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Funktionieren die Gewerkschaften Kosovos überhaupt?!
Im Mai dieses Jahres wurde ein ziemlich kritischer Artikel mit dem Titel ”Nieder mit den Gewerkschaften!” von der stellvertretenden Redaktionsjournalistin der Tageszeitung “Koha Ditore”, Valbona Mehmeti, publiziert. Für unsere Leser/innen veröffentlichen wir ihn ohne inhaltliche Kürzungen. Übersetzung Osman Osmani Gewerkschaftssekretär für Emigration UNIA Schweiz – Korrekturgelesen von Max Brym München
„Arbeitswelt und Menschenrechte in Kosova
Fünf Monate nach der Heirat wurde der (28-jährigen) diplomierten Juristin Arta der Arbeitsvertrag als Produktionswerberin eines in der Verteilung von Werbeartikeln tätigen Privatunternehmens gekündigt. Sobald der Arbeitgeber von Heirat und Schwangerschaft erfuhr, hat er die Erneuerung ihres einjährigen Vertrages hinausgezögert, um sie schliesslich zu entlassen.
Wird der kollektive Arbeitsvertrag eingehalten?
Bevor ihr ein neuer Arbeitsvertrag offeriert wurde, hat der Arbeitgeber behauptet, Arta hätte in mehreren Punkten gegen das Arbeitsreglement und ihren Arbeitsvertrag verstossen. Ihr bestehender Arbeitsvertrag und das alte Arbeitsreglement enthielten jedoch keine Bestimmungen über die angeblichen Verstösse. Der neue Arbeitsvertrag war nur noch auf 6 Monate befristet und trat einen Monat vor Artas Mutterschaftsurlaub in Kraft. Nach dessen Ablauf wurde ihr keine Verlängerung angeboten. Die Entlassung wurde seitens des Arbeitgebers begründet mit Nichterfüllung der Aufgaben, fehlenden finanziellen Mitteln für eine weitere Anstellung sowie damit, dass mit der Produktwerbung ein anderes Unternehmen beauftragt worden sei. Anfänglich hat der Arbeitgeber versucht, ihr ein entgegenkommendes Angebot zu machen, indem er ihr versprach, ihre Schwester während des Mutterschaftsurlaubs anzustellen. Doch dazu ist es nie gekommen. Nach der Entlassung blieb ihre Funktion im Unternehmen für die Dauer eines Monats vakant. Ungeachtet der Behauptungen über fehlende finanzielle Mittel besetzte das Unternehmen die Stelle anschliessend mit einer neuen Arbeitnehmerin.
Das Recht des Stärkeren
Der Arbeitgeber hat Artas Entlassung sorgfältig vorbereitet. Um den Vorwurf einer missbräuchlichen Kündigung zu vermeiden und sich auf die Einhaltung der gesetzlichen Normen berufen zu können, erfand er die angeblichen Verstösse Artas gegen Arbeitsvertrag und -reglement. Er liess ihr damit keinen Raum für ein juristisches Vorgehen. Als sich Arta an den Arbeitsinspektor wandte, um die Möglichkeit einer Beschwerde abzuklären, wurde ihr gesagt, eine solche sei aussichtslos, weil sie am Ende als Verliererin dastehen werde. Eine zusätzliche Einschüchterung war die Bemerkung des Unternehmens, dass sie im Falle einer Niederlage die Gerichtskosten zu übernehmen habe.
Arta ist nun arbeitslos und nur mit dem Gehalt des Ehemannes kann sie kaum für das Kind sorgen. Durch diese Verletzung fundamentaler Frauenrechte in der Arbeitswelt werden gleichzeitig auch die Menschenrechte der Neugeborenen verletzt.
Nichteinhaltung des Arbeitsgesetzes
Das Arbeitsgesetz sieht einen Mutterschaftsurlaub von 12 Monaten vor. Die ersten sechs Monate des Mutterschaftsurlaubs werden dem Arbeitgeber mit 70 % des letzten Einkommens zur Last gelegt. Während der drei folgenden Monate werden 50 % des Medianeinkommens ausbezahlt, wofür die Regierung Kosovos aufkommt. Danach kann die Arbeitnehmerin ihren Mutterschaftsurlaub für weitere drei Monate – allerdings ohne Lohnersatz – verlängern.
