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Der Krieg der Sauds im Jemen ist ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung: Gegen eine Rebellion, die keineswegs nur religiös begründet ist…

August 2017: Massendemonstration in Aden: Gegen Krieg und Kapitalismus im JemenSeit 2014 zieht sich der Krieg im Jemen nun schon hin, seit 2015 ist Saudi-Arabien – und mit ihm, auf verschiedene Weise, seine Freunde in der EU und den USA – Kriegspartei. Ungefähr 10.000 Menschen mussten bisher schon sterben, Cholera und Hunger im Zusammenwirken mit saudischen Bomben sind Ursache. Weit weg, nahezu unbeachtet und in der politischen Bewertung meistens „irgendwie religiös“ begründet (wenn überhaupt) – so ist das Echo dieses Kriegs in den Medien der BRD. BRD-Waffenlieferungen an das verbrecherische Saud-Regime werden, wenn überhaupt, in der Regel nicht in Zusammenhang mit diesem Krieg kritisiert. Dass die erste Auslandsreise des damals neu gewählten US-Präsidenten Anfang des Jahres 2017 nach Saudi-Arabien führte, war keineswegs ein Zufall. Unsere aktuelle Materialsammlung „Fast drei Jahre Krieg im Jemen – erstarkender Widerstand“ vom 19. September 2017 ist der Versuch dazu beizutragen, die sozialen Komponenten dieses Krieges sichtbar zu machen:

„Fast drei Jahre Krieg im Jemen – erstarkender Widerstand“

„Worum es beim Konflikt im Jemen geht – Teil I“ von Andreas Vogl am 29. August 2017 bei Al Sharq externer Link ist der erste eines zweiteiligen Beitrags zu den Hintergründen dieses Kriegs – wobei sich dieser Teil mit den Entwicklungen im Land bis zum arabischen Frühling 2011 befasst. Darin wird unter anderem die historische Kontinuität der Sonderrolle unterstrichen, die die Gebirgslandschaften des Nordens immer und bis heute im Jemen gespielt haben und immer wieder spielen. Dabei wird zur Vorgeschichte der heutigen politischen Konstellation zum einen hervor gehoben: „Nachdem Saleh neutral auf die irakische Invasion Kuwaits reagiert hatte, wies Saudi-Arabien über eine Million jemenitische Gastarbeiter aus. Viele von ihnen kamen aus dem Norden, wo sich die Rückkehr so vieler Menschen sowie das Ausbleiben der Einnahmen extrem negativ auf die Volkswirtschaft auswirkte. Dazu kam, dass viele sunnitische Jemeniten in Saudi-Arabien mit dem Salafismus in Kontakt gekommen waren, was für das damals schlecht organisierte Zaiditentum eine nicht gekannte ideologische Herausforderung darstellte. Besonders die im Salafismus propagierte Gleichheit aller Muslime war im hierarchischen Norden eine durchaus willkommene Botschaft. Als Reaktion begannen die Zaiditen, sich zu organisieren, und gründeten die al-Haqq-Partei und die Organisation Schabab al-Muminin (Die Jugend der Gläubigen). Es entstand politischer, sozialer und theologischer Widerstand gegen die Salafisten. Die junge Generation der Zaiditen, von der jemenitischen Regierung vernachlässigt, nahm Saleh und seine Getreuen nun lediglich als Unterstützer der Salafisten wahr. Aus dieser zaiditischen Jugendorganisation bildete sich langsam eine starke Bewegung. Die Huthi-Familie war in diesem Prozess besonders aktiv. Ab 2004 erachtete die Regierung in Sana die Huthis mit ihren antiisraelischen und antiamerikanischen Parolen sowie der Unterstellung, dass der Jemen nur eine Puppe der USA sei, als eine Gefahr für die nationale Sicherheit und schrieb Husain al-Huthi zur Verhaftung aus. Im September des gleichen Jahres wurde er von Sicherheitskräften erschossen. Sein Tod markierte den Auftakt zu sechs blutigen Kriegen im Norden“. Andrerseits wird auch auf die Nachwirkung der zeitweisen Existenz der Volksrepublik (Süd)Jemen verwiesen, die für viele Menschen bis heute gleichbedeutend ist mit besseren Zeiten, auch wirtschaftlicher Art.

