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Angriff auf die Agromafia in Süditalien: Gemüse und Obst wird von Migranten im „caporalato“, einer Art Schuldsklaverei, produziert. Der Kampf dagegen ist zäh

Streikdemo der afrikanischen Erntehelfer am 8.8.2018 in Foggia„Im Spätsommer ist Vollbetrieb. Das gilt für die Tomaten, die man herankarrt, um sie zu Konserven fürs Supermarktregal zu verarbeiten. Und das gilt für den Tod. Die Landarbeiter aus Gambia, Nigeria, Marokko oder Indien, die in Fahrradkolonnen zu zehnt auf dem Seitenstreifen ohnehin unwirtlicher Straßen fahren, sieht man im Morgengrauen immer schlechter. Vergangene Woche hat es Ousmane aus Mali erwischt. Ihn in sein Heimatdorf zu überführen, ist teuer, deshalb soll er auf einem von der Sonne ausgedörrten Friedhof beerdigt werden. (…) Der Ausdruck [„caporalato“] bezeichnet eine Verschränkung von Klientelismus und Schuldsklaverei: „Kaporale“ werben Arbeiter an, um deren Unterkunft und Transport zu den Produktionsstätten sie sich kümmern, während sie einen Großteil des Lohns für ihre Leistungen einbehalten. Sie stehen als informelle Mittler zwischen Betrieben und Arbeitern, über deren Finanzen und Leben sie sich hoheitliche Macht anmaßen. Tanzt jemand aus der Reihe, bezahlt er unter Umständen teuer. Ein afghanischer Junge wurde zu Tode geprügelt, weil er eine Coronaschutzmaske verlangte. (…) „Frontiera Sud“ externer Link, einer Vereinigung, die beobachtet, wie sich die Grenze der Dritten Welt sukzessive gen Norden verschiebt. Die „braccianti“ von einst sind ja längst innerhalb Italiens weitergezogen, nach Mailand und Turin. Und als Nachrücker kamen die Menschen des Globalen Südens. „Frontiera Sud“ versucht Öffentlichkeit für diesen Wandel zu schaffen und Initiativen miteinander zu vernetzen…“ Bericht von Ulrich van Loyen in der Freitag Ausgabe 39/2021 vom 6. Oktober 2021 externer Link, siehe weiteres und Hintergründe:

  • [Italien] Das Elend hat System: Mafiaorganisationen sind auch an der Ausbeutung von Landarbeiter*innen beteiligt New
    „… Die Menschen, die in Italien die Lebensmittel ernten, werden häufig als moderne Sklaven bezeichnet. Es sind mafiöse Strukturen, die die Landarbeiter*innen ausbeuten und in die die italienische Mafia unentwirrbar verwickelt ist. Der Verein Mafianeindanke leistet Aufklärungsarbeit und setzt sich dafür ein, dass in Deutschland und auf EU-Ebene besser gegen Organisierte Kriminalität vorgegangen wird. Zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierte er kürzlich die erste deutschsprachige Veranstaltung zu dem Thema in Berlin. (…) Die geladenen Gäste, Expert*innen und Aktivist*innen auf dem Gebiet, von denen einige aus Italien kamen, betonten, dass Deutschland und die EU für diese Zustände mit Verantwortung trügen und noch einiges getan werden müsse, um gegen die mafiösen Strukturen in der italienischen Landwirtschaft vorzugehen. Mafianeindanke schlägt zum Beispiel eine bessere Kontrolle von Lieferketten vor, um gegen die Agromafias vorzugehen, wie die mafiösen landwirtschaftlichen Strukturen von Seiten des Vereins genannt werden. Ein Begriff, der an dem Abend immer wieder fiel, ist Caporalato – die Ausbeutung von zum Großteil eingewanderten Saisonarbeiter*innen, die durch Zeitarbeitsfirmen auf die Felder vermittelt und ausgebeutet werden und unter schlimmen hygienischen Bedingungen in Slums wohnen. (…) Italiens Regierung hat sich dem Phänomen des Caporalatos erst 2016 angenommen, verändert hat sich seitdem fast nichts. Denn das Elend hat System. Die Preise, die für Lebensmittel gezahlt werden, sind so niedrig, dass, wer im kapitalistischen System bestehen will, nur an den Kosten der Arbeitskraft drehen kann – dem schwächsten Glied der Produktionskette. Die großen Supermarktketten haben eine enorme Wirtschaftsmacht und können die Bedingungen vorgeben. (…) Die mafiösen Strukturen leben davon, dass trotz der illegalen Ausbeutung das Produkt, das am Ende dabei herauskommt – also etwa die Tomate – legal ist. »Der Caporalato trägt Anzug und Krawatte«, sagte der italienische Gewerkschafter Stefano Gianandrea De Angelis. Auch wenn die italienischen Mafiaorganisationen eng mit der Ausbeutung der Landabeiter*innen verbunden sind, sind es neoliberale Wirtschaftsformen, die den kriminellen Strukturen Räume eröffnen. »Die westlich-imperiale Lebensweise hat als integralen Bestandteil diese Ausbeutung der Migrant*innen«, fasst Gilles Reckinger die Problematik zusammen. »Die Dominanzverhältnisse des Marktes wiegen dabei schwerer als die Mafien.« Die geladenen Gäste sind sich einig, um gegen die Ausbeutung vorzugehen, brauche es eine starke europäische Politik, gegen das System könne nicht national oder von Seiten der Konsument*innen vorgegangen werden.“ Artikel von Johanna Montanari vom 17. Oktober 2021 in neues Deutschland online externer Link

Siehe zum Hintergrund:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=194115
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