Das Arbeitsgesetz untersagt die Kündigung des Arbeitsvertrages während der Schwangerschaft sowie auch während des Mutterschaftsurlaubs: „Während Schwangerschaft, Mutterschaftsurlaub und Arbeitsabwesenheit wegen ausserordentlicher Kinderbetreuung kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis für die Beschäftigte nicht kündigen oder ihren Arbeitsort verlegen, ausser in Fällen der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nach Art. 76 dieses Gesetzes“, steht im Artikel 53 des Arbeitsgesetzes.
Trotz allen Vorteilen, die dieses Gesetz mit sich bringt – insbesondere auch Art. 49 betreffend Mutterschaftsurlaub – ist in der Praxis die von Frauenrechtsorganisationen geäusserte Besorgnis über die Verringerung der Zahl an Frauenanstellungen durchaus berechtigt.
Gutes Gesetz ohne geeignete Umsetzung
Wie die meisten verabschiedeten Gesetze im Parlament Kosovos ist auch dieses ein gutes Gesetz, das die Arbeiterrechte in der Theorie schützen würde. Aber gleich wie viele andere Gesetze wird auch dieses weiterhin nicht in die Praxis umgesetzt, insbesondere im Privatsektor. Es können nicht einmal eine Handvoll von privaten Unternehmen gezählt werden, die die im Arbeitsgesetz definierten Rechte der Arbeitnehmer/innen vollständig respektieren. In der Mehrheit der Unternehmungen ähnelt die Behandlung der Arbeitnehmer der Ära der Sklaverei; die meisten Arbeitnehmenden besitzen keinen Arbeitsvertrag, das Recht auf die Pause wird nicht eingehalten, es gibt keine Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz, es werden verlängerte Arbeitszeiten eingeführt und die geleisteten Überstunden werden nicht kompensiert usw. Vor dem Hintergrund grosser Arbeitslosigkeit dulden diese Arbeitnehmenden solche Verletzungen, um ihre Anstellung und damit ein minimales Gehalt aufrecht zu erhalten.
Die Lage ist im öffentlichen Sektor auch nicht viel besser, obwohl sich dort die Verletzungsarten gegenüber dem privaten Sektor unterscheiden. Im öffentlichen Sektor findet die Diskriminierung hauptsächlich im Bereich der Stellenausschreibungen und Bewerbungsverfahren statt, indem Individuen aufgrund der Partei-, Familien, Freundschafts- und Interessenzugehörigkeit bevorzugt werden. Auch die Angestellten der öffentlichen Verwaltung werden von diversen Parteiklans unter Druck gesetzt, wobei dies unterschiedlichste Unrechtmässigkeiten zur Folge hat und die Leute gezwungen sind zu schweigen, da ihre Arbeitsstelle auf dem Spiel steht. Bspw. gibt es Fälle, in denen beim Machtwechsel in Gemeinderegierungen die Führungspersonen öffentlicher Unternehmungen gedrängt wurden, in die regierende Partei einzutreten, um ihre Stelle behalten zu können.
Die Verletzungen bestätigt auch der Ombudsmann
Im Jahresbericht 2012 von Kosovos Ombudsmann (der Bericht für das Jahr 2013 ist weiterhin in Ausarbeitung) wird betont, dass während der Berichtsperiode insgesamt 228 Beschwerden an die Adresse der Institution des Ombudsmannes (IAP) betreffend Arbeitsrechte und Ausübung des Berufes eingegangen sind. Von diesen wurde in 59 Fällen eine Untersuchung eröffnet. In der Zwischenzeit sind noch 12 Beschwerden betreffend Nichtumsetzung der Entscheide des Unabhängigen Kontrollrates Kosovos (KPMK) eingegangen.
Im Jahresrapport 2012 wird festgestellt, dass es in den identifizierten und von der IAP behandelten Fällen im Allgemeinen ziemlich viel Nachholbedarf in Bezug zur Umsetzung in öffentlichen Institutionen gibt. „In den meisten Fällen hat die mangelnde Umsetzung der Arbeitsrechte mit Unkenntnis des Gesetzes über öffentliche Dienste und den Befugnissen der KPMK zu tun. Selbst seitens bestimmter öffentlicher Institutionen gibt es gelegentlich eine totale Missachtung der KPMK-Entscheide, des anwendbaren Rechts und der Verfassung“, so der Bericht.