„Worum es beim Konflikt im Jemen geht – Teil II“ von Andreas Vogl am 31. August 2017 bei Al Sharq externer Link ist der zweite Teil dieser Betrachtung, der den Entwicklungen seit 2011 gewidmet ist. Darin heißt es zu Kernentwicklungen der kriegerischen Auseinandersetzung: „Bei einem Treffen der Arabischen Liga in Scharm el Scheikh am 29. März 2015 gab Hadi bekannt, dass er Iran für das Chaos im Jemen verantwortlich mache. Die arabischen Staaten beschlossen daraufhin, eine Eingreiftruppe zu bilden, um solchen Entwicklungen in Zukunft Einhalt gebieten zu können. Bereits vier Tage zuvor hatte eine Militärallianz bestehend aus Katar, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Ägypten, Sudan, Pakistan, Jordanien und Marokko begonnen, Huthi-Stellungen im Jemen zu bombardieren. Ziel sei es gewesen, die jemenitische Regierung von Hadi zu schützen und iranischen Einfluss einzudämmen. Der Iran kritisierte diese Schritte stark. Dennoch marschierten die Huthis im April des gleichen Jahres in Aden ein. Die Stadt konnten sie zwar zu keinem Zeitpunkt komplett kontrollieren, allerdings dauerte es Monate, bis Hadi-treue Truppen Aden den Huthis wieder entrissen hatten. Die Frontlinie ist seitdem die Stadt Taiz. Von Anfang an demonstrierte dort die lokale Bevölkerung gegen die Huthis. Diese belagerten zusammen mit Saleh-treuen Truppen die Stadt und unterdrückten Aufstände sowie Demonstrationen mit Waffengewalt. Die humanitäre Situation in Taiz wird seitdem zusehends katastrophaler. Von einer Lösung des Konflikts weit entfernt, ist die Handelsstadt bis heute umkämpft“.  In der aktuellen Lage habe sich – trotz des Bombenterrors – die Einschätzung verschiedener Analysten, dieser Krieg könne von keiner Seite gewonnen werden weitgehend bestätigt.

„Saudi-Arabiens Krieg im Jemen: keine Ausstiegsstrategie“ von Jens Heibach im GIGA FOCUS 2 Ausgabe Mai 2017 externer Link ist ein Beitrag, der unter vielem anderem Informationen zur Situation Saudi Arabiens – und dem potenziellen Einsatzbereich von Kampfschiffen für die saudische Küstenwache, die in der BRD gebaut werden – enthält: „Hinzu kommt, dass der Krieg zusehends die maritime Sicherheit am Bab al-Mandab und damit die Sicherheit wichtiger Transportrouten für saudisches Öl und den globalen Handel insgesamt bedroht. Das „Tor der Tränen“ ist ein zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden gelegenes Nadelöhr, das Mittelmeer und Indischen Ozean verbindet. Auch ein Großteil der Exporte aus dem Persischen Golf passiert die Meerenge, wenn die SUMED-Pipeline genutzt oder der Suezkanal durchquert werden soll. Da bis zu 8 Prozent des globalen Handels über den Suezkanal abgewickelt werden und 4 Prozent des globalen Ölhandels das Tor durchlaufen, ist die Meerenge von enormer strategischer Bedeutung. Seit Herbst 2016 wurden mindestens vier Angriffe auf Kriegsschiffe Saudi-Arabiens, der Vereinigten Staaten und der VAE gemeldet, die allesamt der Huthi-Salih-Allianz zugeschrieben werden. Zudem mehren sich Berichte über den Einsatz von Seeminen, die Handelsschiffe und Öltanker gefährden“.

