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Ein Jahr lang Proteste gegen Verfassungsbruch in Guinea: Aber solange das Regime für sichere Profite von Europas Konzernen sorgt…

Massenproteste gegen Verfassungsänderung in Guinea im Oktober 2019„… Es brodelt in Guinea. Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl am 18.10. erleben Guineer einen von verbaler und physischer Gewalt geprägten Wahlkampf, der dem Austausch über die Programme der Kandidaten kaum Platz lässt. Jugendliche blockieren in der Hauptstadt Conakry die Konvois der Oppositionskandidaten, reißen Wahlplakate nieder, es kommt zu brutalen Ausschreitungen. Laut Amnesty International sind zwischen Oktober 2019 und Juli 2020 mindestens 50 Menschen bei Protesten überwiegend durch Sicherheitskräfte getötet worden, mehr als 200 wurden verletzt, zahlreiche weitere willkürlich inhaftiert. Die Oppositionsbewegung FNDC spricht von mindestens 92 Toten seit Juni 2019. Auslöser für die Ausschreitungen ist die Kandidatur des Präsidenten Alpha Condé, dessen zweite Amtszeit sich dem Ende neigt. Guineas Verfassung sah ursprünglich nur zwei fünfjährige Amtszeiten für den Präsidenten vor, doch aufgrund eines im März angenommenen Verfassungsreferendums beharrt der 82-jährige Condé darauf, dass der Zähler für ihn auf Null zurückgesetzt worden sei. Demnach sei Condé nun berechtigt, weitere zwölf Jahre im Amt zu bleiben. Die Frage nach der Anzahl der Amtszeiten des Präsidenten ist für viele Guineer brisant. Vor Beginn des demokratischen Übergangs im Jahr 2010 hatte das Land 50 Jahre autoritärer Herrschaft hinter sich. Die aktuellen Entwicklungen seien „nicht gerade ein Zeichen für die Demokratie“, sagt Ilaria Allegrozzi von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW)...“ – aus dem Beitrag „Guineas Präsidentschaftswahl: Aller guten Dinge sind drei? „ von Silja Fröhlich am 16. Oktober 2020 bei der Deutschen Welle externer Link – worin zwei Dinge eher untergehen: Zum einen, dass es keineswegs nur „die andere politische Partei“ ist, die das Referendum anzweifelt und vom Verfassungsbruch spricht, sondern eine überparteiliche demokratische Bewegung. Und zweitens, dass diese trotz aller blutigen Repressionsversuche des Conde-Regimes immer weiter gekämpft hat… was auch, in jedem Fall, wesentlich wichtiger ist, als das Wahlergebnis vom 18. Oktober 2020. Siehe dazu eine kleine Materialsammlung zu den aktuellen politischen Protesten, ihrer Chronologie und Hintergründe, sowie zu damit zusammen hängenden gewerkschaftlichen und sozialen Protesten und – ebenfalls „damit zusammenhängenden“ – Geschäften französischer Kapitalgruppen, sowie den Hinweis auf unseren ersten Bericht zu diesen Auseinandersetzungen in Guinea vor rund einem Jahr:

„Référendum constitutionnel : affrontements à Dalaba, Faranah, Labé“ am 30. September 2020 bei Anthropologie du Présent externer Link ist eine Materialsammlung zu den allerjüngsten Massenprotesten quer durch Guinea – örtliche Proteste gibt es faktisch jeden Tag…

„Timeline: A year of bloody protests in Guinea“ am 14. Oktober 2020 bei Al Jazeera externer Link ist eine chronologische Dokumentation der Entwicklung der Massenproteste in Guinea im Verlauf des letzten Jahres – versehen mit einer Reihe von Links zu damaligen Berichten und Meldungen

