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Protestierende werden in Indien: Erschossen, Verhaftet, Gejagt. Und sollen dann auch die Kosten des „Polizeieinsatzes“ bezahlen…

Mit der Besetzung Kashmirs am 25.8.2019 fing die Offensive der indischen rechten an, mit diversen Staatsbürgerschafts-Gesetzen wird sie fortgeführt„… Die Demonstranten werfen der Modi-Regierung vor, dass sie auch dieses Gesetz benutzt, um einzig muslimische Flüchtlinge und Bürger rauszuwerfen, auch wenn viele von ihnen schon seit 1971 in Indien leben – damals flüchteten ein paar Millionen Ost-Bengalen aus Bangladesch (damals Ost-Pakistan) vor den Massakern der pakistanischen Armee. Dazu befürchten viele ältere Menschen, dass sie nicht ausreichend Papiere vorlegen können, die beweisen, dass sie in Indien geboren sind. Im Bundesstaat Assam, wo die die NRC schon eingeführt ist, wurden zwei Millionen Menschen zu Staatenlosen erklärt. Darunter auch ehemalige Soldaten der indischen Armee, die im Kargil-Krieg gegen Pakistan gekämpft haben. (…) Wie es Muslimen und Andersdenkenden in einem Hindu-Indien nach Modis und Shahs Vorstellungen ergehen würde, kann in Uttar Pradesh (UP) betrachtet werden – mit 200 Millionen Einwohnern Indiens bevölkerungsreichster Bundesstaat. Dort regiert seit 2017 der radikale Hindupriester Yogi Adityanath. Bei den Demonstrationen gegen das Einwanderungsgesetz und die NRC kam es in Uttar Pradesh zu 19 Toten. Viele wurden unter fragwürdigen Umständen erschossen. Die Polizei sagte in jedem der Todesfälle aus, sie hätten nicht von der Schusswaffe Gebrauch gemacht, doch ganz aktuell ist bei einer Autopsie bestätigt worden, dass das untersuchte Opfer von Polizeikugeln getroffen wurde. Genauso fragwürdig sieht es bei den Anklagen gegen einige der mehr als 1.200 verhafteten Demonstranten in Uttar Pradesh aus. Die Polizei weist alle Vorwürfe von sich und lobt sich selbst. Der bekannte indische Journalist Omar Rashid kann aus erster Hand anderes berichten. Die Polizei in Lucknow verhaftete ihn, als er in einem Café saß. Rashid sollte gestehen, dass er mit kaschmirischen Terroristen zusammenarbeitet und wurde Zeuge von brutalen Misshandlungen an einem Mitgefangenen…“ aus dem Beitrag „Das säkulare Indien lebt (noch)“ von Gilbert Kolonko am 30. Dezember 2019 bei telepolis externer Link worin neben der besonderen Geschichte des Bundesstaates Uttar Pradesh auch noch die säkularen Kräfte Indiens Gegenstand der Berichterstattung sind. Siehe dazu auch eine kleine aktuelle Materialsammlung zur Gesetzes-Offensive der indischen Rechtsregierung, den Widerstand dagegen und die folgenden Repressionsmaßnahmen – sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zu diesen aktuellen Auseinandersetzungen in Indien:

„Wie Modis Hindu-Nationalismus Indien verändern könnte“ von Srinivas Mazumdaru am 30. Dezember 2019 bei der Deutschen Welle externer Link hat zwar eine eher beschönigende Überschrift, weist aber auch darauf hin, wie kontinuierlich Modi und seine Banden „die Schraube anziehen“: „… Wenige Wochen nach dem Wahlsieg strich die Regierung Modi die Sonderrechte des indischen Bundesstaats Kaschmir aus der Verfassung, teilte ihn in zwei Teile und machte sie zu Unionsterritorien, die der direkten Verwaltung Delhis unterstehen. Das Gebiet ist Teil der länderübergreifenden Region Kaschmir, die nach der Unabhängigkeit vor mehr als 70 Jahren zwischen Pakistan und Indien aufgeteilt wurde und seither Zankapfel zwischen beiden Staaten ist. Kaschmir gehört zu den am stärksten militarisierten Gebieten der Welt. Nun hat die Regierung in Delhi weitere Truppen dorthin entsandt und die indisch kontrollierten Teile militärisch abgeriegelt. (…) Ein weiterer Punkt im 2019er Wahlprogramm der BJP war der Bau eines Hindu-Tempels in Ayodhya im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar Pradesh. Dort hatten nationalistische Hindus 1992 eine Moschee zerstört mit der Begründung, sie sei im 16. Jahrhundert auf dem Fundament eines Hindutempels zu Ehren des Gottes Rama errichtet worden – eine unter Historikern umstrittene Darstellung. Im November 2019 entschied das Oberste Gericht Indiens zugunsten der Regierungspläne, dass der Ram-Janmabhumi-Tempel neugebaut werden darf. 2020 sollen die Arbeiten ungeachtet des Protests der Muslime beginnen. Das Urteil passe genau in den Plan der BJP, ihre Macht zu festigen, sagt Soziologe Srivastava. (…) Ähnlich sieht es mit dem Nationalen Bürgerregister aus. Bisher existiert es nur im Nordoststaat Assam, wo es eingeführt wurde, um die Immigration aus dem benachbarten Bangladesch zu erfassen. Die BJP-Regierung will es für ganz Indien einführen. Dies sei nötig, um legale Einwohner von „Eindringlingen“ zu unterscheiden. Doch trotz Beteuerungen von Innenminister Shah, es gehe nicht um Diskriminierung einzelner Gruppen, formiert sich Widerstand…“

