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Nach neuen und fortgesetzten Massenprotesten: Die letzte Verteidigungslinie des Polizeiterrors in Kolumbien ist der Auftraggeber, die Rechtsregierung Duque

Proteste in Kolumbiens Hauptstadt, nachdem die Welle an Polizeimorden sie erreicht hat - September 2020„… Die kolumbianische Regierung ersucht das Verfassungsgericht, das Urteil der Zivilkammer des Obersten Gerichtshofs überprüfen zu lassen. Die Kammer hatte das brutale Vorgehen der Polizei gegen Proteste kritisiert und eine „Umstrukturierung der Verhaltens- und Verfahrensweisen der Sicherheitskräfte“ eingefordert. Aufgrund von Klagen mehrerer sozialer Organisationen hatte sie das Verhalten der Polizei während des Streiks 2019 und der Stundenproteste 2005 und 2006 untersucht, bei denen es mehrere Tote gab. Das Gericht bezog sich in seinem Urteil aber auch auf die jüngsten Gewaltexzesse der Polizei. Nach dem Gerichtsbeschluss kündigte Verteidigungsminister Carlos Holmes Trujillo an, dass er dem von ihm so bezeichneten „Vandalismus“ und „allen Formen von Gewalt und Terrorismus“ weiterhin mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten werde. Er bestritt, dass es zu Gewaltexzessen der Sicherheitskräfte, insbesondere der Spezialeinheit zur Aufstandsbekämpfung (Esmad) kam oder dass es gar Anweisungen dafür gegeben habe. Die Aktionen der Esmad seien „eine Antwort auf gewalttätige und irrationale Handlungen“ der Protestierenden gewesen, die er als Verbrechen einordnete. Er räumte „individuelle Verfehlungen einzelner Polizeibeamter“ ein. Diese seien Gegenstand strafrechtlicher und disziplinarischer Untersuchungen. Der Oberste Gerichtshof hatte die Sicherheitskräfte, vor allem die Spezialeinheit scharf kritisiert und war zu der Schlussfolgerung gekommen, dass diese „systematisch, gewaltsam und willkürlich“ in die sozialen Proteste eingegriffen habe. Die Esmad sei nicht in der Lage, während der Proteste Ordnung zu gewährleisten, ohne die Freiheiten und das Recht der Bürger auf Dissens zu verletzen. Vielmehr sei sie selbst „eine ernsthafte Bedrohung für die, die friedlich protestieren“…“ – aus dem Beitrag „Regierung von Kolumbien ficht Gerichtsurteil gegen Polizeigewalt an“ von Adriano Gomez-Bantel am 25. September 2020 bei amerika21.de externer Link über eine Rechtsregierung, die ihre zunächst geheuchelte Neutralität aufgibt und sich zum von ihr angeordneten Polizeiterror bekennt… Siehe dazu auch einen Beitrag zur Bedeutung dieses Gerichtsurteils sowie zwei Beiträge über die neuerlichen Proteste in dieser Woche und den Hinweis auf unseren bisher letzten Bericht zu den Massenprotesten gegen Polizeigewalt in Kolumbien:

  • „Am Pranger“ von Frederic Schnatterer am 24. September 2020 in der jungen welt externer Link zur Bedeutung des Gerichtsurteils: „… Das Urteil sei »historisch«, urteilten nahezu alle Medien in Kolumbien. Am Dienstag (Ortszeit) hat die Zivilkassationskammer des Obersten Gerichts des südamerikanischen Landes auf 171 Seiten einen Entscheid veröffentlicht, nach dem die kolumbianische Regierung und ihre bewaffneten Einheiten das Recht auf Protest in der Vergangenheit nicht ausreichend geschützt und sogar strukturell missachtet haben – mit teils tödlichen Folgen. Geklagt hatten Menschenrechtsorganisationen sowie mehrere Einzelpersonen. Konkret geht es vor allem um die Protestbewegung, die Ende 2019 Hunderttausende gegen ein Kürzungspaket der rechten Regierung von Präsident Iván Duque sowie die im Land anhaltende Gewalt gegen Linke auf die Straße gebracht hatte. Bei den landesweiten Demonstrationen war es wiederholt zu Gewalt gegen die Protestierenden gekommen, besonders die Aufstandsbekämpfungseinheit der Polizei (Esmad) agierte brutal. Trauriger Höhepunkt der staatlichen Repression war der Tod des 18jährigen Dilan Cruz, der in der Hauptstadt Bogotá am 23. November 2019 während einer Demonstration aus geringer Entfernung von einer Gummikugel, abgefeuert aus einer Schrotflinte der Kalibers 12, am Kopf getroffen worden war. Das nun ergangene Urteil ist scharf formuliert. Nach Beurteilung der Zeugenaussagen und anderer Beweismittel kamen die Richter zu dem Schluss, dass sich die Regierung Duque sowie ihre Einsatzkräfte im Vorfeld der Mobilisierungen nicht neutral verhalten hatten. So seien die Teilnehmer von Demonstrationen aktiv stigmatisiert worden, indem sie in der Öffentlichkeit als »Kriminelle« dargestellt worden seien. Dazu hätten auch Hausdurchsuchungen beigetragen, die bei Aktivisten sowie kritischen Journalisten durchgeführt wurden..“
  • „Proteste in Kolumbien: „Polizei mordet, Armee vergewaltigt, Regierung kollaboriert““ von Ariana Pérez bereits am 23. September 2020 ebenfalls bei amerika21.de externer Link zu einer Zwiscchenbilanz der Polizeigewalt nach den Massenprotesten am 21. September im ganzen Land: „… „Die Polizei mordet, die Armee vergewaltigt und die Regierung kollaboriert und schweigt“, so Sánchez. Damit bezieht er sich auf zuletzt bekannt gewordene Fälle von Vergewaltigungen des Militärs, die schon seit Wochen für feministische Proteste sorgen. Auch die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, kritisierte die Gewalt staatlicher Kräfte gegen die Bevölkerung und kündigte an, die Fälle während der Proteste in der Hauptstadt Bogotá und Soacha genau zu überprüfen. Sie sprach von 13 getöteten Menschen und mehr als 300 Verletzten, darunter 77 mit Schussverletzungen, „durch exzessive Gewaltanwendung“. Man habe „technische Hilfe“ angeboten, um die Vorfälle „mit einem Menschenrechts- und Demokratieansatz zu behandeln„.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=178749
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