 24. Juli 2019 bei kaosenlared externer Link dokumentiert, ist ein Solidaritätsaufruf palästinensischer autonomer Gruppierungen im Libanon, die darauf hinweisen, dass der „Angriff gegen Menschen aus Palästina und Syrien, von denen viele hier geboren sind“, ein rassistisches Projekt der libanesischen Rechten ist: Die Arbeitsministerin, die die Verfolgungsjagd eingeleitet hat, gehört den  „Forces Libanaises“ an, jene rechtsradikale Partei also, die bereits 1982 an den Massakern in den Flüchtlings-Lagern von Sabra und Shatila beteiligt war.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152452
nach oben