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Trotz der Ausgangssperre der indischen Regierung: Zehntausende der rund 140 Millionen WanderarbeiterInnen wollen nach der Entlassung nach Hause

 „… Dabei irren alleine in Südindien Zehntausende entlassene Arbeiter aus dem Norden des Landes umher: in Indien arbeiten Millionen Menschen mehr als tausend Kilometer entfernt von ihrem Wohnort als Tagelöhner – 90 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ist im informellen Sektor tätig. Was los sein wird, wenn in Indien die Wirtschaft zusammenbricht, ist nur schwer vorstellbar. Nicht nur wegen der Lebensmittel, sondern auch, woher der größte Teil der Bevölkerung das Geld für ihre Medikamente nehmen soll, die sie für die zahlreichen anderen Krankheiten benötigt. Dazu die aufgehetzte Stimmung zwischen Muslimen und Hindus. (…) Nun hat Indien im Fall des Sars-CoV-2 einen Vorteil. Die Bevölkerung ist im Schnitt 28 Jahre jung. Doch wer seit Jahren den Teil Indiens durchstreift, in dem knapp die Hälfte der 1,38 Milliarden Einwohner lebt, muss einen großen Nachteil erwähnen: Fast jeder Einwohner zwischen dem Oberlauf des Ganges im Nord-Westen und dem Ausgang des Nebenflusses Hugli im Osten des Landes ist offensichtlich krank. Wer abendlich durch die illegalen Siedlungen der indischen Großstädte Delhis oder Kolkatas streift, kann dazu Folgendes sehen: Die Alten werden nach draußen geschoben oder getragen, damit sie etwas am Straßenleben teilhaben können. Doch schaut man genau in die Gesichter, wird sichtbar, dass die meisten von ihnen nicht alt sind, sondern erkrankte junge Männer und Frauen. Am Dienstagabend, den 24. März, waren in Indien 536 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert. Natürlich wird die Dunkelziffer bei weitem höher liegen, wie bei den meisten anderen Krankheiten in Indien auch. Im Süden des Landes in Kerala ist das Gesundheitssystem bei weitem besser als landesüblich. Auch in der Großstadt Mumbai. Doch das am dichtesten besiedelte Gebiet Indiens ist nun einmal der Norden des Landes – alleine in den Problem- Bundesstaaten Uttar Pradesh und Bihar leben mehr als 300 Millionen Menschen. Dort ist das Gesundheitssystem schon ohne Corona überlastet und der Apotheker an der Ecke der Facharzt der Armen…“ – aus dem Beitrag „Indien: David schlägt Goliath“ von Gilbert Kolonko am 25. März 2020 bei telepolis externer Link zur Ausrufung der „totalen Ausgangssperre“ durch die rechtsradikale indische Regierung. Siehe dazu auch fünf weitere aktuelle Beiträge, davon zwei zur Situation der Wanderarbeiter und ihrer Rolle in Indien und zwei weitere über gewerkschaftliche Initiativen zur Verteidigung der WanderarbeiterInnnen in der aktuellen Situation:

  • „Größte Ausgangsperre der Welt“ von Thomas Berger am 28. März 2020 in der jungen welt externer Link berichtet unter anderem: „… Premierminister Narendra Modi hat seinen Landsleuten, unter denen es laut Johns Hopkins University bis Freitag mittag nur 775 bestätigte Erkrankte gibt, eine große kollektive Ausgangssperre verordnet. Das Gesundheitssystem droht im schlimmsten Fall mit Millionen Infizierten überlastet zu werden. Für drei Wochen verfügte die Zentralregierung einen kompletten Lockdown des Landes: Nur noch im Notfall, beispielsweise für lebensnotwendige Einkäufe, sollen sich die Menschen auf die Straße wagen. Dass Modi mit seiner Rede vom Dienstag abend die drastischen Maßnahmen aber allen ohne Vorbereitungszeit überstülpte, sorgte für enorme Probleme. Insbesondere Arbeitsmigranten, die zwischen verschiedenen Regionen oder zwischen Stadt und Land pendeln, hat es besonders hart getroffen. Da auch die Verkehrsverbindungen unterbrochen wurden, wissen sie nicht, wie sie nach Hause kommen sollen. Einzelne Gruppen sind seit Tagen zu Fuß auf leeren Highways unterwegs. Es sind gespenstische Bilder, die man aus dem sonst hektischen Alltag gar nicht kennt. Am ersten Tag des Lockdowns hatten Polizisten mit Schlagstöcken Menschen auf der Straße zum Heimweg »aufgefordert«. Die Busse der staatlichen und der privaten Transportunternehmen stehen im Depot. Bei Motor- und Fahrradrikschas, sofern diese anfangs noch fuhren, ließen Polizeibeamte die Luft aus den Reifen. Und die sonst auf einem 250 Kilometer umfassenden Liniennetz verkehrende Metro der Hauptstadtmetropole Delhi steht ebenso still wie die zu den Stoßzeiten sonst völlig überfüllten Vorortzüge in Mumbai und Kolkata. Nicht einmal Langstreckenverbindungen sind ausgenommen. Von einigen Zügen mit wichtigen Versorgungsgütern abgesehen, rollt auf den Schienen nichts mehr. Das gleiche gilt für die Straßen: Selbst Lkws mit Obst und Gemüse werden zum Teil von der Polizei gestoppt. Internationale Flüge bleiben bis 14. April ebenfalls ausgesetzt…“
  • „How the Lockdown Drove a Workforce on the Margins to Further Alienation“ am 29. März 2020 bei The Wire externer Link berichtet von einer Studie über die Auswirkungen der Ausgangssperre auf die WanderarbeiterInnen – wozu man vor allem zuerst sagen muss, dass es sich dabei um rund 140 Millionen Menschen handelt. Die von Aajeevika Bureau und dem Working People’s Charter  herausgegebene Studie und Stellungnahme ist auch gleichzeitig ein Forderungskatalog: The ‘Charter of demands for internal migrant workers during COVID-19 pandemic’ fasst die zentralen Forderungen der sozialen Organisationen in diesem Bereich zusammen, zuallererst die Forderung nach Nahrung, auch dann, wenn sie bei ihrer Flucht aus den Städten in ihren Heimatdörfern ankommen, wo sie immer noch kein Geld haben und oft genug auch nicht in der Lage sind, sich entsprechend auszuweisen, weswegen solche Hilfe ohne formale Kriterien organisiert werden müsse.
  • „India Lockdown on Covid-19: Joint Letter by Trade Unions to the Prime Minister“ hier am 26. März 2020 beim South Asia Citizens Web externer Link dokumentiert, ist der Offene Brief der Gewerkschaftsföderationen INTUC, AITUC, HMS, CITU, AIUTUC, TUCC, SEWA, AICCTU, LPF und UTUC an den indischen Regierungschef Modi, mit dem die bisherigen Maßnahmen zwar als prinzipiell gerechtfertigt aufgrund der Bedrohung durch das Virus anerkannt werden, aber eine ganze Reihe von Forderungen erhoben werden, um die sozialen Folgen dieser Politik auszugleichen – wie ein Mindestbetrag für jeden und jede Arbeitenden und speziell die informell Beschäftigten und den besonderen Schutz für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=168102
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