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Repression im Iran fordert Todesopfer – die sozialen Proteste wachsen dennoch weiter an

Massenproteste im Iran 2017/2018: Gegen Teuerung. Gegen die neoliberale PolitikTrotz Repression werden die Proteste im Iran breiter. Und damit selbstverständlich auch politisch vielfältiger. Unsere Unterstützung gilt nach wie vor jenen, die für soziale Verbesserungen und mehr politische Freiheiten eintreten – nicht den ebenfalls auftauchenden Fans des Schahs und schon gar nicht jenen, die sich ausgerechnet bei Trump für seine „Unterstützung“ bedanken, über deren Absichten die ganze Welt erzählen kann – nichts Gutes. Zur jüngsten Entwicklung: „Iran wird von einer Welle regimekritischer Proteste erschüttert. Bis Montag starben nach Angaben des Staatsfernsehens mindestens zehn Demonstranten in Zentral-, West und Südwestiran. Zwei weitere Menschen kamen bei einem Unfall während der Proteste im westiranischen Dorud ums Leben. In mehreren Städten sollen angeblich bewaffnete Demonstranten staatliche Einrichtungen attackiert haben. Angriffe auf Polizeiwachen sowie Militärkasernen seien jedoch von Polizei und Sicherheitskräften vereitelt worden. Am Montag fand im Parlament in der Hauptstadt Teheran eine Krisensitzung statt, an der Präsident Hassan Ruhani und Mitglieder der Sicherheitskommission teilnahmen. Ruhani sagte in der Sitzung, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen. »Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten«, sagte der Präsident“ – so beginnt der Beitrag „Mindestens zehn Tote bei Protesten in Iran“ am 02. Januar 2018 in neues deutschland externer Link, worin auch die Machenschaften des US-Präsidenten Thema sind, der weiter versucht, sich als Vertreter von Freiheitsbestrebungen darzustellen. Zu den Protesten im Iran siehe drei weitere aktuelle Beiträge, einen Hinweis auf einen Twitterkanal mit zahlreichen Videos von der Nacht zum 2. Januar und eine Erklärung unabhängiger Gewerkschaften, sowie drei Stellungnahmen – und den Verweis auf unseren ersten Beitrag zu diesen Protesten:

„Unmut über Regierung“ von Knut Mellenthin am 02. Januar 2018 in der jungen welt externer Link, worin es zu den sozialen Ursachen der Proteste heißt: „Auslöser der Proteste soll Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation und aktuell vor allem ein starker Anstieg der Preise für Eier und Hühnerfleisch gewesen sein. Letzteres erklären die Behörden mit der angeordneten Schlachtung von Hühnern als Maßnahme gegen eine drohende Vogelgrippeepidemie. Allgemein sind der Zustand der iranischen Ökonomie und die Lebenslage vieler Menschen spürbar schlechter, als Präsident Hassan Rohani es bei seinem Amtsantritt im August 2013 und vor seiner Wiederwahl am 20. Mai 2017 versprochen hatte. Die offiziell bekanntgegebene Arbeitslosenquote liegt bei 12,4 Prozent und ist damit um 1,4 Prozentpunkte höher als ein Jahr zuvor. Rohanis Regierung konnte zwar die 2013 vorgefundene Inflationsrate deutlich senken, aber die Bevölkerung ist immer noch durch den Anstieg der Preise auch für Grundnahrungsmittel belastet. Außerdem sieht der im Dezember vorgelegte Haushaltsentwurf Kürzungen bei den Beihilfen zum Lebensunterhalt, auf die Millionen Menschen angewiesen sind, und eine Erhöhung des subventionierten Benzinpreises vor“.

„Mehr als zehn Tote bei Protesten“ am 01. Januar 2017 in der taz externer Link, worin unter anderem  berichtet wird: „In Teheran selbst setzte die Polizei am Vortag 200 Menschen fest. Der iranische Präsident Hassan Ruhani räumte die Wut einiger Bürger angesichts der nachlassenden Wirtschaftsleistung des Landes ein. Die Demonstrationen richten sich gegen jüngst gestiegene Preise für Grundnahrungsmittel wie Geflügel und Eier. Es sind die größten seit der umstrittenen Präsidentenwahl 2009. Sie begannen am Donnerstag in Maschhad, haben sich mittlerweile auf mehrere Städte ausgebreitet und erheben auch politische Forderungen. Seit dem internationalen Atomabkommen 2015 hat sich die Wirtschaft im Iran zwar verbessert, aber die Arbeitslosenzahlen sind weiter hoch, die Inflation ist gestiegen. Ruhani sagte am Sonntag, die Menschen dürften zwar protestieren. Die Öffentlichkeit sollte sich aber durch die Demonstrationen nicht „besorgt über ihre Leben und Sicherheit“ fühlen – die Regierung werde jene strafrechtlich verfolgen, die öffentliches Eigentum zerstörten oder Aufruhr in der Gesellschaft anstachelten“.

