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Erste Tote bei Protesten in Kenia gegen Hunger und neue Steuern – helfen werden weder das neue EU-Abkommen, noch Deutschlands Fachkräfteraub…

Dossier

Kenia: Occupy Parliament 2013

Kenia: Occupy Parliament 2013

In Kenia sind bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten sechs Menschen getötet worden. In Berichten heißt es, die Polizei habe unter anderem in und um die Hauptstadt Nairobi Tränengas eingesetzt. Teilnehmer der Proteste warfen demnach mit Steinen auf die Einsatzkräfte. Oppositionsführer Odinga hatte zu Demonstrationen aufgerufen. Sie richteten sich gegen die Anfang des Monats beschlossene Einführung neuer Steuern, in deren Folge die Treibstoffpreise deutlich stiegen. Proteste mit mehreren Todesopfern hatte es bereits in der vergangenen Woche gegeben. Menschenrechtsaktivisten und Oppositionspolitiker warfen der Polizei ein unangemessen hartes Vorgehen vor.“ Meldung vom 13.07.2023 im Deutschlandfunk externer Link („Mehrere Tote bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten“), siehe weitere Informationen und Hintergründe:

  • Proteste in Kenia: «… und die in der Politik tragen teure Uhren» New
    Trotz Zugeständnissen der Regierung will die Jugend Kenias weiter auf die Strasse gehen. Eine Aktivistin über die Ziele der Bewegung – und die Wut auf ein ausbeuterisches System.
    [WOZ: Wanjiru Kimani, Sie sprechen hier aus Sicherheitsgründen nicht unter Ihrem richtigen Namen. Was haben Aktivist:innen wie Sie in Kenia derzeit zu befürchten?]
    Wanjiru Kimani: Jeden Morgen erfahren wir von neuen Entführungen. Aktivist:innen, die sich öffentlich zu den Protesten geäussert haben, werden teils am helllichten Tag auf offener Strasse in Polizeifahrzeuge oder nicht gekennzeichnete Autos gezerrt. Manchmal hört man dann zwei oder drei Tage lang nichts mehr von ihnen – obwohl es in Kenia verboten ist, Verhaftete länger als 24 Stunden festzuhalten. Manche berichten von psychischer und körperlicher Folter. Das Ausmass an Überwachung und Einschüchterung ist äusserst beunruhigend, und die Angst ist gross, zur Zielscheibe der Behörden zu werden, die nach Anführer:innen der Proteste suchen.
    [Dabei liegt eines der Merkmale der Bewegung gerade darin, dass sie ohne Führungsfiguren auskommt. Warum ist das so wichtig?]
    Die Regierung sucht nach Führungspersönlichkeiten, um die Bewegung zu vereinnahmen. Das haben wir in der Vergangenheit schon erlebt: Kritiker:innen wurde sehr viel Geld angeboten, damit sie mit der Regierung in den Dialog treten. Oder sie wurden getötet. (…)
    Auch Gewerkschaften und Kirchen haben sich mittlerweile mit den Protestierenden solidarisiert, aber die grösstenteils sehr junge Bewegung will nicht die alten Garden für sich sprechen lassen. Ihr führerloser Charakter ist eine ihrer Stärken. Sie lässt sich nicht vereinnahmen.
    [Und trotzdem wirkt die Bewegung enorm gut organisiert. Wie schafft sie das?]
    Durch viel kreatives Engagement in allen möglichen Bereichen. Zum Beispiel waren Tausende Anwält:innen landesweit bereit, Rechtsbeistand bei Verhaftungen und Grundrechtsverstössen zu leisten. Etwa 3000 Sanitäter:innen haben sich vernetzt, um Verletzte zu versorgen. Um auch die Elterngeneration der jungen Protestierenden zu erreichen, wurde der Inhalt der bekämpften Haushaltsvorlage in Videos in einer Vielzahl lokaler Sprachen erklärt – was auch dabei half, besser an Regionen ausserhalb der urbanen Zentren heranzukommen. Und wir haben Onlineveranstaltungen mit zeitweise 50 000 bis 70 000 Menschen abgehalten. (…)
    [Am Mittwoch letzter Woche hat Präsident William Ruto die umstrittene Gesetzesvorlage zurückgezogen. Die Proteste sind aber nicht vorbei. Worum geht es nun?]
