»
Iran »
»
»
Iran »
»

Vielleicht ist es ja dem iranischen Regime tatsächlich gelungen, die aktuellen Massenproteste per Repression zu beenden. Aber eben nur die aktuellen…

Proteste gegen Preiserhöhung im Iran ab 15.11.2019 - keineswegs nur militante Konfrontationen, hier eine der zahlreichen friedlichen Proteste in Teheran...„… Mit harter Bedrohung versucht die herrschende Klasse des Irans die Protestierenden zum Schweigen bringen. Diese Angstmacherei ist seit der Konterrevolution, also der Machtübernahme Khomeinis im Jahr 1979, der Hauptbestandteil des Verteidigungsmechanismus des iranischen Regimes gegen jegliche Art von Protesten, um die Unterdrückten und Ausgebeuteten zum Schweigen zu bringen und sie dadurch einzuschüchtern, zu disziplinieren. Durch das Abschalten des Internets im Iran ist es unmöglich, detaillierte Informationen über das Ausmaß der Proteste, die Zahl der Getöteten und die große Welle der Festnahmen und Verletzten zu bekommen. Inoffizielle Zahlen sprechen jedoch von bisher fast 300 Ermordeten. Im Iran gab es schon die ganzen letzten Jahre starke Proteste, zuletzt im Januar 2019. Und jetzt, im November 2019 hat der Kampf in dem Land die Radikalität der zweiten internationalen Welle angenommen und die Bewegung auf einer höheren Ebene mit Herausforderungen konfrontiert. Dieser Sprung der Radikalität gründet sich in den internationalen Verhältnissen: Das wichtigste Merkmal, das die Novemberbewegung von der Januarbewegung unterscheidet, ist die komplette Aufhebung des Tabus des “gewaltsames Kampfes” und die Unglaubwürdigkeit des “friedlichen Kampfes“ im Bewusstsein der Avantgardesektoren. Dies ist eine der wichtigsten Errungenschaften dieser Protestperiode, welche der gesellschaftliche Ausdruck einer neu erreichten Stufe des Selbstbewusstseins und Zorns ist…“ – aus dem Beitrag „Der Aufstand als Antwort auf die Operation des islamischen Kapitalismus – Teil II“ von Suphi Toprak am 25. November 2019 bei Klasse gegen Klasse externer Link zu den Ursachen der Proteste und ihrer Entwicklung seit der letzten Protestwochen zu Beginn des Jahres. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge zu den Protesten im Iran und der Repression sowie den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zu den aktuellen Protesten:

