Neue Protest- und Streikwelle seit Sommer 2024 in verschiedenen Branchen Irans gegen wirtschaftliche Not, unbezahlte Löhne und staatliche Repression

Dossier

„In den letzten Tagen kam es in mehreren Städten des Iran zu einer Welle von Protesten, die von weitverbreiteten wirtschaftlichen Missständen, Umweltbedenken und Forderungen nach Transparenz und Gerechtigkeit angetrieben wurden. Arbeiter, Bauern, Händler und andere Bürger gingen auf die Straße, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, und wurden dabei von den Sicherheitskräften hart zurückgewiesen. (…) Am 2. August haben die Arbeiter des staatlichen Zug- und Lokomotivherstellers Wagon Pars in Arak im Zentrum Irans eine Protestkundgebung abgehalten, um ihre Unzufriedenheit mit ihren Arbeitsbedingungen und den verspäteten Lohnzahlungen zum Ausdruck zu bringen. (…) Auch Arbeiter der Stahlindustrie in Shadegan und der Zuckerindustrie in Shush protestierten…“ Überblick vom 5.8.2024 von National Council of Resistance of Iran („Proteste eskalieren angesichts wirtschaftlicher Not und staatlicher Repression“), siehe mehr dazu:

• Seit dem 5. Januar 2025 wieder Proteste von Arbeitern und Rentnern in ganz Iran und gewerkschaftsübergreifende Erklärung gegen die Krise der Lebenshaltungskosten
  • Iranische Arbeiterunruhen: Arbeiter und Rentner verurteilen arbeiterfeindliche Politik
    „Am Montag, dem 13. Januar, gaben mehrere Gewerkschaftsorganisationen und Rentner im Iran eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie die arbeiterfeindliche Politik des iranischen Regimes verurteilten, die ihrer Ansicht nach die Arbeiter und Lohnempfänger im ganzen Land entfremdet hat. In der Erklärung, die von der Haftapeh Sugar Cane Workers Union, der Retired Union Group, dem Coordinating Committee to Help Establish Labor Organizations und einer Reihe von Rentnern aus der Provinz Khuzestan unterzeichnet wurde, wird betont, dass die iranische Arbeiterklasse die Hauptlast der Produktion im Lande trägt. Es wurde erklärt, dass die Arbeiter „den größten Reichtum der Gesellschaft produzieren“ und dass „die Räder der Wirtschaft mit dieser Arbeitskraft in Bewegung sind“.
    Die Löhne bleiben weit hinter den Lebenshaltungskosten zurück
    Die Unterzeichner kritisierten die Lohnpolitik der Regierung und bezeichneten sie als „schlechter als in den vergangenen Jahren“. Sie warnten davor, dass die fortgesetzte Unterdrückung der Löhne die Krise verschärfen und die Gesellschaft „näher an den Rand des Abgrunds“ treiben würde. In der Erklärung wurde erklärt, dass die Löhne der Arbeitnehmer als einzige Einkommensquelle der Arbeiterklasse zumindest die Lebenshaltungskosten einer durchschnittlichen städtischen Familie decken sollten. Die Arbeitnehmerorganisationen forderten, dass die Löhne auf der Grundlage der tatsächlichen Lebenshaltungskosten für eine vierköpfige Familie in städtischen Gebieten berechnet werden, wie es in Artikel 41 des iranischen Arbeitsgesetzes festgelegt ist. Dieses Gesetz schreibt vor, dass der Mindestlohn auf der Grundlage der Inflation und der monatlichen Lebenshaltungskosten festgelegt wird.
    Aktivisten und Arbeitnehmerorganisationen argumentieren jedoch, dass die Berechnungen der Regierung fehlerhaft sind. Offizielle Statistiken beziffern die monatlichen Lebenshaltungskosten in Großstädten auf 32 bis 37 Millionen Tomans, aber die Unterzeichner behaupten, dass die tatsächlichen Kosten für eine vierköpfige Familie im Jahr 2024 eher bei 40 bis 45 Millionen Tomans liegen. Im Gegensatz dazu beträgt der monatliche Mindestlohn für verheiratete Arbeitnehmer mit Kindern nur 11 Millionen Tomans, wobei viele Arbeitnehmer noch weniger verdienen. (…)
    Wachsende Proteste und hartes Durchgreifen der Regierung
    In den letzten Jahren haben die Proteste von Arbeitnehmern, Lehrern, Rentnern und anderen Lohnempfängern stetig zugenommen. Die Demonstranten skandieren häufig Slogans gegen die Wirtschafts- und Arbeitspolitik des Regimes und fordern faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Trotz dieser wachsenden Unruhen hat das Regime mit Sicherheits- und Justizmaßnahmen reagiert, die darauf abzielen, die Proteste zu unterdrücken. Gewerkschafts- und Sozialaktivisten sind jedoch der Meinung, dass die repressiven Maßnahmen der Regierung nicht ausreichen, um die Frustration der Arbeiterklasse einzudämmen.