    Ich glaube nicht, dass die Menschen Rutos Entscheid wirklich als Sieg empfinden. Das ist nur der erste Schritt. Der Präsident hat gleichzeitig angekündigt, dass nun neben neuen Schulden auch neue Sparmassnahmen im Staatshaushalt nötig würden, und es wird sich zeigen, wie gewöhnliche Kenianer:innen davon betroffen sein werden. Mittlerweile gehen die Forderungen ohnehin über die Haushaltsvorlage hinaus; der Hashtag #RejectFinanceBill2024 wurde abgelöst von #RutoMustGo: Der Präsident muss weg. Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben eine neue Wut ausgelöst. Es geht um weitreichende politische Reformen. Wir sind immer noch nicht da, wo wir sein wollen. (…) Die Wut der Menschen richtet sich gegen ein ausbeuterisches System. Die Politiker:innen sagen uns, wir müssten den Gürtel enger schnallen, damit es mit dem Land aufwärtsgehe. Aber die Menschen in Kenia hungern bereits. Sie können die Ausbildung ihrer Kinder, die Gesundheitskosten von Angehörigen nicht mehr zahlen. Sie können sich die Wohnungen ausserhalb der informellen Siedlungen nicht mehr leisten. Und dann sehen wir, dass die Politiker:innen Uhren tragen, die Zehntausende US-Dollar kosten. Dass öffentliche Gelder für Autos und die Renovation von Häusern der Präsidenten- und der Vizepräsidentenfamilie ausgegeben werden. Dass das Budget des Präsidialamts erhöht wird. Dass ein Abgeordneter bei einer Spendenaktion zwanzig Millionen Schilling in Cash abliefert, das sind etwa 155 000 US-Dollar. Sind die verrückt? Woher haben sie solche Summen? Diese frappante Korruption ist aber nur das eine
    …“ Interview von Raphael Albisser in der WoZ vom 4. Juli 2024 externer Link mit Wanjiru Kimani
  • Nach mindestens 53 Toten knickt Kenias Präsident Ruto ein und nimmt Steuererhöhungen zurück – Proteste der Generation Z gehen weiter: „Ruto must go!“ 
    • Kenias Präsident Ruto knickt ein: Steuererhöhungen nach Massenprotesten der Generation Z vorerst vom Tisch
      „»Das Volk hat gesprochen.« Nach tagelangen Protesten gegen ein neues Steuergesetz hat der kenianische Präsident William Ruto dem Druck der Demonstranten und der Unzufriedenheit seiner Landsleute nachgegeben. Er werde das Gesetz, das seine Regierung eingebracht hatte, nicht unterschreiben, sagte er am Mittwoch. Ruto kündigte stattdessen ein Sparprogramm an, das auch beim Präsidentenamt ansetzt – etwa bei der Anschaffung von Dienstwagen, Reisebudgets oder Renovierungen. Ruto wies auf Maßnahmen hin, die durch die zusätzlichen Steuern finanziert werden sollten. Er nannte außer einer weiteren Konsolidierung der kenianischen Schulden auch Subventionen für Landwirte und Gesundheitspläne für Menschen, die sich bisher keine Krankenversicherung leisten konnten. Es sei aber offensichtlich geworden, dass die Menschen in Kenia weitere Zugeständnisse bei dem umstrittenen Gesetz erwarteten, sagte Ruto. (…)
      Zur Gesamtzahl der Toten und Verletzten im ganzen Land liegen noch immer keine offiziellen Zahlen vor.
      Proteste der Generation Z gehen weiter
      Trotz Rutos Nachgeben sind Regierungsgegner auch am Donnerstag in der Hauptstadt Nairobi auf die Straße gegangen. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse gegen kleinere Gruppen von Demonstranten ein. Auch in Mombasa und in Kisumu gab es neue Demonstrationen. (…)
      Als »leader-less, party-less, fear-less« bezeichnen sich die jungen Menschen, die seit Tagen auf den Straßen Nairobis und anderer Städte des Landes demonstrieren – ohne Anführer, ohne Parteizugehörigkeit und ohne Angst. Sie waren laut, aber auch ausgesprochen friedlich, bis am Dienstag die Gewalt eskalierte, Autos und Häuser von Abgeordneten und Politikern brannten, Geschäfte und Supermärkte geplündert wurden.
