iz3w 388: Rassismus und Widerstand – Never Ending Story

iz3w 388: Rassismus und Widerstand - Never Ending StoryWarum vergleicht man Hautfarben? “Rassismus ist weltweit verbreitet und gefährlich. Das ist erstaunlich, denn er ist geächtet: Die Antirassismus-Konvention der UN ist ziemlich unumstritten; im Alltagsgespräch weisen so gut wie alle jeden Rassismusverdacht zurück. Aber als erfolgreiche Ideologie ist Rassismus tiefsitzend und sehr wandelbar. (…) Der ‚neue Rassismus‘ ist vor allem gegen Migration gerichtet und ethnopluralistisch geprägt. Im Heft diskutieren wir das anhand der französischen Gesellschaft. Dennoch bleibt Hautfarbe in vielen Ländern ein Thema, wie sich auch in diesem Themenschwerpunkt zeigt. (…) Die rassistische Ideologie zeigt in verschiedenen Ländern unterschiedliche Gesichter. (…) Merke: Schon wenn von ‚Mischung‘ die Rede ist, sollten die Alarmglocken schrillen. Denn um zu mischen, muss man die Leute zuvor sortiert haben. Auch auf dem afrikanischen Kontinent lässt sich die Diskriminierung von Menschen mit dunkler Hautfarbe konstatieren (…) Unübersehbar ist nicht nur hier die Verknüpfung von Rassismus mit anderen Herrschaftsverhältnissen wie Klassengesellschaft und Patriarchat. Die Gesellschaft wäre ohne Rassismus viel besser eingerichtet und es gibt den entsprechenden Widerstand…“  Editorial von iz3w externer Link zur Ausgabe 388 mit Themenschwerpunkt „Rassismus und Widerstand“ externer Link – siehe auch den Beitrag daraus zu Entstehung und Wandel der rassistischen Ideologie:

  • Erfundene Überlegenheit: Entstehung und Wandel der rassistischen Ideologie
    „Bereits seit der Antike gehen Herrschaft und die Abwertung von Menschengruppen Hand in Hand. Der moderne Rassismus systematisiert und radikalisiert dieses Prinzip. Für die rassifizierten Menschen bedeutet dies das Fortleben eines jahrhundertealten Traumas. (…) Viele Einführungen zum Thema beginnen (…) erst im 15. Jahrhundert. Sie ordnen Rassismus und Antisemitismus als Phänomene der Moderne ein. Das historische Material widerlegt diesen Mythos. (…) Der Kern des Rassismus lässt sich auch in der Adelsfantasie aufzeigen: Sie erklärt Herrschaft für erblich und überhöht den Herrschenden ästhetisch. Bei antiken und mittelalterlichen Texten spricht man in diesem Zusammenhang oft von »Protorassismus«. Ähnliche Inhalte in der Gegenwart würden wir als rassistisch einstufen. Dabei ging es damals wie heute um die Rechtfertigung von Hierarchien und Herrschaft. (…) Rassismus war als Legitimationsmodell für kollektivierende Herrschaft erfolgreich, weil er psychologische Muster anspricht, die überkulturell in früher Kindheit entstehen: pathische Projektion, verfolgende Unschuld, Kastrations- und Inzestphantasien sowie bösartiger Narzissmus. Daraus speist sich die überhistorische Stabilität von Hexereivorstellungen, Antisemitismus und des Rassismus gleichermaßen. Rassismus erlaubt Skrupellosigkeit ohne Empathie, Herrschaft ohne Gewissensbisse. Die narzisstisch kränkenden Schuldgefühle werden auf die Opfer projiziert: die Unterwerfung sei deren eigene Schuld und die Gewalt gegen sie eine gerechte Strafe. Der Rassist sieht sich als generöser Wohltäter. Die Notwendigkeit dieser Rationalisierung spricht dafür, dass Rassismus bewusste Lüge ist – nicht einfach nur Unwissen oder blanke Macht. (…) Die Vorbereitung weißer Rechtsextremist*innen auf einen genozidalen ‚Rassenkrieg‘ im Zuge der Klimakrise und der zu erwartenden Massenflucht kann deshalb nicht ernst genug genommen werden – zumal die bürgerliche Mitte Europas eine Abschottungspolitik betreibt, die den Tod von Millionen jenseits der Grenzen kalt einkalkuliert. Dieser tödliche Rassismus ist nicht ‚wichtiger‘ als der kulturelle und institutionelle, er ist die Folge der Abtötung von Empathie durch rassistische Kultur. Black Lives Matter hat das erkannt und begreift Polizeigewalt als Teil einer rassistischen Alltagskultur, darunter vor allem Denkmäler, die Gewalt gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe glorifizieren. Die einzig legitime Frage an die Denkmalstürze ist: Warum haben Weiße das nicht schon längst getan?“ Beitrag von Felix Riedel aus iz3W 388 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=196351
nach oben