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Mord an dem Landarbeiter Soumayla Sacko in Kalabrien: Proteststreik und eine seltsame Kritik am italienischen Minister, der zur Gewalt aufgerufen hat

Soulayma Sacko, ermordet am 3. Juni 2018 in KalabrienIn der Nacht zum Sonntag, den 03. Juni 2018, ist in der kalabrischen Kleinstadt Vibo Valentia ein 29-jähriger Landarbeiter erschossen worden: Unbekannte hatten das Feuer auf ihn und zwei Freunde eröffnet, die gerade dabei waren, Material zu sammeln, um sich eine der berüchtigten Notunterkünfte zu basteln, die das italienische Agrarkapital zur Tomatenernte duldet – bisher jedenfalls. Soumayla Sacko – 29 Jahre, verheiratet, Vater einer kleinen Tochter – Aktivist der Landarbeiter im Gewerkschaftsbund USB, wurde von den Schüssen in den Kopf getroffen und war sofort tot. Jenseits der Spekulation darüber, dass die globale italienische Tomatenwirtschaft von der Mafia durchsetzt sei, gibt es vor allem eine wachsende Kritik am neuen Polizeiminister, der zu dem Mord bis zum heutigen Dienstag jedenfalls sein Maul hält. Seltsame Kritik – hat er doch alles bereits gesagt, was seine Position ausmacht: Die Party für die Illegalen sei vorbei, so sein Motto zum Amtsantritt – und dem folgen nun seine Wähler. Soumayla Sacko war weder illegal, noch hat er große Partys gefeiert, sondern hat malocht unter Bedingungen, wie sie die „SterneLiga“ zwecks Schaffung (billiger) Arbeitsplätze weiter verschärfen will. Aber die Anhänger des Ministers Salvini nehmen das nicht so genau, dafür haben sie ihn zu genau verstanden. Die Gewerkschaft USB hatte für Montag  zum Proteststreik aufgerufen, andere Gewerkschaften schlossen sich diesem Aufruf an. Siehe zum Mord an Soumayla Sacko, dem Proteststreik und der italienischen Regierungspolitik sieben aktuelle Beiträge:

„Mord an afrikanischem Erntehelfer und Gewerkschaftsaktivisten in Süditalien“ am 05. Juni 2018 bei Radio Dreyeckland externer Link berichtet zum Mord und den folgenden Protesten: „Nach dem Mord an einem malischen Gewerkschaftsaktivisten in Kalabrien streikten dort am gestrigen Montag die Tagelöhner. Der 29-jährige Soumayla Sacko war Samstagnacht von einem Unbekannten erschossen worden, als er zwei anderen jungen Maliern dabei half, in einer seit Jahren verlassenen Fabrik Bleche zu sammeln. Mindestens einer der beiden Begleiter von Soumayla Sacko wurde durch die Schüsse verletzt. Das Blech hatten sie für den Bau von Hütten in der Zeltstadt verwenden wollen, in der sie, wie viele Migranten in Süditalien lebten. Die Polizei riegelte die Zeltstadt nach dem Vorfall gegen den Willen der Bewohner ab und verhinderte so den Zutritt von JournalistInnen. Soumayla Sacko hatte seit mindestens 8 Jahren in Italien gelebt und hatte einen regulären Aufenthalt. Er war einer von vielen Migranten, die in Süditalien als Tagelöhner zu Hungerlöhnen und schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen als Erntehelfer, z. B. für Zitrusfrüchte, eingesetzt werden. Er war im Verband der Basisgewerkschaften, USB, aktiv. Der Zeitung „La Repubblica“ zufolge ist die Polizei dem mutmaßlichen Täter, einem weißen Mann, bereits dicht auf der Spur. Für den Mord wird in Protestaufrufen einerseits die ‚Ndrangheta verantwortlich gemacht, andererseits die derzeitige rassistische Stimmung. Nach dem Mord zündeten BewohnerInnen der Zeltstadt aus Protest Müll an und demonstrierten. Dem Streikaufruf des Gewerkschaftsverbandes USB folgten laut „La Repubblica“, zumindest in der betroffenen Gegend, alle Tagelöhner. Auch für die kommenden Tage haben USB-Sektionen unter dem Motto „Die fetten Jahre sind vorbei“ in ganz Italien Proteste angekündigt“.