      In kenianischen Medien wird diskutiert, was diesen Wendepunkt ausgelöst hat. War es der von Anfang an harte Polizeieinsatz, den Menschenrechtsgruppen als überzogen kritisieren? Oder haben sich tatsächlich »organisierte Kriminelle« unter die Demonstranten gemischt, wie Ruto am Dienstagabend in seiner Fernsehansprache zu den Vorfällen um das Parlament sagte. Auch wenn vor allem die Jugend demonstriert, sind viele Kenianer fassungslos über den Umgang mit den Demonstranten. »Sie schießen auf unsere Kinder«
      …“ Artikel von Eva Krafczyk vom 27.06.2024 in ND online externer Link
    • In Kenia geht es um mehr als Steuern
      Die Steuererhöhung ist weg, die Proteste nicht. Kenias Präsident William Ruto hat sich verkalkuliert. Der am Mittwoch verkündete Verzicht auf geplante Steuererhöhungen hat die für Donnerstag terminierten Demonstrationen nicht obsolet gemacht. In Nairobi, in Mombasa, in Kisumu ging die Generation Z wieder auf die Straße, weil es ihnen nicht nur um Steuererhöhungen geht, sondern um viel mehr. Die sogenannte Gen Z ist die am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffene Altersgruppe. Ihnen geht es um Perspektiven und sie sind viele: Das Medianalter liegt wie in vielen Ländern Afrikas unter 20 Jahren. Jedes Jahr werden zwar in Kenia gut 130 000 neue Jobs geschaffen, aber im selben Zeitraum kommen rund eine Million Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt…“ Artikel von Martin Ling vom 27.06.2024 in ND online externer Link
    • Kenia: Regierung muss Versammlungsfreiheit schützen und Morde aufklären
      Der IGB fordert die kenianische Regierung auf, die Tötung von mehr als 20 Personen durch Sicherheitskräfte während eines Protestes gegen das von ihr zurückgezogene Finanzgesetz zu untersuchen…“ engl. Meldung des IGB vom 27.06.2024 externer Link
    • Kenias Präsident nimmt nach gewaltsamen Protesten Steuergesetz zurück
      Tagelang sind die Proteste eskaliert, nun reagiert Kenias Präsident William Ruto und stoppt das umstrittene Steuergesetz. Zuvor hatte es mehr als 20 Tote gegeben.
      Kenias Präsident William Ruto hat nach tagelangen Protesten einen Verzicht auf das umstrittene Steuergesetz verkündet. Er reagierte damit auf tagelange gewaltsame Proteste, bei denen nach Angaben der kenianischen Menschenrechtskommission mindestens 22 Menschen getötet und 300 weitere verletzt wurden. Angesichts dieses breiten Widerstands in der Bevölkerung werde er den Gesetzentwurf nicht unterzeichnen und zurückziehen. „Das Volk hat gesprochen“, sagte Ruto während einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Nairobi. Der Präsident kündigte an, den Dialog mit der Jugend des Landes zu suchen und an Sparmaßnahmen zu arbeiten. Diese sollten auch Kürzungen im Haushalt des Präsidenten enthalten, so Ruto.
      Menschen in Kenia leiden unter enorm hohen Lebenshaltungskosten
      Die Einwohner des ostafrikanischen Landes hatten so vehement gegen den Gesetzentwurf protestiert, weil sie ohnehin schon unter sehr hohen Lebenshaltungskosten leiden. Die Regierung hatte als Begründung für die geplanten Steuererhöhungen die hohen Staatsschulden angeführt und auf die Notwendigkeit verwiesen, dem Staat neuen Handlungsspielraum zu verschaffen. Unter dem Druck der ausgelösten Proteste hatte die Regierung schon Mitte Juni einen großen Teil der geplanten Steuererhöhungen zurückgezogen. Die Proteste dauerten jedoch an und führten am Dienstag dazu, dass Demonstranten das Parlamentsgebäude stürmten und Feuer legten. Auch in anderen Städten Kenias kam es zu Protesten. Die Polizei schoss nach dem Einsatz von Tränengas mit scharfer Munition
      …“ Agenturmeldung vom 26. Juni 2024 in der Zeit online externer Link
    • Gewaltsame Proteste gegen Steuergesetze erschüttern Kenia: Mindestens 53 Tote
      In Kenia eskalieren Proteste gegen neue Steuergesetze. Bei Zusammenstößen mit der Polizei sterben mindestens 53 Menschen. Wird die Regierung stürzen? Bericht aus Kenia. (…)
      Denn es brannten nicht nur Reifen auf den Straßen des Central Business District Nairobi, nicht nur Straßenstände und Geschäfte, nicht nur Müll und Polizeitransporter: Gestern brannte das Rathaus. Der Oberste Gerichtshof. Gestern brannte das Parlament.
