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Vom Protest zum Widerstand: Der größte Öl-Hafen des Irak blockiert, die Streikbewegung an den Schulen breitet sich aus
Der irakische Premierminister al Mahdi hat nach wochenlangen Protesten, die trotz blutiger Repression durch staatliche Sicherheitskräfte und Milizen immer größer wurden, seine Bereitschaft zum Rücktritt erklärt, wie es sein „Kollege“ im Libanon bereits getan hat. Zwar gibt es offensichtlich auch hier – ebenfalls wie im Libanon – reaktionäre Kräfte, die diesen Schritt verhindern wollen, aber dies ist ja ohnehin auch im Irak nicht die entscheidende Absicht der millionenfachen Proteste. Auch hier ist die zentrale Forderung die nach einer Änderung „des Systems“. Die auch hier auf die Abwehrhaltung jener Kräfte stößt, die gerade dieses System um jeden Preis erhalten wollen: Eine neue Regierung, samt dem Versprechen auf die Forderungen der Menschen einzugehen, und das soll es dann gewesen sein. Was jetzt zu einer Verschärfung auch des Widerstands führt, wie es die Blockade des Hafens von Basra deutlich macht – die Drohungen der (Konter-) Revolutionsgarden aus dem Iran kommen nicht von ungefähr und waren deutlich. Diese Hafenblockade aber ist auch ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Gewerkschaften im Irak – die sich gegen jede „ausländische Einmischung“ (womit immer die USA und der Iran gemeint sind) abgrenzen – eine wachsende Rolle in dieser Widerstandsbewegung einnehmen. Siehe dazu vier aktuelle Beiträge und den Hinweis auf unseren letzten Beitrag zur Protestbewegung im Irak, der bereits die Rolle der Gewerkschaften dabei zum Thema hatte:
- „Iraqis take to the streets in biggest day of mass demonstrations since fall of Saddam Hussein“ von Ahmed Aboulenein und Raya Jalabi am 01. November 2019 beim Globe and Mail war am Abend des Tages ein Bericht über die Freitagsdemonstrationen im Irak, die die größten im Lande überhaupt gewesen seien seit dem Sturz des Hussein-Regimes.
- „Iraqi protesters block roads, shutting offices and schools“ am 03. November 2019 bei Al Jazeera ist eine Meldung, die einen Überblick über die Entwicklung der Proteste am Wochenende und zu Wochenbeginn (am Sonntag) gibt, bei dem neben den zahlreichen Straßenblockaden – vor allem, aber nicht nur in der Hauptstadt – und der Hafenblockade im Süden der Streik der Lehrerinnen und Lehrer, der sich noch seinem Beginn in Bagdad nun im ganzen Land ausbreitet, Thema ist.
- „Tote und Verletzte bei Protesten im Irak“ am 03. November 2019 bei der Deutschen Welle über die Proteste vor allem im Süden des Landes: „… Bei Protesten um den Hafen in Umm Kasr sind am Samstag mindestens 120 Menschen verletzt worden. Die Sicherheitskräfte setzten auch dort Tränengas und scharfe Munition gegen die Demonstranten ein, die den Hafen im Süden des Landes seit Tagen blockieren, berichtete das unabhängige Irakische Hochkommissariat für Menschenrechte. Dutzende Schiffe wurden an der Entladung ihrer Waren gehindert. Umm Kasr ist Iraks wichtigster Zugang zum Meer. Eine Parlamentskommission rief die Demonstranten auf, die Blockade des einzigen Tiefwasserhafens im Irak zu beenden. Die Häfen des Landes seien für die Wirtschaft von großer Bedeutung. Augenzeugen berichteten, dass die Sicherheitskräfte rund 1000 Demonstranten angegriffen hätten, die die Tore des Hafens blockieren. Die Sitzblockade nahe der südirakischen Stadt Basra ist Teil der Massenproteste gegen die Regierung. Die Proteste haben das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen gebracht. In Bagdad sowie in Städten im Süden des Landes blieben Schulen und Verwaltungen erstmals flächendeckend geschlossen, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Demonstranten legten außerdem mit Straßenblockaden den Verkehr lahm. Der Sonntag ist in dem mehrheitlich muslimischen Land der erste Tag der Arbeitswoche (…) In der Stadt Kut im Osten des Landes blockierten Demonstranten Straßen und Brücken. „Wir haben beschlossen, die Straßenverbindungen zu kappen, als Botschaft an die Regierung, dass wir weiter protestieren werden, bis die korrupten Menschen und Diebe vertrieben sind und das Regime fällt“, sagte Tahseen Nasser, ein 25-jähriger Demonstrant. Schüler nahmen an Sitzstreiks an ihren Schulen teil. Die Lehrergewerkschaft des Landes verlängerte den Streik, den sie vergangene Woche begonnen hatte. Auch die Ingenieur-, Ärzte- und Anwaltskammern unterstützen die Proteste. Die Protestbewegung wendet sich mittlerweile gegen die gesamte politische und religiöse Führungselite und fordert den „Sturz des Regimes“. Studenten, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen haben sich dem Protest angeschlossen…“
- „Bagdad ist lahmgelegt“ von Jana Lapper am 03. November 2019 in der taz online berichtet vom Wochenende in der Hauptstadt: „… Die dramatischen Bilder zeigen, dass der seit einem Monat anhaltende Protest in Bagdad und anderen Städten Iraks eine neue Stufe erreicht hat. Auch an diesem Wochenende gingen Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die DemonstrantInnen vor und feuerten unter anderem Gummigeschosse und Tränengas-Granaten auf sie. Zwei Menschen starben dabei. Seit Anfang Oktober wurden rund 250 Menschen getötet und Tausende verletzt. Laut Amnesty International verwenden die irakischen Sicherheitskräfte Tränengasgranaten, die besonders heftig sind: Sie sollen sogar Schädel durchschlagen können. Die DemonstrantInnen fordern ein Ende der Korruption und der Arbeitslosigkeit im Land. Sie wenden sich mittlerweile gegen die komplette politische und religiöse Elite. Zwar hat Präsident Barham Saleh vorgezogene Wahlen und ein neues Wahlgesetz versprochen. Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi kündigte laut Saleh an, zurückzutreten, sobald ein Ersatz für ihn gefunden sei. Das neue Wahlgesetz soll dem Parlament in der kommenden Woche vorgelegt werden. Doch das geht den DemonstrantInnen nicht weit genug – sie wollen ein neues politisches System und den „Sturz des Regimes“...“
- Siehe dazu auch: „Irakische Gewerkschaften: Wir unterstützen diese Proteste nicht nur – wir sind Teil von ihnen“ am 01. November 2019 im LabourNet Germany