  • „Revolte im Iran: “Die Polizei erwartete nicht, dass es so ernst werden würde”  am 24. November 2019 im Lower Class Magazine externer Link ist ein Interview von Amanda Trelles Aquino mit der (in der Türkei lebenden) iranischen Aktivistin Athena, worin diese unter anderem zur Repression hervor hebt: „Es war eigentlich eine kleine Überraschung. Die Leute erwarteten nicht, dass so viele andere mitmachen würden, und die Polizei erwartete nicht, dass es so ernst sein würde. Zuerst ging es in den Slogans um Korruption und darum, wie der Staat das Ölgeld verloren hat und wie er sein Geld jetzt von den Menschen nehmen will, unter Bezugnahme auf die wirtschaftliche Situation und all die Korruptionsskandale der Regierung in letzter Zeit. Sie riefen auch, dass die Regierung Geld nach Palästina schickt und dass sie wollen, dass das Geld der Bevölkerung zu Gute kommen soll. Die Demonstrant*innen bedeckten ihre Gesichter nicht wie in der Vergangenheit. Es war zunächst ein wirklich ruhiger und friedlicher Protest. Nach und nach mischte sich die Polizei ein und es gab ein Bild, das Menschen zeigte, die die Verkehrskameras bedeckten. Die Gewalt begann an diesem Nachmittag zu eskalieren. Eines der ersten Videos zeigt die Revolutionsgarde in Mashhad. Die Person die filmt sagte, dass die Garde Fenster zerschlugen, und man kann Autos mit kaputten Windschutzscheiben sehen, die von ihnen umgeben sind. Dies geschah am Samstagabend. Die Leute erwarteten, dass die Polizei und die Revolutionsgarde anfangen würden, wie üblich zu unterdrücken, aber anscheinend hatten die Leute keine Angst mehr. Sie blieben und wehrten sich, und im Gegenzug wurde die Garde aggressiver. Universitätsstudent*innen in Teheran und anderen Städten haben sich den Protesten angeschlossen, und sie wurden verhaftet, in Krankenwagen aus der Universität gebracht. Wir wissen nicht, was jetzt mit ihnen passiert. Die Menschen in Shiraz gaben der Polizei Blumen was mit dem Einsatz von Wasserwerfern beantwortet wurde. In Kermanshah, Kurdistan, trieben die Menschen die Revolutionsgrade mit Steinen zurück, und wurden mit Tränengas beschossen. Am frühen Sonntag gab es Videos von Menschen in Schiraz und Sirjan, die von den Revolutionsgarden erschossen wurden…“
  • „Solidarität mit dem Massenaufstand im Iran“ von Martin Suchanek am 25. November 2019 in ArbeiterInnenmacht externer Link zur „Nachbearbeitung“ durch das Regime der neoliberalen Mullahs: „… Innerhalb weniger Tage, manchmal nur weniger Stunden, hatte sich die Bewegung über das ganze Land ausgebreitet. Am Wochenende waren nicht nur Schulen und Universitäten geschlossen, sondern auch Geschäfte und Fabriken. Bereits in den Wochen vor dem Massenaufstand konnte man eine Zunahme von Protesten und Streiks beobachten, wie z. B. bei ZuckerrohrarbeiterInnen in Haft Tappeh (Haft Tepe), die eine lange Tradition von ArbeiterInnenkämpfen haben, oder in den Stahlwerken in Ahvaz (Ahwas). Themen wie die monatelange Nichtzahlung von Löhnen lösten auch immer wieder Arbeitskämpfe aus. Am Wochenende des 16./17. November nahmen die Proteste vielerorts die Form eines spontanen Aufstands an, eines Ausbruchs der Verzweiflung, des Zorns und der Wut der Unterdrückten und Verarmten. Tankstellen, Rathäuser, manchmal auch Polizeiämter und Gebäude der „Revolutionsgarden“, der halbfaschistischen Milizen des Regimes, wurden gestürmt und niedergebrannt. In Schiras, einer Stadt im südlichen Iran, schienen die DemonstrantInnen für einige Zeit die Kontrolle übernommen zu haben. (…) Die Bedrohung durch eine Massenbewegung, die das Regime stürzen könnte, hat vorerst die „HardlinerInnen“ und den „gemäßigen“ Flügel des islamistischen Regimes vereint. Alle verurteilen den Aufstand als „Vandalismus“ oder vom Imperialismus gesponserten „Terrorismus“. Einige der FührerInnen der DemonstrantInnen, die verhaftet und sogar mit der Todesstrafe bedroht wurden, wurden im Fernsehen gezeigt, wo sie „gestehen“, dass sie im Namen der USA, Israels oder Saudi-Arabiens handelten. Solche „Geständnisse“ sind so vertrauenswürdig wie die jedes Schauprozesses. Seit Dienstag behaupten Rohani und andere VertreterInnen des Regimes sowie die staatlich kontrollierten Medien, dass sich die Situation „normalisiert“ habe. Dies klang und klingt eher nach einer selbstgefälligen Nachrichtenpolitik, wenn man bedenkt, dass die Nachrichtensperre aufrechterhalten blieb, dass jede „unkontrollierte“ Verbindung zur Außenwelt blockiert wurde. Aber es war und ist auch klar, dass das Regime alle Ressourcen mobilisiert, über die es verfügt – sein Monopol auf die Medien, den repressiven Apparat, die Gerichte, die Polizei, die Paramilitärs, die Institutionen der Islamischen Republik, die wie die Moscheen auch mit Teilen der Gesellschaft verbunden sind und die reaktionären Schichten zu Manifestationen für das Regime mobilisieren können. Angesichts der sehr realen Bedrohungen durch den US-Imperialismus, die Wirtschaftssanktionen und das westliche Ziel, einen „Regimewechsel“ durchzusetzen, gelingt es den Mullahs und ihren AnhängerInnen weiter, ihre Politik bei Teilen der Bevölkerung fälschlich als „Antiimperialismus“ zu verkaufen. Folgerichtig versuchen sie, die Massenbewegung als von ausländischen, US-imperialistischen, zionistischen und saudischen Kräften geführt und geleitet darzustellen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=158047
nach oben