      Zentren der Demokratie brennen: Rathaus, Gericht und Parlament
      Damit standen die Zentren der demokratischen Institutionen Kenias in Flammen. Und morgen wollen sich die Demonstranten um das State House versammeln, den Sitz des kenianischen Präsidenten. Das ist seit dem 13. September 2022 William Ruto. Er ist erst der fünfte Präsident der Republik Kenia. Vielleicht nicht mehr lange. Denn Ruto muss weg. Das forderten gestern Hunderttausende, die in die Innenstadt strömten: „Ruto must go!“ riefen sie, entschlossen und wütend, tausendfach. Ihr Protest entzündete sich an den neuen Steuergesetzen.
      Junge Generation protestiert: Wütend und entschlossen
      Es waren vorwiegend die Jungen, die gut Ausgebildeten, die gestern friedlich auf die Straßen Nairobis gingen. Die Generation Z protestiert. Sie sind wütend und entschlossen, denn sie haben nichts zu verlieren. Sie haben nicht nur viel Zeit in ihre Ausbildung investiert, sondern vor allem auch viel Geld.
      Bildung ist teuer: Familien kämpfen für Schulabschlüsse
      Denn Bildung ist in Kenia nicht umsonst zu haben. Zwar schießt der Staat Geld zu, doch der Restbetrag ist für viele junge Menschen und deren Familien nur unter größten Mühen zu bezahlen. Die Schüler können die Schule zwar bis zum Ende besuchen und auch abschließen, aber sie bekommen kein Abschlusszeugnis…“ Beitrag von Lars Lange vom 26. Juni 2024 in Telepolis externer Link
    • Proteste der Generation Z in Kenia: »Normalerweise hätte ich Netflix geschaut, plötzlich bin ich hier auf der Straße«
      In Kenia sind die Proteste gegen die Regierung eskaliert, das Parlament wurde gestürmt, es gab Tote. Demonstriert haben vor allem junge Menschen. Es ist ein Tag, der das Land verändern wird – und auch für den Westen Konsequenzen hat…“ Aus Nairobi, Kenia, berichtet Heiner Hoffmann am 25.06.2024 im Siegel online externer Link
  • Jugendproteste in Kenia: „Generation Z“ gegen hohe Steuern. Straßenschlachten in Nairobi begleiten Beratungen über den Staatshaushalt im Parlament
    „Kenia brennt. Jugendproteste legen das Land lahm. Ein Toter, über 50 Verletzte und Dutzende Festnahmen sind die bisherige Bilanz der Straßenschlachten zwischen Polizei und aufgeregten Mitgliedern der Öffentlichkeit in der Hauptstadt Nairobi und anderen Städten. Aktueller Anlass dafür ist das neuen Haushaltsgesetz der Regierung von Präsident William Ruto, das derzeit im Parlament beraten wird. Die unruhigen städtischen Jugendlichen, die auch in Kenia als „Generation Z“ bezeichnet werden, laufen seit Tagen Amok gegen den Haushaltsentwurf, der laut Kritikern die Einkommen der breiten Massen der Bevölkerung weiter schmälern wird. Diese sind bereits deutlich gesunken, nachdem Präsident Ruto seit seiner Amtsübernahme 2022 an der Spitze seiner Koalition „Kenya Kwanza“ bereits zahlreiche Steuern erhöht hat. (…) Kenias Regierung kämpft mit einer ausufernden Schuldenlast von mittlerweile 80 Milliarden US-Dollar. Höhere Steuern sollen die Staatseinnahmen steigern und das Haushaltsdefizit senken. Im ursprünglichen Haushaltsentwurf ging es unter anderem darum, dass die 16prozentige Mehrwertsteuer künftig auch z.B. auf Brot erhoben werden solle, sowie andere Maßnahmen, die einen großen Teil der Bevölkerung treffen würden. Dies wird jetzt überprüft. Eine Rücknahme dieser Maßnahmen wird jetzt diskutiert, würde aber durch höhere Benzinsteuern kompensiert werden. Kritiker verlangen jedoch die komplette Rücknahme des Entwurfs. (…) Für kommenden Dienstag sind neue Proteste angesagt. Derweil stimmten am Donnerstag 204 Abgeordnete für die Weiterverhandlung über den neuen Haushaltsentwurf und 115 dagegen. Die finale Abstimmung wird für kommende Woche erwartet. Polizeichef Japhet Koome warnte, die Polizei werde „Versuche von Demonstranten, kritische Regierungsinfrastruktur wie etwa das Parlamentsgebäude zu besetzen, weder gutheißen noch hinnehmen“.“ Bericht von Maria Macharia in der Übersetzung von Dominic Johnson in der taz online am 21. Juni 2024 externer Link