„Modi-Regierung bleibt stur“ von Natalie Mayroth am 29. Dezember 2019 in der taz online externer Link berichtet über die Reaktion auf die Massenproteste: „… „Die Modi-Regierung hat in ihrer zweiten Amtszeit mit der Umsetzung der RSS-Agenda begonnen“, sagt der Friedensaktivist Jatin Desai. Die hinduistische Kaderorganisation RSS (Nationale Freiwilligenorganisation) ist das ideologische Rückgrat der regierenden hindunationalistischen Volkspartei (BJP). Seit der im Mai begonnenen zweiten Amtszeit Modis fährt seine Regierung einen Kurs, der Hindus bevorzugt und Muslime marginalisiert. Dazu gehörten laut Desai das Staatsbürgerschaftsgesetz (CAA), die Reform des muslimischen Scheidungsrechts (Triple Talaq) sowie der Autonomieentzug des von Muslimen dominierten indischen Teils von Kaschmir. (…) Doch die Regierung bleibt ihrer Linie treu und lässt Gegenproteste organisieren. Der BJP-Minister für Minderheitsfragen und Muslime, Mukhtar Abbas Naqvi, behauptet, indische Muslime hätten nichts zu befürchten und die Protestierenden verbreiteten Lügen. Desai und Mithiborwala setzen auf die religionsübergreifende Zivilgesellschaft hinter den Protesten. Desai beklagt, wie überraschend die Gesetzesreform kam, auch wenn Modi hier einem Wahlversprechen folgte. „Sogar ihre Verbündeten sind nicht glücklich darüber.“ So kommt Widerstand auch aus dem bevölkerungsreichen Bihar…“

„These tribes hardly have any documents to prove their birth“ von Kashif Kakvi am 27. Dezember 2019 bei NewsClick externer Link berichtet von einem weiteren Aspekt der gegenwärtigen „Homogenisierungskampagne“ der BJP, unter anderem über den Bundesstaat Madhya Pradesh, wo rund 6 Millionen Menschen aus diversen Minderheiten Probleme dabei haben, die willkürlich geforderten „Papiere“ vorzulegen…

„Wieder Demonstrationen für und gegen Einbürgerungsgesetz in Indien“ am 27. Dezember 2019 im Standard.de externer Link meldete zur Mobilisierung (und Gegenmobilisierung der Regierung) unter anderem: „… Kritiker halten der hinduistisch-nationalistischen BJP von Premierminister Narendra Modi vor, mit der Neuregelung Muslime zu diskriminieren. Rund 200 Millionen der 1,3 Milliarden Einwohner Indiens sind Muslime. In Mumbai waren am Freitag hunderte bewaffnete Polizisten im Einsatz. „Wir sollten verfolgte Hindus hier ohne Einschränkungen willkommen heißen“, sagte der 82-jährige Mahindra Shah, der an der Kundgebung für das Einwanderungsgesetz teilnahm. „Warum müssen Muslime hierher kommen – wo Pakistan, Afghanistan und Bangladesch doch von Muslimen beherrscht werden?“ Bei einer Demonstration in Neu Delhi gegen das Gesetz sagte hingegen der Teilnehmer Muntazir Bashir: „Sie wollen die Armen, die Muslime und alle, die nicht mit ihnen einer Meinung sind, rausschmeißen.“ Die Regierungen mehrerer indischer Bundesstaaten haben angekündigt, das neue Einwanderungsrecht nicht anwenden zu wollen. Im Zuge der Proteste wurden bereits hunderte Geldstrafen wegen Zerstörung öffentlichen Eigentums oder wegen Beiträgen in sozialen Medien, die als unangemessen eingestuft wurden…“

