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Irakisch-Kurdistan erlebt einmal mehr dieselbe reaktionäre Politik, wie der Rest des Landes: Auf soziale Proteste wird geschossen

Lehrerstreik in Iranisch-Kurdistan im September 2020„… Die Zahl der seit dem Beginn der Proteste am 2. Dezember getöteten Demonstranten im südkurdischen Gouvernement Silêmanî ist auf sechs gestiegen. Alle Todesfälle sind auf den Einsatz von Schusswaffen durch Sicherheitskräfte der beiden großen Regierungsparteien PDK und YNK zurückzuführen. Unter den Opfern sind auch mindestens zwei Minderjährige. Bei einem der Toten handelt es sich um einen Sechzehnjährigen, der gestern in Seyîdsadiq angeschossen worden war. Er erlag am Dienstag in einem Krankenhaus in Zentral-Silêmanî seinen Verletzungen. Ebenfalls in Seyîdsadiq wurde heute ein Zwölfjähriger tödlich von einer Kugel getroffen. Der Todesfall ist inzwischen vom Pressesprecher des Distrikts, Taha Ahmed, bestätigt worden. Nach Angaben von Ahmed sind in Seyîdsadiq in den vergangenen 24 Stunden zudem zehn Demonstranten und vier Polizisten verletzt worden. (…) Frustriert über die südkurdische Regionalregierung in Hewlêr kommt es seit Monaten zu Protesten, die immer wieder auf- und abflammen. Vor allem bei der jüngeren Generation, die Reformen, Mitbestimmung und Demokratie verlangt, macht sich zunehmend Resignation und Pessimismus breit. Der ökonomische Stillstand, die grassierende Jugendarbeitslosigkeit und die Allmacht der Clans lässt junge Menschen verzweifeln. Die Regierung ist zu elementaren Dienstleistungen unfähig, Gehälter von Beamtinnen und Beamten werden seit Monaten wieder nicht oder nur gekürzt ausgezahlt, Universitätsabsolvent*innen haben keine Perspektive, regelmäßigen Strom oder eine gut funktionierende Wasserversorgung gibt es ohnehin nicht. Die Region importiert alles, produziert aber nichts, ist weitestgehend vom Regime in Ankara abhängig. Besatzungsbestrebungen und völkerrechtswidrige Angriffe der Türkei werden geduldet oder sogar unterstützt. Der Name Barzanî prägt die Machtverhältnisse, und die sich in den vergangenen Jahren etablierte Vetternwirtschaft und Korruption wird immer sichtbarer. Jeglicher Widerstand gegen die Machtkonzentration des Clans wird niedergeschlagen…“ – aus der Meldung „Südkurdistan: Zahl getöteter Demonstranten steigt auf sechs“ am 08. Dezember 2020 bei der ANF externer Link über die Repression gegen die neuerlichen sozialen Proteste im kurdischen Teil des Irak. Siehe dazu drei weitere aktuelle Beiträge:

  • „Antiregierungsproteste in Südkurdistan dauern an“ am 06. Dezember 2020 ebenfalls bei der ANF externer Link beichtete zwei Tage zuvor über die Gründe der Proteste unter anderem: „… Im südkurdischen Gouvernement Silêmanî haben auch am Sonntag Proteste gegen die PDK-geführte Regierung in Hewlêr stattgefunden. Der Unmut richtet sich gegen die politische Elite, Misswirtschaft, Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Bei einem Großteil der Demonstrierenden handelt es sich um Beschäftigte aus dem Bildungssektor und öffentlichen Dienst, die ausstehende Löhne einfordern und gegen Gehaltskürzungen protestieren. Die Wut der Menschen staut sich aber auch aufgrund der Verschlechterung der öffentlichen Versorgung, der Wasserverschmutzung und des Strommangels auf. Im nordwestlich des Gouvernements gelegenen Bezirk Pîremegrun blockierten Protestierende zum zweiten Mal in Folge die Verkehrsstraße zwischen Dukan und Silêmanî. Am Abend wurden die örtlichen Büros der Parteien PDK und YNK angezündet. In Videos, die in sozialen Netzwerken geteilt wurden, sind Schüsse zu hören, die von Sicherheitskräften aus den Gebäuden willkürlich nach draußen abgefeuert werden. Verletzt worden sei nach bisherigem Stand niemand. Einem Team des Fernsehsenders NTV wurde der Zugang zum Ort verweigert. Auch in Takya bei Çemçemal kam es zu Straßenblockaden. (…) Nach dem Wiederaufflammen der Proteste in Südkurdistan hatte Ministerpräsident Mesrûr Barzanî auf einer Sitzung des Ministerrats den Beginn der Auszahlung der ausstehenden Gehälter für letzten Donnerstag angekündigt. Geschehen ist dies aber nicht. Bereits seit 2014 werden in Südkurdistan die Gehälter der öffentlich Beschäftigten entweder gekürzt oder gar nicht erst ausgezahlt. Die Regionalregierung argumentiert in der Regel, über kein Budget zu verfügen. Da Südkurdistan über eine große Beamtenschaft verfügt, sind die Aussetzungen der Lohnzahlung zu einem der Hauptprobleme der Region geworden. Hewlêr versucht das Ausbleiben der Gelder mit der politischen Krise mit der irakischen Zentralregierung, dem Absturz auf dem Dollarmarkt und der Corona-Pandemie zu erklären. Die Spannungen mit Bagdad dauern allerdings schon seit Jahren an. Das letzte Gehalt wurde dem Großteil der Beamtenschaft in der Autonomieregion Mitte Oktober ausgezahlt – allerdings für September und mit einer Kürzung um 18 Prozent. Die Lohnzahlungen im Juli und August sind sogar um 21 Prozent gekürzt worden...“
  • At least 4 protesters were killed and dozens were injured by the KDP armed forces during mass protests against the economic crisis, corruption & high unemployment in the autonomous Kurdish region of Sulaymaniyah. The offices of all political parties were set on fire“ – am 08. Dezember 2020 im Twitter-Kanal von The 1&1 externer Link ist ein Videobericht über einen Ausdruck der wesentlich gesunkenen Popularität der politischen Parteien in der autonomen Region, die allesamt als Vertretung sich selbst bereichender Clans gesehen werden und die Verantwortung für sozialen Kahlschlag und Repression tragen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182894
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