  • Revolution statt Sozialarbeit. Im armen Bezirk Kayole der Hauptstadt Kenias kämpfen Aktivist*innen des Community Justice Center gegen Polizeigewalt – und für Selbstermächtigung
    „… Kenia hat eine Jugendarbeitslosigkeit von über 20 Prozent, mehr als 85 Prozent der Bevölkerung erwirtschaften ihr täglich Brot im informellen Sektor; in Bezirken wie Kayole dürften die tatsächlichen Zahlen noch weit über den offiziellen Statistiken liegen. Für die meisten Jugendlichen gibt es keinerlei soziale Aufstiegsperspektive. »In Kayole ist der größte Teil der jungen Menschen arbeitslos, oder es fehlen ihnen jegliche Mittel, um ihre Ausbildung fortzusetzen«, erklärt Faith Kasina. Die junge Frau ist Aktivistin im Kayole Community Justice Center, einem selbstorganisierten Zentrum, das mit den Jugendlichen und Familien im Viertel arbeitet. (…) In den armen Stadtteilen Nairobis kommen nahezu wöchentlich Jugendliche durch die Polizei zu Tode. Meist sind es junge Männer, die zum Opfer der Kugeln und Knüppel der kenianischen Polizei werden. Die Behörden rechtfertigen die Vorfälle stets mit Verweis auf die hohe Rate der Kriminalität in den betreffenden Vierteln, doch folgt man Kasina, Kamao und ihren Kolleg*innen, so handelt es sich bei den teils tödlichen Übergriffen der Polizei nicht um tragische Einzelfälle, sondern um staatliche Gewalt, die einem systematischen Kalkül folge. »Diese Vorfälle sind keine Zufälle, die Gewalt dient dazu, uns zu zwingen, ein Leben zu akzeptieren, in dem man uns unserer Würde beraubt«, meint Faith Kasina. Auf ihrem kleinen Block hat sie die Statistiken über die steigende Polizeigewalt in den vergangenen Jahren notiert. Im Jahr 2019 wurden 73 Fälle von Folter, Morden, Verschwindenlassen und weiteren Übergriffen der Polizei registriert. Seit dem Amtsantritt der aktuellen kenianischen Regierung unter Präsident William Ruto im September 2022 wollen die Aktivist*innen, Stand Oktober 2023, 482 Fälle gezählt haben. Die Tendenz, sagen sie, sei weiter steigend. Kommt es zu Gewalt, willkürlichen Festnahmen oder gar Morden, so kümmern sich die Aktivist*innen des Gesellschaftszentrums um die betroffenen Familien, dokumentieren die Fälle und versuchen auch auf juristischem Wege eine Verurteilung der Todesschützen zu erreichen. Doch meist bleibt ihr Kampf vor den Gerichten vergeblich. Die allermeisten Morde werden einfach unter den Tisch gekehrt (…)
    Auch die Familien der Betroffenen seien immer wieder Ziel polizeilicher Willkür. So soll die Polizei in Kayole gezielt Familien, deren Fälle vom KCJC bearbeitet werden, unter Druck setzen, belastende Aussagen zurückzuziehen. »Wir hatten auch schon Fälle, bei denen die Opfer von Polizeigewalt im Laufe unserer Arbeit getötet wurden.« Kasina berichtet zudem von Einschüchterungsversuchen gegen Aktive des Gesellschaftszentrums. Manche Mitglieder seien schon von Beamt*innen der örtlichen Polizeistation bedroht worden, »man könne sie auch einfach verschwinden lassen«. Die junge Aktivistin hat selbst den Glauben in die Justiz weitestgehend verloren, sie ist sich sicher: »Dieses System funktioniert nicht für das Volk.« Doch ein Grund kleinbeizugeben, ist das für die jungen Aktivist*innen nicht – im Gegenteil. Da die Probleme nicht lokal begrenzt sind, sondern sich in allen armen Vierteln Nairobis ähneln, wurden seit 2015 insgesamt 20 solcher Zentren im gesamten Stadtgebiet aufgebaut. Zusammen kommen die einzelnen Zentren unter dem Dach der Social Justice Centres Working Group, dem nairobiweiten Zusammenschluss der Basisorganisationen. Dabei verstehen sich die Aktivist*innen der Zentren nicht als bessere Sozialarbeiter*innen. Die meisten unter ihnen würden sich als revolutionäre Sozialist*innen bezeichnen
    …“ Artikel von Tim Krüger in ak 702 vom 19. März 2024 externer Link
  • Mindestens 24 Menschen verloren bisher ihr Leben durch scharfe Munition gegen die anhaltenden Proteste gegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten in Kenia
    • Gewaltsame Proteste in Kenia: Tränengas in Nairobis Armenviertel
      Kenias Opposition ruft zu Protesten gegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten auf. Die Polizei verbietet alle Versammlungen.