„Proteste in Iran: Gefahr für das Regime?“ von Gerrit Wustmann am 01. Januar 2017 bei telepolis externer Link, worin es unter anderem heißt: „Überraschend ist an der aktuellen Protestwelle ihre Größe und die Geschwindigkeit, mit der sie sich im ganzen Land ausgebreitet hat. Weniger überraschend ist ihr Anlass. Im Land brodelt es gewaltig. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12,4 Prozent, die Inflation verteuert die Lebenshaltungskosten massiv, Preise für Lebensmittel sind in den letzten Monaten um teils 50 Prozent gestiegen. Zugleich stagnieren die Löhne, die Ungleichheit nimmt zu und Sozialleistungen wurden gekürzt. Fast die Hälfte der iranischen Bevölkerung lebt unter oder nur knapp über der Armutsgrenze. Die Menschenrechtslage ist katastrophal. Kaum ein Land verhängt so viele Todesurteile wie Iran. Regierungskritiker sind massiven Repressionen ausgesetzt. In den Gefängnissen wird systematisch gefoltert. 2015 war Präsident Rohani noch gefeiert worden für das Gelingen des Atomdeals, der die internationalen Wirtschaftssanktionen beenden und eine Öffnung des Landes befördern sollte. Dieser Erfolg war ein maßgeblicher Grund für Rohanis Sieg bei der Wahl im Jahr 2016. Er versprach damals, die Wirtschaft anzukurbeln und die repressiven Gesetze zu lockern. Beides ist bislang aber kaum geschehen“.

„#IranWideStrike“ externer Link ist ein Twitter-Kanal, mit dem zu einem landesweiten Streik am 02. Januar 2018 aufgerufen wird. Mit welchen Erfolgsaussichten, sei dahin gestellt, was aber im Verlauf der Nacht zu diesem 2. Januar auf diesem Kanal zu finden ist, sind mehrere aktuelle Videoberichte aus verschiedenen Städten, die eine zunehmende gewalttätige Repression dokumentieren.

„Iran: Aufruf zum Generalstreik“ am 02. Januar 2018 bei Klasse gegen Klasse externer Link ist einerseits ein Kommentar zu dem ausgerufenen Iranweiten Streik, vor allem aber die Übersetzung (von Mia Khani) einer gemeinsamen Erklärung unabhängiger Gewerkschaften, in der unter anderem unterstrichen wird: „Die zentralen Forderungen, die in diesen Generalprotesten der prekarisierten arbeitenden Bevölkerung des Irans im Mittelpunkt stehen, sind zum Beispiel: Bekämpfung der hohen Preise, der Armut und Arbeitslosigkeit. Dies sind die Forderungen, die seit Jahren von Lehrer*innen, Student*innen und Krankenpfleger*innen und vielen anderen Arbeiter*innen gerufen werden. Das Regime und die Machthaber haben es ignoriert und sie haben weiterhin die Bevölkerung ausgebeutet. Was wir heutzutage auf den verschiedenen Straßen verschiedener Städte beobachten, ist die Explosion der Wut der Arbeiter*innen über Korruption der mächtigen Personen des Regimes und die mit dem Regime verbundenen wirtschaftlichen Institutionen in großen Massen einerseits und anderseits die Armut und die dunkle Seite der Armut von Millionen von Menschen bis zu Arbeitslosigkeit von Millionen von Arbeiter*innen und Jugendlichen, Straßenverkäufer*innen, die mit repressiven Maßnahmen aus den Straßen vertrieben werden, und Lastenträger*innen, die an den Grenzen (in kurdischen Gebieten) ermordet werden. Den Arbeiter*innen werden Löhne aufgezwungen, die sehr weit unter der Armutsgrenze liegen und die lohnabhängigen Arbeiter*innen werden mit Gefängnissen und Peitschenhieben unterdrückt, wenn sie ihre Rechte einfordern und Freiheit verlangen“.  Herausgegeben wurde die Erklärung von dem Verband Freier Iranischer Gewerkschaften, der  Strom- und Metall Gewerkschaft Kermanshah, der Gewerkschaft der Maler/ Provinz Alborz und dem Verein der Arbeiter*innenrechte.

„Reflections on the Growing Anti-Regime Protests in Iran“ von Frieda Afary am 31. Dezember 2017 bei der Alliance of Middle East Socialists externer Link ist ein Beitrag, in dem versucht wird, über den Vergleich mit den Protesten von 2009 die Besonderheiten der aktuellen Bewegung deutlich zu machen. Dabei wird insbesondere darauf abgehoben, dass es sich im Kern eben vor allem um eine Protestbewegung handelt, die soziale Probleme ausdrückt und als Ursache hat und entsprechende Forderungen stellt – weswegen auch, so die Autorin, die Beteiligung der ArbeiterInnen und der Erwerbslosen viel massier und sichtbarer sei, als es bei den damaligen Protesten gegen die Wiederwahl Ahmadinejads der fall gewesen sei.

„PJAK calls on peoples of Iran to fight and stand together“ am 31. Dezember bei der kurdischen Nachrichtenagentur ANF externer Link ist die Stellungnahme der kurdischen PJAK (Freiheitspartei) zu den Protesten, in der unterstrichen wird, dass es auch für soziale Proteste keine Lösungen geben werde, ohne politische Veränderungen. Darin wird auch darauf verwiesen, dass die Versuche, die Proteste auf ausländische Einmischung zurück zu führen, nur bedeuten, dass diese Proteste diskreditiert werden sollen – stattdessen müssten alle Völker im Iran für die politischen Veränderungen gemeinsam kämpfen.

„Statement of the Central Committee of the Tudeh Party of Iran: The struggle of the people of Iran“ am 31. Dezember 2017 bei der Tudeh Partei externer Link ist die Stellungnahme der KP zu diesen neuen Protesten, die die absolute Berechtigung dieser Proteste angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Realitäten des Landes unterstreicht. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass es der Aufmerksamkeit und Abwehr von Bestrebungen bedarf, die diese reaktionäre Regierung durch eine andere reaktionäre Regierung ersetzen wollen.

Siehe dazu zuerst: „Massenproteste im Iran: Gegen Teuerung. Gegen die neoliberale Politik“ am 31. Dezember 2017 im LabourNet Germany

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=125991
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