„‘Our aim is independence’ Mass protests sweep South Yemen“ von Alice Oella am 10. Juli 2017 beim MENA Solidarity Network externer Link ist ein Beitrag, der sich vor allem den Entwicklungen im Südjemen widmet. Massive Streikbewegungen im öffentlichen Dienst und der Ölwirtschaft, meist gegen Nichtausbezahlung von Löhnen hatten, zusammen mit Protesten von Studierenden und SchülerInnen im Verlauf des Jahres 2016 – auch weil sie oft genug vom Gouverneur Adens unterstützt worden waren. Dessen Absetzung durch den formalen Präsidenten Hadi (dessen Regierung sich in Saudi Arabien befindet) rief im Mai 2017 massive Proteste aus weiten Regionen des Landes hervor, die sich politisch zunehmend für eine erneute Trennung des Südjemen orientierten, eine Orientierung, die sich um die seit 2007 bestehende Al Hirak-Bewegung sammelt.

„Student walkouts hit Aden University“ von Mirfat Sulaiman am 06. März 2017 beim MENA Solidarity Network externer Link war ein Beitrag über die Proteste an der wichtigsten Universität des Landes im (südlichen) Aden, die die größten einer ganzen Serie waren – aber vor allem deswegen bedeutende öffentliche Wirkung zeigten, weil sie, im Gegensatz zu den Protesten in der Hauptstadt Sana (im Norden) nicht unterdrückt wurden. Alle diese Proteste, wie auch viele der Arbeiter vor allem der Raffinerien verbinden jeweils konkrete Forderungen mit der Frage nach dem Verbleib entsprechender Ressourcen, mit anderen Worten: Korruptionsvorwürfe spielen dabei beständig eine wichtige Rolle.

„The war on Yemen is about capitalism, not sectarianism“ von Tom Anderson am 01. September 2017 bei Ceasefire externer Link ist der Beginn einer Serie von Beiträgen gegen die britische Waffenmesse DESI, die mit dem Krieg im Jemen beginnt – ebenfalls keineswegs zufällig, da die Beteiligung Großbritanniens an diesem Krieg die wichtigste aus Europa ist. Die Argumentation wird anhand zahlreicher Fakten aufgebaut und zielt darauf ob, dass es das ungenannte Kriegsziel Saudi Arabiens ist, seine Kontrolle über die Ölwirtschaft der Region und den Meerestransport zu intensivieren.

„Saudi’s bombing campaign is destroying my country, Yemen, and Britain is helping them do it“ von Safa Al-Shami am 01. September 2017 bei Ceasefire externer Link ist der zweite Beitrag dieser Reihe, der sich vor allem mit der Rolle Großbritanniens bei diesem Krieg befasst – für die einstige Kolonialmacht, die im Süden des Jemens vor rund 50 Jahren das Ende ihres Empires erleben musste, ein besonderes Tätigkeitsfeld. Die soziale Dimension des Krieges ist der Hunger: Die ersten, die ärmsten, sterben bereits daran. Und in einem Land das zwar drei Regierungen hat, die aber alle monatelang keine Gehälter ausbezahlt haben, sind jedenfalls viele auf dem Weg, arm zu werden – was bereits dazu geführt hat, dass mehrere Hunderttausend Menschen geflüchtet seien, die meisten im Inneren des Landes, aber auch bereits in andere arabische Länder. Die Blockade des Hafens von Hodeidah – deutsche Kriegsschiffe lassen grüßen – durch Saudi-Arabien verschärft die soziale Notlage weiterhin.

„‘No income for a year:’ Yemeni professionals endure war without salaries“ von Rua’a Alameri am 12. September 2017 bei Al Arabiya externer Link ist ein Beitrag, der anhand einiger Beispiele die Auswirkungen der Nichtausbezahlung von Gehältern berichtet – ohne Geld inmitten steigender Lebensmittelpreise: Einer der wichtigsten Gründe, warum immer mehr Menschen einen Ausweg suchen, der Frieden und Überleben bietet.

„Longing for Life in Yemen- A STATUS/الوضع Interview with Afrah Nasser“ am 05. Juli 2017 bei Jadaliyya externer Link ist ein Interview mit der jemenitischen Journalistin über die Massendemonstration jemenitischer Frauen am 8. März diesen Jahres, die von westlichen Medien weitgehend unbeachtet in Sana und Aden Zehntausende Frauen mobilisierten, die gegen Gewalt, für Frieden und soziale Gerechtigkeit auf die Straße gingen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=121716
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