      Es war zunächst wie die Ruhe vor dem Sturm: Die sonst so staugeplagten Straßen in Kenias Hauptstadt Nairobi waren am Mittwochvormittag wie leergefegt. Läden und Schaufenster waren verrammelt. Die Regierung hat vorsorglich alle Schulen in den drei größten Städten Nairobi, Mombasa und Kisumu geschlossen, damit Schüler nicht in Gefahr geraten. Der Grund: Die Opposition hat die Bevölkerung erneut zu landesweiten Protesten gegen steigende Benzin- und Lebensmittelpreise aufgerufen. Drei Tage soll die Aktion dauern. Der Startschuss sollte am Mittwoch zur Mittagszeit an verschiedenen Plätzen in Nairobi und anderen Städten eingeleitet werden, doch diese wurden bereits im Vorfeld von Polizeieinheiten abgeriegelt, um Menschenansammlungen zu verhindern. Die ersten Steine und Tränengaskartuschen flogen am Vormittag im berühmten Kibera-Slum in Nairobi, der als größtes Armenviertel Afrikas gilt. Hier lieferten sich Jugendliche Auseinandersetzungen mit der Polizei. Videos, die auf Twitter online gestellt werden, zeigen, wie Sicherheitskräfte in Zivilkleidung in Mathare, einem weiteren Armenviertel der Hauptstadt, Menschen festnehmen. Eine Person soll dort erschossen worden sein. „Sufuria Movement“ heißt die Protestbewegung. „Sufuria“ bedeutet in der lokalen Sprache Swahili „Topf“ oder „Pfanne“ und steht symbolisch für das Essen, das in jedem kenianischen Haushalt immer teurer wird. Die Regierung hat Ende Juni das neue Budget für das im Juli beginnende Haushaltsjahr veröffentlicht. Darin hat die Regierung die Steuern auf Benzin und Diesel von acht auf 16 Prozent verdoppelt, was bedeutet, dass die Lebenshaltungskosten weiter steigen werden, da fast alle Produkte in Kenia mit Lastwagen transportiert werden müssen. Dagegen will die Opposition jetzt drei Tage lang auf die Straße gehen: „Wir fordern die Kenianer auf, aus ihren Häusern zu kommen und auf Töpfe und Pfannen zu schlagen, um den Mangel an Lebensmitteln anzuzeigen“, so Martha Karua, Mitglied der Oppositionsallianz „Azimio La Umoja“. Auto- und Motorradfahrer sollen Hupkonzerte abhalten, so Karua am Dienstag in einer Pressekonferenz. Kenias Polizei hat wiederum alle Demonstrationen verboten und davor gewarnt, dass die Sicherheitskräfte hart durchgreifen würden. Laut Angaben des Menschenrechtsbüros der Vereinten Nationen waren bei den Protestaktionen vergangene Woche 23 Menschen in Folge von Polizeigewalt ums Leben gekommen…“ Artikel von Simone Schlindwein vom 19.7.2023 in der taz online externer Link
    • Mehrere Demonstranten wurden im Jahr #Kenya durch scharfe Munition getötet oder verletzt, während die Proteste gegen steigende Lebenshaltungskosten und Steuererhöhungen die dritte Woche andauern. Mindestens 24 Menschen verloren ihr Leben.“ franz. Tweet von Anonyme Citoyen vom 19. Juli 2023 externer Link mit Video
    • Unruhen in Kenia hören nicht auf – Menschen mit kleinem Einkommen haben Schwierigkeiten, ihre Familien zu ernähren
      Brennende Autos, geplünderte Geschäfte, Dutzende Verletzte: Seit Wochen erschüttern massive Proteste das ostafrikanische Land, ein Ende ist nicht in Sicht. Was treibt die Menschen auf die Straße? (…) Kenia, eines der wirtschaftlich stärksten und modernsten Länder Afrikas, wird von massiven Protesten erschüttert. Angeführt und aufgestachelt von der Opposition demonstrieren Woche für Woche Zehntausende Menschen im ganzen Land. Es begann im Frühjahr mit Demonstrationen gegen gestiegene Preise, die aber wieder abflauten. Doch dann erhielt der Unmut neue Nahrung durch Pläne der Regierung, die Steuern unter anderem auf Benzin deutlich zu erhöhen. Die politischen Anführer der Proteste verfolgen ein klares Ziel: die Absetzung der Regierung von Präsident William Ruto. Die wiederum antwortet mit Härte. Mindestens zehn, manchen Berichten zufolge 23 Demonstranten sind allein vergangene Woche getötet, Dutzende verletzt und Hunderte festgenommen worden. Mehr als 50 Kinder mussten im Krankenhaus behandelt werden, weil die Polizei Tränengas in ein Klassenzimmer gesprüht hatte. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte zeigte sich in einer Stellungnahme „sehr besorgt“ über die Gewalt sowie über Berichte, wonach die Polizei unverhältnismäßig hart gegen die Demonstranten vorgeht und auch Schusswaffen einsetzt. Die Botschaften von 13 internationalen Staaten, darunter Deutschland, riefen in einem gemeinsamen Statement dazu auf, konstruktive und friedliche Lösungen zu finden…“ Artikel von Paul Munzinger vom 18. Juli 2023 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
    • Proteste in Kenia: Wenn das Geld nur noch für eine Mahlzeit reicht
      Grundnahrungsmittel wie Mehl für Maisbrei sind in Kenia so teuer geworden, dass sich viele Familien einschränken müssen. Die Not treibt die Menschen auf die Straße, und die Proteste schlagen zunehmend in Gewalt um…“ Beitrag von Antje Diekhans vom 15.07.2023 in tagesschau.de externer Link
    • Protest gegen Lebensmittelpreise in Kenia: Tote bei Ausschreitungen
      Vor allem Jugendliche protestieren gegen wirtschaftliche Ungleichheit. Sie blockierten Straßen und griffen Polizisten an. Sechs Menschen starben…“ Artikel von Simone Schlindwein vom 14.7.2023 in der taz online externer Link
  • In #Kenia kommt es zu Protesten gegen die Einführung neuer Steuern durch die Regierung, da die Wut über die steigenden Preise weit verbreitet ist. In mehreren Städten des Landes kommt es zu Aufständen.  Mindestens fünf Demonstranten wurden getötet.“ Tweet von @Klang_Ruinen 12.7.23 externer Link mit Video, siehe weitere aktuelle Videos unter #Kenia
  • Nach umstrittenem Finanzgesetz: Erneut Proteste in Kenia
    Rund zwei Wochen nach Inkrafttreten einer umstrittenen Steuerreform in Kenia haben in dem ostafrikanischen Land Medienberichten zufolge erneut Menschen gegen neue Steuern und steigende Preise demonstriert. Dabei kam es am Mittwoch zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Demonstranten, wie auf Bildern und Videos zu sehen war. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, Protestierende zündeten Autoreifen an. Kenias Oppositionsführer Raila Odinga hatte zu dem Protest aufgerufen. Berichte über Demonstrationen gab es aus mehreren Städten des Landes. Im Zuge der Proteste wurde in der Hauptstadt Nairobi eine der wichtigsten Verkehrsrouten gesperrt, wie der Betreiber der Schnellstrasse am Mittwoch mitteilte. Seit mehreren Monaten kommt es in dem Land mit rund 55 Millionen Einwohnern immer wieder zu Demonstrationen, die von der Polizei teils gewaltsam niedergeschlagen werden. Anfangs hatte Odinga zum Protest gegen die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten aufgerufen. Das umstrittene neue Steuergesetz von Präsident William Ruto, mit dem dieser den maroden Staatshaushalt sanieren will, hat die Proteste nun erneut angeheizt…“ Meldung vom 12 Juli 2023 bei radiobeo.ch externer Link
  • Hunger in Kenia
    Rund 735 Millionen Menschen haben laut den Vereinten Nationen im Jahr 2022 Hunger leiden müssen. Durch den Klimawandel beeinflusste Dürren verschärfen die Lage – so auch in Kenia.“ Video vom 13.07.2023 beim ZDF externer Link (Videolänge: 1 min)
  • EU und Kenia: Einigung auf ehrgeiziges Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