    Ein Aufruf zur Einheit
    Während sich die Wirtschaftskrise im Iran verschärft, machen die Arbeiterklasse und andere marginalisierte Gruppen zunehmend mobil, um ihre Rechte einzufordern. Die gemeinsame Erklärung der Arbeitnehmerorganisationen unterstreicht die dringende Notwendigkeit kollektiven Handelns und warnt davor, dass sich das wirtschaftliche und soziale Gefüge des Landes ohne signifikante Veränderungen weiter auflösen wird. Angesichts der Tatsache, dass die Lebenshaltungskosten schneller steigen als die Löhne und die Inflation keine Anzeichen für ein Abklingen zeigt, sieht sich das iranische Regime mit wachsendem Druck seitens der Menschen konfrontiert, auf die es zur Aufrechterhaltung seiner Wirtschaft angewiesen ist. Die Proteste von Arbeitern, Lehrern und Rentnern spiegeln nicht nur die wirtschaftliche Not wider, sondern sind auch eine deutliche Anklage gegen die Politik, die die Arbeiterklasse im Kampf ums Überleben zurückgelassen hat.“ engl. Artikel von Pejman Amiri  vom 14.1.2025 in Iran News Update ((maschinenübersetzt, Hervorhebung von uns) und zuvor:
  • Iran: Proteste von Bürgern, Arbeitern und betrogenen Verbrauchern
    „Am 7. Januar 2025 brachen im ganzen Iran Proteste aus, als Arbeiter, Bürger und betrogene Kunden ihre Beschwerden über schlechte Arbeitsbedingungen, steigende Kosten und Finanzbetrug äußerten. Die Demonstrationen, die sich über mehrere Städte erstreckten, spiegeln die wachsende Frustration über systemische Korruption und wirtschaftliches Missmanagement wider…“ Meldung vom 10.1.2025 bei NWRI 
  • Weitverbreitete Proteste im Iran verdeutlichen die Verschärfung der Wirtschaftskrise
    „Am Sonntag, dem 5. Januar, gingen Tausende von Arbeitnehmern und Rentnern in ganz Iran auf die Straße, um gegen die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage zu protestieren. Die Demonstranten kritisierten offen die Politik des Regimes, insbesondere die des Obersten Führers Ali Khamenei, dessen Strategien sie für die Verschärfung der westlichen Wirtschaftssanktionen und die Verschärfung der Wirtschaftskrise im Iran verantwortlich machten. Sie forderten die Regimevertreter auf, der Lösung der Existenzprobleme des Landes Vorrang einzuräumen. (…)
    Proteste in allen Provinzen
    Rentner in Provinzen wie Kermanshah, Khuzestan, Isfahan, Teheran und Gilan versammelten sich, um bessere Lebensbedingungen zu fordern. In Kermanshah versammelten sich die Demonstranten vor dem Ministerium für Arbeit und Genossenschaften und skandierten Slogans wie: „Gas, Strom und die Grundbedürfnisse wurden dem Volk gestohlen“, „Unsere Körper können sterben, aber die Freiheit darf nicht verloren gehen“, „Genug der Kriegstreiberei, unsere Tische sind leer“, „Unter der Last der Inflation bricht dem Volk das Kreuz“. (…)
    Arbeiter schließen sich den Protesten an Vertragsarbeiter der Nationalen Gesellschaft der südlichen Ölregionen in Khuzestan haben ebenfalls demonstriert und auf Lohnunterschiede und schlechte Arbeitsbedingungen hingewiesen. Gegenüber der Nachrichtenagentur ILNA sagten die Arbeiter: „Wir sind die Hauptstützen des Erdöls, nicht die dritten Säulen. Bei Löhnen, Prämien und Sozialleistungen klafft eine große Lücke zwischen uns und den offiziellen Angestellten. So erhalten beispielsweise die Beschäftigten der Ölgesellschaft Darlehen in Höhe von 300 Millionen Toman, während wir keinerlei Unterstützung erhalten“, so der Sekretär des Mazandaran Labor House, der darauf hinwies, dass etwa 6.000 Beschäftigte der Stadtverwaltung von Sari und der ihr angeschlossenen Organisationen seit über zweieinhalb Monaten keine Löhne mehr erhalten haben. Ebenso berichteten Bauarbeiter, die an dem Tourismusprojekt Lipar in der Freihandelszone Chabahar beteiligt sind, dass sie seit vier Monaten keinen Lohn erhalten haben…“ engl. Artikel von Poorang Novak vom 6.1.2025 in Iran News Update  (maschinenübersetzt)
