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Ein Kniefall der kanadischen Baugewerkschaften? Die Provinzregierung von Quebec will den Streik der 175.000 Bauarbeiter verbieten – das Kampfprogramm der Unternehmerverbände soll diktatorisch verwirklicht werden

Quebec Bauarbeiterdemo montreal am 24.5.2017 - an den Stadtrand berufenAm Montag, 29. Mai 2017, ist die Provinzregierung von Quebec zu einer Sondersitzung geladen. Der Chef dieser Truppe meint, die „Wirtschaft“ der Provinz könne die täglichen Verluste nicht ertragen, die seit Streikbeginn am Donnerstag auflaufen. Es soll der Streik der 175.000 Bauarbeiter durch ein Sondergesetz untersagt werden. Ein Streik, der sich gegen ein ebenso dreistes wie selbstentlarvendes Kampfprogramm der Unternehmerverbände der Bauindustrie Quebecs richtet, und von der Alliance Syndicale, dem Zusammenschluss der Baugewerkschaften, durchaus auf den Druck hin organisiert wurde, der von der Stimmungslage in den Betrieben ausgeht. Die Gewerkschaftsvertreter haben nun beteuert, man werde das ganze Wochenende über verhandeln, um das Gesetz zu verhindern… Das Programm, gegen das sich die Empörung der Baubeschäftigten richtet, ist knapp und eindeutig. 5 Jahre Tarifvertrag – jährliche Erhöhung jeweils 0,7% (bei einer Inflationsrate von gegenwärtig 1,6% im Jahr, mit Tendenz zur Steigerung dürfte das geschätzt auf 10% Lohnkürzung hinauslaufen). Punkt 2: Samstagarbeit soll nicht mehr als Überstunden bezahlt werden. Und: Die „Flexibilität“ soll weiter erhöht werden, sprich das Unternehmen soll kurzfristig diktieren können, wann, zwischen 5 und 11 Uhr die Arbeit aufgenommen werden muss, eine Ausdehnung der bereits bestehenden Regelung. Siehe dazu vier aktuelle und einen Hintergrundbeitrag:

  • „Québec: Premierminister droht, Streik von 175.000 Bauarbeitern für illegal zu erklären“ von Keith Jones am 27. Mai 2017 bei wsws externer Link, worin zu den Drohungen der Provinzregierung berichtet wird: „Am zweiten Tag des Streiks von 175.000 Bauarbeitern in der nach Einwohnerzahl zweitgrößten kanadischen Provinz Québec gingen Tausende Arbeiter auf die Straße, um ihre Opposition gegen die Forderungen der Bauunternehmer nach umfassenden Zugeständnissen zu unterstreichen. Durch den Streik kam die Arbeit auf Hunderten von Baustellen in der ganzen Provinz zum Erliegen. Während die Arbeiter am Donnerstagmorgen demonstrierten, verkündete der Premierminister von Québec, Philippe Couillard von der Liberal Party, seine Regierung werde den Streik für illegal erklären, wenn die Streikenden nicht bis Montagmorgen an die Arbeit zurückkehren. Couillard, der sich zu diesem Zeitpunkt auf einer Handelsmission in Israel befindet und dort Werbung für Bombardier und andere Unternehmen aus Québec macht, erklärte: „Wir können nicht zulassen, dass die Wirtschaft täglich 45 Millionen [kanadische] Dollar verliert. Ich habe die Regierung gebeten, bis Montag bereit zu sein, zu handeln.“ Couillard hatte bereits letzte Woche signalisiert, er werde schnell handeln, um einen Streik in der Baubranche zu verbieten. Seine Regierung werde nicht „mit verschränkten Armen dabei stehen“, während ein „wichtiger Teil“ der Wirtschaft von Québec lahmgelegt wird“ – womit deutlich wird, dass der wenig feine Herr keine Ausreden benutzt, sondern offen für Streikverbot eintritt. Zur Haltung der Gewerkschaften darin: „Besonders bezeichnend ist, dass die Gewerkschaften sich über die Drohung der Regierung ausschweigen, die Arbeiter per Gesetz wieder an die Arbeit zu zwingen. Seit Beginn der Verhandlungen war jedoch offensichtlich, dass die Bauunternehmer mit der Unterstützung der Regierung rechnen, um ihre Forderungen nach Zugeständnissen durchzusetzen. Im Jahr 2013 hatte die amtierende Parti Québécois, die von den Gewerkschaften unterstützt wurde, einen Streik von 75.000 Beschäftigten in der Baubranche für illegal erklärt. Im Jahr 2014 zwangen die Gewerkschaften die Arbeiter, einen Tarifvertrag mit zahlreichen Zugeständnissen zu akzeptieren, nachdem die liberale Couillard-Regierung angedroht hatte, jeden Streik zu verhindern, indem er schon im Voraus für illegal erklärt wurde“.
  • „Grève dans la construction: les négociations reprennent par secteurs“ von Lia Lévesque am 26. Mai 2017 bei der Huffington Post Quebec externer Link berichtet von der Wiederaufnahme der Verhandlungen am Freitag Nachmittag, wobei Unterbranchen-Lohnfragen an getrennten Tischen verhandelt werden sollen, nachdem zentrale Verhandlungen am Donnerstag ohne Ergebnis geblieben waren. Darin wird auch berichtet, dass die Baubranche ohnehin bereits Sonderrechte genießt – durch Einschränkung des Streikrechts, wie es in anderen Bereichen in Kanada gilt: Diese Sonderregelung bedeutet, dass beispielsweise Streikposten völlig überflüssig sind, da sie nichts tun dürfen – „Einschüchterung“ ist ihnen (natürlich nicht den Unternehmen) untersagt.
  • „Présentation des demandes syndicales“ am 11. Mai 2017 beim Gewerkschaftsbund FTQ externer Link war ein Video, in dem  die gewerkschaftlichen Forderungen in dieser Tarif-Auseinandersetzung vorgestellt wurden – nicht zufällig war dabei der Grundsatz „Vereinbarung von Familie und Beruf“ ein Zentralthema: Was die Unternehmen früher „nur“ den Frauen verweigerten, das wollen sie jetzt ganz geschlechterdemokratisch, allen untersagen (dass es eine Scheidungswelle im Unternehmerverband gäbe, ist aber ein Gerücht).
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=116805
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