    Die EU und Kenia haben ihre Verhandlungen über ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) politisch abgeschlossen. Das Abkommen wird den Warenhandel ankurbeln und neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen. Eine gezielte Zusammenarbeit soll auch die wirtschaftliche Entwicklung Kenias fördern. Mit Blick auf Bestimmungen zur Nachhaltigkeit – Klima- und Umweltschutz sowie Arbeitnehmerrechte – ist es das ehrgeizigste Handelsabkommen, das von der EU mit einem Entwicklungsland geschlossen wurde…“ Pressemitteilung vom 19 Juni 2023 der EU-Vertretung in Deutschland externer Link, siehe auch realistischer:

    • EU und Kenia einig bei Freihandelsabkommen
      Die EU und Kenia haben sich auf ein Freihandelsabkommen geeinigt. Künftig sollen so Einfuhrzölle entfallen. Kenia sieht das als große Chance – es gibt aber auch skeptische Stimmen. (…) Kenia wird seinen Mark nur schrittweise für zollfreie Einfuhren aus europäischen Ländern öffnen. Für die Landwirtschaft soll es Schutzmaßnahmen geben, damit Produkte aus Europa nicht den heimischen Markt kaputt machen. Der kenianische Wirtschaftsexperte James Shikwati sieht das Abkommen trotzdem mit Skepsis. „Das Ungleichgewicht ist groß. Nach meiner Ansicht gibt es mehr Vorteile für die Europäische Union. Sie wird die Regeln und Standards festlegen. Zum Beispiel hat Deutschland zuletzt ein Lieferkettengesetz in Kraft gesetzt und die Handelspartner müssen sich danach richten. Auch hier legt Kenia nicht selbst die Regeln fest.“ (…) Bevor das Abkommen in Kraft treten kann, müssen noch das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten zustimmen. Die Europäische Union hofft, dass Kenia der Türöffner für ähnliche Vereinbarungen mit anderen Ländern in Ostafrika sein kann. Das Engagement auf dem Kontinent ist für die EU wichtig, weil durch die wachsende Bevölkerung ein immer wichtigerer Absatzmarkt entsteht. Außerdem soll das Handelsabkommen mit Kenia helfen, dem wachsenden Einfluss Chinas in der Region entgegenzutreten…“ Beitrag von Antje Diekhans, ARD Nairobi, vom 19.06.2023 bei tagesschau.de externer Link
  • Scholz setzt beim Fachkräftemangel auf Kenia
    Kanzler Scholz will Fachkräfte aus Kenia nach Deutschland holen. Er sehe in dem Land „großes Potenzial“, sagte er nach einem Treffen mit Präsident Ruto. Gleichzeitig soll irreguläre Migration zurückgedrängt werden.
    Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich bei seinem Besuch in Kenia für die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem ostafrikanischen Land starkgemacht. „Wir sehen in Kenia ein großes Potenzial für die Fachkräftemigration in vielen Bereichen unserer Wirtschaft“, sagte er nach einem Gespräch mit Präsident William Ruto in Nairobi. (…) Präsident Ruto sagte, Kenia wolle „gerne dazu beitragen“, den Fachkräftemangel in Deutschland „mit unseren sehr gut ausgebildeten Fachkräften“ zu bekämpfen. Deutschland müsse für die „entsprechenden einwanderungspolitischen Voraussetzungen“ sorgen, forderte Ruto. Er sprach von einem „Export von Fachkräften nach Deutschland“. Deutschland habe seine Unterstützung bei der Nutzung der Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten in Kenia angeboten, sagte der kenianische Präsident. Kenia habe die Zahl seiner sogenannten Exzellenzzentren für die Berufsausbildung von drei auf sieben erhöht. Aus Kenia könnten vor allem Fachkräfte aus der IT- und Digitalwirtschaft interessant für Deutschland sein...“ Beitrag vom 05.05.2023 in tagesschau.de externer Link

Siehe zu Kenia zuletzt/zum Thema:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=213480
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