„Generalstreik gegen Modi“ von Matthias István Köhler am 28. Dezember 2019 in der jungen welt externer Link zum (von jenen Gewerkschaftsverbänden, die verschiedenen Oppositionsparteien folgen beschlossenen) anstehenden Protest-Generalstreik unter anderem: „… Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Indiens, Uttar Pradesh, wurde in der Nacht zu Freitag laut Regierung der Zugang zum Internet gesperrt. Zudem wurden in dem nordindischen Staat, in dem laut Behörden bei den Protesten in den vergangenen Wochen bislang 19 Menschen gestorben sind, paramilitärische Einheiten und Überwachungsdrohnen eingesetzt. Wie das Nachrichtenportal des Senders Al-Dschasira am Donnerstag berichtete, hatte der Regierungschef von Uttar Pradesh, Yogi Adityanath zuvor »Rache an den Protestierenden« versprochen. Adityanath ist Mitglied der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) von Ministerpräsident Narendra Modi und gilt als »Hardliner«. Jüngster Anlass für die Proteste gegen die rechte BJP-Regierung ist das am 11. Dezember vom Oberhaus verabschiedete Einbürgerungsgesetz und die geplante Einführung von Nationalen Bevölkerungsregistern. Gegner dieser Maßnahmen befürchten, dass damit Millionen Muslimen und anderen Minderheiten die Bürgerrechte entzogen oder verweigert werden könnten. Bei den Protesten in den vergangenen Wochen sind laut Behörden bislang mindestens 27 Menschen gestorben. (…) Bereits Ende September, also noch vor der Verabschiedung des Staatsbürgerschaftsgesetzes, hatten mehrere große Gewerkschaftsverbände des Landes zu dem Generalstreik aufgerufen. »Die Zentralregierung hat es nicht nur versäumt auf die wirklichen Forderungen der Werktätigen zu reagieren, sondern hat ihre dreiste Aggression gegen die Rechte der Arbeiter im Interesse ihrer Herren in den Großkonzernen fortgesetzt«, hieß es damals in einer gemeinsamen Stellungnahme. Wie die Nachrichtenagentur United News of India berichtete, hätte laut Gewerkschaften die Politik der Modi-Regierung zu »ständig steigender Arbeitslosigkeit, willkürlicher Privatisierung und dem Ausverkauf nationalen Vermögens an Ausländer« geführt. In den vergangenen Tagen hatten sich laut Medienberichten landesweit immer mehr Gewerkschaften aus allen Branchen dem Aufruf angeschlossen. Ende November hatten sich auch die Bauernverbände des Landes den Streiks und Protesten für den 8. Januar angeschlossen. Sie werfen der Regierung Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen der Landwirte vor...“

„Reign Of Terror In U.P Says Fact Finding Report“ am 27. Dezember 2019 bei Countercurrents externer Link berichtet von der Ergebnis-Pressekonferenz einer Untersuchungsgruppe, die nach Uttar Pradesh reiste, um dort die alltägliche Repressionswirklichkeit zu dokumentieren, was sie auch ausführlich anhand von Opfern, Festnahmen und Haftbefehlen tut – inklusive der zahlreichen aktuellen Verbote: etwa das Verbot, die Opfer des Polizeiterrors „normal“ zu beerdigen…

„No Legal Backing for UP Govt’s Action Against Property of ‚Rioters‘: Lawyers“ von Gaurav Vivek Bhatnagar am 27. Dezember 2019 in The Wire externer Link berichtet von der Reaktion zahlreicher Anwälte und sonstiger Juristen auf die Drohung der Regierung, DemonstrantInnen müssten für den Polizeieinsatz bezahlen, wofür auch ihr Eigentum konfisziert werden würde – wofür es laut diesen Meinungen auch nicht entfernt eine gesetzliche Grundlage gebe…

„Govt has failed to make B’ngir, Nuapada migration-free: INTUC“ am 30. Dezember 2019 beim Daily Pioneer externer Link berichtet von einer Konferenz des Gewerkschaftsbundes INTUC auf der die Regierung des Bundesstaates Odisha dafür kritisiert wird, dass sie nichts unternommen habe, die Wanderarbeit zu unterbinden. Was sicher konkret behandelt werden muss – es handelt sich auch um Fragen wie die Eingliederung in normale Arbeitsbeziehungen – aber dennoch, etwa durch das Beharren auf Festlegungen wie „80% aller Jobs für Einheimische“ deutlich macht, dass Gewerkschaften in Indien auch offene Flanken für reaktionäre Einstellungen zuhauf bieten… Die INTUC-Föderation gehört dem „Geleitzug“ der Kongress-Partei an.

„Citizenship Act-NRC: Left announces seven-day nationwide protests from January 1“ am 26. Dezember 2019 bei Scroll.in externer Link ist die Meldung über den Aufruf von fünf linken (parlamentarischen) Parteien, eine Aktionswoche gegen die (diversen) neuen Staatsbürgerschaftsgesetze zu organisieren. Wie dies ausfällt wird auch ein Hinweis dafür sein, ob die indische Linke ihre Wahlkatastrophen allmählich „verdaut“ hat…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160052
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