„Chi ha paura dei braccianti USB? Sciopero nelle campagne, per Soumaila Sacko“ am 04. Juni 2018 beim Gewerkschaftsbund USB externer Link ist der erste Bericht von Protestaktionen an diesem Montag, in erster Linie über den regionalen Proteststreik, der gewerkschaftsübergreifend vollständig befolgt wurde und die gesamte Feldarbeit zum Erliegen brachte. Daneben gab es auch Protestdemonstrationen in mehreren italienischen Großstädten.

"Die Party ist vorbei" - zum italienischen Innenminister und seinem Hetzaufruf„Italienischer Innenminister Salvini nennt Flüchtlingsretter ‚Vize-Schmuggler’“ am 03. Juni 2018 ist eine dpa-Meldung externer Link (hier bei Börse Online), in der Salvinis Appell so dargestellt wird: „Italiens neuer Innenminister Matteo Salvini will Hilfsorganisationen stoppen, die im Mittelmeer Flüchtlinge aus Seenot retten. „Kein Vize-Schmuggler darf mehr an italienischen Häfen anlegen“, sagte der Chef der rechtspopulistischen Lega bei einer Veranstaltung im norditalienischen Vicenza am Samstagabend. Die Migranten, die ohne Aufenthaltserlaubnis in Italien seien, will er so schnell wie möglich loswerden. „Für die Illegalen ist das schöne Leben vorbei, sie müssen die Koffer packen.““. Und wer Menschen also demnach ertrinken lassen will, kann auch gegen Erschießen nichts haben, warum sollte er sich also irgendwie zu Todesschüssen äußern?

„La pacchia è davvero finita, signor Salvini. Ovviamente per Lei“ von Aboubakar Soumahoro am 04. Juni 2018 bei Contropiano externer Link ist ein Kommentar des Leitungsmitglieds der USB zu den fruchtbaren Hetztiraden des Schreibtischtäters Salvini, der darauf verweist, dass dieser das Feuer entfacht habe, das nun brenne. Neben Ausführungen zu dem, was ein Typ wie Salvini fette Jahre nennt, wird darin auch darauf verwiesen, für wen die fetten Jahre nun vorbei sein könnten…

„[VIBO VALENTIA] Ucciso il bracciante Sacko: solidarietà di classe e risposta di lotta!“ am 04. Juni 2018 bei SI Cobas externer Link ist der Aufruf der Basisgewerkschaft zu Solidarität und Protesten – wobei unterstrichen wird, dass eine Antwort durch Kampfmaßnahmen erforderlich sei.

Soumayla, vittima dell’odio e della viltà“ am 04. Juni 2018 bei Rassegna Sindacale externer Link ist eine Zusammenfassung der Ereignisse und der Stellungnahmen von CGIL Funktionären (zu diesem größten Gewerkschaftsbund Italiens auch diese Webseite gehört) , die unterstreichen, alle „nötigen Aktionen“ zu unterstützen. Auch in diesen Stellungnahmen wird – neben dem Hinweis auf die lange Tradition rassistischer Alltagspraktiken in der Landwirtschaft Italiens – die Verantwortung des Innenministers für das Verbrechen unterstrichen.

„LAB solidaridad con la clase trabajadora Italiana y con la USB de Italia“ am 04. Juni 2018 beim USB externer Link dokumentiert, ist die Solidaritätserklärung des baskischen Gewerkschaftsbundes LAB aus Anlass der Ermordung von Sacko. Sie steht hier einerseits als Beispiel für eine ganze Reihe solcher Erklärungen aus verschiedenen Ländern, andrerseits auch, weil darin Parallelen gezogen werden, zwischen der italienischen Sternebewegung und ihrem rechten Outing und der ähnlich gearteten Ciudadanos in Spanien, die der LAB ebenfalls als neurechte Bewegungspartei bewertet.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=133010
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