  • unter Iran Workers bei Iran News Update weitere Meldungen
  • Siehe zur Gewerkschaft von Haft Tappeh unser Dossier: Die „Nicht Unterdrückbaren“ wieder im Kampf: Neuer Streik in iranischer Zuckerfabrik Haft Tappeh und diese auf Telegram
• Am 12. August 2024 überrollte eine Protestwelle der Unzufriedenheit den Iran, von Rentnern und Arbeitern bis hin zu Angehörigen der Gesundheitsberufe
  „Am 12. August 2024 überrollte eine Protestwelle den Iran, die die weitverbreitete Unzufriedenheit in verschiedenen Teilen der Gesellschaft widerspiegelte, von Rentnern und Arbeitern bis hin zu Angehörigen der Gesundheitsberufe und politischen Gefangenen. Die Demonstrationen, die sich über mehrere Städte und Regionen erstreckten, machten die wachsende Frustration des iranischen Volkes über die Vernachlässigung und gebrochenen Versprechen der Regierung deutlich.
  Lehrer der Alphabetisierungsbewegung versammelten sich in Teheran vor dem Bildungsministerium, um bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechte Bezahlung zu fordern. Ihre Kundgebung war geprägt von Parolen wie „Ruft für eure Rechte!“, mit denen sie ihre Frustration über die unzureichende Bezahlung und die Untätigkeit der Regierung zum Ausdruck brachten.
  In Khorramabad und Kermanshah veranstalteten pensionierte Angestellte der iranischen Telekommunikationsgesellschaft (TCI) Kundgebungen, um höhere Renten und die Begleichung der Grundbedürfnisse zu fordern. (…)
  In Rasht und Tabriz gingen Rentner der TCI auf die Straße, um zu fordern, dass das Regime seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt und die Renten den steigenden Lebenshaltungskosten anpasst. Diese Proteste fanden auch in anderen Städten im Norden und Nordwesten statt, darunter in Bidschar, wo Rentner, die zunehmend frustriert sind über die Missachtung ihres Wohlergehens durch die Regierung, ähnliche Beschwerden vorbrachten.
  In Yazd beteiligten sich Pflegekräfte an den landesweiten Streiks, die in Shiraz begonnen hatten, und protestierten gegen schlechte Arbeitsbedingungen, Arbeitskräftemangel und niedrige Löhne. Ihre Aktionen sind Teil einer breiteren Bewegung im Gesundheitssektor, in der sich Fachkräfte gegen systematische Vernachlässigung und unzureichende Unterstützung wehren.
  In Mashhad kam es zu einer Kundgebung von Vertragsarbeitern, die gegen nicht ausgezahlte und verspätete Löhne protestierten, ein anhaltendes Problem, das im ganzen Land zu Arbeitsunruhen geführt hat. Dieser Protest verdeutlichte die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Arbeiter, die immer weniger in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu sichern.
  In Ahvaz setzten die Rentner der TCI ihre Proteste fort und forderten, dass das Regime sich um ihre Grundbedürfnisse und Rentenanliegen kümmert. Ähnliche Proteste gab es auch in anderen Städten, was eine wachsende Verzweiflung unter der älteren Bevölkerung des Iran widerspiegelte…“ Überblick vom 13.8.2024 von National Council of Resistance of Iran (ohne Überschrift, wohl technischer Fehler) (maschinenübersetzt)
• Arak: Streik beim Waggonbauer Wagon Pars
  „Seit dem 25. Juli protestieren und streiken im Iran Arbeiter beim staatlichen Waggonbauer Wagon Pars in Arak. Sie protestieren gegen schlechte Arbeitsbedingungen, zu niedrige Löhne und Entlassungen. Gleichzeitig wehren sie sich gegen das Management, dem sie Korruption und Diebstahl vorwerfen. Sie fordern die Absetzung des Managements. Am 2. August demonstrierten die Waggonbauer in der Stadt. Wie auch in der Ölindustrie fordern die Arbeiter die Abschaffung des Leiharbeitersystems und feste Arbeitsverträge mit entsprechenden Löhnen.“ Kurzmeldung vom 13.08.2024 in den Rote-Fahne-News 

Siehe auch aktuell:

• insbesondere unser Dossier: Immer mehr Berufsgruppen des Krankenwesens im Iran protestieren gegen Arbeitsbedingungen und Löhne
• und das Dossier: Streikwelle 2020 im Iran: Zehntausende Zeitarbeiter bestreiken Öl- und Gasfelder – 2024 wieder aufgeflammt