„Alpha Condé will nochmal“ von Bernard Schmid am 12. März 2020 in der jungle world externer Link (Ausgabe 11/2020)  bereits damals zu Wahlterminen, Verfassungsänderung und autoritärer Regime-Wende unter anderem: „… Doch seit dem vorigen September ließ der zuerst im Dezember 2010 gewählte Präsident Alpha Condé durchblicken – erstmals andeutungsweise bei einem Staatsbesuch in Berlin –, dass er plane, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Die unter ihm entworfene und verabschiedete Verfassung von 2011, die erste demokratisch zu nennende in der Geschichte der seit 1958 unabhängigen Republik Guinea, erlaubt dem Präsidenten aber nur zwei Amtszeiten. Wie andere Präsidenten des afrikanischen Kontinents in den vergangenen Jahren – 2015 eröffneten die Autokraten von ­Burundi und Kongo-Brazzaville den Reigen – möchte nun auch Condé diese verfassungsrechtliche Beschränkung abstreifen. Dabei hätte man zumindest von Condé etwas anderes erwartet. Vor seiner Rückkehr aus dem Exil 1991 lebte er 38 Jahre lang in Frankreich und war dort bei den Sozialdemokraten aktiv, er galt als westlich geprüfter, erfahrener Demokrat. Seit seiner Amtsübernahme entwickelt er jedoch autoritäre Tendenzen. Seit einem ersten Demonstrationstag am 14. Oktober eskalieren die Proteste. Bei deren Bekämpfung tötete die Polizei seither mindestens 31 Menschen, hauptsächlich durch Schusswaffeneinsatz. Das Regierungslager schürt zudem ethnische Konflikte, um die Bevölkerung zu spalten. Die stärkste Oppositionspartei, die UFDG, gilt in weiten Kreisen als »Partei der Peul«. Diese stellen ein Drittel der Bevölkerung Guineas, bilden die größte einzelne Sprachgruppe und leben auch in Nachbarländern wie Senegal, Mali und Burkina Faso. In der Republik Guinea kontrollieren Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe beträchtliche Teile des Handels. In anderen Bevölkerungsgruppen wie den Malinké, zu denen Alpha Condé gehört, den Soussou oder der Bevölkerung des als »Waldguinea« bezeichneten südlichen Landesteils lässt sich zum Teil mit dem Argument Wahlkampf führen, nun sollten die Peul nicht auch noch die Politik kontrollieren; deswegen dürfe ein Peul wie der Vorsitzende der UFDG, Cellou Dalein Diallo, nicht Präsident ­werden. Sicherlich lehnen auch Angehörige anderer Gruppen als der Peul es ab, Condé eine dritte Amtszeit zu ermöglichen, doch sind es vor allem ärmere junge Peul, die die Proteste dominieren…“

„Der Präsident bittet zur Urne“ von Dominic Johnson am 22. März 2020 in der taz online externer Link zu ganz konkreten Wahlfälschungen unter anderem: „… Die Opposition wirft Condé nicht nur seine Verfassungspläne vor, sondern auch Manipulation bei den Wählerlisten. Anfang März bestätigte eine Prüfmission der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft), dass 2,438 Millionen der 7,764 Millionen Namen auf den Wählerlisten fiktiv seien und gestrichen gehörten; 38.000 reale Wähler seien zudem mehrfach eingetragen. Die Wahlkommission behauptet, sie habe diese Fehler umgehend korrigiert, bestätigt ist das aber nicht. Eine Guinea-Reise mehrerer Ecowas-Staatschefs, unter anderem aus Nigeria und der Elfenbeinküste, zur Beruhigung der Lage wurde Anfang vergangener Woche ohne Begründung abgesagt. (…) Noch am gleichen Abend erließ der Gouverneur der Hauptstadt Conakry ein Verbot aller öffentlichen Ansammlungen von mehr als 100 Menschen. Das hinderte die Regierungspartei allerdings nicht an einer rauschenden Abschlusskundgebung ihres Wahlkampfs am Samstag...“

„Aboubacar Soumah : « nous sommes privés de nos salaires, ils veulent nous tuer »“ von Mohamed Bangoura am 28. April 2020 bei Mosaique Guinée externer Link berichtet von einer PK des Sprechers der Bildungsgewerkschaft SLEGG im Gewerkschaftsbund USTG – aus der der Charakter des Regimes zumindest indirekt deutlich wird: Während Lehrerinnen und Lehrer in vielen Ländern um besseren Schutz vor der Epidemie kämpfen, müssen sie in Guinea schon um die Ausbezahlung ihrer Gehälter kämpfen…

„SLECG/GREVE : Les 11 centrales syndicales de l’USTG déposent leur préavis de grève !“ am 17. Februar 2020 bei Ledeljy externer Link meldete die Stellungnahme des Gewerkschaftsbundes USTG – der an diesem Tag bekannt gab, man werde – falls die Regierung nicht einlenke – zum landesweiten Solidaritätsstreik mit der zu jenem Zeitpunkt seit Wochen im Streik befindlichen SLEGG aufrufen.

„Emeute de l’électricité à Matoto“ am 20. Juni 2020 ebenfalls bei Anthropologie du Présent externer Link ist auch eine Materialsammlung zu weiteren sozialen Protesten – hier, als Beispiel, gegen die weitgehend nicht vorhandene Stromversorgung. Und dies eben nicht irgendwo, sondern in einem großen Stadtteil der Hauptstadt Conakry.

„En Guinée, le filon d’une start-up minière française pour éviter l’impôt“ von einem AutorInnen-Kollektiv am 11. Oktober 2020 bei Libération externer Link ist zwar ein abopflichtiger Beitrag, aber bereits in der lesbaren Einleitung wird deutlich, welche Rolle Guinea (und, wie traditionell, insbesondere Guineas Bauxit-Bergbau) für Frankreichs Kapitalisten – unter anderem – spielt: Ein landesweites Steuer-Vermeidungs-Modell…

„Petits arrangements et gros soucis pour Bolloré“ von Thomas Borell am 01. Juni 2018 bei Survie externer Link berichtet von einem der (zahllosen, dunklen) Geschäfte der französischen Bolloré-Gruppe (nicht nur) in Guinea – hier geht es darum, wie sie sich die Lizenz zum Betreiben des Hafens von Conakry „gesichert“ (gekauft) haben. So ein Regime möchte man denn doch behalten…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=179756
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