Gewerkschaften in der Falle der Politik
Am 1. Mai werden in entwickelten Ländern aufklärerische Werte und die Errungenschaften der Gewerkschaften im Bereich des Schutzes und der Rechte der Arbeitnehmenden gefeiert. Es ist auch der Tag, an dem die Gewerkschaften immer wieder ihr Engagement für die Arbeiter/innen bekräftigen. Sie organisieren sich und kämpfen für angemessene Löhne, Sozialschutz, Sicherheit, Gesundheit und nachhaltige Arbeitsplätze. Aber diese universellen Werte gelten nicht für die Gewerkschaftsorganisationen Kosovos. Kosovarische Gewerkschaften haben beinahe den Zweck ihres Daseins vergessen. Die Führung der Gewerkschaften kämpft für den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes, ihre saftigen Gehälter und die anderen besonderen Vorzüge, welche mit ihrer Funktion einhergehen, statt die Rechte der Arbeitnehmer/innen zu schützen. Die Mehrheit der kosovarischen Arbeiter weiss noch nicht einmal, wer ihre Gewerkschaftsfunktionäre sind. Sie wissen auch nicht, wie die Gelder, welche sie monatlich für den Schutz ihrer Rechte entrichten, verwaltet und eingesetzt werden.
Auch am diesjährigen internationalen Tag der Arbeit haben die Gewerkschaften Kosovos keinen Grund stolz zu sein. Wenn sie die Unterzeichnung des kollektiven Arbeitsvertrages oder die symbolische Lohnerhöhung als eigenen Erfolg bezeichnen wollen, dann ist das eine blosse Täuschung. Dies ist kein Erfolg des gewerkschaftlichen Drucks, sondern der „gute Wille“ der aktuellen Regierung und des Premierministers, um vor den Wahlen Stimmen zu sichern. Der BSPK (Unabhängiger Gewerkschaftsbund Kosovos) – eine Organisation, die gegen das frühere (serbische) Regime Widerstand leistete – hat sich mittlerweile zersplittert und flirtet mit der Politik. In einem Land wie dem Kosovo, wo die Arbeitslosigkeit gemäss Statistiken zirka 40 % erreicht, hat und wo die Arbeiterrechte andauernd verletzt werden, tragen BSPK und andere Gewerkschaften ihren Teil zur Verhinderung eines sozialen Aufstandes bei, indem sie ihre Stimme gegenüber der Regierungspolitik nicht erheben. Sie geben sich zufrieden mit dem oben erwähnten „Knochen“, den ihnen der Premierminister Thaqi entgegen wirft, zusammen mit einigen Privilegien und symbolischen Beamtenlohnerhöhungen.
Am Tag, an dem in anderen Ländern für fortschrittlichere Arbeitsrechte und bessere Arbeitsbedingungen protestiert wird, veröffentlichte die BSPK noch nicht einmal ein Protestschreiben – von etwaigen Protestkundgebungen oder Demonstrationen gar nicht erst zu sprechen. Die BSPK-Führung sieht in Protesten kein geeignetes Mittel, um eine Lösung für die sozialen Probleme zu erwirken. Indem sie sich nicht ehrlich für ihre Mitglieder einsetzt und die Diskriminierung kosovarischer Arbeitnehmer/innen herunterspielt, haben die Gewerkschaften Kosovos den 1. Mai in einen feierlichen Spaziergang der arbeitslosen Jugend in der Natur verwandelt – als ob alles bestens liefe.
Gute Arbeitsbedingungen sind kein Privileg, sondern das unveräusserliche Recht der Arbeitnehmer/innen. Die Aufsicht und der Kampf für die Verwirklichung dieses Rechts durch Arbeiter/innen ist eine Pflicht der Gewerkschaften.
Daher sollten die Gewerkschaften Kosovos so bald als möglich aus der Falle der Politik herausfinden, weil deren heutige Funktionsweise den Arbeiter/innen einen Bärendienst erweist. Für letztere wäre es förderlicher, die Gewerkschaften existierten statt in der jetzigen Form überhaupt nicht.
Dieser Text ist in Tageszeitung Koha Ditore publiziert worden und die Neupublikation findet mit Genehmigung der Autorin Valbona Mehmeti (valbona@koha.net) statt.