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Auf einem Auge blind: Deutsche Medien und der Gazakrieg

IALANA: Buch „Krieg und Frieden in den Medien“„Parallel zum Krieg zwischen der Hamas und Israel tobt auch ein internationaler »Krieg der Bilder« um Aufmerksamkeit und Deutungshoheit. Während auf Social Media zahlreiche Fotos und Videos das Leid im Gazastreifen zeigen, kämen diese in den deutschen Medien kaum vor, kritisiert der Journalist Daniel Bax. Stattdessen übernähmen diese oft unhinterfragt die israelischen Darstellung. Damit verspielten sie Vertrauen (…) Britische und amerikanische Medien berichten jedenfalls viel ausführlicher und kritischer. Statt die Behauptungen israelischer Stellen oder der Hamas ungeprüft wiederzugeben, recherchieren sie und hinterfragen diese viel öfter. Deutsche Medien lassen solchen journalistischen Ehrgeiz vermissen. Damit verspielen sie viel Vertrauen. Denn schon im Netz kann jeder, der will, das Grauen in Gaza mit eigenen Augen sehen…“ Artikel von Daniel Bax in „Blätter“ vom Juli 2024 externer Link und mehr daraus:

  • Weiter aus dem Artikel von Daniel Bax in „Blätter“ vom Juli 2024 externer Link: „… Hind Rajab war ein fröhliches Kind. Familienfotos zeigen sie lächelnd, mit einem Blumenhaarreifen in den langen Locken. Am 29. Januar 2024 floh die Sechsjährige mit ihrem Onkel, dessen Frau und vier Kindern aus dem Norden von Gaza. Dabei geriet ihr Auto unter Beschuss. Hinds 15-jährige Cousine Layan Hamadeh rief einen Notruf an. „Sie schießen auf uns. Der Panzer ist direkt neben mir“, ist auf einer Tonaufnahme des Palästinensischen Roten Halbmonds eine Stimme zu hören, die nach einer Salve Schüsse verstummt. Als die Helfer zurückriefen, meldete sich die sechsjährige Hind. Die Helfer versuchten, sie zu beruhigen, und versprachen, einen Rettungswagen zu ihr zu schicken. Auf der Aufnahme ist zu hören, wie Rajab sagt: „Ich habe solche Angst, bitte kommt.“ Zwei Sanitäter des Roten Halbmonds fuhren mit einem Rettungswagen in die Gefahrenzone, um das Mädchen zu evakuieren, doch der Kontakt zu ihnen riss ab. Zwölf Tage später, als die israelischen Panzer das Gebiet geräumt hatten, wurden die Leichen der Familie und der beiden Sanitäter in ihren zerschossenen Fahrzeugen gefunden. Das sechsjährige Mädchen ist zu einer Ikone des Kriegs in Gaza geworden. Als Protestierende auf dem Campus der Columbia University in New York im Frühjahr 2024 die altehrwürdige Hamilton Hall besetzten, benannten sie diese ihr zu Ehren in „Hind‘s Hall“ um. (…) In Deutschland ist die Geschichte von Hind Rajab kaum bekannt, nur wenige Medien haben ausführlich darüber berichtet. Das ist symptomatisch. Viele Journalistinnen und Journalisten hierzulande scheinen sich als Hüter der Staatsräson zu verstehen. Sie empören sich eher über Uni-Proteste in den USA und in Deutschland oder über ein fragwürdiges „Like“ einer Uni-Präsidentin auf X als über den Krieg in Gaza. Statt ihre Leserinnen und Leser darüber zu informieren, was dort passiert, scheinen viele das Bedürfnis zu haben, Israel vor scheinbar ungerechtfertigten Anschuldigungen in Schutz zu nehmen und zu verteidigen. Dabei werfen sie Grundlagen des journalistischen Handwerks über Bord – etwa dass man im Krieg keiner Seite glauben kann. Anders lassen sich viele Auslassungen und manche Headlines nicht erklären, die praktisch eins zu eins Behauptungen der israelischen Armee wiedergeben, ohne sie zu überprüfen. (…) Britische und amerikanische Medien berichten jedenfalls viel ausführlicher und kritischer. Statt die Behauptungen israelischer Stellen oder der Hamas ungeprüft wiederzugeben, recherchieren sie und hinterfragen diese viel öfter. Deutsche Medien lassen solchen journalistischen Ehrgeiz vermissen. Damit verspielen sie viel Vertrauen. Denn schon im Netz kann jeder, der will, das Grauen in Gaza mit eigenen Augen sehen. (…) Echte Enthüllungen haben es dagegen schwer, in Deutschland durchzudringen. Die israelische Tageszeitung „Haaretz“ deckte schon Anfang April auf, dass Israel im Negev Lager unterhält, in denen es mehrere Tausend Palästinenser aus dem Gazastreifen festhält. Whistleblower und Ex-Häftlinge berichteten von extremer Gewalt und Folter, und dass Gefangenen dort Gliedmaßen amputiert werden mussten, weil sie zu lange gefesselt gewesen waren. „CNN“ berichtete Anfang Mai über diese Enthüllungen, das ARD-Magazin „Monitor“ und der „Spiegel“ als erste deutsche Medien erst Wochen später. Vergleichbare Berichte aus Guantánamo oder Abu Ghraib kamen hierzulande deutlich schneller an – und riefen deutlich mehr Entsetzen hervor…“

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=221983
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